Weit weg und gut versteckt -Leben im Wostoksee

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Forschung lecker zubereitet
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Antarktis, 4 Kilometer unter dem ewigen Eis. Hier liegt der Wostoksee. Vor über 15 Millionen Jahren, schob sich eine Eisdecke langsam darüber. Seit dem Pleistozän ist er von der Außenwelt abgeschnitten.

Antarktis. Den Wostoksee, mit seiner glatten Eisoberfläche, kann man als kleinen Huppel im roten Kreis erkennen (Qelle: Wikimedia Commons, NASA, JPL)

Andrei Kapiza, russischer Wissenschaftler der Wostok Station vermutete schon in den späten 50er Jahren einen See unter der Südpolarstation. Erst 1996 wurde seine Existenz bewiesen. Seither ist die Neugier groß. Was lebt dort unten bei -3°C und Drücken von 30 bis 40 MPascal?

In den letzten Jahren konnte man die Spannung des Wettlaufs in der Luft schmecken (wie beim Nascar Rennen): Forscher wollten mit dem Bohrgestänge in den See rein, sie wollten die ersten sein, die Proben bekommen, einen Blick hinein werfen, unbekanntes Leben entdecken. Mir ging es nicht anders.

Bis zu 3600m ins Eis hinein wurde gebohrt. Dann war Schluss. Bohrlöcher im antarktischen Eis müssen mit Kerosin und Freon gefüllt werden, damit sie nicht wieder zufrieren. Die Kontamination des Sees würde sämtliche Untersuchungen verzerren und eines der wenigen, vom Menschen völlig unbeeinflussten Ökosysteme dieser Erde, wäre hinüber. Ein internationales Abkommen stoppte Bohrer und Kerosin kurz vor dem Kontakt mit dem See.

Der Wostoksee, incl Bohrloch und Eisdecke (Quelle: Wikimedia Commons, By Nicolle Rager-Fuller/NSF)

Als 2012 russische Forscher die letzten Meter Eis dennoch durchstachen, schoss eine Fontäne aus dem Bohrloch. Der See hatte es hoch gedrückt.

Jetzt hat eine Gruppe Wissenschaftler im Online-Journal PLOS_ONE einen Artikel über Leben im Wostoksee veröffentlicht (hier).

Die Forscher analysierten Eisproben, die von der Oberfläche des Sees stammen. Seewasser gefriert an der Gletscher-See-Kontaktstelle und konserviert so Kleinstlebewesen und Mikroorganismen über viele Jahre hinweg.

Die Wissenschaftler sequenzierten DNA und RNA aus den Eisproben. Ersteres kann aufdecken was sich im Wostoksee aufhält, bzw. aufgehalten hat und dann festgefroren ist. Analysen der RNA geben Auskunft über Stoffwechselprozesse dieser Lebewesen.

Der überwiegende Teil des Lebens im Eis des Wostoksees besteht aus Bakterien. Doch der Blick ins feine Detail lässt auf höheres Leben hoffen: Viele der gefundenen Bakterien sind bekannte Symbionten oder „Mitbewohner“ höherer Lebewesen, z.B. von Fischen, Muscheln und Würmern. Die Puzzleteilchen der Sequenzanalyse deuten auf ein komplexes Nahrungsnetz hin, das sich über Millionen von Jahren in aller Abgeschiedenheit entwickeln konnte. Aber ob es tatsählich Fische unter der 4 Kilometer dicken Eisdecke gibt, wie sie aussehen könnten und wovon sie sich ernähren, ist noch nicht geklärt.

 

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Annelie Wendeberg ist eigentlich Umweltmikrobiologin. Doch eines schönen Wintermorgens klappte sie die Augen auf und dachte sich "ich schreib mal was". Seither versucht sie ihre Leidenschaft Forschung leicht verständlich und spannend in kurzen Blogartikeln zu vermitteln. Meistens schreibt sie über alles Mögliche was irgendwie mit Forschern, Biologie, Umwelt, Ökologie und vor allem Mikrobiologie zu tun hat. Des Nachts bringt Annelie Wendeberg Leute um. Auf dem Papier. Für den KiWi Verlag.

5 Kommentare

  1. Interessanter Bericht, aber ich befürchte, wenn es da unten höhere Lebewesen gab, dann sind sie jetzt alle tot weil sie den Druckabfall wahrscheinlich nicht überlebt haben werden. Ich stell mir das etwa so vor wie wenn man Lebewesen aus der Tiefsee, so ab etwa 3000m abwärts an die Oberfläche holen würde. Die würden das auch nicht überleben.

  2. Für ein Vorkommen mehrzelliger Tiere im Wostoksee spricht übrigens nicht nur, dass potentiell symbiontische Mikroorganismen nachgewiesen wurden. Die Forscher haben unter anderem auch Sequenzen analysiert, die wahrscheinlich direkt von Krebstieren, Rädertieren und Muscheln stammen. Es bleibt spannend, welche Energiequellen die Organismen in dem eisigen und lichtlosen See nutzen.

  3. Ich habe auf einer anderen Website über den See gelesen, dass bei der Untersuchung nur 2 Arten Archaeen gefunden wurden. Das wundert mich, weil in Geokompakt (ich glaube, in Heft 1) stand, dass, obwohl es beide Domänen in allen möglichen Lebensräumen gibt, Archaeen eigentlich häufiger in extremen Lebensräumen häufiger sind. Aber 94% der entdeckten Arten waren wohl Bakterien.
    Hat dafür jemand eine Erklärung?

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