Drama-Queens und Viertelfinale

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Gekonnt eingesetzte Krokodilstränen, punktgenau gelandete, herzzerreißende Abschiedssätze, ein Abgang mit rauschendem Kleid… Ist es nicht das, was man uns Frauen nachsagt? Dass wir das perfekt inszenierte Drama beherrschen? Mag ja sein, dass das auf so manche Lebenssituation zutrifft. Und irgendwie scheinen wir damit ja auch Erfolg zu haben. Aber, hey, hat mal jemand in letzter Zeit Fußball geschaut? Und? Irgendetwas aufgefallen? Ja?

Genau: Es ist Frauenfußball-WM. Und die Mädels machen nicht nur eine verdammt gute Figur auf dem Platz, sie spielen auch noch richtig gut. Noch was? Richtig: Kein übertriebenes Fallen, obwohl die gegnerische Schuhspitze meilenweit entfernt ist, kein demonstratives Herumwälzen auf dem Platz, keine Leidensmienen, die in Daily-Soaps nicht schlechter gespielt werden könnten, kein Humpeln, das unwillkürlich an Capitain Ahabs Holzbein denken lässt. Nichts von alledem.

Okay, Italien ist nicht dabei, aber trotzdem: Es fällt auf. Und zwar nicht nur dem fußballbegeisterten Zuschauer. Auch Wissenschaftler haben sich mit dem Phänomen befasst. Martin Lames, Professor für Trainingswissenschaften und Sportinformatik an der TU München, analysierte mit seinen Mitarbeitern 56 Fußballspiele – Begegnungen von Herren- und Damen-Teams – und stellte fest: Frauenspiele werden zwar insgesamt öfter unterbrochen, gehen dann dafür zügiger wieder weiter als bei den Kerlen. Männer bleiben bei Verletzungen (oder was sie dafür ausgeben) länger liegen als Frauen, und zwar volle 30 Sekunden. Außerdem machen sie auch bei Toren ein größeres Trara und jubeln etwa eine Minute lang – doppelt so lang wie die Mädels. Auch Auswechseln dauert 10 Minuten länger.

Das klingt nicht nach weltbewegenden Zeiträumen, die Tendenz ist jedoch mehr als auffällig. Was sagt das wohl darüber aus, wer hier die wahren Drama-Queens sind? Die Münchner Wissenschaftler interpretieren ihre Ergebnisse jedenfalls so: Während bei Männern der Gedanke an Inszenierung stärker ausgeprägt ist, steht bei den Fußballfrauen offensichtlich das Spiel im Vordergrund! In diesem Sinne wünsche ich allen am Samstag ein spannendes Viertelfinale.

  • Veröffentlicht in: Soul

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Die besten Geschichten schreibt bekanntlich das Leben, aber was sagt eigentlich die Wissenschaft dazu? Einst Biologin, heute freie Journalistin, gehe ich hier dieser Frage nach – in Deutschland und dem Rest der Welt. Denn wenn ich nicht gerade arbeite, bin ich am liebsten in meinem blauen Mercedes 508D unterwegs... wer mehr darüber wissen will: Unter www.team-ferdinand.de blogge ich Geschichten von unterwegs. Stefanie Reinberger

6 Kommentare

  1. Spielen die Männer brutaler?

    Neben der möglichen Schauspielerei und den inszenierten Jubelarien, haben die Wissenschaftler auch die Art und Schwere der Verletzungen von Männern und Frauen verglichen? Werden die Spiele bei Frauen häufiger unterbrochen, weil die Frauen den Ball häufiger ins Aus spielen als Männer wenn eine gegnerische Spielerin verletzt am Boden?

  2. Frauenfußball?

    Wenn ich Frauenfußball-WM höre oder lese, dann denke ich, das ist doch sicher ein falscher Ausdruck. Die Frauen spielen doch nach den den selben Regeln wie die Männer. Also ist es doch die Fußball-WM der Frauen, denn Frauenfußball wäre wohl eine andere Sportart.
    Irgendwo habe ich die Tage gelesen, dass es eine Männersitte im Fußball ist dauernd auf den Boden zu spucken. Das tun die Frauen nicht und auch in anderen Sportarten ist das nicht nötig. Schon seltsame Sitten da.

  3. Verletzungsstatistiken

    @Joe: Ich habe eine Sportkommentatorin während eines Spiels sagen hören, dass die durschnittliche Verletzungszahl (d.h. wirkliche Verletzungen) pro Spiel beim Männerfußball 2.5 beträgt, die Frauen seien bereits bei 2.3, Tendenz steigend. Es gab ja auch in der Frauen-WM eine Menge Geholze, man denke an die Begegnung Nigeria-Deutschland. Gut, die Zahl allein sagt noch nichts über die Schwere der Verletzungen aus.

    @Stefanie: Die Bemerkung über das nicht-Stattfinden von Schwalben ist wirklich zutreffend. Auch die nervige Flennerei männlicher, jawohl, männlicher Spieler (Komisch, auch da fallen mir auf Anhieb erst mal vorwiegend Italiener ein), wenn es mal nicht so läuft, ist etwas, auf das ich gut verzichten kann.

    Während bei Männern der Gedanke an Inszenierung stärker ausgeprägt ist, steht bei den Fußballfrauen offensichtlich das Spiel im Vordergrund!

    Ich denke eher: Bei Männern steht die Selbst-in-Szene-Setzung im Vordergrund, bei Frauen die Teamleistung. Allerdings ist angesichts der Diskrepanz din den Spielerbezügen bei Männern auch der Anreiz höher, sich selbst in Szene zu setzen.

  4. Schwalbenlyrik

    Gärtner am Finalsonntag
    FORZA ITALIA
    Ein voreingenommenes Poem

    Italien spielte einmal gegen Nonnen
    In einem Benefiz- und Fußballspiel
    Natürlich hat die Squadra es gewonnen
    Gekostet hat sie das indessen viel

    Ihr Tormann, Buffon, lag nach zwei Minuten
    Ihn hatte Schwester Lioba berührt
    Man sah ihn lang sich winden und fast bluten
    Dann war auch Luca Toni abgeschmiert

    Nach kleinem Foul von Schwester Annunziata
    Die plötzlich dastand, quer zu seinem Lauf
    Und Toni schrie, wie unter Kreuzes Marter
    Und stand minutenlang nicht wieder auf

    Dann auf den Knien: Gattuso, wie zum Beten
    Ein Dornenmann mit gramgeprüftem Blick
    Es sei ihm eine auf den Zeh getreten
    Er müsse sterben, jeden Augenblick

    Del Piero stand derweil am Strafraumende
    Bis Schwester Claudia ihn dumm verlud
    Da warf er seine gutgepflegten Hände
    Gen Himmel und schrie auf vor Schmerz und Wut.

    Zambrotta gab derweil nicht auf und machte
    Sich Richtung Tor. Bis Schwester Oberin
    Ihn via Luftzug schwer ins Stolpern brachte
    Der Schwerverletzte fiel entsprechend hin

    Dann war es aus. Ein tränenreicher Sieg
    Der Squadra. Nein, ein schönes Spiel war’s keins
    Und Trainer Lippi tobte: „Das war Krieg!“
    Die Nonnen unterlagen 0:1

    (Titanic-Gedicht zum WM-Sonntag 09.07.2006)

  5. Unzutreffende Analyse

    Wurde dabei folgendes berücksichtigt …:

    – höherer und härterer Körpereinsatz bei Männern

    – Unterbrechungen bei Männern meist wegen Fouls , bei Frauen durch schlechte Pässe die ins Aus gehen

    – Männer meist trainierter, dadurch Bänder gedehnter, daraus resultierend hohes Verletzungsrisiko

    – Es geht um mehr, bei männlichen Spielern gibt es häufig nur Fußball als Standbein, die eigene Existenz sowie häufig des Vereins hängt an einem

    ?

    Man kann natürlich Männer- und Frauenfußball miteinander vergleichen, sollte aber nicht von den gleichen Grundprämissen ausgehen. Wer von einer höheren Qualität der Frauennationalmannschaft im Vergleich zu den Männern, aufgrund der 2 hintereinandergewonnenen Wmtitel, ausgeht, ist schief gewickelt. Zum Qualitätsvergleich einfach die Champions League und die WM ansehen.Und die Männer- und die Frauenversionen direkt vergleichen. Weltenunterschiede.

  6. Drama-Queens

    Ich kann dem Artikel in vollem Umfang zustimmen, was die ‘leidenden’ Männer angeht (mir kommen immer sterbende Schwäne in den Sinn). Nur schleicht sich inzwischen leider auch eine Männerunsitte ein: auch die Frauen spucken inzwischen laufend auf den Platz. Bisher sind sie doch auch ohne ausgekommen. Vielleicht …?

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