Hibbelige Nomaden

BLOG: Science and the City

vom Leben und Überleben im Alltag
Science and the City

Ich war mal wieder weg. In Westafrika unterwegs mit Mann und Bus. Jetzt bin ich wieder "in the city" und überlege, wie ich meinen werten Lesern mein modernes Nomadentum am besten nahe bringe. Und während ich so nach Wissenswertem zu diesem Thema stöbere, stoße ich auf dreierlei:

1. eine Meldung aus dem Jahr 2008, dass Nomaden von ADHS profitieren;
2. eine spannende Ausstellung zum Thema, die ab November 2011 in Hamburg zu sehen sein wird;
3. die witzige Idee des Holländers Vincent van Dijk, der als moderner Stadtnomade jede Nacht in einem anderen Hotel in Amsterdam lebt. Von seinen Erlebnissen berichtet er unter www.amsterdamslaapt.nl.

Leider kann ich kein Holländisch, so dass ich wohl kaum zu den regelmäßigen Lesern der Hotelgeschichten aus der niederländischen Hauptstadt werde. Die Ausstellung will ich aber auf jeden Fall sehen – schon allein, weil auch die Begegnung mit Sesshaften thematisiert werden soll – und die Tatsache, dass diese ihre umherziehenden Mitmenschen oftmals als weniger gebildet betrachten. Tatsächlich erlebt auch der "moderne Nomade auf Zeit" immer wieder, dass ihm die Sesshaften mit einer gehörigen Portion Skepsis und Unverständnis begegnen.

Über die ADHS-Sache werde ich nochmals nachdenken müssen. Nicht weil bei mir jemand diese Störung diagnostiziert hätte, doch, dass man mir "Hummeln im Hintern" nachsagt, kenne ich wohl. Außerdem finde ich es irgendwie nachvollziehbar, dass ein bisschen weniger Stetigkeit und ein Plus an Impulsivität beim Umherziehen nützlich sind. So  interpretierten nämlich Wissenschaftler um den Anthropologen Dan Eisenberg von der Northwestern University in Evanston ihre Ergebnisse in einer Publikation aus dem Jahr 2008.

Die Forscher untersuchten Genmaterial von zwei Gruppen der Ariaal, einem Volk in Nordkenia, dessen Angehörige teils noch nomadisch leben, sich teils fest nieder gelassen haben. Das Gen des Interesses tritt in verschiedenen Varianten auf, von denen eine mit ADHS in Verbindung gebracht wird. Es birgt den Bauplan für Rezeptoren des Botenstoffs Dopamin und beeinflusst damit Eigenschaften wie Impulsivität, Neugier, ein Hang zur Unruhe aber auch die Fähigkeit, das Verlangen nach Nahrung zu kontrollieren.

Insgesamt 150 Personen des afrikanischen Stammes untersuchten die Wissenschaftler. Sie stellten fest: Die ADHS-Variante des Gens, die übrigens in beiden Gruppen gleichermaßen vertreten war, brachte den umherziehenden Menschen einen Vorteil. Die Nomaden mit dieser Genversion waren besser ernährt als ihre Stammesangehörigen ohne Zappelphillipp-Veranlagung. Bei den Sesshaften machte sich dieser Vorteil nicht bemerkbar.

Eisenberg und seine Kollegen vermuteten, dass typische Verhaltensweisen, die mit der ADHS-Genvariante in Verbindung gebracht werden, förderlich sind für die Lebensweise der Nomaden, Schließlich gehört bei ihnen das Unstete zum Überlebenskonzept. Bei den sesshaft gewordenen Ariaal wirkt sich die Sache leider eher negativ aus, weil sie sich die Träger der Genversion weniger gut auf Landwirtschaft und Handel konzentrieren können.

Also Obacht: Wenn der zappelige Kollege am Nachbarschreibtisch mal wieder nichts gebacken kriegt und ihnen damit mächtig auf den Zeiger geht, oder der unstete Nachbar nicht so recht beim Häuslebauen bleiben will – unterwegs schnappt er Ihnen womöglich die besten Bissen weg!

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Die besten Geschichten schreibt bekanntlich das Leben, aber was sagt eigentlich die Wissenschaft dazu? Einst Biologin, heute freie Journalistin, gehe ich hier dieser Frage nach – in Deutschland und dem Rest der Welt. Denn wenn ich nicht gerade arbeite, bin ich am liebsten in meinem blauen Mercedes 508D unterwegs... wer mehr darüber wissen will: Unter www.team-ferdinand.de blogge ich Geschichten von unterwegs. Stefanie Reinberger

1 Kommentar

  1. ui das ist interessant

    ich vermute schon länger, dass es zwei typen mensch gibt: 1. die bauern und 2. die nomaden.

    erstere stehen total auf sicherheit und gemütlichkeit – zweitere sind nirgendwo wirklich heimisch, und können auch ohne eigene vier wände gut leben.

    vielleicht hat das ganze sogar auswirkungen auf die bekömmlichkeit von nahrungsmitteln. vielleicht können die nomaden noch besser mit fleisch als nahrungsmittel umgehen – dafür aber nicht mit getreide, und umgekehrt.
    die blutgruppendiät basiert ja darauf – wobei ich aber nicht glaube, dass man das auf simple blutgruppen reduzieren kann.
    weitere forschung in diesem zusammenhang wären interessant.

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