Affen- und andere Forscher vor dem heimischen Bildschirm

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… aber nicht einfacher
RELATIV EINFACH

Eine beliebte Form der Citizen Science-Projekte (also der Bürgerwissenschaft) erlaubt es interessierten Nutzern, direkt am heimischen Computer tätig zu werden und bei der Forschung zu helfen (hier sind zwei frühere Beiträge dazu von Beatrice Lugger hier auf den Scilogs: Citizen Science in Deutschland und Citizen Sciences sind die beste Öffentlichkeitsarbeit).

Der Klassiker ist nach wie vor Galaxy Zoo, wo man den Astronomen helfen kann, Galaxien zu klassifizieren. Aus Galaxy Zoo hatte sich schon vor längerem ein allgemeinerer Rahmen namens Zooniverse entwickelt, das an mehreren Standorten (insbesondere bei der Universität Oxford und am Adler Planetarium in Chicago) eine ganze Reihe von (Daten- und anderen) Wissenschaftlern und Infrastrukturhelfern vereint, die Wissenschaftlern – und zwar insbesondere auch denen anderer Institute – hilft, ähnliche Online-Forschungsmöglichkeiten zu schaffen.

Mittlerweile gibt es 33 Zooniverse-Projekte: Von solchen, die aus Schiffstagebüchern das Wetter von vor 100 Jahren rekonstruieren bis hin zu Asteroidenforschung, der Entzifferung altgriechischer Texte, der Auswertung von Kriegstagebüchern aus dem 1. Weltkrieg oder der Suche nach Higgs-Teilchen. Überall dort, wo die Mustererkennungs-Fähigkeiten des menschlichen Gehirns nützlich sein können – insbesondere bei geballtem Einsatz wie dem von hunderttausenden Computernutzern, die via Zooniverse Forschungsdaten, insbesondere Bilder, empfangen und auswerten.

In den letzten Jahren sind dabei eine Reihe von Projekten angelaufen, in denen es um Naturbeobachtungen geht: die Snapshot Serengeti, Wildebeest Watch, Condor Watch  oder Penguin Watch.

Diesen April ist ein Schimpansenprojekt der Kollegen vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und des German Centre for Integrative Biodiversity Research (iDiv) Halle-Jena-Leipzig dazugekommen, auf das ich gerade (durchaus verspätet) über einen Eintrag im Max-Planck-Pressespiegel aufmerksam geworden bin. (Sekundärquellen lohnt es sich durchaus hinzuzuziehen, um zu merken, dass da ein Max-Planck-Institut involviert ist; keine Ahnung, warum sich die Kollegen bei solch einem schönen Projekt auf der Webseite selbst so unauffällig im Hintergrund verstecken.)

Das Projekt heißt “Chimp & See” (muss man laut aussprechen um das Wortspiel wirken zu lassen) und nutzt hunderttausende von Videosequenzen von automatischen Kameras in Afrika, die es auszuwerten gilt. Meist ist darauf nichts zu sehen, gelegentlich dann doch ein Tier, und wenn man Glück hat oder eben etwas Zeit investiert, dann sieht man Schimpansen. Was man auf den Videos sieht, soll man beschreiben (welche Tierart, welches Verhalten, wieviele). Dabei hilft ein “Field Guide”, in dem Informationen über die einzelnen Tiere zu finden sind (wobei ich mir da etwas mehr Systematik gewünscht hätte – gerade bei den gazellenähnlichen Tieren war ich mir nie so ganz sicher; da hätten Vergleichshinweise echt geholfen).

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Wie Sie sehen, sehen Sie eher nichts – Bildschirmfoto von Chimp&See

Mein erster Schimpanse:

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Meine Schätzungen für meinen ersten Schimpansen: Ausgewachsen, keine Ahnung ob m oder w, kratzt sich gerade. Das Foto stammt aus der Gegend um Sierra Leone oder Guinea. Bildschirmfoto von Chimp&See

Neben den Schimpansen gibt es noch diverse Huftiere, Rodentiae ungewöhnlicher Größe, und nicht allzu selten auch Menschen, die die Kamera neu ausrichten. Ich finde es etwas schade, dass man bei den Menschen das Verhalten nicht klassifizieren darf.

Also: Wer’s noch nicht ausprobiert hat, sollte das dringend nachholen. Und am besten durchprobieren, welches der verschiedenen Zooniverse-Projekte (oder anderen derartigen Projekte) einem am besten liegt. Auch für Kinder geeignet und empfehlenswert! “Chimp & See” soll noch bis 2017 laufen. Und bis dahin sind sicher noch eine ganze Reihe spannender Projekte hinzugekommen.

 

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

7 Kommentare

  1. [Als auch auf anderen Scilogs-Blogs immer wieder geposteter Kommentar ohne spezifischen inhaltlichen Bezug gelöscht. MP]

    • Dort wo man den ´freien Willen´ nicht erforschen darf – hat der Mensch seinen freien Willen schon verloren.

      • Den exakt gleichen Kommentar von diesem “Eso-Mystiker” habe ich schon zigfach aus meinem Blog gelöscht und auch schon bei anderen gesehen. Der haut den überall rein, aus welchem Grund auch immer. Reiner Spam.

        • Man muss solche Beiträge entspannt lesen.
          Bei diesem Beitrag fehlt z.B. der Hinweis auf Sonnenenergie als Nahrung. Das finde ich, ist immerhin ein bemerkenswerter und völlig unerwarteter intellektueller Fortschritt. Offenbar hat Eso-Mystiker doch mittlerweise gemerkt, dass Sonnenenergie aus gefährlicher Atomkraft entsteht.