Significant Details: Nützliche Zombies

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Gespräche mit forschenden Frauen
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Auf dem Weg vom befruchteten Ei zum fertig entwickelten Organismus kann eine Menge schiefgehen. Für den Organismus sind die Folgen meist fatal, aber für Entwicklungsbiologen sind es oft gerade die Fehler, die sie auf eine neue Spur bringen. So war es auch für Kristen Panfilio. Bei einem ihrer Experimente mit Mehlwurmeiern fand sie in der Petrischale ganz und gar nicht das Ergebnis vor, das sie erwartet hatte, sondern – wie sie fein säuberlich in ihrem Laborbuch festgehalten hat – ein Häufchen „abgestorbener Zombies“. Das Experiment war schiefgegangen, aber die Forschungsfragen, die sich daraus ergeben haben, beschäftigen die Amerikanerin bis heute, zunächst allein, inzwischen mit ihrer eigenen Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe. Denn was durch das missglückte Experiment zum Vorschein kam, sind Strukturen, die bis dahin niemand entdeckt hatte, und die eine zentrale Rolle in der Embryonalentwicklung vieler Insekten bilden.

Um diesen Mechanismen auf den Grund zu gehen, muss Kristen Panfilio nun jede einzelne Zelle in jedem einzelnen Embryo verfolgen. Sie tut das mit teuren Mikroskopen, hochauflösenden Kameras und genetischen Markern. Und mit Pinsel, Feuerzeug und Klebeband. Im Interview erzählt sie, warum diese scheinbar belanglosen Utensilien für ihre Arbeit unverzichtbar sind, was an den „Zombies“ so faszinierend ist, und von einem aufgeregten Anruf aus dem Labor spät an einem Freitagabend…

Every single cell of an early embryo. Photo: Kristen Panfilio

 

 

Mein Name ist Kerstin Hoppenhaus. Ich habe Biologie studiert und später Wirtschafts- und Wissenschaftsfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg. Neben zahlreichen Beiträgen für Wissenschaftsmagazine im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (SWR, 3sat, ZDF) habe ich Dokumentarserien für Arte und die ARD als Regisseurin realisiert. Seit dem Frühjahr 2011 bin ich außerdem als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Leuphana Universität Lüneburg tätig. Die Aluscheibe am Schlüsselbund im Profilbild ist mein eigenes "signifikantes Detail": eine Spindmarke aus dem VEB Braunkohlekombinat Bitterfeld, die ich vor fast zwanzig Jahren gefunden habe, als ich als Werksstudentin am Bauhaus Dessau gearbeitet habe. Damals war ich noch Biologin und in meiner Arbeit ging es eigentlich um die Wasserkäferfauna in der Muldeaue. Aber die Muldeaue ist eingebettet in eine großartige Landschaft voller Widersprüche, mit Gärten und Parks, riesigen Braunkohlerestlöchern und Seen, Abraumhalden und zahllosen alten, oft sehr traditionsreichen Industrieanlagen. Und diese Landschaft interessierte mich mindestens so sehr wie die Käfer. Als ich anfing in Dessau zu arbeiten, waren die meisten der Industriebetriebe schon geschlossen. Übrig waren nur noch stillgelegte Maschinen, verlassene Werkhallen und kilometerlange Rohrleitungen in unterschiedlichen Stadien des Verfalls. Tagelang bin ich mit Kollegen vom Bauhaus durch diese "stalkereske" Szenerie gezogen und ich glaube, dass ich in dieser Zeit angefangen habe, mich für das Dokumentarische zu interessieren. Seltsamerweise habe ich aus dieser Zeit kaum Fotos und so ist die kleine Spindmarke eins meiner wenigen greifbaren Erinnerungsstücke aus dieser Zeit. Ich halte sie in Ehren.

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