Warum bloggst Du?

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

Mitunter werde ich gefragt, warum ich blogge. Ich antworte natürlich immer etwas, das mir in dem Augenblick und Kontext des Gesprächs als richtig erscheint – aber auf meinen langen Wegen durch die Stadt ging mir die Frage in den letzten Tagen nicht aus dem Kopf, denn die Antwort ist eigentlich sehr komplex.

Die Frage ist absolut berechtigt: Warum mache ich das eigentlich? – Es bringt kein Geld und ist auch nicht immer angenehm im Arbeitsleben; Jobs in der Wirtschaft gehen fast nicht und auch manche Professoren sind nicht glücklich darüber, eine Mitarbeiterin zu haben, die immer mit einem Bein in der Öffentlichkeit steht. Es ist also auch beruflich mitunter hinderlich oder macht einem das Leben nicht unbedingt leichter… also: Warum um alles in der Welt schreibt eine junge Wissenschaftlerin mit sehr ambitionierten und rein-wissenschaftliche Karrierewünschen für die Öffentlichkeit?

Die Antwort hat viele Facetten und – ich bin ja nun schon seit 2007 dabei – hat sich im Laufe der Zeit verändert. Genau genommen ändert sie sich regelmäßig mit meinem Job, für den ich aktuell gerade bezahlt werde:

  • Als 2007 das neue Format bei Spektrum erfunden wurde, war ich neugierig. Ich wollte es probieren, wollte dabei sein, es zu entwickeln: einfach mal gucken, was passiert. Schließlich war ich damals in Medienwissenschaften immatrikuliert und ich dachte, das könnte meine Interessen einerseits inhaltlich an der Astronomie und andererseits an Publikationsmethoden/ Medien verbinden. Ich denke, das Motiv war Neugier auf das neue Medium, das Wissen, dass ich ungewöhnliche Dinge tue und darüber gern erzählen würde (aber nicht bei facebook, sondern wenn überhaupt, dann ganz öffentlich) plus der Anreiz, dass ich dafür SuW im Abo erarbeite.
  • Warum bin ich damals gefragt worden? – Ich habe schon immer gern mein Wissen und insbesondere mit dem Thema Astronomie für die Öffentlichkeit aufbereitet – Vorträge gehalten und Artikel geschrieben. Das ging schon in der Schule los: als 16jährige habe ich das erste Mal ein drei-Tage-Blockseminar “Astronomie” organisiert und geleitet, durfte dafür selbständig die Physikräume und -sammlung meines Gymnasiums nutzen – und zwei Jahre später, kurz nach meinem 18. Geburtstag habe ich in der Berliner Archenhold-Sternwarte die letzte von mehreren Prüfungen zur Freien Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsdienste (Führungen in Museum, Planetarium, Sternwarte, Vorträge etc. pp.) erfolgreich bestanden. Ich liebte den Job, den ich daraufhin zu tun berechtigt war, als Nebenjob neben Studium/ Forschung – d.h. tagsüber forschen und abends einen Vortrag oder eine öffentliche Führung, den Dialog mit der Öffentlichkeit, mit allgemeinem Publikum etc. Ich will und kann das nicht hauptberuflich machen, weil es mich inzwischen stark unterfordern würde – aber ergänzend neben der eigenen Forschung, liebte ich diesen Job – und ich liebe ihn immer noch: hab ich ja die letzten Monate in Österreich wieder sehr exzessiv gemacht.
  • Zudem denke ich, dass wir Astronomen auch eine besondere Kommunikationspflicht haben gegenüber der Gesellschaft: Wir produzieren nichts, entwickeln nicht vordergründig neue Technologien, neue Materialien oder retten Menschenleben – wir sind eben keine Ärzte und Ingenieure, sondern ein Orchideenfach. im Gegensatz zu weiten Teilen der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung hat aber die Astronomie einen ganz natürlichen, auch emotionalen Reiz für die meisten Menschen (und damit nach Comenius besonders für didaktische Zwecke geeignet). Stellvertretend für die Naturwissenschaften im Allgemeinen können wir also alternative Zugänge zur Wissenschaft nutzen und wir können ganz hervorragend die Themen, Methoden und Fragestellungen verschiedener Fakultäten etc. verbinden. Das eröffnet ein gewaltiges Potential!
  • Günstige Werbung für meine Veranstaltungen: Da ich damals, als die SciLogs erfunden wurden, nicht für Wissenschaft bezahlt wurde, sondern für Arbeiten im Tourismus (Bsp.), begann ich, auch für den Reiseveranstalter Werbung zu schreiben. Und natürlich – viel wichtiger – für meine ehrenamtlich organisierten Projekte: Seit 1999 organierte ich überregionale und teilweise internationale Maßnahmen für junge Leute zwischen 16 und 26 Jahren; z.B. Wochenendtreffen, Sommerschulen, Nachtreffen von Freizeiten etc. Das habe ich stets ehrenamtlich gemacht und solche LowBudget-Projekte haben kein Budget für Werbekampagnen! Das Internet eignet sich aber hervorragend für solche Nachrichten: Viele der Publikationen wurden hier in meinem Blog dargereicht, denn da lässt es sich schnell und unkompliziert veröffentlichen:
    • Informationen und Werbung für diese Maßnahmen (Bsp.),
    • Projektdokumentationen (Bsp.)
    • Teilnehmerberichte (Bsp.)
  • Ungewöhnlicher Promotions- und Lebensstil, viele berufsbedingte Ortswechsel => immer etwas zu erzählen (Bsp.) und viele Fragen (Bsp.): Als immatrikulierte Doktorandin ohne Uni-Job (d.h. freiberuflich arbeitend) hatte ich durch meine Reisen viel zu erzählen, was meine wissenschaftliche Arbeit nicht weiter berührte. Ich konnte aber in Ermangelung von Diskussionsforen (Kolloquien oder so) für meine wissenschaftliche Arbeit, das Blog auch für Fragen (journalistische, politische, für mich fachfremde wie philosophische) als Diskussionsplattform nutzen.
  • Meine Ehrenämter – sei es die außerschulische naturwissenschaftliche Bildung oder auch die erste Promotion – wollte ich damit mehr publik machen. Ich such(t)e nach potentiellen Förderern: erstens meiner eigenen, fakultätenübergreifenden wissenschaftlichen Arbeit, zweitens von dem, was mir darüber hinaus wichtig ist, nämlich allgemeine Bildung/ außerschulische Bildungsstätten (seien es meine Projekte oder auch öffentliche Sternwarten, Museen, Planetarien…).
  • In dieser freien Arbeitsform nutzte ich das Blog damals auch zur Dokumentation meiner eigenen Arbeiten (Bsp.), damit Professoren/ Chefs/ eventuelle Gutachter auf sie aufmerksam werden und eben auch für mich persönlich verbunden mit dem sehnlichen Wunsch nach Förderern – nicht nur für mein altruistisches Ehrenamt, sondern vor allem für mich selbst.
  • Als ich irgendwann endlich einen richtigen Job in einem meiner Berufe hatte (und nicht nur Aushilfsjobs), musste ich den Spagat üben, dass ich über meine eigene, ganz frische Forschung nicht schreiben durfte. Das brauchte ich dann ja auch nicht mehr, denn ich konnte meine Fragen mit Kollegen diskutieren und brauchte die Plattform nicht mehr. Ich schrieb also nur über fertige Ergebnisse anderer, über Konferenzen, Workshops, Publikationen und anderes Öffentliches, das mir unterkam: Nun war/ ist es wieder allein die Freude am qualifizierten Teilen von Kenntnissen und Meinungen in der Öffentlichkeit.
  • Mein persönliches Format beim Bloggen hat sich dann so entwickelt, dass ich weniger über mein eigenes Leben als Wissenschaftlerin zu schreiben begann, sondern mehr darüber, wie ich als Wissenschaftlerin die Welt wahrnehme. Nach einem Physikstudium sieht man den Film “interstellar” anders als ohne, was mir insbesondere auffiehl, weil ich ihn mit einer Archäologin zusammen gesehen habe: nur als Beispiel.
    Das Blog ist also eine Art Kolumne einer Wissenschaftlerin, “letters to the world”, und das mache ich einfach, weil es mir Spaß macht. Es ist quasi mein Hobby, das ich nicht zum Beruf machen möchte, denn als Journalistin würde ich mich immer nur ärgern, dass die anderen (über die ich berichte) so interessante Forschungen machen und ich das gerade nicht dürfte: Ich weiß, dass ich so fühle, weil ich in der Freiberuflerphase auch öfter mal Wissenschaftskommunikation gemacht habe und insbesondere auch journalistisch tätig war: So gern ich auch “mal etwas schreibe”, wenn das mein Hauptberuf wäre, würde ich depressiv und ginge bald seelisch kaputt.
    Zudem präsentiere ich hin und wieder größere Recherchen über Dinge, die mich einfach en passant interessieren. Das ist einerseits für mich selbst ein Spiegel bzw. eine Erinnerung, was man später mal als Forschung vertiefen könnte. Andererseits ist eben nicht jede kleine Studie-nebenbei ein Forschungsprojekt – es gibt mir aber dann Gelegenheit für interessante Einblicke, z.B. in die Optikindustrie oder Buchproduktion

 

Mein Herz schlägt vor allem in der Forschung und ich liebe meinen wissenschafltichen Elfenbeinturm, aber ich mag mich nicht darin einsperren lassen. Umgekehrt liebe ich ihn so sehr, dass ich mein (angebliches) Talent zur populären/ didaktischen Aufbereitung der Erkenntnisse hin und wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen möchte, solange es mich nicht davon abhält, auch eigenen Forschungen nachzugehen.

Könnte ich das Bloggen sein lassen? – Hm, weiß nicht: Es würde mir jedenfalls schwer fallen und vielleicht könnte ich es auch gar nicht.

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

3 Kommentare

  1. Das Thema warum man trotz allem am Bloggen festhält, scheint ja derzeit umzugehen. Ich habe mich selbst dazu als Reaktion auf einige andere Beiträge zum Thema schon vor kurzem ausführlich geäußert. Die Quintessenz war in etwa, jeder soll seinen Erfolg beim Bloggen selbst definieren, und dass ist eben nicht immer eine hohe Zahl an Besuchern oder gar das Geld verdienen.

    Blogs wie dieses hier, oder wie man sie unter scilogs.de generell findet, finde ich aber auch deshalb wichtig, weil sie eine Art Leuchtturm in der Wissenschaftskommunikation sind. Viele Wissenschaftler befinden sich hier ja leider noch im Elfenbeinturm und Veröffentlichungen sind nur dann Veröffentlichungen, wenn sie in den entsprechenden Fachmagazinen stattfinden. Das überlässt das Feld dann aber oft auch Laien, die manchmal mehr durch Halbwissen glänzen können.

  2. Hmja, interessante Frage: Warum wird “gebloggt” [1]?

    Die üblichen Gründe bestehen in einer durchaus natürlichen Geschwätzigkeit und einem Sendungsbewusstsein, einer allgemein-pädagogischen Bestimmung.

    Wenige Frauen “bloggen”; der Schreiber dieser Zeilen horcht immer ein wenig auf, wenn auch Damen nicht nur etwas zu sagen haben, sondern tatsächlich auch sagen und schreiben.
    Ein Kompliment an dieser Stelle!

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1]
    WebLog, das oder der Log meint wörtlich einen “Klotz” und ist wohl der Seefahrer-Sprache entlehnt, weil es dort, Stichwort: Kapitän, zur tagtäglichen Schilderung der Arbeitsverläufe, besonderer Vorkommnisse und auch Stimmungslagen kommen musste, dem Sponsor der seemännischen Veranstaltung geschuldet, aber nicht nur.
    Wir vergleichen auch mit der Acta Diurna, dem womöglich frühesten Tagesschreiber-Medium, Journalismus hier das Fachwort.

  3. Als “geschwätzig” würde ich mich nicht bezeichnet: Ich selektiere sehr sorgfältig, was ich erzähle und was nicht und im zwischenmenschlichen Umfeld gelte ich eher als eine sehr stille Person. Zudem bin ich zwar beruflich vieles, aber sich kein Pädagoge (Erzieher). Was mir allerdings schon seit der Kindheit nachgesagt wird, ist ein gewisses Talent zum Erklären – darum war ich ja auch mal lebensabschnittweise in der Didaktik (Lehre vom guten Unterrichten) gelandet und habe Lehrkräfte ausgebildet.

    Meine “Bestimmung” ist ganz sicher, Astronomin zu sein, d.h. in erster Linie zu forschen und zum Wissensrepertoire der Menschheit beizutragen. Das habe ich von den Gutachten meiner Doktorarbeit übrigens inzwischen sogar schriftlich. – Aber da die Astronomie sehr allgemein-interessant, öffentlichkeits- und medienwirksam ist und ich wohl das oben besagte Talent habe, sehe ich es als meine persönliche Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft (die die Steuergelder zahlt, von denen ich – hoffentlich bald wieder – bezahlt werde), stellvertretend für meine Wissenschaft und meine anderweitig talentierten Kollegen, das breite Publikumsinteresse an diesen Themen zu bedienen. Das ist also eine Art ehrenamtliche Dienstleistung für die Gesellschaft, von der ich bezahlt werde(n möchte) – idealerweise irgendwann als Professorin (so dass ich meiner Bestimmung zur Forschung gerecht werden UND mein Talent zum Lehren vielen Menschen urbar machen kann) bzw. wenigstens als Wissenschaftlerin.

    DANKE trotzdem für den spekulativen Kommentar, Herr Dr Webbaer

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