Gastautorin: Christine Chiriac über ihre siebenbürgische Identität (Teil I)

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Wien. Heidelberg. Berlin: ein israelischer Blick auf Deutschland
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Eine Deutsche in Rumänien? Eine Rumänin in Deutschland? Christine Chiriac, eine Freundin, Leserin und jetzt auch Gastautorin, reflektiert in einer dreiteiligen Beitragsserie über ihre Identität.

Teil I: Woher ich komme

Vor etwa acht Jahrhunderten kamen deutsche Siedler aus ihrer moselfränkischen Heimat nach Siebenbürgen, ins heutige Rumänien. Um 1920 waren es noch 800.000. Um 1990 wanderten fast alle aus, hauptsächlich nach Deutschland. Zu den wenigen, die in Siebenbürgen geblieben sind, hat auch meine Großmutter gehört.

Eine kurze Chronik dieser deutschen Kolonisten findet man hier. Ebenfalls gibt es einen ausführlichen Wikipedia-Artikel dazu, das Portal der Siebenbürger in Deutschland usw.

Marienburg (ungarisch Földvar, rumänisch Feldioara), liegt in der Nähe von Kronstadt (Brasov). Hier wurde 1928 in einer sächsischen Familie meine Großmutter geboren. Die Sachsen pflegten damals noch eine langjährige Tradition der Treue gegenüber ihrem Heimatland, Siebenbürgen, und eine Tradition des friedlichen Zusammenseins mit den anderen hier lebenden Völkern. Jedoch entwickelte sich in den zwanziger Jahren die Stimmung im sächsischen Siebenbürgen, unter diesen Diaspora-Deutschen, nach und nach zu einer unbegrenzten Begeisterung für das “große” Deutschtum. (Die Liebe zu Deutschland wiederspiegelt sich übrigens auch in der Sprache. Um nur ein Beispiel zu nennen: bis heute noch wird ein Sachse, der nach Deutschland reist, sagen: “Ich gehe nach oben”, und einer, der aus Deutschland nach Rumänien reist: “Ich gehe nach unten”). Zu der Zeit aber wurde das Vaterland Rumänien immer mehr als zweitrangig betrachtet und das deutsche “Mutterland” (wie es genannt wurde) rückte schnell in den Vordergrund. Daher kam die Verwischung der Grenzen zwischen Volkszugehörigkeit, kultureller Identität und politischer Option. Die nationalsozialistische Politik wurde hier als selbstverständlich betrachtet und ohne weiteres übernommen. Obwohl bisher alle deutsch gewesen waren, war von nun an nur noch derjenige ein Deutscher, der in die “Volksgruppe” eintrat (eine “lokale” Hitlerpartei).

Die Familie meiner Großmutter war jedoch immer zurückhaltend gewesen. Im Geheimen hat man Verfolgte ernährt, verteidigt oder versteckt; man hat sich über verbotene Radiosender weiterhin über den eigentlichen Gang der Dinge informiert; man hat geholfen wo man helfen konnte usw.
Von einem Freund (Sachse, natürlich), der aus der SS heimgekommen war, erfuhr meine Großmutter (damals 15 Jahre alt), wie Hitlers Krieg eigentlich aussah. Es prägte sie so sehr, dass sie aus der DJ (“lokale“ HJ) sofort austrat, auf immer, und ohne Rücksicht auf die Risiken zu nehmen, die daraus entstanden.

Der Schock der eigentlichen Begegnung mit dem Krieg, das Entsetzen vor dem Verhalten des eigenen Volkes, die Angst, nach Russland deportiert zu werden (was mit allen arbeitsfähigen Deutschen aus Siebenbürgen im Jahre 1945 geschah – “Kriegsentschädigung” von Rumänien für Stalins Russland, tja, so ist es nun mal mit den Spielchen der Politik), die Angst vor der Enteignung usw. brachten meine Großmutter dazu, gegen alle Regeln der sächsischen Gesellschaft in der sie lebte, einen unvorstellbaren Schritt zu wagen, einen Rumänen zu heiraten.

Bis heute noch steht deswegen ihr Name in der (deutschen) Chronik unseres Dorfes in der Rubrik “Volksverräter”. Natürlich, in der Diaspora kann man sich als Volk nur intakt bewahren, indem man sich gegen die Außenwelt “wie in einer Burg verschließt“ (Ausdruck meiner Großmutter). Von da aber, von der Bewahrung des puren Deutschtums, bis zur Verbreitung des puren Hasses stand damals nur noch ein Schritt (im glücklichen Fall wenn überhaupt die beiden noch von einander getrennt werden konnten). Die Sachsen schlossen meine Großmutter aus ihrer Gemeinschaft vollkommen aus, sprachen nicht mehr mit ihr, grüßten sie nicht mehr. Der eigene Bruder wechselte 37 Jahre lang kein einziges Wort mehr mit ihr. Sie aber hatte ihre Entscheidung bereits getroffen und ging ihren eigenen Weg.

Ihr ganzes Leben lang hat sie versucht, die unglaublich große Schlucht zwischen Deutsch und Rumänisch in ihrer neugegründeten Familie zu überbrücken. Sie ist zwar immer deutsch und evangelisch geblieben, aber sie hat versucht, die “Kälte”, die “übertriebene Geschlossenheit” und die “Blindheit” ihres Volkes in sich selbst zu vermildern, bzw. zu beseitigen und von der “Toleranz“ (nicht kitschig und ausgeleiert, wie sie heute ab und zu verstanden werden kann, sondern wie sie damals, in dem Kontext, für meine Großmutter gewesen sein mag, nämlich heilend) der Rumänen zu lernen. Offenheit, Verhandlungswillen, Gastfreundschaft, Flexibilität hat sie von meinem Großvater, dem Rumänen, gelernt. (Und das sind nochmals ihre eigenen Worte, und nicht was ich heraushören will). Ihre Ehe hat die Schlucht überlebt, auch wenn es eine Zwangsheirat gewesen war, die sich erst nachher in ein bewusstes, sehr schwieriges, aber gewolltes Zusammenleben entwickelt hat. Nibelungentreue seitens meiner Großmutter, würde ich sagen… Meistens mag es wie eine ständige Bemühung ausgesehen haben, eine Bemühung um das Zusammenhalten von zwei fremden Kulturen, die so gut wie gar nichts Gemeinsames hatten.

Nachdem mein Großvater gestorben ist (1981, damals waren die Sachsen noch nicht in die BRD ausgewandert), also nach einer 36-jährigen Ehe (1945-1981) mit “dem Rumänen”, wurde meine Großmutter von der sächsischen Gemeinde eingeladen, wieder in ihren Kreis einzutreten (“Dein Mann ist ja jetzt tot!”). Ihre Antwort lautete: “Nein, danke, den Weg den ich begangen habe, den gehe ich jetzt weiter. Ich kehre nie mehr um” (wieder sehr “deutsch”, meiner Meinung nach). Mehr als das, sie hat sich gewünscht, auf dem “rumänischen”, d.h. orthodoxen Friedhof begraben zu werden. Diesen Wunsch haben wir dann auch erfüllt.

Noch einen wichtigen Abschnitt aus ihrem Leben. 1993-1995 wurde über uns ein Film gedreht (s. hier). Wie ich ihn jetzt sehe, zeigt der Film den Abschied, ja den Untergang der Siebenbürger Sachsen im Kontext des damaligen Rumäniens, kurz nach der Wende. In diesem Dokumentar ist meine Großmutter die Hauptgestalt. In der Endszene, wird sie vom Regisseur gefragt, “was bist du eigentlich?”. Sie strahlt mit ihrer Antwort: “Weißt du, man bleibt ja doch, was man geboren ist. Ich bin aber hauptsächlich eine Europäerin”.

*

Ihre Kinder (meine Mutter und deren Geschwister) bekamen rumänische Namen und wurden, wie ihr Vater, orthodox getauft. Sie gingen in die rumänische Schule. Von der rumänischen Gemeinde aber wurden sie als Sachsen angesehen – ab und zu auch ausgeschlossen und sogar verspottet. Von der sächsischen Seite abwertend betrachtet. Mehr oder weniger ist das bis heute so geblieben, mit der Relativierung und dem netten Lächeln, die unserer Gegenwart so gut stehen.

*

Meine Mutter sagt, dass für sie beide Seiten kräftig spürbar sind, und dass sich die Grenzen zwischen diesen beiden Seiten meistens verwischen, aber gelegentlich kann es zu inneren Widersprüchen und Konflikten kommen. Im Film sagt sie: “Ich kann es nicht wirklich verstehen, warum sich die Menschen hassen. Vielleicht müssten sie alle aus Mischehen kommen.” Immerhin, so wie ich sie sehe, fühlt sie sich der deutschen Seite (viel) verbundener als der rumänischen. Meiner Meinung nach, bemühen sie sich alle, meine Mutter und ihre Geschwister, um das Deutschtum.

Mein Vater jedoch ist Rumäne (pur!).   

Ja, und genau an dieser Stelle, im Jahr 1985, komme ich auf die Bühne (Fortsetzung folgt).

*

Ein paar Bemerkungen noch…

(1)    Die Tatsache, dass meine Großmutter (und die Sachsen im allgemeinen) sich über sich selbst, über ihre Herkunft, über ihre “Ahnen” (!) und über ihre Geschichte Gedanken gemacht haben, betrachte ich als eine deutsche, rein abendländische Eigenschaft. Im Selbstbewusstsein der Rumänen hat in der Vergangenheit das Bedürfnis gefehlt, die eigene Geschichte aufzuschreiben. Deswegen gibt es große Zeitabschnitte in der rumänischen Geschichte, über die man nichts weiß, weil man darüber bis jetzt keine geschriebenen Quellen finden konnte. Selbstreflexion ist also in Siebenbürgen eher deutsch. Es sei an dieser Stelle auch gesagt, dass die Selbstreflexion bei den Rumänen zu einem späteren Zeitpunkt, und eher aus dem Nachholbedürfnis gegenüber dem Abendland entstand, als aus einem eigenständigen Verlangen nach Chroniken, Erklärungen und geschriebener Geschichte.

(2)    Ein kleiner Hinweis, über den gegenwärtigen rumänischen Staat und sein Minderheiten(selbst)verständnis. Meine Großmutter und meine Mutter haben sich immer geärgert (und mit gutem Recht!), dass das Lehrfach “Geschichte“, wenn es um Rumänien geht, in der Schule nicht “Geschichte Rumäniens” heißt, damit auch unser einer da seinen Platz unter der Sonne (und im Unterricht und im Gewissen der Menschen) findet. Sondern “Geschichte der Rumänen”, was etwas ganz anderes ist, zeigt, enthält und vermittelt.

(3)    Nur zur Info: Hier ist die Hymne der Siebenbürger Sachsen. Treue gegenüber dem “Land des Segens” und auch gegenüber ihrem (sächsischen) Deutschtum hat meine Großmutter bewiesen, indem sie nicht auswandern wollte, und als Deutsche in Rumänien, in ihrem Heimatland, bis ans Ende gelebt hat. Eine adaptationsfähige, aber trotzdem (oder umso mehr?) eine echte Diaspora-Deutsche. Auf jeden Fall war es “sächsischer” als der Exodus der meisten Sachsen (übrigens sehr gut bezahlt, von der BRD an den rumänischen Staat), die heutzutage (wieder?) in Bayern, Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen leben, aber ihre Heimat eigentlich dem lieben Gott oder dem reinen Zufall (es entscheide jeder für sich) zurückgelassen haben.   

(4)    Es sei klar für den Lesenden, dass diese Deutschen um das Jahr 1200 nicht nach Siebenbürgen vertrieben worden sind und also diese Diaspora nicht als Zwangsexil zu verstehen ist, sondern als Kolonisation und etwa als “Entwicklungshilfe” im Osten.

(5)    Meine Großmutter hat in Bezug auf das “Ende“ der deutschen Minderheit in Rumänien zwar gelitten, jedoch nicht so sehr, wie man es vielleicht erwartet hätte. Die Hitlerbegeisterung hat sie immer als ein sehr schlechtes Zeichen von innerhalb ihres Volkes gesehen, das dann auch die Katastrophe von außen ermöglicht hat (Deportation, Zwangsarbeit, Lager und Enteignung).

Was wäre passiert, ohne die Hitlerbegeisterung? Man kann es nicht wissen.

War die Hitlerbegeisterung der einzige Grund, weshalb die Sachsen dann (schreckliche) “Kriegsentschädigungen” an Stalin leisten mussten? (Obwohl ja auch Ungaren und Rumänen fröhlichen Gemüts und mit viel Einsatzfreude rechtsextrem gehandelt hatten – der Austobungswahn war ja letztendlich generell). Das ist auch eine gute Frage, wenn nicht die beste.

Hat sich der rumänische Staat nicht etwa sehr schnell die Hände gewaschen, als es 1945 um seine “rumänischen Bürger deutscher Abstammung” ging? (wenn ich mich nicht irre, ist das der genaue Begriff in der rumänischen Öffentlichkeit : “cetateni romani de origine germana”).

(6)     “Aber im fremden Land sollte man nicht den Herrscher spielen wollen”, so meine Großmutter. Mir fällt jetzt ein Zitat von William James Durant ein, das übrigens auch als Motto am Anfang des Films “Apocalypto” von Mel Gibson steht:  “A great civilization is not conquered from without until it has destroyed itself from within”.

(7)    Ob wir uns wirklich dem Ende dieser Minderheit nähern, ist eigentlich noch nicht entschlossen. Sie ist zwar sehr geschwächt und hat an innerer Kraft enttäuschend viel verloren. Es kann aber auch sein, dass die Deutschen in Siebenbürgen weiterhin bestehen bleiben, was für mich persönlich eine Freude wäre. Die Bemühungen des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, zum Beispiel, zeigen auch, dass die politische Interessenvertretung der Sachsen nicht pleite gemacht hat (wie man es außerhalb Siebenbürgens vereinfachend glaubt).

(8)    Der Fortbestand dieses Volkes wäre nicht nur für mich eine Freude, sondern sowohl für den rumänischen Staat als auch für die BRD ein großer Vorteil. Dessen sind sich anscheinend zur Zeit weder Rumänien noch Deutschland wirklich bewusst. Nur sollten sich Rumänien und Deutschland ein bisschen beeilen, das festzustellen, damit es nicht zu spät wird und es tatsächlich nur noch 2-3 Sachsen in Siebenbürgen gibt, die sich brav nach der Arbeit sehen, während Rumänien jammert und Deutschland philosophiert.

 

 

Veröffentlicht von

www.berlinjewish.com/

Mancherorts auch als der Rebbe von Krechzn* bekannt, heißt der Autor von "un/zugehörig" eigentlich Yoav Sapir. Er ist 5740 (auf Christlich: 1979) in Haifa, Israel, geboren und hat später lange in Jerusalem gelebt, dessen numinose Stimmung ihn anscheinend tief geprägt hat. Nebenbei hat er dort sein M.A.-Studium abgeschlossen, während dessen er sich v. a. mit dem Bild des Juden im Spielfilm der DDR befasst hat. Seit Sommer 2006 weilt er an akademischen Einrichtungen im deutschsprachigen Mitteleuropa: anfangs in Wien, später in Berlin und dann in Heidelberg. Nach einer Hospitanz im Bundestag arbeitet er jetzt selbstständig in Berlin als Autor, Referent und Übersetzer aus dem Hebräischen und ins Hebräische. Nebenbei bietet er auch Tours of Jewish Berlin. * krechzn (Jiddisch): stöhnen; leidenschaftlich jammern.

18 Kommentare

  1. Hmmm

    Kommt mir das nur so vor oder wird da an einigen Stellen bewusst nicht alles gesagt? Auf jeden Fall ein sehr erhellender Bericht, vor allem im Zusammenhang mit Yoavs früheren Beiträgen.

  2. @ Lars

    Hi Lars,

    inwiefern “nicht alles”? Ich vermute, dass Christine hier darüber erzählt, was ihr im Hinblick auf ihre eigene Identität wichtig ist. Es geht hier ja nicht um eine umfassende Geschichte der Deutschen oder “Sachsen” in Siebenbürgen. Oder habe ich deine Frage missverstanden?

    Schönen Feiertag
    Yoav

  3. @ Christine

    Nochmals herzlichen Dank für den spannenden Text!

    Und eine Frage hätte ich schon. Du schreibst:

    “was mit allen arbeitsfähigen Deutschen aus Siebenbürgen im Jahre 1945 geschah – “Kriegsentschädigung” von Rumänien für Stalins Russland, tja, so ist es nun mal mit den Spielchen der Politik”

    Inwiefern war es ehereifen Mädchen (wie etwa deiner Großmutter) damals eigentlich möglich, ihresgleichen zu heiraten?

    Wurden nicht viele von ihnen schon aufgrund des gewaltsamen Entzugs ihrer potenziellen Partner dazu gezwungen, auf Ehe und Familie zu verzichten – oder in die anderen Völker auszuheiraten?

    Denn in den allermeisten, v. a. traditionellen Gesellschaften ist es ja so, dass die Frau sich der Familie, dem Stamm, dem Volke ihres Mannes anschließt – und nicht umgekehrt. Geschweige denn, wenn die Frau aus einer Minderheit kommt und in eine hegemoniale Kultur einheiratet.

    Und wenn dem so war: Kann die Verschleppung vielleicht – auch – darin begründet gewesen sein, dass die Rumänen, welche die Deutschen aufgrund der geographischen Entfernung nicht (wie etwa in Tschechien oder in Polen) “einfach” vertreiben konnten, mit dieser Maßnahme eine gestärkte, zumindest teilweise Assimilation der Deutschen bezweckten bzw. erzwingen wollten?

    Auf diese Möglichkeit dürfte vielleicht die Reduzierung der deutschen Identität der Siebenbürger Sachsen – aus amtlich-rumänischer Sicht – auf eine bloße “Abstammung”, d.h. es wurde ihnen dann nur noch ihr “Ursprung” zuerkannt. Das Deutschsein hätte anscheinend keinen Zugang mehr zur Gegenwart der Betroffenen finden, ihr siebenbürgisches Deutschtum folglich als ein angeblich früheres Phänomen in die Schranken der Vergangenheit verwiesen werden sollen.

  4. @ Lars

    Tatsächlich, in meinem Beitrag nehme ich mir nicht vor, die Geschichte der Siebenbürger Sachsen zu schreiben (nicht einmal zusammenfassend). Viel mehr erzähle ich, in diesem ersten Teil, wie meine Großmutter die Ereignisse damals erlebt und verstanden hat, bzw. wie mir diese Ereignisse in der Familie vermittelt wurden. Was für mich immer interessant war, sind die kritischen Betrachtungen meiner Großmutter gegenüber ihrem eigenen Volk. Freilich, in einer vollständigen Variante wäre alles umfassender, aber dann auch zu lang für einen Beitrag…
    Aber: wenn “nicht alles” im Beitrag erscheint, würde ich gerne wissen, was genau dem Leser fehlt? Dann kann ich gerne antworten und die Aspekte erläutern, die unklar geblieben sind…

  5. @Yoav

    Dir nochmals schönen Dank für Dein Interesse an dieser Geschichte und für Deine Gastfreundschaft! Ohne Deine Anregung hätte ich mich wahrscheinlich nicht an den Schreibtisch gesetzt und diesen Text auch nicht veröffentlicht…

    Was ich im Beitrag nicht genügend betont habe, ist die Tatsache, dass Siebenbürgen eigentlich nur seit dem Jahre 1918 zu Rumänien gehört… Die deutschen Siedler wurden im 13. Jahrhundert vom ungarischen König nach Siebenbürgen eingeladen. Sie haben dann Burgen und Kirchen errichtet, Dörfer und Städte gegründet, meistens an Stellen wo vor ihrer Ankunft nur Sümpfe und Wälder gewesen waren. Im 16. Jahrhundert, als dann das mittelalterliche Ungarn durch die Osmanen zerstört wurde, entstand das Fürstentum Siebenbürgen. Bis ins 19. Jahrhundert funktionierte Siebenbürgen autonom, etwa als Sächsische Selbstverwaltung. Unter der österreich-ungarichen Monarchie, gehörte Siebenbürgen wieder der ungarischen Reichshälfte.
    Erst ab 1919 wurden also die Deutschen hier als “Minderheit” von Großrumänien betrachtet… Deswegen, um Deine Frage zu beantworten, würde ich sagen, die Rumänen waren erst seit sehr kurzer Zeit die “hegemoniale Kultur”.
    Bis zum Ende des ersten Weltkrieges, waren sie in den sächsischen Dörfern die absolute Minderheit, wenn ich es so sagen darf.
    Deswegen war die Heirat meiner Großmutter ein sehr gewagter Schritt, ihrer sächsischen Gemeinde gegenüber.

    Nun, die Deportation hat im Januar 1945 begonnen, es wurden Frauen im Alter von 18 bis 30 Jahren und Männer von 17 bis 45 verschleppt. Man hörte schon damals Gerüchte über die Enteignung der Sachsen, die der rumänische Staat vorbereitete (und die im März des gleichen Jahres begann). In diesem Kontext hatte meine Großmutter die Möglichkeit entweder die Deportation zu riskieren oder unter rumänischem Namen ihr Haus zu behalten, damit nicht etwa ihre Eltern auf der Straße landen. Sie entschloss sich für die Heirat, die in Bukarest erfolgte, im Januar 1945 (also gleichzeitig mit der Verschleppung und um die Totalenteignung zu vermeiden).

    Die Verschleppung der Sachsen war natürlich auch ein Kalkül der rumänischen Regierung, du hast es richtig erkannt. Übrigens erst nach der Wende (1989) hat man die Liste der “Kategorien zu enteignen” (1945) entdeckt. Nicht die Kriegsverräter oder die Kriminellen waren die ersten auf dieser Liste sondern die Sachsen… Die “Rumänisierung” Siebenbürgens stand später auch auf der Prioritätenliste Ceausescus.

  6. @ Christine

    Ja, der historische Hintergrund ist klar, “hegemonial” meinte ich dahingehend, dass das Rumänische zur damaligen Zeit im Staat die Oberhand hatte, wie es davor, als die Ungarn vom Ausgleich bis zur Auflösung der Donaumonarchie die politische Macht innehatten, mit dem Ungarischen der Fall war.

    Wenn ich dich also recht verstehe, rührte der Entschluss deiner Großmutter zur Assimilation nicht in erster Linie von der Empörung über das Verhalten der Siebenbürger Sachsen im Krieg her, sondern war zunächst eine Notwendigkeit, um die Verfolgungsmaßnahmen gegen die Deutschen zu entkommen.

    Mir stellt sich nun die Frage, inwiefern diese Maßnahmen, sofern sie gegen den Zusammenhalt und Fortbestand der deutschen Gemeinden gerichtet waren, als einen zumindest teilweisen Genozid im Sinne Raphael Lemkins verstanden werden können, zumal diese Maßnahmen, wie du schreibst, nicht auf alle Bevölkerungsteile angewandt wurden, die an der Seite Hitlers gekämpft hatten, sondern ausschließlich auf die Sachsen.

  7. “hegemonial”

    Jetzt verstehe ich, was Du mit “hegemonial” gemeint hast. Das Rumänische hatte tatsächlich im Staat die Oberhand, wie Du sagst. Ich wollte nur betonen, dass es erst seit kurzer Zeit so war und um 1945 in Siebenbürgen eigentlich nur im amtlich-staatlichen Bereich, also auf dem Papier durchgesetzt war, nicht auch im Gewissen der Menschen. Dominierend (im symbolischen Sinne, wenn ich es so formulieren darf) waren in Siebenbürgen damals noch die Sachsen und die Ungaren mit ihren weiterhin geschlossenen Strukturen und ihrem Wohlstand (im Gegensatz zu der viel ärmeren rumänischen Bevölkerung, die bis dann meistens als “Arbeiter” beim Sachsen oder beim Ungaren eingestellt gewesen war), die Rumänen wurden in den sächsischen und ungarischen Gemeinden noch immer als “Neukömmlinge” betrachtet (obwohl tatsächlich der Staat jetzt “Rumänien” hieß)usw.
    Um zum konkreten Fall in meiner Familie zurückzukommen: die Heirat meiner Großmutter wurde teils als “(unerwünschtes) Einheiraten in die rumänische Mehrheit” betrachtet; aber auch als “Hineinlassen des Rumänen in unsere deutsche Gemeinde (in unser hoffentlich deutsch bleibendes Blut und in unser hoffentlich deutsch bleibendes Eigentum)” gesehen.
    Auf jeden Fall, beide Familien und Gemeinschaften waren davon gestört, und keine von beiden stand wirklich mit offenen Armen vor einer so ungewöhnlichen Eheschließung. Die rumänische Seite mag immerhin etwas begeisterter gewesen sein, denn sie war nicht in der Diaspora und also etwas “toleranter” (wie man sein mag wenn der Staat jetzt endlich “Rumänien” heißt), aber auch weil durch so eine Ehe unter anderem Wohlstand und vor allem Ansehen im Dorf erreicht wurde.
    [All das ist meine persönliche Sicht, nachdem ich die verschiedenen Meinungen in der Familie gehört habe und hie und da die Einstellungen betrachten durfte. Es mag auch anders gewesen sein als ich es sehe, aber ich glaube doch, dass ich mit dieser Interpretation nicht weit von der Wirklichkeit liege.]

  8. Entschluss aus mehreren Gründen

    Wieso meine Großmutter eigentlich geheiratet hat? Aus Liebe war es nicht, das auf alle Fälle. Also ein doppeltes Trauma für das junge Mädchen: auch keine Liebe, auch Ausgeschlossenheit seitens der eigenen Gemeinde.
    Wieso dann überhaupt Ehe? Im Beitrag nenne ich mehrere Gründe, im ersten Kommentar jedoch nur die Angst vor der Totalenteignung und der Verschleppung.
    Ehrlich gesagt, ich kann diesen Entschluss nur als Folge mehrerer Gründe betrachten.
    1. Schock der Begegnung mit dem Krieg (ihr Lieblingsbruder im Alter von 21 im Krieg getötet, empfunden als größtes Trauma ihres Lebens überhaupt);
    2. Entsetzen vor dem Verhalten des eigenen Volkes (ihre Familie hatte ja schon immer eine Zurückhaltung gezeigt, einen “stillen” aber überzeugten und womöglich aktiven Widerstand vor dem als “schlecht” empfundenen Nazi-Wahn; jetzt kommt auch noch ihr guter Freund von der Front und erzählt, was die SS macht);
    3. Angst, nach Russland deportiert zu werden (russische Soldaten mit Gewehren jeden Tag im Haus, bereits gepackte Koffer, wo sich verstecken?, entkomme ich auch diesmal?… sie muss sich also tatsächlich gefürchtet haben);
    4. Angst vor der Enteignung (man nimmt mich nach Russland für Verbrechen die nicht meine Familie auf dem Gewissen hat, sondern unsere Volksgenossen, mit denen mein Vater sowieso nie einverstanden gewesen ist; ich komme vielleicht nie nach Marienburg zurück, meine Eltern werden enteignet und müssen auf der Straße oder im Stall überleben, wenn überhaupt die Enteigner sie noch am Leben lassen).

    Ich habe das jetzt so ausführlich sagen wollen, um klarzumachen, dass sie ohne diese Gründe eigentlich in dem Alter überhaupt nicht an die Heirat gedacht hätte. Aber, wegen der Verzweiflung vor all diesen Problemen mag es ihr als die einzige Lösung erschienen sein, den Antrag meines Großvaters anzunehmen. Ich kann nicht wirklich sagen, welcher Grund in erster Linie zum Entschluss geführt hat. Aber ich stelle mir vor, dass letztendlich das Bild der leidenden Eltern, die sie aber durch diese Heirat retten konnte (also das Vermeiden der Enteignung ihren Eltern zuliebe), am meisten gezählt hat.

  9. Lemkin?

    Rumänien hat 1944 den bisherigen Verbündeten (also Hitler und seinen Freunden) den Kreig erklärt. Man kann auch sagen, als der Sieg Hitlers problematisch wurde, hat Rumänien doch nicht verlieren wollen und hat es sich etwas besser überlegt.
    Deutschland verlor dann tatsächlich, aber dem rumänischen Staat wurde es auch nicht so leicht verziehen, denn der rumänische Staat hatte sich nur im letzten Moment gegen Hitler gewendet – solang Hitler noch hätte gewinnen können, war auch Rumänien auf seiner Seite gewesen.

    Rumänien hatte also weder richtig verloren, noch etwas gewonnen. Rumänien hatte sich im besten Fall einigermaßen die Haut gerettet, brauchte aber jetzt dringend einen Sündenbock, um die (eigene) Schuld auf diesen Sündenbock schieben zu können. Und das waren die Sachsen. Fremd, hitlerbegeistert, stark und dazu auch noch deutsch.
    In den Maßnahmen, die man ab 1945 gegen die Sachsen richtete, sehe ich von rumänischer Seite nicht die Absicht, die Sachsen als solche zu vernichten, sondern die Absicht, die eigenen Hände zu waschen und die Sachsen als einzige Verantwortliche, wie in einem Schaufenster, der Öffentlichkeit zu präsentieren. Von russischer Seite, glaube ich, war alles Deutsche einfach “der Feind”, also egal ob aus der Bundesrepublik oder aus Siebenbürgen oder sonst woher, war es normal, dass der Deutsche jetzt zahlt.

    Genozid also, im Sinne von explizit gewollter, totaler Vernichtung der siebenbürger Sachsen war es meiner Meinung nach nicht.
    Aber: ein koordinierter Plan zur Schwächung der Grundlagen dieser Kultur, zur Auflösung sämtlicher sächsischer Institutionen, der ev. Kirche, der deutschen Schulen, Destruktion der Intellektuellen, des privaten Eigentums der Sachsen usw., das ja. Also die Zerstörung der Sicherheit, der Freiheit und der Würde dieses Volkes war gewollt.

    Der Kommunismus aber wollte im allgemeinen Zentralisierung, Uniformisierung, keine andersdenkenden Kulturen oder anderslebenden Menschen, keine Kirchen überhaupt (egal ob katholisch, evangelisch, orthodox etc.), keine Intellektuellen überhaupt (auch die rumänischen wurden in Gefängnisse oder Arbeitslager geschickt)und kein Privateigentum überhaupt.

    Wieso wurden dann die Sachsen das Ziel Nr.1? Weil sie zu der Zeit der kräftigste Teil des Landes waren, einheitlich durch Herkunft, Kultur, Sprache, Religion und Überzeugungen; bis ins Detail bestens organisiert (also schwer zu erobern, als Kulturgemeinschaft); sehr reich im Vergleich mit allen anderen Siebenbürgern (also warum nicht einfach enteignen?) und kurz gesagt dem Kommunismus äußerst unsympathisch. Dazu auch noch deutsch und nazi-gesinnt, also im Kontext besonders geeignet zur “Bestrafung”.

    Konsequenzen dieser Politik erlitten die Sachsen auf fast allen Ebenen: politisch, gesellschaftlich, kulturell, religiös, moralisch, wirtschaftlich.

    Ich bin kein “Fachmann”, also frage ich zurück: Ist das ein teilweiser Genozid im Sinne Lemkins?

  10. @ Christine

    Als Lemkin 1943 in den USA seinen Genozid-Begriff entwickelte, waren ihm (im Gegensatz übrigens zu den US-amerikanischen Entscheidungsträgern) die quantitativen und qualitativen Aspekte der nationalsozialistischen Judenvernichtung weitgehend unbekannt.

    Mir liegt jetzt kein Text von ihm vor (meine Kopien liegen alle in Israel), aber auf Wikipedia ist er folgendermaßen zitiert (s. hier: http://en.wikipedia.org/wiki/Raphael_Lemkin):

    “Generally speaking, genocide does not necessarily mean the immediate destruction of a nation […] It is intended rather to signify a coordinated plan of different actions aiming at the destruction of essential foundations of the life of national groups […] The objectives of such a plan would be disintegration of the political and social institutions, of culture, language, national feelings, religion, and the economic existence of national groups, and the destruction of the personal security, liberty, health, dignity, and even the lives of the individuals belonging to such groups. Genocide is directed against the national group as an entity, and the actions involved are directed against individuals, not in their individual capacity, but as members of the national group.”

    Und:

    “Genocide has two phases: one, destruction of the national pattern of the oppressed group; the other, the imposition of the national pattern of the oppressor. This imposition, in turn, may be made upon the oppressed population which is allowed to remain or upon the territory alone, after removal of the population and the colonization by the oppressor’s own nationals.”

    Kurz gefasst, geht es bei seinem Genozid-Begriff m. E. nicht unbedingt um Vernichtung, sondern zunächst um die Zerstörung dessen, was den Zusammenhalt der Gruppe möglich macht. Ob die Mitglieder infolge des Genozids tatsächlich ermordet werden oder (etwa nach der Beseitigung der Gruppenelite) nur zur Assimilation gezwungen werden, ist zweitrangig, weil die Gruppe so oder so als solche aufgelöst werden soll.

    Insofern scheint es mir, dass die besagten Maßnahmen, die ja gezielt gegen die Deutschen in Siebenbürgen gerichtet waren und deren Zusammenhalt als solche bekämpfen sollten, tatsächlich Merkmale eines Genozids im Sinne Lemkins aufweisen.

  11. Geschichtliche Umwälzungen

    Sehr interessant, verweben sich in der Erzählung persönliche Erfahrungen auf dem Hintergrund weltgeschichtlicher Umwälzungen mit der Geschichte eines Volkes ( in der Fremde ? ).
    Dies hat mich veranlasst, die Geschichte Siebenbürgens ein wenig nachzulesen. Ich muss gestehen, dass ich in dieser Hinsicht beträchtliche Wissenslücken habe.

  12. Link 24.05

    Es hat offensichtlich lang gedauert, bis ich mich endlich entschlossen habe, auf diesen Link zu reagieren. Ich habe gezögert, denn das Thema Ungaren in Siebenbürgen hat mit meiner Identität – und also mit dem Thema meiner Beiträge – nichts zu tun. Ich hätte es dementsprechend am liebsten in diesem Rahmen nicht erwähnt. Andererseits kann ich diesen Text nicht einfach da stehen lassen. Hier meine Bemerkungen:

    Der Untertitel heißt “Wachsender Assimilierungsdruck aus Bukarest” – wachsend im Vergleich mit was? Weniger Assimilierungsdruck von Bukarest gab es eigentlich nie, seit Bukarest in Siebenbürgen das Sagen hat. Die Minderheitenpolitik ist hier regelrecht *positiv diskriminierend*. Das, was Bukarest heutzutage macht, würde ich eher als Schutz der territorialen Integrität bezeichnen, was auch im Art. 1 der rumänischen Verfassung steht. Bukarest möchte – vielleicht zum ersten Mal – eben nicht Assimilation erreichen, sondern eher Loyalität der rumänischen Staatsbürger gegenüber den Grenzen und der Souveränität des Staates, im Kontext wachsender Autonomieansprüche seitens der ungarischen Minderheit. Dabei darf man gerne ethnisch sein, was man will, solange man wie ein Staatsbürger dieses und nicht eines anderen Landes agiert.

    Trianon (1920) wird hier offensichtlich nicht nur als historischer Moment erwähnt, sondern als identitätsstiftendes Symbol und als Trauertag. Das entspricht m.E. der Sicht der meisten Ungaren. Die Rumänen rechnen immerhin den Anschluss Transilvaniens ab 1918, die Sachsen ab 1919, jeder mit seiner Begründung.

    Ob die Szekler tatsächlich Ungaren/Magyaren sind? Von Historikern diskutiert, aber hier für mich an dieser Stelle unwichtig, solange sich die Szekler als Ungaren/Magyaren verstehen. Kontinuitätstheorie vs. Einwanderungstheorie der Rumänen in Transilvanien? Historiker geben zu, dass das noch immer nicht geklärt ist, also lasse ich das auch dahin gestellt.

    Siebenbürgen war jedoch nicht immer so einheitlich “national” wie es die Ungaren bzw. die Rumänen gern haben möchten. Radikalisiert wurde der “nationale“ Diskurs erst im 19. und 20. Jahrhundert. Vorher war Siebenbürgen ein *Vielvölkerland*. Ob es nicht auch nachher ein Vielvölkerland sein sollte? Siebenbürgenforscher sagen ja, da es der Struktur dieser Region entspricht.

    Ob Erdelyi “über die gesamte tausendjährige Geschichte der Magyaren als sprachliche Wiege und kulturelles Zentrum” galt frage ich mich auch heute noch. Forscher, die sich intensiv mit dem Thema Transilvanien befassen, und die keine Ode/Litanei für eins der hier lebenden Völker schreiben, sind viel mehr der Auffassung, dass man hier früher zusammen leben konnte, nicht unter dem Schirm eines einheitlichen Ungarn und auch nicht als “beziehungsloses Nebeneinander”, sondern eben im Sinne eines “Nebeneinander” das auch ab und zu ein “Miteinander” implizierte, um überhaupt über die Jahrhunderte funktionieren zu können, ohne ein Verwischen der ethnischen Unterschiede hervorzubringen. Ein Verwischen der Unterschiede hat die *Magyarisierungspolitik* erreichen wollen (von ungarischer Seite), sowie später der *kommunistische Nationalismus* (von rumänischer). Beide nur limitiert in der Zeit. Keines von beiden erfolgreich, denn die Vielfaltsstruktur ist eben hier stärker und in der Vergangenheit fester verankert als ‘top-down’ forcierte Maßnahmen.

    Ob Peter Vida sich eigentlich mit der “sprachlichen Wiege und dem kulturellen Zentrum” wahrhaftig auskennt scheint mir sehr fragwürdig zu sein, denn er spricht ständig von “Siebenbürgener” Ungaren, Tradition usw., obwohl das auf Deutsch “Siebenbürger” heißt. (Drei- und zum Teil viersprachige Ortsnamen stehen sowieso auch für “Maros”, “Hargita”, “Kovaszna”, “Szatmarnemeti” genau wie für “Transilvanien” zur Verfügung.)

    In Sachen Wahlkampf der RMDSZ: schade, dass man nicht auch um rumänische und andere Stimmen wirbt. (Fossilenmentalität…?) In Hermannstadt z.B. hat das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien wieder den Bürgermeister und den Kreisratsvorsitzenden gestellt. Und das sind *deutsche* Kandidaten, die unter dem Mantel des Demokratischen Forums der *Deutschen* in Rumänien bereits zum dritten Mal von den mehrheitlich rumänischen Wählern mit über 80 Prozent der Stimmen gewählt werden. Ob das nicht vielleicht ein Modell wäre, um sich bei Wahlen eben nicht *nur* aufs Ethnische zu konzentrieren, sondern auf ein Programm, das der gesamten Gemeinschaft dient? Gerade indem ich hier schreibe, wird Klaus Johannis, ein Siebenbürger Sachse, als Ministerpräsident für Rumänien vorgeschlagen und anscheinend wird er den Vorschlag auch akzeptieren.

    Die Tatsache, dass man in den genannten Bezirken kaum Rumänisch hört, ist der erste Beweis dafür, dass man nicht *gezwungen* wird, Rumänisch zu sprechen und zu hören. Und das ist m. M. n. halb die Sturheit der Einwohner, halb die Freiheit, die Bukarest zulässt. Beides demokratisch. Wenn man aber – wie zu Zeiten der Magyarisierung – gezwungen wäre, statt “Christine” z.B. “Krysztina” zu heißen, oder wie zu Zeiten Ceausescus viel besser als “Cristina” ankäme, dann fände ich es undemokratisch. Dann würde ich es tatsächlich als “Assimilierungsdruck” bezeichnen.

    Die Kinder besuchen ungarische Schulen – ja, das ist *funktionierende* Demokratie. Dass sie aber Rumänisch “als Fremdsprache” lernen, ist ihre persönliche Auffassung. Das Bildungsministerium, das die Gelder gibt, denkt immerhin, dass das die Landesprache ist. Man darf sie auch als Fremdsprache betrachten, aber dann zeigt man *null* Loyalität dem Staat gegenüber – und dann kann man eigentlich nicht noch mehr Rechte und Gelder von Bukarest erwarten. Wir sind doch nicht blöd.

    RMDSZ ist seit einem Jahr zum ersten Mal *nicht* an der Regierung. In einer Demokratie kommt das halt auch vor. Wenn man einmal nicht an der Regierung ist, bedeutet das nicht gleich Repression, oder? Die RMDSZ hat bisher egal mit wem koalisiert, nur um an der Regierung zu sein. Mit links, wie mit rechts. Haben sie etwa kein Programm als Partei? Ist ihr einziges Programm, ungarisch zu sein? Sind sie chamäleonisch?

    “Schon im ersten Karpatendorf” klingt so, als ob alle Karpatendörfer ungarisch wären. (Und hier sollte der Journalist seine persönliche Meinung doch weglassen und mal gucken, ob er nicht etwa den Leser manipuliert, denn die Karpatendörfer sind in überwältigender Mehrheit rumänisch, und nur die Dörfer in den Szeklerbezirken sind ungarisch.)

    Dass die ungarische Flagge an der Wand hängt, ist schön und gut. Es zeigt nicht nur, dass die Ungaren es so für richtig halten, sondern auch dass es die Rumänen zulassen *möchten*. Auch demokratisch, oder?

    Ja, Geld für Strassen, Kanalisation und Gemeindehäuser schickt Bukarest nicht oder sehr selten, aber das ist im ganzen Land so unglaublich träge. Und Bukarest wird doch nicht gerade als erstes ins Szeklerland Geld für Gemeindehäuser schicken. Dafür müsste Bukarest erstens rumänischsprechende verhandlungsfähige Partner haben. Und zweitens müsste sich wahrscheinlich Bukarest drauf verlassen können, dass in den mit Bukarester Geldern gebauten Gemeindehäusern nicht gleich gegen “die Rumänen” *verhetzt* wird.

    Die Infrastruktur ist schlecht in ganz Rumänien. Man sollte sich mal die Moldau anschauen, da ist es ja noch viel schlechter als in Transilvanien und der Walachei. Aber wenn man sich als Journalist gar nicht umschaut, vergleicht man eben das Szeklerland mit Deutschland und denkt, schlechter geht es gar nicht. Im restlichen Rumänien ist es jedoch nicht besser als im Szeklerland. Je nachdem, ob man als Journalist für seinen Essay eine wirklichkeitsentsprechende Basisdokumentation nimmt, oder aber nur Bestätigung für die Meinung sucht, die man vor dem Leser vertritt/predigt.

    (In Klammern: die Sachsen, *deren* Anteile und Gründungen Siebenbürgens bis heute und seit immer als reichste gelten, haben nie auf Geld von Bukarest gewartet und die Übriggebliebenen warten auch jetzt nicht drauf. Gebe ich nur als Beispiel, damit man versteht, dass man vor allem *hier* das hat, was man sich aufbaut.)

    “Ganze Landzüge sehen aus wie vor neunzig Jahren” – das ist Manipulation des Lesers, der als Unerfahrener in Sachen Siebenbürgen gleich denkt, aha, vor neunzig Jahren, als die Ungarische Hand da aufgehört hat, zu bauen. (Auf)Richtig wäre es gewesen, zu sagen, dass *auch* die Horthy-Jahre nicht viel gebracht haben. Es ist also erst vor 60-70 Jahren durch den Krieg und dann durch den Kommunismus stehen geblieben.

    Dass rumänische Flaggen wehen, sehe ich nicht als Problem. Also zwei Absätze früher sollten gerne ungarische Flaggen in Gemeindehäusern rumhängen. Rumänische aber sollen gefälligst verschwinden…? Warum soll nicht beides Platz haben?

    Viel mehr sehe ich die ungarisch-katholischen Wallfahrten z.B. in Szeklerburg/Csíkszereda/Miercurea Ciuc als problematisch, denn ausgerechnet da wird die ungarische Flagge und nur die ungarische Flagge geweht. Ist das dann Religion oder Politik? Ich frage das nur, weil in Rumänien auch einige Rumänen und Deutsche Katholiken sind, die kein Ungarisch sprechen, und die anscheinend für die katholische Kirche in Rumänien als zweitrangig oder irrelevant gelten. Warum ausgerechnet die katholische Kirche es hier zulässt, dass eine ‘nationale’ Flagge geweht wird – welche auch immer das sein mag – finde ich widerlich, denn dann ist der ‘internationale’ Anspruch der *christlichen* katholischen Kirche pure Demagogie. Oder? Entweder alle christlichen Fahnen, oder dann überhaupt keine und nur Kreuze.

    Szekelyudvarhelyi als “Wiege Siebenbürgens” ist nicht korrekt. Er verwechselt jetzt absichtlich das Szeklerland mit Siebenbürgen und Siebenbürgen mit Transilvanien um dann den Eindruck entstehen zu lassen: “alles ist ungarisch”. FALSCH. Szekelyudvarhelyi mag Kern des Szeklerlandes sein, aber restaurierte Stadtzentren gibt es Gott sei Dank in Kronstadt, Klausenburg, Hermannstadt, Bistritz und, und, und. Nur hilft diese Tatsache nicht der These “nur ungarisch = entwickelt”.

    “Wir hoffen wirklich, dass sich die wirtschaftliche Lage bessert” – eine “Lage” “bessert” sich nicht von selbst, da kann man mal ruhig anpacken. Wir sind hier nicht in der Schweiz oder in Bayern, wo die wirtschaftliche Lage diese merkwürdige Eigenschaft hat, sich ständig von selbst zu bessern.
    Aber “sie wissen selber nicht was sie unterschreiben” – das geben sie dann zu. Da kann ich nur noch sagen: selber Schuld.

    “Doch vieles hat sich seit der Wende gebessert” – jawohl, das ist unwidersprochen.

    Aber jetzt kommt’s: MPP – noch ungarischer als die RMDSZ. Ich vermute, so ungarisch wie die rechtsextreme JOBBIK, die 15% bei den Europawahlen erhalten hat. Und hopp! Da haben wir fast schon den Mentalitätssprung in die Dreißiger geschafft. Nichts gelernt.

    “Weiter südostwärts“, da wird’s spannend, denn da wohne ich. “Die tiefen dunkelgrünen Wälder”, die der Autor so liebt, werden von den “11 Prozent” ungarischen Bürgermeister genauso rücksichtslos gefällt und im Ausland verkauft, wie von den anderen 89 Prozent. Ob das die gesonderte Liebe zu “ihrem” Land ist?

    In Sfantu Gheorghe bin auch ich geboren. Ich wohne jedoch 5 Dörfer weiter, wo kein Ungarisch gesprochen wird. In meinem Nachbardorf hört der Bezirk Kovaszna auf, in meinem Dorf beginnt der Bezirk Kronstadt. Bei der Ankunft des Deutschen Ritterordens 1211 war hier bei uns in Marienburg kein (ungarisches oder rumänisches) Dorf, sondern ein ganz konkreter Sumpf.

    Prügel zwischen Nationalisten gibt es leider, aber eher selten und das läuft auf keinen Fall nicht nur in die eine Richtung. Da gibt’s beide Seiten. Ich hätte vielleicht doch beide Seiten auftreten lassen, denn der Leser (der in Deutschland nicht viel über Siebenbürgen weiß, das garantiere ich) hat unter anderem auch das Recht, einen geringsten Versuch in Richtung Objektivität geliefert zu bekommen.

    “Die Emotionen kochen hoch.” Ja, ja, ja!!! Eben deshalb sollte man vielleicht nicht so aufs Feuer legen??!

    Über die Richtigkeit/Unrichtigkeit der Wahlen: da kann ich nicht Bescheid wissen. Aber das “Bukarester Umsiedlungsprogramm”? In einer Stadt im Szeklerland man im Juni 2009 (!!) vor meiner Nase nicht in Lei oder zumindest Euro an der Kasse gezahlt, sondern in FORINT. Was für ein Umsiedlungsprogramm? Hopla, das war ein paar Jahrzehnte früher. Aber egal, es geht ja um Rumänien und sein Bild im Westen.

    FAZIT. In Rumänien gibt es seit 1918/1919/1920 Transilvanien. In Transilvanien gibt es das Szeklerland: eine Region, in der die Staatsbürger die Sprache des Staates nicht sprechen können/wollen, und dafür keinerlei Repression erleiden.

    Von Kindergarten bis Promotion kann man auf Ungarisch studieren, jedoch passt es den Studierenden nicht, dass an der gleichen Universität auch in anderen Sprachen studiert wird, denn sie wollen allein Herren sein. (Siehe das hervorragende “siebenbürgische” Modell der “Babes-Bolyai” Universität Klausenburg, wo man sämtliche Studiengänge auf Rumänisch, Ungarisch und Deutsch studieren kann. Um das gesamte Bild Siebenbürgens zu reflektieren, gibt es dort seit paar Jahren auch Jüdische Studien –so ist Siebenbürgen komplett! Die Ungaren wollen sich aber von der Uni separieren lassen und eine ausschließlich ungarische Uni gründen. Damit stirbt aber auch Siebenbürgen, auch Europa.

    Der Kosovo-Vergleich ist ziemlich geschmacklos. Denn: tatsächlich hat Rumänien wegen des Szeklerlandes Kosovo nicht anerkannt. Aber: kann man auch nur einen Augenblick die Lage der albanischen Minderheit in Serbien und die Lage der ungarischen Minderheit in Rumänien vergleichen?

    PS. Eine Chance wäre, dass die Völker hier wieder *zusammenleben* lernen. Als noch alle Völker da waren, gab es Gleichgewicht. Das wunderbare Aufblühen Siebenbürgens in den Jahrzehnten und Jahrhunderten vor dem “großen Krieg“ ist dem Zusammenleben und auch den beiden verschwundenen Völkern zu verdanken. Die Völker kann man nicht zurückbringen, aber das Gleigewicht schon. Ob nicht das ein richtiges Modell wäre? Sonst ist es nicht nur ein “beziehungsloses Nebeneinander“ sondern ein “beziehungsloses Daneben“.

  13. Mir will scheinen, dass da einiges nicht so gründlich recherchiert ist.
    1.) Beispielsweise die Volksgruppe: Meines Wissens trat man ihr nicht bei, sondern wurde schon aufgrund der “arischen” Geburt zum Mitglied erklärt – also jeder. Ob er es nun wusste oder nicht.
    2.) “Oben” und “unten” hat natürlich oft auch einen wertenden Beigeschmack – aber den Ursprung hat es in den geographischen Gegebenheiten: Man fährt ja die Donau hinunter, von Deutschland über Österreich nach Ungarn. (Erst dort schlägt man sich wieder in die Berge, bevor man nach Siebenbürgen durchdringt.)
    3.) Die Deportation: Es gibt Quellen, die dafür sprechen, dass es wohl doch die Russen waren, die ausdrücklich nach den Siebenbürger Sachsen als “Aufbauhelfer” verlangt haben, und dass die rumänische Regierung zunächst noch versucht hat, das zu verhindern. Siehe etwa die Dokumente in: Motzan/Sienerth: Worte als Gefahr und Gefährdung. Schriftsteller vor Gericht. München SOKW 1993. (Auch wenn sich viele unserer Sachsen die Welt am liebsten ganz, ganz einfach vorstellen würden – und da passt es dann besser hinein, wenn grundsätzlich alles Böse von den Rumänen kommt.)
    4.) Die offiziellen Bezeichnungen: Die Deutschen Rumäniens sind eigentlich eine “nationale/ethnische Minderheit” (minoritate nationala). Da es aber für diese Kategorie klar festgelegte Rechte gibt, von Rumänien beim UNO-Beitritt anerkannt und unterschrieben, hat man eben wiederholt versucht, die Minderheiten Rumäniens umzubenennen, damit man ihnen diese Rechte nicht mehr einräumen muss. Zur Zeit Ceausescus war der Terminus hierfür “nationalitati conlocuitoare”, also “mitwohnende Nationalitäten”. Mit dieser Bezeichnung ging der völkerrechtliche Schutz verloren. Natürlich richtete sich dies hauptsächlich gegen die Ungarn. Alle anderen Minderheiten Rumäniens wurden schon lange als recht “harmlos” eingeschätzt. Ziel war aber, durchgängig seit der Vereinigung von 1921, Rumänien zu einem “stat national unitar” zu machen, einem zentralistischen und monokulturellen Nationalstaat nach französischem Vorbild. Dies Ziel ist noch heute Artikel 1 der Verfassung. Sieht man sich die Ergebnisse dieser Politik an: 1921 etwa 60 Prozent Rumänen, heute schon ganz nahe an 90 Prozent, dann muss man sagen: sie war erfolgreich, und hat beste Aussichten, in absehbarer Zeit zum krönenden Abschluss zu kommen. Auch wenn ja sehr viele Rumänen diesen Umstand bedauern, aber leider sitzen die nicht in Bukarest.

  14. Sehr geehrter Herr Markel

    Danke für Ihren Kommentar. Um es sehr offen zu sagen: hier ist fast nichts recherchiert. Es ist nur die einfache und subjektive Variante, die man so mitbekommt, mit der man aufwächst und die einen mehr oder weniger als „Identität“ prägt, bevor er sich davon selbständiger macht bzw. distanziert und seine eigenen Fragen stellt. Recherchen habe ich erst begonnen, nach dem diese Beiträge – samt Ungeschicktheiten – veröffentlicht waren.

    1.) Was die Volksgruppe angeht: die Existenz einer politischen Vereinbarung ist mir bekannt. Mir haben jedoch Zeitzeugen u.a. gesagt, dass beispielsweise die Kinder derer, die „nicht in die Volksgruppe eintreten wollten“ bzw. „nicht mitmachen wollten“ (?), nicht mehr in die Schule gehen durften. Wahrscheinlich war das nur möglich, als die Schulen aufhörten, der Kirche zu gehören und in den Besitz der Volksgruppe gelangten.

    2.) Mit „oben“ und „unten“ meinte ich natürlich nur diejenigen – in meiner persönlichen Erfahrung leider nicht sehr wenigen -, die es mit wertendem Beigeschmack sagen.

    3.) Auch aus meinen Recherchen geht inzwischen hervor, dass die Russen für die Deportation ausdrücklich „Deutsche“ verlangt haben. Andererseits, scheinen die Rumänen für die Enteignung die alleinige Verantwortung zu tragen. Es soll eine Liste bei der damaligen rumänischen Regierung gegeben haben, von „Kategorien zu enteignen“, worauf die Deutschen noch vor „Kriegsverbrechern“ und anderen den ersten Platz belegten.

    4.) Das tragische Schicksal der Minderheiten im 20. Jh. im Allgemeinen und das beinahe vollständige Verschwinden vor allem der Deutschen und Juden Rumäniens bedauere ich sehr. Nur stört mich der Artikel 1 der *jetzigen* Verfassung nicht, solange 2009 ein Sachse fast Ministerpräsident geworden wäre und ein Ungar in der Tat Vize-Ministerpräsident geworden ist. Wegen des allgemeinen Streits „Rumänen kontra Ungaren und Ungaren kontra Rumänen“ scheinen mir die anderen Minderheiten (die keine Autonomie verlangen bzw. eine konstruktive Einstellung in Rumänien haben) sehr viel zu leiden. Im *gegenwärtigen* Kontext verstehe ich unter dem Artikel 1 jedoch nicht „wir wollen keine Minderheiten“ sondern vielmehr „wir wollen keine ungarische Autonomie“.
    Andererseits kommt der Minderheitenschutz, den man heute in Rumänien geniesst (auch unter internationaler „Überwachung“, aber immerhin) zu spät und wird niemanden zurückbringen.

  15. Chiriac

    Nicht schlecht, Frau Chiriac,
    so ungefähr verhält es sich auch mit den Schwaben aus dem Westen Rumäniens.

    Welches war denn die Alternative der Minderheiten im chauvinistischen Rumänien
    nach 1920?
    Im Banat und Siebenbürgen gab es ein selbstbewußtes Bürgertum sowie Beobachter aus Frankreich und Großbritannien, die die
    Versprechen Großrumäniens-Einhaltung der Minderheitenrechte- überprüften.

    Abseits dieses Terrains wurde kräftig
    rumänisiert: In Bessarabien wurden nach
    1920 die deutschen Schulen abgeschafft,
    wer öffentlich Deutsch sprach, wurde verprügelt; In der Bukowina die einzige
    deutsche Universität in Czernowitz geschlossen. Deutsche Großbauern wurden
    enteignet zugunsten einer ökonomischen
    Nivellierung zwischen Deutschen und Rumänen.
    Politisch führten die Deutschen aus Rumänien in Bukarest ein Mauerblümchendasein, vertraten lediglich
    das “Deutschtum” an sich, d.h. nach 1920
    ging es in Rumänien nicht um Fragen der
    Ökonomie, Erziehung, etc, sondern nur
    um die Klärung der Minderheitenrechte.

    Eine politische Kultur kannten die Deutschen aus Rumänien nicht-bis zur Ausreise in die BRD.

  16. Hr. Schaefer

    Danke fuer den Kommentar. Viel werde ich nicht hinzufuegen..
    Mir scheint es so zu sein, dass sie auch vor der Auswanderung eine politische Kultur kannten, doch als Minderheit kann man im Allgemeinen damit nicht viel anfangen – vor allem nicht in minderheitenfeindlichen Zeiten und wenn man mitten im wachsenden Nationalbewusstsein anderer Voelker sitzt. Es sei denn, man macht einfach weiter (s. Ungaren in Siebenbuergen und andere Beispiele). Bin einfach gespannt, was uns der Fall Kosovo noch bringt. Vielleicht koennen wir jetzt den saechsischen Staat im Burzenland ausrufen?
    Selbstverstaendlich ist auch Auswanderung eine Alternative, doch machen mir die Ausgewanderten (als Gruppe – nichts Persoenliches gemeint!) den Eindruck, in der neuen deutschen Heimat noch immer eine Minderheit zu sein, solange sie ihre siebenbuergische/banater Identitaet bewahren.. Oder sind die Landsmannschaften/Verbaende usw. wirklich wichtige Akteure?

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