zwei Lehrgedichte zum Mond – in memoriam Wilfried Tost

BLOG: Uhura Uraniae

Ko(s)mische Streifzüge durch Zeit und Raum
Uhura Uraniae

als kleine Ergänzung zu dem – im deutschsprachigen Raum recht bekannten – Gedicht von Christian Morgenstern, der im 19. Jh. den Mond zu einem “völiig deutschen Gegenstand” erklären wollte, möchte ich hier zwei moderne Alternativen präsentieren:MoFi_17-24_s

Der Mond

Unser Trabant umläuft beständig
den Erdenball und ist so wendig,
dass er uns stets zeigt das Gesicht,
den Hinterkopf sehen wir nicht.

 

Der gute Mond wiegt mit Bedacht
sein weises Haupt in stiller Nacht.
Mal zeigt er uns das rechte Ohr,
dann kommt das linke mal hervor.

 

Quittiert’s Geschehn mit leichtem Nicken,
so könn’ wir Kinn und Stirn erblicken.
Darum im Lauf der Zeit man kennt,
mehr als die Hälft’, sechzig Prozent.

(Dalena, 2008)


Mondphasen

So wie ein Paar von Liebe strahlt,
erst Sonnenschein das Mondlicht malt.
Doch tragisch für das Himmelspaar:
Sie sind einander niemals nah.

 

Erst wenn der Vollmond untergeht,
die Sonne für uns aufersteht.
Und rückt er dann ihr wieder näher
wird er schmal und immer schmäler.

 

Unsichtbar ist er bei ihr.
Jetzt sind schon zwei der Wochen vier
von einem ganzen Monat rum
und Neumonds Sichel andersrum.

(Dalena, 2007)

Beide sind vom selben Dichter verfasst und lassen sich gewiss auch gut in Auszügen als Merkspruch umwidmen oder sonstwie zu Lehrzwecken einsetzen. Dabei wünsche ich allen Lesenden viel Vergnügen und ansonsten später ein gutes neues Jahr!

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PS: Dass der Mond ein alles andere als “deutscher Gegenstand” ist, hat das 20. Jh. ausführlich gelehrt. Erstens waren da sogar Menschen drauf, aber keine deutschen und zweitens wurde international beschlossen, dass niemand die anderen Himmelkörper oder Teile davon besitzen kann (vgl.: Weltraumvertrag). Das ändert ja aber nichts daran, dass man sich das mit dem Mond und seinen Phasen irgendwie mal merken möchte.

BUCHTIPP (schöner ediert als hier)

Machmut A. Dalena: Poesie heilt die Wunden, die der Verstand schlägt, Perspektiven-Verlag 2009

 


Nachtrag vom 13.01. 2014Tost

In Memoriam:

Wilfried Tost (1952-2014)

Die engeren Sternfreunde von der Wilhelm-Foerster-Sternwarte Berlin trauern mit den Worten:
“Wilfried ist viel zu früh von uns gegangen. Was bleibt ist zunächst Schmerz, aber auch die Erinnerung an sein großes Wissen, seinen Humor und seine Begeisterung für das, was er tat. Er wird uns fehlen und hinterlässt eine große Lücke.”

Ich kann das nicht besser formulieren und zitiere daher die Trauerworte der Mondgruppe (WFS). Unter die Sterne versetzt ist er bereits in Gestalt des Planetoiden (13334) Tost, aber das ändert nichts daran, dass uns Lebenden der Mensch und teure Freund sehr fehlen wird. Er starb am 11. Januar nach langer Krankheit in Berlin.

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"physics was my first love and it will be my last physics of the future and physics of the past" Dr. Dr. Susanne M Hoffmann ist seit 1998 als Astronomin tätig (Universitäten, Planetarien, öffentliche Sternwarten, u.a.). Ihr fachlicher Hintergrund besteht in Physik und Wissenschaftsgeschichte (zwei Diplome), Informatik und Fachdidaktik (neue Medien/ Medienwissenschaft) als Weiterqualifikationen. Sie ist aufgewachsen im wiedervereinigten Berlin, zuhause auf dem Planeten Erde. Jobbedingt hat sie 2001-2006 in Potsdam gelebt, 2005-2008 saisonal in Mauretanien (winters) und Portugal (sommers), 2008-2009 und 2013-'15 in Berlin, 2010 in Hamburg, 2010-2012 in Hildesheim, 2015/6 in Wald/Österreich, 2017 in Semarang (Indonesien), seit 2017 in Jena, mit Gastaufenthalten im Rahmen von Forschungskollaborationen in Kairo+Luxor (Ägypten), Jerusalem+Tel Aviv (Israel), Hefei (China)... . Ihr fachliches Spezialgebiet sind Himmelskarten und Himmelsgloben; konkret deren Mathematik, Kartographie, Messverfahren = Astrometrie, ihre historische Entwicklung, Sternbilder als Kulturkalender und Koordinatensystem, Anomalien der Sternkarte - also fehlende und zusätzliche Sterne, Sternnamen... und die Schaustellung von alle dem in Projektionsplanetarien. Sie versteht dieses Blog als "Kommentar an die Welt", als Kolumne, als Informationsdienst, da sie der Gesellschaft, die ihr das viele studieren und forschen ermöglichte, etwas zurückgeben möchte (in der Hoffnung, dass ihr die Gesellschaft auch weiterhin die Forschung finanziert).

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