neue Plani-Show in Münster

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

der babylonische Tierkreis ist ein Rätsel – wir glauben zwar zu wissen, dass unser Tierkreis aus Babylon kommt, aber wir sind im Detail gar nicht so sicher, wie “der” babylonische Tierkreis eigentlich aussah. Wahrscheinlich gab es ihn gar nicht, diesen einen babylonischen Tierkreis, sondern es gab davon mehrere historische Entwicklungsstufen.

In didaktischer Reduktion habe ich zwei Phasen definiert und darüber gestern im Planetarium Münster einen Abendvortrag gehalten. Münster hat nämlich diese Ideen aufgegriffen und für seine neue Showproduktion über verschiedene Sternbilder in aller Welt mit einer unglaublichen Liebe zum Detail die Bilder des babylonischen Tierkreises für die Kuppelprojektion zeichnen lassen. In der aktuellen Show kommt nur ein Teil davon und auch nur am Rande vor – und dennoch war Planetariumsleiter Dr Björn Voss rührend dafür engagiert, diese Bilder möglichst schön und trotzdem so korrekt wie wir es sagen können, in die Kuppel zu zaubern. Ich bin sehr beeindruckt von dieser großartigen Zusammenarbeit!

Einladung zur Premiere zeigt den afrikanischen "Orion"-Schmetterling
Einladung zur Premiere zeigt den afrikanischen “Orion”-Schmetterling – ich bin sehr glücklich, dass ich diesen Vortrag halten durfte, nicht nur wegen der Einladung an sich, sondern auch, weil es mir gefällt, vor einem voll besetzten großen Zuschauerraum zu sprechen: Es war mir eine große Freude!
After-Show Party, aufgenommen und publiziert vom LWL Planetarium Münster.
Sternbild Orion (griechisch, über griechischer Horizontkulisse). After-Show Party, aufgenommen und publiziert vom LWL Planetarium Münster.

Die Zweiphasigkeit kommt zustande, weil z.B. im frühesten babylonischen Kompendium MUL.APIN achtzehn Sternbilder in der Tierkreisvorstufe “Pfad des Mondes” genannt sind, während später in den babylonischen astronomischen Tagebüchern zwölf Tierkreiszeichen als Referenzsystem genannt werden. Mindestens diese zwei Phasen lassen sich also sicher belegen – und diese zwei haben wir gezeichnet, zumindest sofern das möglich war.

Warum 18 Sternbilder im Vor-TIerkreis, werden Sie jetzt vielleicht fragen – tja, also das ist einfach: wenn man die Plejaden vom Stier getrennt betrachtet und nicht auf dessen Rücken liegend, dann hat man schon eines mehr. Zudem war die Gruppe, die wir heute “Fische” nennen, in drei Teile aufgeteilt: Es sind in der frühen Phase die Sternbilder “Göttin Anunitu”, Schwänze, Schwalbe und in der späteren Phase die Tiere Fisch und Schwalbe mit Schwänzen (bzw. Bändern). Dann ragt auch noch der “Alte Mann” (Perseus) in die Tierkreis [auch für uns ist sein Fuß in den Plejaden, die vom Mond bedeckt werden können] und der “treue Himmelshirte” (Orion), was übrigens auch moderne Planetariumsdarstellungen von Zeiss ab Werk zeigen – wahrscheinlich ohne Bezugnahme auf die alte babylonische Sichtweise.

Orions Keule im Tierkreis [Zeiss-Planetarium Königsleiten]
Orions Keule im Tierkreis
[fotografiert im Zeiss-Planetarium Königsleiten]
 Die Planetariumshow in Münster behandelt übrigens eines der klassischen Planetariumsthemen: Wie ändert sich der Anblick des Himmels, wenn man sich auf der Erde bewegt? Anfangs wird der Himmel über der Heimatstadt erklärt, dann fährt man nach Skandinavien und zum Nordpol, dann wieder nach Süden (weil’s vom Nordpol ja auch nicht anders geht) über Griechenland und Zweistromland mit inkludierter Zeitreise um ca. 2-3 Jahrtausende, äquatoriales Afrika zu den Aboriginees nach Australien und dann geht’s über Chile zurück ins Jetzt und Hier.

Eine schöne Rundreise ist das, mit ganz viel Sternhimmel, also dem, was die Leute sehen wollen in einem Planetarium. “Zurück zu den Wurzeln” ist hier also das sehe gelungene Programm!

Wer einmal in der Nähe von Münster ist, sollte m.E also unbedingt einmal einen Blick in diese “heiligen Hallen der Astronomie” werfen, in denen die neue Produktion nun regelmäßig zu sehen sein wird.

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

4 Kommentare

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  2. Hallo Susanne, vielen Dank für den interessanten Bericht! Eine Frage: Ab wieviel Jahren kann man in diese Show wohl Kinder mitnehmen? Würden 10- oder 11-Jährige sie wohl schon verstehen?

  3. ja, ich denke, 10- und 11-jährigen Kinder werden das verstehen: Meinen Vortrag hätten sie vielleicht nicht verstanden, aber eine Planetariumsshow, die zeigt, dass der Himmel an verschiedenen geographischen Breiten anders aussieht und erzählt, dass jedes Volk sich andere Mythen und Figuren dort hingedacht hat, dass ist nach meiner Erfahrung den meisten Kindern ziemlich schnell klar: wenn nicht, kann man dem Kind als Vor- oder Nachbereitung eine Sternkarte (ohne Skelettlinien) vorlegen und ihm die Aufgabe stellen, seine eigenen Sternbilder zu malen. Spätestens dann wird es ihm klar.

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