Ein Herz für Statistik und Energie: David MacKay (1967–2016)

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… aber nicht einfacher
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Fünf Jahre ist es her, dass ich hier in diesem Buch als Buchtipp “Sustainable Energy – without the Hot Air” vorgestellt hatte. Das Buch hatte es mir angetan und ich schätze es immer noch sehr. Die Art von quantitativem Denken mithilfe von Überschlagsrechnungen, die den roten Faden des Buches bildet, ist leider immer noch zu wenig verbreitet, obwohl wir an vielen Stellen – in den Schulen ebenso wie in der Politik – mehr davon vertragen könnten.

Ich habe David MacKay, den Autor, nie persönlich getroffen. Ich las seine Bücher, wusste, dass einer meiner Kollegen am Max-Planck-Institut für Astronomie zuvor in MacKays Arbeitsgruppe gewesen war, und das war es dann auch schon an Berührungspunkten. Und ich stieß vor einiger Zeit deutlich verspätet (und vermutlich über Facebook oder Twitter aufmerksam gewesen) auf seinen Blogbeitrag “Unexpected signs of malignancy”. Was macht man als eingefleischter statistikbegeisterter Wissenschaftler wenn man die Tabellen sieht, die für die gerade bei einem diagnostizierte Krebsart eine Fünf-Jahres-Überlebensrate von rund 20% angibt?

In diesem Falle: darüber bloggen. Zum Teil akribische Beschreibungen dessen, was während der Krebsbehandlung mit einem passiert. Sich darüber Sorgen machen, wie man es für die eigenen ein und vier Jahre alten Kinder etwas einfacher machen kann – und was man ihnen in solch einer Situation erzählt. Noch einen Nature-Kommentar zu den Klimaverhandlungen in Paris und dazu schreiben, wie man für die beteiligten Länder bessere Anreize schaffen könnte. Sich für sichere Fahrradwege engagieren. Einige der eigenen Blutwerte plotten und erklären. Schnell noch im Nebensatz zum Ritter geschlagen werden. Sich fragen, ob jetzt die letzte Abwärtskurve bevorsteht. Noch versuchen, mit einem offenen Brief und guten Argumente die Verhältnisse im Krankenhaus zu verbessern (Temperaturkontrolle!).

Noch einen Preis entgegennehmen und ein Interview dazu geben:

Am 14. April 2016 ist David MacKay in Cambridge gestorben.

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

1 Kommentar

  1. Klimapolitisch war David MacKay ein “Contrarian”: Während die meisten EE-Evangelisten vom gewünschten Sollzustand “Dezentralisierung ist die Zukunft” ausgehen, kam David MacKay mit seinen Überschlagsrechnungen zum Ergebnis, dass beispielsweise Grossbritannien sich kaum rein erneuerbar, autonom versorgen kann. David MacKay verweigerte sich damit der neuen Religion der EE-Evangelisten. Er wollte nicht glauben, dass sich automatisch oder durch heisses Bemühen das realisiert, was man sich als Lösung wünscht. Das zeigte sich noch einmal in seinem Nature-Beitrag zum Paris-Klimagipfel. Praktisch unisono werden die Ergebnisse des Paris-Gipfels von der Klimagemeinde in den Himmel gelobt. Doch David MacKey kritisierte die Art des Vertrags, die auf ‘pledge and review’ beruht. Jeder nüchtern denkende Ökonom oder Spieltheoreitker wird David MacKey zustimmen, dass ein Vertrag, der auf freiwilligen Selbstverpflichtungen beruht, nicht die Tinte wert ist, auf dem er geschrieben steht. Doch die Klimagemeinde besteht eben aus Gläubigen, die an überempirische Wahrheiten glauben. Solche Menschen fallen erst von ihrem Glauben ab, wenn eine Epoche zuende geht und ihre Welt des Glaubens in sich zusammenfällt. Zur diesen Gläubigen zählte David MacKey nie.