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Gespräche mit forschenden Frauen
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Immer wenn ich das (wirklich ziemlich beeindruckende) Papiermodell sehe, das Anne Ulrich bei unserem Gespräch in Karlsruhe hervorholte, muss ich an das klassische Bild von Watson und Crick mit ihrem DNA-Modell denken. Die hatten sich die Methode offenbar beim großen Linus Pauling abgeguckt:

„The key to Linus’s success was his reliance on the simple laws of structural chemistry. The a-helix had not been found by only staring at X-ray pictures: the essential trick, instead, was to ask which atoms like to sit next to each other. In place of pencil and paper, the main working tools were a set of molecular models superficially resembling the toys of pre-school children.“
(James D. Watson: The Double Helix. Penguin Books. 1999. S.47f)

Watson und Crick’s Modelle waren nicht aus Papier, sondern aus Metall. Jedes neue Atom musste eigens angefertigt werden, was die beiden immer wieder vor Probleme stellte.

„There existed no accurate representations of the groups of atoms unique to DNA. Neither phosphorous nor the purine and pyrimidine bases were on hand. Rapid improvisation would be necessary (…). So as soon as I got to the lab I began adding bits of copper wire to some of our carbon-atom models, thereby changing them into the larger-sized phosphorous atoms.“
(James D. Watson: The Double Helix. Penguin Books. 1999. S.71f)

Ich finde es erstaunlich und irgendwie auch schön, dass auch in Zeiten von digitalen 3D-Animationen und cleveren Molekül-Bausätzen diese Eigenbau-Varianten noch immer zum Einsatz kommen. Irgendetwas zwischen Hand und Hirn scheint da nach wie vor eine Rolle zu spielen.

Mein Name ist Kerstin Hoppenhaus. Ich habe Biologie studiert und später Wirtschafts- und Wissenschaftsfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg. Neben zahlreichen Beiträgen für Wissenschaftsmagazine im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (SWR, 3sat, ZDF) habe ich Dokumentarserien für Arte und die ARD als Regisseurin realisiert. Seit dem Frühjahr 2011 bin ich außerdem als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Leuphana Universität Lüneburg tätig. Die Aluscheibe am Schlüsselbund im Profilbild ist mein eigenes "signifikantes Detail": eine Spindmarke aus dem VEB Braunkohlekombinat Bitterfeld, die ich vor fast zwanzig Jahren gefunden habe, als ich als Werksstudentin am Bauhaus Dessau gearbeitet habe. Damals war ich noch Biologin und in meiner Arbeit ging es eigentlich um die Wasserkäferfauna in der Muldeaue. Aber die Muldeaue ist eingebettet in eine großartige Landschaft voller Widersprüche, mit Gärten und Parks, riesigen Braunkohlerestlöchern und Seen, Abraumhalden und zahllosen alten, oft sehr traditionsreichen Industrieanlagen. Und diese Landschaft interessierte mich mindestens so sehr wie die Käfer. Als ich anfing in Dessau zu arbeiten, waren die meisten der Industriebetriebe schon geschlossen. Übrig waren nur noch stillgelegte Maschinen, verlassene Werkhallen und kilometerlange Rohrleitungen in unterschiedlichen Stadien des Verfalls. Tagelang bin ich mit Kollegen vom Bauhaus durch diese "stalkereske" Szenerie gezogen und ich glaube, dass ich in dieser Zeit angefangen habe, mich für das Dokumentarische zu interessieren. Seltsamerweise habe ich aus dieser Zeit kaum Fotos und so ist die kleine Spindmarke eins meiner wenigen greifbaren Erinnerungsstücke aus dieser Zeit. Ich halte sie in Ehren.

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