Sibirische Sonnenfinsternis

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Am 23.7. startete die jugendliche Sibirien-Expedition am Berliner Hauptbahnhof. An Bord war bereits die Hälfte der Mannschaft: 150 Jugendliche aus Deutschland, davon 10 % junge AstronomInnen von der VEGA – der Rest der Gruppe rekrutierte sich aus mehreren Schulgruppen, einer Kirchengemeinde, des Nachwuchses der Hamburger Feuerwehr, des Technischen Hilfswerks (THW)… Organisiert war die Reise federführend von der Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch.

Nach der fünftägigen Anreise per Zug nach Novosibirsk trafen wir auf 150 russische Jugendliche und warteten auf die Sonnenfinsternis. Zwei Tage vorher kappte ein Gewitter für kurze Zeit die Stromversorgung im Lager. Am unmittelbaren Vortag war es auch noch verregnet. Doch dann kam mit dem neuen Monat am ersten August auch der Sonnenschein! Unter strahlend blauem Himmel sahen wir die verfinsterte Sonne mit einer typischen Minimumkorona: nach Osten zwei ausgedehnte Strahlen, nach Westen ein konusförmiger Strahl – daneben Merkur, Venus,  Saturn, Mars, Arktur. Eine riesige Protuberanz schmückte den Sonnenrand.

Die beiden Fotos zeigen den Blick durchs Teleskop unserer russischen Freunde, die eigens zu diesem Event eine Parade neunzehn fabrikneuer Geräte auf unsere Wiese gestellt hatten. Novosibirsk ist schließlich eine von zwei Optik-Hauptstädten Russlands! 

Im Sonnenmuseum der Stadt hat ein Holzschnitzer Sonnendarstellungen vieler Kulturen weltweit nachgebildet. Die Abbildung unten zeigt, wie sich die alten Völker Russlands das Himmelsschauspiel "erklärten": In Irkutsk glaubte man, ein riesiger Elch stelle sich vor das Tagesgestirn und wir Menschen müssten ihn mit Pfeil und Bogen fortjagen.

Heute ist man natürlich weit entfernt von derlei Vorstellungen und alle Beteiligten genossen das Himmelsschauspiel als großartiges Ereignis, das auf uns Menschen – egal, welcher Nationalität – eine gewaltige emotionale Wirkung hat: Optimal auch im Sinne des deutsch-russischen Jugendaustausches, denn die gemeinsame Erfahrung ließ zahlreiche Freundschaften wachsen! Seit gestern sind wir zurück und die E-Mail-Leitungen glühen.


 Ein Bericht über die ganze Fahrt findet sich bei SpiegelOnline!    


Die VEGA dankt der Firma astromedia für die Spende einiger Sonnenfinsternisbrillen und Bastelbögen  zum guten Gelingen des Rahmenprogramms. Die Firma Baader Planetarium ermöglichte  uns mit der Spende von Filterfolie auch sichere Feldstecherbeobachtungen der Sonnenfinsternis. 

Vielen Dank auch allen anderen Helfenden, die auf der Webseite der VEGA im Archiv ausführlich aufgeführt werden!

 


Annekdote:

 

In Russland sind – so wurde mir erklärt – Kinder etwas ganz besonderes, da es zu wenig Kinder und Jugendliche gibt. Insbesondere nach der Wende, der Peristroika, gingen angeblich die Geburtenraten herunter und darum werden die vorhandenen Kinder stark behütet.

So trug es sich zu, dass wir ständig in Bussen umhergefahren wurden. Die Busse fuhren mit Polizei-Eskorte und rote Ampeln waren egal. Hauptsache die wichtige "Delegation aus Deutschland" = eine Horde Jugendlicher ist auch wohlbehütet und kommt heil an.

Also ehrlich: Einerseits fühlt man sich natürlich geehrt, aber andererseits bin ich nicht gerne eingesperrt. Das war ich früher schon, als Kind in der DDR – und es ist gut, dass das vorbei ist. (Ich zumindest, bin dankbar dafür.)

Für zwei Wochen und diese Erlebnisse geht das mal, kann man es verkraften. Ich finde es großartig, dass wir die SoFi unter derart blankpoliertem Himmel gesehen haben und all die Erlebnisse drum herum sind auch erlebenswert gewesen.

Rückwärts durch die Zeit erlebt man hier live, was anderswo schon Geschichte ist.

 

 

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

2 Kommentare

  1. Sofi

    Das ist gelungen und auf SOFI bezogen. Svhön, dass wir die Berichte so einsehen können. Ich bin gerade ohne PC und eigentlich auch schon weg. Aber für diesesn Gruß muss die Zeit noch reichen. Lieben Gruß Gaby

  2. Eine sehr schöne Aktion

    Das war bestimmt für alle Beteiligten ein beeindruckendes Erlebnis. Ich bin bei der letzten totalen Sonnenfinsternis in Deutschland extra bin nach München runtergefahren, aber Nowosibirsk ist natürlich noch mal ne ganze Ecke weiter.

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