Siegeszug der Diplomatie. Die fünf Säulen des Paris-Abkommens.

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Punktlandung. Unter der strengen französischen Führung und nach langer Vorbereitung in einem historischen „Klimamarathon“ von Vorverhandlungen des zurückliegenden Jahres ist es gelungenen, ein neues Weltklimaabkommen vorzulegen, dem 195 Nationen dieser Welt in einem feierlichen Akt zugestimmt haben. Jetzt kommt der schwierige Teil – die Umsetzung auf allen Ebenen.

Das Paris-Abkommen löst das Kyoto-Protokoll in 2020 ab und regelt die langfristige globale Zusammenarbeit im Klimaschutz und bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels in einer völkerrechtlich verbindlichen Form. Es wird am „Tag der Erde“ am 22. April 2016 bei einer Sitzung der Vereinten Nationen (UN) in New York durch die Staats- und Regierungschef unterzeichnet und tritt in Kraft, „wenn mindestens 55 Staaten mit insgesamt mehr als 55 Prozent der weltweiten Emissionen“ das Abkommen anschließend in ihren Parlamenten ratifizieren. Und dies sind die Kernbestandteile des Paris-Abkommens:

  • Es gibt langfristige Ziele: Die Erderwärmung soll „deutlich unter zwei Grad“ gesenkt werden; weitergehende Anstrengungen zum 1,5 Grad-Ziel sind ausdrücklich erwünscht. Die Widerstandskraft der Länder im Klimawandel soll gestärkt und eine Entwicklung zur „Treibhausgasneutralität“, das heißt zu einem Gleichgewicht des Eintrags und des natürlichem Abbaus von Treibausgasen, soll ab 2050 angestrebt werden.
  • Es gibt freiwillige Selbstverpflichtungen der Staaten zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung, die in einem selbstbestimmten nationalen Prozess festgelegt werden und ab 2023 alle fünf Jahre in einem UN-Prozess der gegenseitigen Beobachtung und Kontrolle im Sinne der Langfristziele überprüft werden.
  • Es gibt Finanzzusagen der reichen Länder vor allem an die ärmsten Länder, die zugleich am meisten unter dem Klimawandel zu leiden haben. 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr sind im Paris-Abkommen „als Basisbetrag“ ab 2020 genannt. Schon fünf Jahre später soll überprüft werden, ob diese Summe reicht, um die gewaltigen Aufgaben aus dem Paris-Abkommen in den Entwicklungsländern zu erfüllen.
  • Für „Verluste und Schäden“ durch den Klimawandel in den kleinen Inselstaaten sollen unter anderem Klimaversicherungen eintreten. Die G7-Staaten haben dafür bereits jetzt 400 Millionen US-Dollar als Fördermittel zur Verfügung gestellt. Eine Staatshaftung oder „irgendeine Form des zwischenstaatlichen Schadensersatzes“ werden aber ausdrücklich im Vertrag ausgeschlossen.
  • Weil das Paris-Abkommen erst nach langer Zeit Wirkungen zeigen wird, der Druck aber schon heute immens ist, wurde ein Weg gefunden, der ein schnelles Handeln der Bürgergesellschaft befördert. Diese Lösungsagenda setzt da ein, wo die Staaten im Schritt-für-Schritt-Verfahren keine schnellen Lösungen bieten.

Alles im allen ein Sieg der Diplomatie, der bereits beim Gipfel in Durban mit dem System der offenen Verhandlungen („Indabas“) begonnen hat und nun mit dem diplomatischen Durchmarsch-Regime des Laurent Fabius zu einem Erfolg geführt wurde. Fabius hat die Zügel sehr eng geführt. Mit dem Auftaktmandat der Staats- und Regierungschefs für ein Abkommen im Rücken hat er die Unterhändler und schließlich auch die widerstrebenden Umweltminister dazu gebracht, Widersprüche im Verhandlungsdokument in einem Kompromissprozess auszutragen. Er benannte die stärksten Widersacher zu Schlichtern, entsandte Emissäre in die Untergruppen zur Lösung der „Biggies“ (Problemcluster wie etwa Klimafinanzierung) und ließ sich über Verhandlungsfortschritte sowie Widerstände berichten. In der letzten, kritischen Runde holte er sich die Hilfe von ganz oben. U.S.-Präsident Obama rief den chinesischen Staatschef Xi an, um die festgefahrene „USA-China-Achse“ des Paris-Abkommens zu lösen.

Mit dem Abschluss des Paris-Abkommens haben die UN gezeigt, dass eine weltweite Klimaschutzkooperation in Verhandlungen möglich ist. Daran gab es nach dem Scheitern in Kopenhagen vor sechs Jahren erhebliche Zweifel und zahlreiche Vorschläge, wie der Klimaschutz subglobal durch „Klimaclubs“ oder die „Weltbürgerbewegung“ organisiert werden könnte. Ich bin davon überzeugt, dass beides zusammengehört: Globale Verträge und subglobale Anstrengungen der Bürgergesellschaft, mit den Städten und der Wirtschaft. Jetzt geht es an den schwierigen Part – die Umsetzung auf allen Ebenen. Die Chancen dafür stehen gut. Die Vision des vollständigen Verzichts auf Kohle, Öl und Gas ab 2050 beflügelt jetzt schon die Finanzwirtschaft, die begonnene Umschichtung ihrer Energieportfolios massiv zu verstärken.

Link zum Paris-Abkommen: https://unfccc.int/documentation/documents/advanced_search/items/6911.php?priref=600008831

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Reimund Schwarze ist Klimaexperte im Department Ökonomie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Als Professor für Volkswirtschaftslehre hält er Vorlesungen an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Seine Forschungsschwerpunkte sind ökonomische und juristische Untersuchungen zur Klimapolitik. Er beobachtete in den letzten Jahren die Klimakonferenzen der UNO und berichtete davon im UFZ-Klimablog.

5 Kommentare

  1. Das ist in diesen von Terror und Kriegen gekennzeichneten Zeiten und den medilalen Echos darauf endlich mal eine sehr positive Nachricht. Hoffentlich wird das auch alles so umgesetzt und nicht vom nächsten amerikanischen Präsidenten /bloss nicht Trump) wieder kassiert. Digit

  2. Die (Zitat) Finanzzusagen der reichen Länder vor allem an die ärmsten Länder sind das (einzig) Verbindliche, das in Paris herausgekommen ist. Ohne sie hätte es wohl keine Einigung gegeben.
    Mindestens so wichtig sind aber die im Vorfeld von Paris von den USA (26% Emissionsreduktion zwischen 2005 und 2025) und China (Emissionspeak vor 2030) abgegebenen Absichtserklärungen, denn die USA und China sind die grössten Emittenten von CO2. Wenn sie ihre Emissionen zu reduzieren beginnen werden Staaten, die das nicht tun – wie vorläufig Indien – verstärkt unter Druck gesetzt.

    Als Folge von Paris ist denkbar, dass zunehmend in Absenkungspfaden gedacht wird. Jedes Land wird in diesem Szenario daran gemesssen werden wie schnell und stark es seine Emissionen senkt.

  3. Danke für den Kommentar! Die Chancen für die Aufrechterhaltung des zentralen Instruments der Klimapolitik der Obama-Administration stehen bei einem Regierungswechsel schlecht, auch wenn der nächste republikanische Präsident nicht Donald Trump heißt. Der U.S.-Clean Air Act wird als Präsidentendekret nicht durchzuhalten sein. Er ist dem Problem des Klimaschutzes auch nicht angemessen. Es bedarf eines mengenorientierten Instruments wie dem Emissionshandel. Die Chancen dafür sehe ich nicht gleich Null. Zum einen ist das Wissen um den Klimawandel in den USA in der jüngsten Vergangenheit deutlich gewachsen; zum anderen gibt es einflussreiche Stimmen aus den Reihen der Republikaner, die das Parisabkommen als Bestätigung der Politik des früheren U.S.-Präsidenten George W. Bush werten. Man wolle “China nicht einfach vom Haken lassen”, heißt es von Senator Hagel, einem der Grabträger des Kyoto-Protokolls in den USA. Die Chancen für ein Überleben des Parisabkommens in den USA stehen also auch nach einem Regierungswechsel nicht so schlecht.

  4. Mit dem Einbringen von belebter und gesättigter Pflanzenkohle wird die zu Kohle gewordene Biomasse zu Holzkohle kristallisiert und damit dem Stoffkreislauf entzogen.
    Die vielen Poren der Holzkohle speichern Nährstoffe und Wasser, intensivieren das Bodenleben, steigern die Fruchtbarkeit und reduzieren Lachgas und Methan Emmissionen. Prof. Dr. C. Kammann, Geisenheim, Prof. Glaser, Prof. Terytze, H-.P. Schmidt et al.
    Die Minderungspotentiale sind global relevant und können CCS ersetzen
    http://www.ithaka-journal.net/

  5. kein Unterschied zum Scheitern in Kopenhagen!!!

    Am letzten Abend stand man genau so deppert da, wie vor Jahren bei COP20.

    Die “grandiose” Lösung, verkauft als Sieg der Diplomatie ist in Wahrheit keinen Cent wert. Da niemand Verpflichtungen eingehen wollte, hat man sich einfach auf Unverbindlichkeiten geeinigt. Absichtserklärungen ohne Folgen bei Nichteinhaltung.

    Das alles ist aber auch schon egal, denn auch das verbindliche Kyoto Abkommen hat am Ende nur dazu geführt, dass die CO2 Emissionen noch schneller angestiegen sind, als vor diesen lächerlichen Verträgen. Die Menschheit scheint schneller zu verblöden, als das Klima sich ändert. Das sind harte Fakten!

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