“Das ist eine Alarmglocke für uns”

Gastbeitrag von Benjamin von Brackel aus Warschau zum Beginn der UN-Klimakonferenz.

Der erste Verhandlungstag der UN-Klimakonferenz in Warschau steht ganz unter dem Eindruck des verheerenden Taifuns auf den Philippinen. Die Teilnehmer werden daran erinnert, um was es eigentlich geht. Die Welt muss schnell einen Klimavertrag auf den Weg bringen, mahnt Christiana Figueres, die Chefin des UN-Klimasekretariats.

Selten hat eine Klimakonferenz so emotional begonnen. Im Bauch des Nationalstadions von Warschau ergreift der Delegierte der Philippinen Naderev “Yeb” Saño am Montagmittag das Wort und beschwört die Anwesenden, einen Weltklimavertrag auf den Weg zu bringen und damit aufzuhören, immer mehr Treibhausgase in die Luft zu blasen. “Wir können es hinkriegen”, sagt er. “Lasst uns dazu beitragen, dass wir uns an Polen und Warschau als den Ort erinnern können, an dem wir diese Dummheit gestoppt haben.”

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Konferenzchefin Christiana Figueres in Warschau: “Wir müssen schneller, höher und stärker werden, um das Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen.” (Foto: Benjamin von Brackel)

Während er das Mikro von sich wegbiegt, setzt Applaus ein, der zunimmt, immer mehr Teilnehmer erheben sich von ihren Sitzen und applaudieren, einige jubeln ihm zu. “We stand with you!”, skandiert eine Gruppe junger NGO-Vertreter. Yeb Saño hebt sein rotes Taschentuch und verbirgt sein Gesicht, damit man seine Tränen nicht sieht. In seinem Land kämpfen die Menschen mit den Schäden durch “Haiyan”, einem der stärksten durch den Menschen gemessenen Taifune, der vergangenes Wochenende die Philippinen verwüstet und Tausende Menschenleben gekostet hat.

Und so bekommt die Klimakonferenz in Warschau, auf die viele Beobachter noch vor Beginn nicht viel Hoffnung gesetzt haben, eine neue Bedeutung, weil sie ganz im Zeichen der Naturkatastrophe auf den Philippinen steht. “Das ist eine Alarmglocke für uns alle”, sagte Christiana Figueres, die Chefin des UN-Umweltsekretariats am Nachmittag in Warschau. Es sei nachgewiesen, dass Extremwettersituationen wie der Taifun auf den Philippinen durch den Klimawandel stark zunehmen würden. Deshalb sei es nötig, “schnell zu handeln” und in Warschau den Boden für einen neuen Klimavertrag zu bereiten, sagte Figueres. “Es ist klar, dass wir schneller, höher und stärker werden müssen, um das Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen.”

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Das Nationalstadion von Warschau. (Foto: Benjamin Brackel)

Ob die Aufgaben erledigt werden können, steht in Frage

Dabei sieht Figueres drei Hauptthemen: Erstens sollen sich die Verhandler klar über die Finanzierung des Green Climate Fund werden. 100 Milliarden Dollar jährlich haben die Mitgliedsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention den ärmsten und verletzlichsten Staaten ab dem Jahr 2020 versprochen, damit sie sich auf den Klimawandel einstellen und in klimafreundliche Technologien investieren können. Zweitens haben die Verhandler schon in Doha 2012 das Mandat erteilt, in Warschau einen institutionellen Mechanismus für “Loss and Damage” zu beschließen, also die Verluste und Schäden durch den menschengemachten Klimawandel. Drittens geht es darum, sich über die Elemente klar zu werden, die am Ende im Klimavertrag stehen sollen, den die Staaten 2015 in Paris verabschieden wollen. Noch gibt es starke Zweifel, dass überhaupt einer der Punkte in Polen erledigt werden kann. “Warschau ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg nach Lima und Paris”, sagte Figueres dennoch mit Blick auf die Klimagipfel 2014 und 2015.

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Schweigeminute in Warschau für die Opfer des Taifuns auf den Philippinen. (Foto: Benjamin von Brackel)

In den zwei Wochen in der polnischen Hauptstadt arbeiten die Delegierten an drei Verhandlungssträngen:

Der SBI (Subsidiary Body of Implementation) überwacht die technische Umsetzung der Konferenzbeschlüsse. Hier wird über Themen wie Loss and Damage, den Green Climate Fund, Technologietransfer und die Anpassung an den Klimawandel gesprochen. Zuletzt hatte Russland diesen Verhandlungsstrang blockiert.

Der SBSTA (Subsidiary Body for Scientific and Technological Advice) arbeitet zu ähnlichen Themen wie der SBI, etwa dem capacity building, und dient als Unterstützung des Verhandlungsprozesses durch die Forschung und die Beobachtung des Klimasystems.

Im ADP (Ad Hoc Working Group on the Durban Platform for Enhanced Action) geht es schließlich darum, einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag bis 2015 aufzustellen und die Lücke zu schließen zwischen den Zusagen der Staaten und den nötigen Maßnahmen, um das Zwei-Grad-Ziel noch zu schaffen.

 

3 Kommentare

  1. Alarmglocke hin oder her. Das Hauptproblem sehe ich in der Trägheit des Energiesektors – der Energiemix ändert sich nur langsam – bei gleichzeitigem Wachstum des Energieverbrauchs weltweit. Es braucht einiges, damit Sorgen um das Klima die Entwicklung des Energiebsektors nachhaltig ändern. Die Trends im Energiebereich werden jeweils gut durch den World Energy Outlook abgebildet, der heute, am 12. November 2013 gerade neu herausgekommen ist. Dort lesen wir in der Präsentation für die Presse:

    Today’s share of fossil fuels in the global mix, at 82%, is the same as it was 25 years ago; the strong rise of renewables only reduces this to around 75% in 2035

    Die fossilen Energien werden also gemäss WEO 2013 auch im im Jahr 2035 dominieren trotz starkem absoluten Wachstum bei den erneuerbaren Energien. Einfach darum, weil der Gesamtenergieverbrauch stark ansteigt und ein gewichtiger Teil des Zubaus Erdgas, Öl und Kohle sein wird.
    Nach WEO 2013 werden die kumulativen CO2-Emissionen zwischen 2013 und 2035 etwa 750 Gigatonnen CO2 ausmachen und schon einige Jahre nach 2035 wird mehr CO2 ausgestossen sein, als von einem 2°C-kompatiblen CO2-Budget gefordert.

    Ich deute den WEO 2013 allerdings nicht als Prognose sondern lediglich als Trendvorhersage. Es kann anders kommen. Die CO2-Emissionen können noch in den frühen 2030er Jahren ihren Peak überschreiten, aber nur dann, wenn es einen ziemlich radikalten Trendbruch gibt. Dass die Klimakonferenz in Polen diesen Trendbruch einleitet, ist unwahrscheinlich. Nötig wäre das Bekenntnis der grossen CO2-Emittenten in Non-OECD-Asien, den USA und Europa zu Wachstum im Energiebereich nur noch über nichtfossile Energien. 65% des Energiezuwachses im Zeitraum 2012 bis 2035 werden nach WEO in Non-OECD-Asien liegen, also bei den Schwellenländern. Schwellenländer neigen jedoch dazu die Industrialisierung nachzuvollziehen und billige und schnell entwickelbare Energieformen einzusetzen. Technische und ökonomisch Hilfe aus den OECD-Ländern könnte das vielleicht ändern.

  2. Lieber Herr Holzherr,

    danke für Ihre Einschätzung. Es wird schwierig sein, der Kohle zu entsagen, dazu bräuchte es eine globale Verzichtskultur, die wie nur erhoffen können. Realistisch sind die Trendvorhersagen der WEO, die die zitieren. Deshalb heißt Klimarealpolitik: 1) Wir brauchen weitere Effizienzsteigerungen bei der Kohletechnologie UND den Erneuerbaren, wie brauchen 2) eine Preis für CO2 und dazu den Erhalt des Emissionshandelssystems der EU und Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel jenseits 2°C global – was in unseren Sphären Anpassung an 4°C oder mehr bedeuten wird. Da müssen Alarmglocken klingen.

    • Zustimmung. Ein Preis für CO2 und das wenn möglich mit globaler Gültigkeit wäre sehr wichtig, denn damit würde ein eigentlicher Markt für CO2-arme Lösungen entstehen. Generell sollten mehr Optionen in Betracht gezogen werden. Also nicht nur dezentrale Energieversorgung mit Erneuerbaren soltlen gefördert werden, sondern auch Carbon Capture and Storage und der grossräumige Stromverbund sollten gefördert werden. Da ein völliger Verzicht auf Kohle, Öl und Gas noch viele Jahrzehnte entfernt liegt, sollte auch sehr viel mehr in die Forschung von Energie-Technologien investiert werden, die heute noch weit von einer Realisation entfernt sind wie z.B. die nukleare Fusion oder eben CCS. Eine globale technisch-wissenschaftliche Zusammenarbeit im Energiebereich wäre wünschenswert.

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