Einstein verstehen VII: Bezugssystemwechsel in der klassischen Mechanik

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… aber nicht einfacher
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Ableitung der Transformationsformeln für die Rotation

Hier ist die oben bereits gezeigte Skizze:

rotation1

In dieser Skizze kann man zwei rechtwinklige Dreiecke identifizieren, nämlich zum einen dieses hier:

erstes-dreieck

Der Winkel oben direkt am Punkt P ist der Winkel Phi, um den die beiden Systeme gegeneinander verdreht sind. Das andere Dreieck ist dieses hier:

zweites-dreieck

Für die in der Skizze bezeichneten Seiten dieser Dreiecke gilt

alt

Dabei folgen die ersten beiden Zeilen direkt aus der Definition von Kosinus bzw. Kotangens; die letzten beiden Zeilen lassen sich aus der Skizze ablesen.

Mithilfe dieser Gleichung lassen sich x’ und y’ direkt als Funktionen von x, y und dem Drehwinkel hinschreiben, ohne die Hilfsgrößen h1, h2, g1 oder g2. Und zwar ist

alt

und das entspricht den im Haupttext angegebenen Formeln. Die Umkehrformel lässt sich direkt ablesen, sobald man erkennt, dass sich die Situation von S und S’ nur durch das Vorzeichen des Drehwinkels unterscheidet – vollzieht sich die Drehung der S’-Achsen von S aus gesehen im Uhrzeigersinn, dann entspricht das aus Sicht von S’ einer Drehung der S-Achsen gegen den Uhrzeigersinn, und umgekehrt. Dementsprechend gilt: Man erhält die Umkehrformel, wenn man in den Ausdrücken für x’ und y’ jeweils x’ und x gegeneinander austauscht, außerdem y und y’ austauscht, und zuletzt noch Phi durch -Phi ersetzt.

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

11 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Pössel,

    ich finde Ihren Beitrag sehr lesenwert und finde die Systematik und Genauigkeit ihrer Beschreibung unübertrefflich. So zu schreiben erfordert viel Disziplin und Geduld.

    Aber die wird auch vom Leser abverlangt. Der sehnt sich vielleicht zwischen durch nach Zusammenhängen. Dazu ein paar konstruktive Hinweise:

    Sie erwähnen den Begriff “Isotropie des Raumes” nicht. Mit Absicht ? Sie setzen voraus, dass es einen Raum gibt, mit unendlich vielen Raumpunkten, zwischen denen ein geometrischer Abstand definiert werden kann. Reicht diese Voraussetzung aus, um die beschriebenen Transformationen zu erklären ? Oder müssen Sie nicht auch eine bestimmte Metrik voraussetzen. Oder wollten Sie nur die Existenz von Koordinatensystemen voraussetzen, die geeignet zu definieren wären. Bei dieser Definition brauchen Sie aber auch wieder den Begriff des Raumes und seiner Metrik. Es ist vielleicht nicht verkehrt, den Gedanken, dass ein Raum ohne Metrik nicht gedacht werden kann, frühzeitig einzuführen und zu verankern, und nicht erst, wenn es um komplizierte Raumgeometrien geht. Sie wollen ja beschreiben, wie Einsteins Gedanken zu verstehen sind, und dann wird die rein formale (mathematische) Betrachtung, die hunderfach in Lehrbüchern nachzulesen ist, ein unbefriedigtes Gefühl zurücklassen. Kurze Überlegungen zum Begriff der Metrik (Hinweise genügen) könnten gut auf eine „Metaphysik“ des Raumes vorbereiten, ohne die Sie später nicht auskommen.

    Darüber hinaus wäre es vielleicht auch sinnvoll, etwas über die Anwendung der beschriebenen Transformationen zu erfahren, nämlich bei bewegten Bildern im Computer. Diese Grafiken entstehen, so glaube ich, indem eine Software Leuchtpunkte auf dem Bildschirm verschiebt – eben nach diesen einfachen Formeln, aber 100 Millionen mal pro Sekunde – diese einfachen Regeln machen ein bewegtes Bild – das finde ich ganz toll ?

    Zuletzt überlege ich, ob in der nicht-relativistischen Betrachtung eine Translation in der Zeit „gleichwertig“ ist zu einer im Raum. Die Formeln haben die gleiche Struktur. Muss man daraus zwingend ableiten, dass eine gedachte Gerade das „gleiche“ ist, wie ein gedachtes „Fortschreiten“ der Zeit ? Auch nur strukturell gleichwertig ? Ich glaube das so ohne weiteres nicht. Auf einer Geraden können Sie nämlich Abstände von einem Nullpunkt aus in zwei Richtungen definieren, auf der Zeitachse von einem Nullpunkt aus nicht. Die Zeit „läuft“ nicht „zurück“. Nicht wegen irgendwelcher zeitsymmetrischer physikalischen Gesetze, sondern wegen des Wesens der Zeit: bei einer gedachten eindimensionalen geometrischen Schwingung wechseln die geometrischen Abstände das Vorzeichen, aber die zeitlichen Abstände nicht. Diese r geometrische Variation zeigt, dass da ein Symmetriebruch vorhanden ist, der in den Transformationen, die Sie beschrieben haben, irgendwie nicht zum Ausdruck kommt.

    Es stellt sich natürlich die Frage, ob man solche fundamentalen Fragen über die Metrik von Raum und Zeit in dem beschriebenen Zusammenhang herein stellen soll. Aber irgendwann müssen Sie vielleicht darauf kommen. Ein HInweis darauf vielleicht vertieft das Interesse des Lesers und macht ihn gespannt auf das was dann später kommt.

    Grüsse
    Fossilium

    • Danke für den Kommentar!

      Längenmessungen und den euklidischen Raum und dessen Geometrie hatte ich direkt in Teil I eingeführt.

      Computergrafik ist eine schöne Anwendung. Da finden in der Tat viele der hier eingeführten Konzepte eine schöne Aufgabe.

      Zu den Translationen: Mathematisch gesehen haben die in der Tat die gleiche Struktur. Und doch, auch auf einer Zeitachse kann ich Abstände in die Vergangenheit und in die Zukunft von einem gegebenen Nullpunkt definieren. Der Unterschied kommt erst ins Spiel wenn, wie Sie schreiben, es um die Bewegung von Teilchen geht. In der klassischen Mechanik ist das noch weniger gut definiert (da theoretisch erst einmal nichts gegen beliebig hohe Geschwindigkeiten spricht); in der Speziellen Relativitätstheorie ist die Struktur dann klar festgelegt.

      Die Metrik werde ich vermutlich noch etwas außen vor lassen und erst später einführen, wenn die relativistischen Effekte bereits bekannt sind.

  2. Sehr geehrter Herr Pössel,

    ich möchte mich für die Mühe bedanken, die Sie da auf sich genommen haben und dem Wunsch und der Hoffnung Ausdruck geben, dass Sie den geneigten Leser (damit meine ich u.a. mich) denn auch wie vorgesehen weiter führen werden – und die nötige Zeit und Muße dazu finden.

    Kurz: Bitte machen Sie so weiter. Ich bin begierig darauf weiter zu lesen und zu lernen.

    Michael

  3. Bezugssystemwechsel in der klassischen Mechanik

    Etwas müde der Teil VII von Einstein verstehen. Nicht der Inhalt dieses Teils. Wie immer sorgfältig auf Korrektheit bedacht wird der Leser unmerklich auf einen Weg gebracht der mehr vom Wesentlichen ablenkt als den Fokus auf das bringt, was wirklich schmerzt. Mit Mathematik und Koordinatendarstellungen wird verschleiert was es tatsächlich bedeutet ein Wechsel der Bezugssysteme vorzunehmen. Von den bisherigen 3 Kommentaren kann man ableiten, dass der Zweck dieses Blogs zu 100% erfüllt ist. War der Informationszug zur Klärung der Relativitätstheorie flott gestartet aber schon bald danach haben die Bremsen dieser Beiträge angezogen und mit diesem Teil wurden sie blockiert. Da dieser Info-Zug nun steht muss man diesen ja nicht unbedingt wieder in Fahrt bringen. Für wen denn? Etwa für die die kritisch sind und Fragen haben? Auch ich bin versucht, nicht weiter in einer Wunde zu stacheln die schon Resistent gegen Schmerz ist. Wenn da bloß nicht die Scheiß verdammten Fragen wären.

    Fragen wie: „ Welche Bezugssysteme zum Teufel noch eins sind da gemeint?“
    S oder S‘? S der Bahnsteig, S‘ ein Zug? S und S‘, Variable die für Gott wer was stehen können. Wieso hat jedes Bezugssystem eine andere Zeit? Wieso wird der praktische Aspekt von Bezugsystemwechsel außen vorgelassen?

    Das Gedankenexperiment mit dem Bahnsteig und dem durchrauschenden Zug eignet sich gut um verständlich zu machen was ein Bezugssystemwechsel bedeutet. Dazu bemühe ich nicht die Mathematik die theoretischer Natur ist sondern versuche praktisch hinter das Geheimnis des Bezugssystemwechsels zu kommen. Da der Bahnsteig und Zug für Menschen gemacht ist um ein Wechsel des Bezugssystems vorzunehmen muss man diese Systeme auch nutzen können. Ich stehe auf dem Bahnsteig und steige in den durchrauschenden Zug ein. Falls ich es noch kann bedanke ich mich bei Mutter Physik die mir Bezugssystemwechsel in der Bewegung gestattet. Danke. Bezugssysteme die zueinander ruhen gestatten die Möglichkeit des unfallfreien Wechsels. Bei Bezugssystemen die sich zueinander in Bewegung befinden ist ein spontaner Wechsel eine gefährliche Sache. Um den Wechsel gefahrlos zu vollziehen ist in der Praxis zuerst eine Annäherung der Geschwindigkeit der Objekte einzuplanen. Erst wenn die Geschwindigkeit der Bewegung beider Objekte gleich ist kann der Wechsel gefahrlos vollzogen werden. Wovon ich hier spreche ist schon Routine in der Raumfahrt wenn ein Versorgungsmodul an der ISS andockt.

    Die Theorie in Teil VII und die Praxis die übergangen wird, passen nicht zusammen.

    Der Verfasser beruft sich in diesem Teil immer wieder auf bereits erschienene Teile wie Teil I, II, IV, VI und verschiedene ergänzende Teile, aber niemals auf Kommentare die als Gegenargumente gewichtig genug sind um Erwähnung zu finden.

    Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

    • Mir ist bewusst, dass dieser Teil (und der davor, und vermutlich noch die zwei danach) technischer sind als die anderen. Aber ohne diese Basis für diejenigen, die den Aspekt Trägheitskräfte ganz genau verstehen wollen, kommt man eben nicht zu Inertialsystemen. Ich hatte allerdings bereits überlegt, ob ich am Ende der klassischen Vorarbeiten noch eine vergleichsweise kurze Zusammenfassung derselben biete – die wäre dann der normale Einstieg zu “Einstein verstehen”, und nur wer es genauer wissen will geht noch eine Stufe weiter in die Tiefe, zu den Teilen I bis VIIff.

      Übrigens ist dem heutigen Sprachgebrauch nach die bessere Übersetzung “Ein Schuft, wer Böses dabei denkt”. Und wirklich ist es ja alles andere als konstruktiv, und durchaus schäbig, dem Gegenüber vorschnell üble Absichten zu unterstellen.

  4. Mir ist es auch ein Bedürfnis die RT von Grund auf zu verstehen egal wie technisch sie ist. Aber kann man nicht an Hand kurzer praktischer Beispiele aufzeigen wie die Vorhersagen der Theorie funktionieren. Muss unbedingt die Mathematik immer dafür herhalten? Mathematik ist nicht die Physik. Eine gute Basis, der Ausgangspunkt für diejenigen die verstehen wollen, bietet nicht allein die Mathematik. Mit dem Inertialsystem, welches Sie anführen, möchte ich nicht auf zukünftige Teile vorgreifen, sondern nur darauf hinweisen, dass Inertialsysteme gewissermaßen ein Spezialfall der Bezugssysteme sind. Wikipedia schreibt: „In einem Inertialsystem wird keine Drehung des Fixsternhimmels beobachtet.“ Fixsternhimmel ist ein Teil des unendlichen Universums welches sich in Bewegung befindet. Alles bewegt und dreht sich in alle möglichen Richtungen mit unterschiedlichen Drehungen. Wo kann ich ein Inertialsystem antreffen? (Es ist ein Fehler vom Fixsternhimmel zu sprechen, nur weil wir die Bewegungen der Sterne nicht sofort wahrnehmen.)

    Herr Dr. Pössel, mir ist der Schelm in der Redensart „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“ lieber, denn der Schelm ist ein lustiger Geselle und nicht so böse wie ein Schuft. Die Redensart ist auch heute noch in Gebrauch, aber es gibt mehrere Abwandlungen davon. Mich als schäbig zu bezeichnen kann ich Ihnen nicht verbieten aber mir unterstellen, dass ich Ihnen üble Absichten unterstelle ist mehr als vorschnell. Trotzdem halte ich Ihnen und dem Blog die Treue.

  5. Markus Pössel schrieb (18. Juli 2015):
    > […] allgemeinere Übertragbarkeit der dem Experiment zugrundeliegenden physikalischen Gesetze von einem System ins andere

    Vor der (eventuellen) „Übertragbarkeit von physikalischen Gesetzen“, die wohl bisher gewonnene Messwerte und mögliche Erwartungen hinsichtlich noch zu gewinnender Messwerte zusammenfassen (sollen),
    steht selbstverständlich die Nachvollziehbarkeit der betreffenden Messgrößen und der dazu eingesetzten Begriffe;
    also konkret die Anerkennung und konstruktive Anwendung des Einsteinschen (Selbst-)Verständnisses, dass

    alle unsere zeit-räumlichen Konstatierungen stets auf Feststellungen zeit-räumlicher Koinzidenzen hinauslaufen [… wie insbesondere] Begegnungen zweier oder mehrerer materieller Punkte.

    > Solch eine Übertragbarkeit wird uns später, Stichwort Relativitätsprinzip, noch näher beschäftigen.

    Es bleibt zu hoffen, dass sich in dieser Blogreihe dann endlich die von Einstein vorgeschlagenen „ Feststellungen zeit-räumlicher Koinzidenzen“ (also

    – „wer wen zusammen traf“; und im Zusammenhang damit gewiss auch
    – „wer wen in welcher Reihenfolge traf“,
    – „wer die Treffen welcher Beteiligter zusammen wahrnahm“, und
    – „wer die Treffen welcher Beteiligter in welcher Reihenfolge wahrnahm)

    aufgegriffen werden,
    und dargestellt wird, wie allein daraus Messmethoden zu konstruieren („an die Hand zu geben“) sind, durch deren Anwendung Versuch für Versuch zu entscheiden wäre

    – ob eine gegebene Uhr „gut“ war, also z.B. insbesondere „mit einer bestimmten (Eigen-)Frequenz tickte“, oder in wie fern nicht,
    – ob zwei gegebene Uhren, die im betrachteten Versuch einzeln „gut“ waren, dabei gleiche „Raten“ bzw. insbesondere gleiche (Eigen-)Frequenzen hatte, oder in wie fern nicht,
    – ob zwei gegebene Kr86-Atome gegenüber einander „ungestört“ gewesen wären,
    – usw. usf.

    Bis dieser Knoten endlich platzt, insbesondere auch im Zusammenhang mit der schon sehr lange versprochenen Behandlung der Messmethodik „Lichtuhr“, bleiben die Bemühungen zum „Einstein verstehen“ leider alles andere als konstruktiv und zufriedenstellend, und laden sogar zur Vermutung anderer Absichten ein.

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