Sprachbrocken 24–28/2012

BLOG: Sprachlog

Alle Sprachgewalt geht vom Volke aus
Sprachlog

„Wäre es nicht praktisch, wenn alle Menschen eine einzige Sprache sprächen?“ fragt das Hamburger Abendblatt in der Rubrik Kindernachrichten. „Das könnte viele Missverständnisse verhindern und überhaupt – stellt euch vor, ihr reist nach Japan und könntet euch dort problemlos verständigen.“ Das wäre wirklich toll. Ein guter Kandidat für eine solche Sprache wäre ja das Englische, das mit weltweit 1,5 Milliarde Sprecher/innen schon fast so weit ist. Aber das wäre wohl zu einfach, und deshalb empfiehlt das Hamburger Abendblatt stattdessen das leidige, nicht tot zu kriegende Esperanto, das es weltweit auf eine schlappe Million Sprecher/innen bringt. Warum nicht gleich Klingonisch, das von immerhin ca. 20 bis 30 Sprecher/innen flüssig beherrscht wird.

Am liebsten wäre es ja vielen Sprachnörglern, wenn man einfach das Deutsche zur Weltsprache erhöbe (mit ca. 165 Millionen Sprecher/innen weltweit ist es immerhin 165 Mal so geeignet wie Esperanto). Dabei hat das Goethe-Institut seine liebe Not, das internationale Interesse an unserer Sprache aufrecht zu erhalten. Auf der Internationalen Deutscholympiade, so die Welt Online, muss man sich mit Enthusiast/innen auseinandersetzen, die das Deutsche wegen Wörtern wie isolieren und Wasserhahn lieben und nach Deutschland kommen, um möglichst viele „süße deutsche Wörter“ kennenzulernen.

Gar nicht süß finden Bayrische Dialektpfleger die deutsche Sprache, und so ärgern sie sich darüber, dass das Bayrische Bildungsministerium in den mittlerweile an Vorschulkindern fast flächendeckend durchgeführten Deutschtests die Dialekte Bayerns nicht berücksichtigt. „Dass Bayerns Dialekte eine gültige Varietät des Deutschen darstellen, mit einem eigenständigen Sprachsystem, und die Kinder in der Grundschule ohnehin von didaktisch geschulten Lehrern behutsam zur Standardsprache hinzuführen sind, scheint man im Staatsinstitut nicht zu wissen“, zitiert die Welt Online den Vorsitzenden des Bundes Bairische Sprache, Sepp Obermeier. Woraus er das schließt, erschließt sich mir nicht, denn den Bairisch sprechenden Kindern soll ja nicht der Eintritt ins Schulsystem verwehrt werden. Im Gegenteil: Der Test soll eben jene Kinder identifizieren, die Förderung in der deutschen Standardsprache benötigen.

Bei deutsch-türkischen Vorschulkindern regt sich im Allgemeinen niemand über den Deutschtest auf, obwohl die von ihnen gesprochenen Varietäten der deutschen Standardsprache deutlich näher sein dürften, als ein ländlicher bairischer Dialekt. Dafür können sie (anders als bairischsprechende Kinder) ihre Familiensprache als Fremdsprache im Abitur wählen — bisher leider nur an einer einzigen Hamburger Stadtteilschule (wie wiederum die Welt Online berichtet).

Falls mehr deutsche Schulen diesem lobenswerten Vorbild folgen sollten, ist der Ärger wohl vorprogrammiert — Türkisch ist ja (anders als, sagen wir mal, Französisch oder gar Latein) eine nützliche Sprache, nicht nur für türkischstämmige Deutsche. Es ist deshalb nur eine Frage der Zeit, bis die Lobbyisten der traditionellen Schulsprachen Gründe finden, die das Türkische absolut ungeeignet machen und die uns erklären, dass es auch für Kinder mit Migrationshintergrund viel besser wäre, wenn sie Latein lernten. Aber diesen Zweiflern sei gesagt: Besser Türkisch als „Facebook-Sprache“ — denn die macht, wie der Tagesanzeiger berichtet, aggressiv (zumindest Mädchen).

Aber wenigstens versteht man diese aggressiven Mädchen mit ihrer Facebook-Sprache noch halbwegs. Ganz anders sieht es ja mit der „SMS-Sprache der Jugend“ aus. Die ist, wie die Sächsische Zeitung weiß, „eine echte Geheimsprache“ — vor allem dann, wenn „Begriffe abgekürzt werden, die man selbst in der alltäglichen Sprache nicht verwendet mit anderer Bedeutung kennt“. Sogar die Jugendlichen selbst, so liest man dort, verstünden einander häufig nicht. Vielleicht sind sie ja deshalb auf Facebook so aggressiv?

Auf jeden Fall zeigt es, wie praktisch es wäre, wenn wir alle eine gemeinsame Sprache sprächen. Und damit schließt sich der Kreis.

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Nach Umwegen über Politologie und Volkswirtschaftslehre habe ich Englische Sprachwissenschaft und Sprachlehrforschung an der Universität Hamburg studiert und danach an der Rice University in Houston, Texas in Allgemeiner Sprachwissenschaft promoviert. Von 2002 bis 2010 war ich Professor für Englische Sprachwissenschaft an der Universität Bremen, im August 2010 habe ich einen Ruf auf eine Professur für anglistische Sprachwissenschaft an der Universität Hamburg angenommen. Mein wichtigstes Forschungsgebiet ist die korpuslinguistische Untersuchung der Grammatik des Englischen und Deutschen aus der Perspektive der Konstruktionsgrammatik.

32 Kommentare

  1. Weltsprache

    1,5 von 7 Milliarden Menschen können also Englisch leidlich sprechen. Da zu behaupten, Englisch sei schon “fast so weit”, ist nur ignorant.

  2. “Türkisch ist ja (anders als, sagen wir mal, Französisch oder gar Latein) eine nützliche Sprache”

    Das ist böse, aber Sie haben recht.

  3. Unnütz

    Nee, mal ganz ohne Spaß, mir würden Französisch oder Polnisch doch nützlicher erscheinen als Türkisch. Aber es kommt wohl immer auf die jeweiligen Nachbarn an. Die Gefühlten oder die Tatsächlichen.

  4. süße deutsche Worte

    mein Mitbewohner in Kanada findet ‘Fleischwolf’ ganz toll, viel besser als das öde ‘Meatgrinder’, was für mich viel mehr nach Foltermaschine eines blutdurstigen Höllenfürsten tönt als besagtes omahafte deutsche Wort.
    Man stelle sich vor, am Ende ist das alles ne Geschmacksfrage… 😉

  5. Latein -> Klingonisch

    Für viele Latein-Enthusiasten ist die Unnützlichkeit ein wichtiger Vorteil: Man soll deren Meinung nach den Verstand einsetzen, um das Phänomen “Sprache” zu begreifen. Dann sollten wir doch Klingonisch an den Gymnasien lehren! Es hat enorme Vorteile für den Spracherwerb von Ungarisch, türkisch (der Grammatik nach) und arabisch (der Aussprache nach).

  6. Esperanto

    “Leidig”? “Nicht totzukriegen”? Merkwürdig für einen Linguisten, das über irgendeine Sprache zu sagen, und sei es eine Plansprache wie Esperanto. Entweder, man steht Sprachen im allgemeinen mit Respekt und Neugier gegenüber, egal, wieviel Sprecher sie haben – dann ist Esperanto vielleicht strukturell nicht besonders spannend, aber auch nicht weniger wert als andere Sprachen. Oder man vertritt eine Art sprachlichen Sozialdarwinismus, der davon ausgeht, dass wenig gesprochene Sprachen überflüssiger Firlefanz sind und Sprachensterben sei ein guter und notwendiger Prozess, der nicht lebensfähige Sprachen aussortiert – dann muss man dem Esperanto lassen, dass es immerhin schon gut 100 Jahre existiert.

    Sich über Esperanto-SPRECHER lustig zu machen, ist natürlich nicht schwer: Sind schließlich ein bisschen weltfremde Spinner, die an die Möglichkeit von Völkerverständigung und Weltfrieden glauben, sich gerne mit einer Handvoll über die Welt verstreuter anderer Leute über Sprache und Politik unterhalten und keiner Fliege etwas zuleide tun. Ganz ehrlich, ich persönlich wünschte, es gäbe mehr solche Leute.

  7. Mustafa hat recht

    Nur schnell weg aus Deutschland. In der Türkei gilt er als Deutscher und kann dort Spitzenjobs bekommen. In Deutschland hingegen würde er höchstens als “Gemüsehändler” akzeptiert werden, selbst wenn der höhere akademische Weihen mit Auszeichnung erreicht.
    Es ist seit Jahren so, dass gerade die gut ausgebildeten Menschen mit türkischen Wurzeln zurück in die Türkei migrieren, weil sie hier immer der “Gemüsehändler”/”Dönderbudenbesitzer” bleiben und entsprechend miese Aufstiegschancen haben.
    Aber unsere Regierung tut nichts dagegen. Menschen mit türkischen Wurzeln werden weiter allgemein als integrationsunwillige Islamisten diffamiert, die unsere Kultur überrennen wollen. Und genau die blieben dann dank dieser Politik als Bodensatz hier.

  8. Deutscholympiade

    So einen Sprachwettbewerb für Ausländer gibt es hier in Korea übrigens auch, allerdings werden die Teilnehmer meines Wissens nicht extra dafür eingeflogen. Die Veranstaltung findet immer im Mai an der Kyung Hee Universität statt, letztes Jahr war das Thema “Koreanisches Essen”, dieses Jahr ging es um K-Pop.

  9. Französisch

    Türkisch ist ja (anders als, sagen wir mal, Französisch oder gar Latein) eine nützliche Sprache

    Warum ist Französisch denn bitte keine nützliche Sprache? Ich gebe zu, dass Türkisch aus linguistischer Sicht spannender ist, weil es sich vom Deutschen stärker unterscheidet, aber das sollte nicht das Kriterium fürs elementare Sprachenlernen in der Schule sein.

    Frankreich war im vergangenen Jahr Deutschland wichtigster Handelspartner im Export (9,6% aller Ausfuhren bzw. 101,5 Milliarden Euro) und ist neben Deutschland die wichtigste politische Macht in der EU. Von dem sich daraus ergebenen praktischen und sehr aktuellen Nutzen abgesehen hat das Französische auch kulturell in Europa eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Frankreich war für die historische Entwicklung Europas tonangebend, weswegen viele bedeutende historische und auch philosophische Dokumente/Schriften auf Französisch verfasst wurden. Darüber hinaus ist die französischsprachige Literatur eine der einflussreichsten in Europa.

    Was das nun mit einer Lobby zu tun hat, ist mir ein Rätsel.

  10. Warum nicht eine Sprache?

    Die Antwort (Pete Townsend, Gitarrist von “The Who”:

    http://www.youtube.com/watch?v=4F4IZA2xss4

    Text dazu:

    Just wanna be misunderstood
    Wanna be feared in my neighborhood
    Just wanna be a moody man
    Say things that nobody can understand

    I wanna be obscure and oblique
    Inscrutable and vague
    So hard to pin down
    I wanna leave open mouths when I speak
    Want people to cry when I put them down

    I wanna be either old or young
    Don’t like where I’ve ended up or where I begun
    I always feel I must get things in the can
    I just can’t handle it the way I am

    Why am I so straight and simple
    People see through me like I’m made of glass
    Why can’t I deepen with graying temples
    Am I growing out of my class

    I always feel I should be somewhere else
    I feel impatient like a girl on the shelf
    They say that I should live sera sera
    But I am such an ordinary star

    Just wanna be misunderstood
    I wanna be feared in my neighborhood
    Just wanna be a moody man
    Say things that nobody can understand..

  11. @jgoschler Esperanto

    Über “leidig” und “nicht tot zu kriegen” kann man streiten. In der Kernaussage würde ich A.S. aber Recht geben: Esperanto ist ein nettes Hobby für eine kleine Gruppe von Menschen, nicht mehr. Alle Erwartungen, daraus könnte eine echte Weltsprache werden, sind durch die Realität widerlegt. Wenn eine Sprache auf absehbare Zeit eine Chance hat, zur echten Weltsprache zu werden, ist es nun mal das Englische.

    Im Übrigen finde ich persönlich die Beschäftigung mit historisch gewachsenen Orchideendsprachen (Baskisch, Gälisch etc.) sowohl hinsichtlich der Sprache selbst als auch in soziolinguistischer Sicht wesentlich spannender als reine Plankonstrukte wie Esperanto oder Klingonisch. Aber das ist nur meine subjektive Sicht der Dinge.

  12. Chinesisch?

    Niemand erwähnt das Chinesische……von der Anzahl der Sprecher her dürfte es dem Englischen recht nahe kommen.Vielleicht ein von diffuser Angst diktiertes Ignorieren?
    Und die Dialekte werden verschwinden, schneller als man gucken kann. Ausnahmen sind dann eher so exotische Dialekte wie das Luxemburgische, weil sie als echte Landessprache fungieren.
    Lassen wirs auf uns zukommen.

  13. @cydonia Chinesisch?

    Das Chinesische hat eine sehr hohe Sprecherzahl, die aber geographisch sehr konzentriert ist auf China und seine Nachbarstaaten. Im Rest der Welt ist es praktisch bedeutungslos, und seine Chance, in absehbarer Zeit als weltweit gebräuchliche Verkehrssprache Bedeutung zu erlangen, tendiert gegen null.

    Wenn sich besipielsweise eine mexikanischer und ein kuweitischer Geschäftsmann oder eine russsische und eine senegalesische Wissenschaftlerin verständigen wollen, werden sie das höchstwahrscheinlich nicht auf Chinesisch tun, aber sehr wahrscheinlich auf Englisch.

  14. Weltsprache?

    Und was bitte ist eine Weltsprache? Wäre das eines jeden Muttersprache? Das will ich sehen…
    Verkehrssprache ist Englisch schon, aber ob das mehr Missverständnisse verhindert als verursacht? Wenn ich mich in Japan noch auf Englisch verständigen will, dann rede ich nicht nur viel einfacher, ich orientiere mich auch etwas an der japanischen Satzstruktur. Und was hab ich nicht schon an rein sprachlichen Missverständnissen entschärft zwischen englisch sprechenden Deutschen und Japanern.
    Auch schön in dem Zusammenhang die Beschwerde eines Amerikaners über einen Deutschen: I know English isn’t his first language, but then I am not sure he even has a first language!

  15. Lingua franca

    Ich hatte als Verständigungssprache auch immer auf chinesisch gesetzt, weil es viele Sprecher hat. Das Argument mit der geringen Verbreitung zieht allerdings (noch?!). Dann würde sich (neben englisch) am ehesten noch arabisch anbieten, wird es doch auf allen Kontinenten gesprochen und hat auch viele Millionen Sprecher (Anzahl steigend). Ok – die Schrift könnte eine Einstiegshürde sein, das ist bei Chinesisch, Russisch, Grieschich, Thai usw. auch so.

  16. Anmerkung zur Sächsischen Zeitung

    Beim genaueren Blick auf den “Artikel” entpuppt sich der gesamte Beitrag lediglich als Werbeanzeige (vermutlich der verlinkten Internetseite).

  17. Weltsprache Englisch? Ich bin dafür!

    Guter Artikel, ich stimme völlig zu.
    In Japan (ebenso in Süd-Korea, Indien, Thailand, Malysia…) kommt man übrigens gut zurecht, da wichtige Hinweisschilder meist auch auf Englisch gehalten sind. In Europa dagegen… naja.
    Ich bin über 50 und habe seit meiner Schulzeit (Realschule) in den 70ern meine Englischkenntnisse, ohne Druck, stetig weiter entwickelt. Heute kann ich mich stundenlang auf Englisch unterhalten und auch die übrigen Vorteile sind überwältigend.
    Z.B. kann man weltweit mit Einheimischen sprechen (irgenwer versteht immer Englisch), das Internet weit besser nutzen, Filme und Serien im Original gucken, uvm.
    Leider muß man in der Öffentlichkeit heutzutage vorsichtig sein, denn sofort kommt irgendein Anglophobiker oder selbsternannter ‘Sprachschützer’ um die Ecke, der alles mies machen will.

  18. Die Verkehrssprachendiskussion finde ich sowieso ziemlich müßig. Wir müssen uns gar nicht darüber unterhalten, was sich als Verkehrssprache im internationalen Kontakt anbieten würde, da wir schon eine haben, die weltweit akzeptiert ist. Und an diesem Status will auch niemand ernsthaft etwas ändern. Von ein paar anti-amerikanischen Gruppierungen und naiven Sprachschützern unwichtigerer Sprachen abgesehen.

  19. Latein ist nicht unnütz!

    Nachdem ich dank der Prüfungsordnung in der Universität doch noch das Latinum machen musste (Prät.), um das ich mich während der Schulzeit gedrückt hatte (PQP.), habe ich endlich die deutsche Grammatik verstanden (Perf.).

    Mein erster Impuls war übrigens, wie “impala” das Französische zu verteidigen, mit den selben Argumenten. Allerdings ist auch in Frankreich Deutsch stark rückläufig – zu Gunsten von Englisch, und in den deutschen Dependenzen französischer Unternehmen verständigt man sich auch auf Englisch mit den Kollegen des Nachbarlandes.

    Das Englische hat den Vorteil, eine (grammatisch) einfach gestrickte Sprache zu sein, die freizügig Begriffe aus anderen Sprachen schluckt und deswegen von jedermann leicht zu erlernen ist. Die leichte Erlernbarkeit ist in meinen Augen aber Voraussetzung für die Akzeptanz als Verkehrssprache. Und mit Entwicklungen wie “Simple English” und “Technical English” sowie anderen reduzierten Subsets des Englischen wird das aktiv vorangetrieben.

    Ich sehe Englisch als das billige Mädchen von der Straße, das jeder haben kann und das viele Bastarde gezeugt hat. Französisch und andere Sprachen mit vielen grammatischen Ausnahmen und einer starken Divergenz von Aussprache und Schriftbild sind eher stolze Damen, die man lange umgarnen muss, bis man sie beherrscht. Da muss jeder selber wissen, ob sich die Mühe für ihn lohnt. 😉

  20. Ich bin mir sicher: Der Schlüssel zum Verständnis des deutschen Verbalkomplexes liegt irgendwo in der lateinischen Grammatik verborgen.

  21. Sich lustig machen

    Sie haben sich also über die Sprache, die ich zuhause jeden Tag mit meiner Frau spreche, lustig gemacht, und sogar angedeutet, dass Sie diese Sprache gerne sterben sehen wollen. Sehr schön. Und Sie nennen sich Linguist?

  22. @Bertil W.

    Das Idiom ‘nicht tot zu kriegen’ impliziert nicht den Wunsch jemanden oder etwas sterben zu sehen.

    Der Vergleich* einer [Kunst]Sprache mit einer anderen impliziert nicht, dass eine der beiden oder gar beide unfreiwillig komisch seien.

    Ich interpretiere ich ‘sehr schön’ mal als Sarkasmus, sonst hätte ich Schwierigkeiten Ihnen zu folgen. Ihr letzter Satz, ob als echte oder rhetorische Frage verstanden, bleibt allerdings ein Non Sequitur. Ich bin mir im Moment nicht einmal sicher, ob Herr Stefanowitsch sich selbst als Liunguist bezeichnet oder nicht doch lieber den Begriff ‘Sprachwissenschaftler bevorzugt.

    PS: Sprechen Sie zu Hause nun Klingon oder Esperanto?

    *Vergleich ist zwar notwendige Bedingung für Gleichsetzung, aber nicht hinreichend => Vergleich != Gleichsetzung.

  23. @datengammelstelle und @impala

    Also, in Deutschland hat man deutlich mehr Gelegenheit, Türkisch zu sprechen als Polnisch oder Französisch. Damit ist Türkisch in Deutschland auf jeden Fall eine nützliche Sprache. Nützlicher als Polnisch oder Französisch jedenfalls. Oder Latein…

  24. @Christopher

    Englisch ist nicht deshalb Verkehrssprache, weil sie einfach oder hässlich wäre, sondern weil sie die Sprache der (derzeit) Mächtigen ist.
    Und dasselbe gilt für Französisch und Latein. Der Niedergang der Weltnutzung von Französisch ist ein Anzeichen für den Untergang des französischen Imperiums und an Latein erinnert man sich deshalb noch, weil das römische Reich doch recht erfolgreich war und es später die Sprache der mächtigen katholischen Kirche war.
    Alle weiteren Begründungen für die Verbreitung oder Nicht-Verbreitung dieser Sprachen gehen am wesentlichen vorbei.

  25. @ gnaddrig / Christopher

    Also, in Deutschland hat man deutlich mehr Gelegenheit, Türkisch zu sprechen als Polnisch oder Französisch. Damit ist Türkisch in Deutschland auf jeden Fall eine nützliche Sprache. Nützlicher als Polnisch oder Französisch jedenfalls. Oder Latein…

    Mit dem Unterschied dass die in Deutschland lebenden Türken Deutsch sprechen und es darum keinen Grund gibt (außer persönlichem Interesse), deutsche Schüler Türkisch lernen zu lassen, wenn sie stattdessen Französisch lernen können, was wie ich weiter oben ausgeführt habe von wirtschaftlicher, politischer und kultureller Bedeutung in Deutschland und Europa ist. Polnisch wird meist erst als dritte Fremdsprache unterrichtet und steht damit sowieso nicht in direkter Konkurrenz zum Französischen.

    Mein erster Impuls war übrigens, wie “impala” das Französische zu verteidigen, mit den selben Argumenten. Allerdings ist auch in Frankreich Deutsch stark rückläufig – zu Gunsten von Englisch, und in den deutschen Dependenzen französischer Unternehmen verständigt man sich auch auf Englisch mit den Kollegen des Nachbarlandes.

    Ich weiß nicht, ob Sie sich im französischen Schulsystem auskennen, aber Englisch ist sowieso die erste Fremdsprache – die Zahlen der Deutschlerner sind also nicht wegen der zunehmenden Bedeutung des Englischen rückläufig. Davon abgesehen wüsste ich nicht warum die Anzahl derer, die in Frankreich Deutsch lernen, einen Einfluss auf die Anzahl derer, die in Deutschland Französisch lernen, haben sollte. Nach dem Motto “wenn ihr unsere Sprache nicht lernt, lernen wir eure auch nicht mehr”?

  26. anonym

    Wer einem eurozentrischen Weltbild anhängt, der wird schnell zum Schluss gelangen, für “uns in Deutschland” sei das Türkische eine wertvollere Fremdsprache als Französisch. Schaut man aber mal über den Tellerrand, z.B. in südlicher Richtung, dann sieht man einen halben Kontinent, auf dem Fransösisch Verkehrs- und Bildungssprache ist. Während das für das Türkische noch nicht einmal unter den hier lebenden Türken gilt.

  27. Leidig

    Dierk:

    “Das Idiom ‘nicht tot zu kriegen’ impliziert nicht den Wunsch jemanden oder etwas sterben zu sehen.”

    Und was bedeutet (oder andeutet) es dann hier?

    “Der Vergleich* einer [Kunst]Sprache mit einer anderen impliziert nicht, dass eine der beiden oder gar beide unfreiwillig komisch seien.”

    Der Sinn war wohl, dass die beiden lächerlich klein sind, und es deshalb lächerlig ist für so eine Sprache als Weltsprache zu argumentieren. Oder wie haben Sie es verstanden?

    Und was bedeutet übrigens “das _leidige_ [..] Esperanto”? Ist die Sprache leidig? Gibt es auch andere leidige Sprachen? Wenn ja, welche sind die?

    Was er mit “eine _schlappe_ Million Sprecher/innen” gemeint hat, weiss ich nicht so genau. Klingt aber nicht sehr respektvoll. Ich habe immer gedacht, dass Sprachwissenschaftler/Linguisten alle Sprachen mit respekt behandeln (sollen).

  28. Nützichkeitserwägungen

    Es ist problematisch, den Wert einer Fremdsprache nur nach Nützlichkeit zu beurteilen, und dann auch noch diese Nützlichkeit rein an der Anzahl der Sprecher zu messen.

    In jedem Fall muss als weiterer Faktor der Schwierigkeitsgrad der Erlernbarkeit hinzukommen. Dann wird man feststellen, dass Esperanto (für die meisten Menschen) sehr leicht zu lernen ist, Englisch schon viel weniger, ganz zu schweigen von Klingonisch, das ja auch nicht als internationale Verständigungssprache konzipiert wurde.

    Es muss doch zu denken geben, dass das leidige [sic!] Esperanto “nicht totzukriegen” ist. Seine Sprecher haben es eben nicht nach Nützlichkeitskriterien beurteilt, sondern nach der “interna ideo”: eine Brücke zu aufgeschlossenen Menschen in aller Welt zu sein, mit denen man sich – sprachlich unbehindert – geistig austauschen will.

    Das ist natürlich nichts für Ballermanntypen oder NATO-Militärs, und deshalb kann Esperanto niemals Zweitsprache für jedermann werden. Gottlob!

    Ich spreche (neben anderen Fremdsprachen) Esperanto seit gut 40 Jahren. Man muss praktische Erfahrung haben, um es beurteilen zu können.

  29. Chinesisch Weltsprache?

    Die weite Verbreitung des Chinesischen ist ja wohl eher ein politischer Wunschtraum! Mandarin ist zwar Amtssprache, wird aber nicht wirklich von vielen Bürgern gesprochen. Eher noch können viele davon die chinesische Schrift lesen, deshalb haben Fernsehfilme auch chinesische Untertitel. Die anderen sprechen eben nur kantonesisch oder irgendeine andere Sprache derselben Sprachfamilie. Keiner wird Indoeuropäisch als einzige lebendige Sprache bezeichnen, wieso wird das von “chinesisch” behauptet?

  30. Instantan-Übersetzung von Fremdsprachen

    Eine Kommunikationssprache, die von allen verstanden und von den meisten gesprochen wird (Kandidaten sind Englisch, Chinesisch und Kunstsprachen wie Esperanto), wird es schon bald nicht mehr brauchen, denn in wenigen Jahren wird instantane Sprachübersetzung selbstverständlich sein. Das wird Dialekten wieder Auftrieb geben. Für einen Katalanen wird es keinen Grund mehr geben, das verhasste Spanisch zu lernen, denn ein Gerät das der Katalane auf sich trägt wird erkennen, dass da jemand spanisch zu ihm spricht und das unmittelbar ins Katalanische übersetzen.

    Dadurch wird die Globalisierung einen neuen Dreh erhalten: Touristen können sich überall mit Einheimischen verständigen, denn es gibt kaum noch Sprachbarrieren und all die human(oid)en Übersetzer brauch’s nicht mehr. Auch die internationale Politik wird ungezwungener und direkter wenn’s die Dolmetscher nicht mehr braucht.
    Instantane Übersetzung wird vielleicht mehr verändern als wir uns heute vorstellen können.

  31. Esperanto will keine Sprache verdrängen.

    Zugegeben, Mittel- und Oberdeutsch haben das Niederdeutsche fast verdrängt. Aber das ist beim Wachsen der Sprachen vermacht. Nun sind sich diese drei so ähnlich, dass das schon mal passieren kann.

    Anders verhält es sich mit den doch unterschiedlicheren ethnischen Sprachen, auf denen Esperanto basiert. Aber in die Zukunft schauen kann niemand. Deshalb kann niemand voraussagen, ob jemand bereit ist, seine Muttersprache zugunsten einer Weltverkehrssprache aufzugeben, so wie es Plattdeutsche gegenüber Standarddeutsch tun.

    Sprachhegemonie und Politische, bzw. wirtschaftliche Übermacht sind häufig miteinander verknüpft. Deshalb vermuten ja viele Menschen, Englisch sei die Weltsprache, was immer das ist.

    Die interne Idee des Esperanto ist u. a., sich von solcher Verknüpfung zu befreien. Jeder soll seine Sprache behalten, in der er sich zu Hause fühlt. Mir ist egal, mithilfe welcher Sprache Menschenrechte unumkehrbar gemacht werden. Wenn das kulturelle Umfeld niemanden sprachlich bevorzugt, dann sammelt seine Sprache bei mir Punkte. Wenn diese Sprache sozusagen als Bonbon auch noch leichter erlernbar als Nationalsprachen ist, dann umso besser. Wenn es dann wegen der vielen Vorzüge dieser Sprache irgendwann der Bequemlichkeit seiner Sprecher Verluste bei Nationalsprachen zu beklagen sein sollten, dann liegt das nicht an der “Weltsprache”, sondern am Verhalten seiner Sprecher. Dass am ehesten Esperanto die Rolle als sprachliches Bindeglied zwischen Menschen möglichst vieler Länder einnehmen könnte, liegt daran, dass seit 125 Jahren gutwillige Menschen das zu realisieren versuchen und noch immer nicht aufgegeben haben.

    Dass sie damit bisher weniger Verbreitung erreicht haben, als man gerne mutmaßen möchte, ist nicht Schuld der Esperantosprecher. Protagonisten einer guten Idee, die auf Einsicht und nicht auf Machtstreben setzen, hatten es noch nie leicht.

    Herr, lass Einsicht vom Himmel regnen!