MOFs – die Speicherwunder für Gase

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Der BASF-Forschungsblog
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Seit ihrer Entdeckung vor rund zwölf Jahren begeistern  sich mehr und mehr Forscher für die hochporösen Kristalle, die Gase einlagern können wie ein Schwamm, der Wasser aufsaugt. Auf den Straßen Kaliforniens sind bereits erste Trucks unterwegs, die Erdgas als Brennstoff verwenden und testen, wie gut sich MOFs oder „metal organic frameworks“ in Erdgastanks eignen. Der MOF-Pionier und BASF-Materialforscher Dr. Ulrich Müller gibt im Gespräch einen Überblick über die aktuelle MOF-Forschung.

Herr Dr. Müller, Ihre MOFs waren gerade das Molekül der Woche in der Deutschlandfunk-Reihe zum Internationalen Jahr der Chemie – wie sind Sie zu dem Forschungsgebiet gekommen?
Unsere Arbeitsgruppe hat sich schon immer mit porösen und hochoberflächigen Materialien wie zum Beispiel den Zeolithen beschäftigt. Als dann 1999 Professor Omar M. Yaghi in der Novemberausgabe der Zeitschrift Nature den ersten MOF mit einer Oberfläche von 3000 Quadratmetern pro Gramm vorstellte, war uns allen sofort klar, welchen Riesenfortschritt dies für die Materialwissenschaft bedeutet. Ich habe gleich Kontakt zu Professor Yaghi aufgenommen, und seither kooperieren wir mit ihm.

Nanocubes act as a storage medium for hydrogen A possible storage medium for hydrogen are nanocubes made of metal organic frameworks (MOFs). Photo: BASF – The Chemical Company, 2010Was ist an den MOFs so besonders?
Professor Yaghi hat etwas Ungewöhnliches gemacht, indem er die organische und die anorganische Chemie erstmals miteinander verheiratet hat. Dadurch tat sich eine völlig neue Welt auf mit Strukturen, die zum ersten Mal kein so genanntes Totvolumen mehr haben. 100  Prozent des Raums in den Kristallen steht zur Gasspeicherung bereit. Zudem sind MOFs hochporös und haben eine sehr große Oberfläche: Unsere neueste Entwicklung MOF 210 bringt es – beim Volumen und Gewicht eines Zuckerwürfels – auf eine Oberfläche von zwei Fußballfeldern. Wissenschaftlich gesprochen: Dieses Material hat eine spezifische Oberfläche von über 10.000 Quadratmeter pro Gramm.

Warum eignen sich MOFs so gut als Gasspeicher?
Sie müssen sich das so vorstellen: Wenn das Gas in den Festkörper eintritt, ändert es seinen Aggregatzustand – bis zu 50 Prozent des Gases verflüssigt sich. Dadurch wird es dichter, weshalb sich mehr Moleküle im selben Volumen speichern lassen. Wir hatten das in unserer Ausstellung im Technikmuseum in Mannheim demonstriert. Zur Verwunderung der Besucher konnten wir in einem mit MOFs gefüllten Gefäß mehr Gas unterbringen als in einem leeren.

Gibt es andere Verbindungen mit einer vergleichbaren Speicherkapazität?
Nein, die MOFs sind zurzeit absolut konkurrenzlos.

Warum entwickeln Sie verschiedene MOFs?
Nehmen wir die Erdgasspeicherung: Es gibt nicht nur ein einziges MOF, dass sich sehr gut zur Erdgasspeicherung bei Raumtemperatur eignet. Jede Anwendung hat unterschiedliche Randbedingungen, für die wir das optimale MOF maßschneidern können. Andererseits eröffnet uns die Verknüpfung von Organik und Anorganik völlig neue Möglichkeiten, zum Beispiel im Automobilbau. Mit der geeigneten Wahl der anorganischen Komponente ist es uns gelungen, das Gewicht des Materials zu halbieren.

Für welche anderen Anwendungen außer im Auto kommen die MOFs noch in Frage?
Zu den industriellen Anwendungen zählen die Gastrennung und die Gasreinigung. Es gibt Anwendungen, bei denen die Gastrennung über die Größe der Poren oder über die Affinität der Gase erfolgt. Hierfür werden auch verschiedene MOFs benötigt. Eine andere industrielle Anwendung ist die Katalyse. Darüber hinaus schauen wir uns aber auch Anwendungen wie etwa die mobile Brennstoffzelle für Automobile an. Hier könnten die MOFs als Wasserstoffspeicher zum Einsatz kommen.

Welche Partnerschaften hat die BASF auf dem Gebiet der MOF-Forschung?
Neben der Kooperation mit Prof. Yaghi kooperieren wir auch mit anderen Instituten, etwa im Rahmen des EU-Projekts MACADAMIA.

Wo liegen die Schwerpunkte der internationalen MOF-Forschung?
Neben der Erzeugung von neuen Strukturen beschäftigen sich viele Arbeitsgruppen auch mit dem Thema „Energie und Klimawandel“. Einige Arbeitsgruppen schauen sich zum Beispiel an, wie sich mit bestimmten MOFs Kohlendioxid absorbieren und dadurch fixieren lässt.

Wie ist die Situation in Deutschland?
Ich würde mir wünschen, dass sich die deutschen Hochschulen noch stärker in der MOF-Forschung engagieren würden. Es ist schon kurios, dass wir als Industrieunternehmen eine solche neue Forschungsrichtung aufgreifen und die Hochschulen sich zurückhalten.

Das wird wohl auch damit zusammenhängen, dass Organik und Anorganik an den Unis getrennt gelehrt werden?
Das mag zutreffen. In anderen Ländern haben Universitäten ihre Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der MOFs aber viel schneller in Gang gesetzt. Ich würde mir das auch für Deutschland wünschen. Im  vergangenen Jahr haben sogar Jugendliche unter Anleitung im BASF-Schülerlabor MOFs hergestellt.

Die Fragen stellte der Wissenschaftsjournalist Dr. Michael Lang
Link zu Mraseks Molekül-Mosaik auf Dradio: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/1430325/

Literaturhinweis:

Alexander U. Czaja, Natalia Trukhan, and Ulrich Mueller, “Industrial applications of metal–organic frameworks,” Chemical Society Reviews 38, no. 5 (2009): 1284. DOI:10.1039/B804680H, Critical Review

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AutorInnen in diesem Gruppenblog: +++ Dr. Peter Erk +++ Peter Erk studierte Chemie an der Universität Würzburg und promovierte zu metallisch leitfähigen organischen Radikalanionensalzen. Nach einem Forschungsjahr an der Stanford University bei Prof. James P. Collman arbeitete er mehrere Jahre im Bereich Pigmentforschung der BASF mit dem Schwerpunkt auf Polymorphie und Grenzflächeneigenschaften von Lackpigmenten. Seit 2001 gestaltet er die Projekte der BASF zu OLEDs und zu Organischen Solarzellen mit und leitet zurzeit die Gruppe Bauteil-Entwicklung für beide Technologien im Joint Innovation Lab Organic Electronics der BASF. Als technischer Projektleiter und Research Director ist er global für die Forschung an organischen Solarzellen zuständig. +++ Anja Feldmann +++ Anja Feldmann studierte Journalistik in Dortmund und Slawistik an der Ruhr-Universität Bochum. Nach längeren Auslandsaufenthalten in Russland und Japan arbeitete sie zunächst als Wirtschaftsredakteurin bei dpa und Reuters. 2002 wechselte sie nach China und war für den DAAD in einer Hochschulkooperation mit der Tongji Universität in Shanghai tätig. Nach ihrer Rückkehr schloss sie sich 2008 der neu gegründeten Forschungskommunikation der BASF SE an und beschäftigt sich unter anderem mit dem Einsatz von Social Media in Wissenschaft und Forschung. +++ Dr. Judith Schrauf-Papadopoulos +++ Judith Schrauf-Papadopoulos studierte Germanistik und Computerlinguistik in Heidelberg. Nach einer Tätigkeit in der internen Kommunikation bei DHL bekam sie ein DFG Stipendium im Graduiertenkolleg "NeuroAct" und promovierte zur kognitiven Sprachverarbeitung. 2010 fing sie bei BASF Crop Protection in der globalen Kommunikation an. Anschließend wechselte sie in den spannenden Bereich der Forschungskommunikation, wo sie sich unter anderem darum kümmert, die vielseitigen Forschungsfelder der BASF im Web zu präsentieren.

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