Eigentümliche Fragen

BLOG: un/zugehörig

Wien. Heidelberg. Berlin: ein israelischer Blick auf Deutschland
un/zugehörig

Seit einer Weile drängen sich mir Fragen zum Eigentum auf. Damit meine ich weder Kapital noch das zurzeit vieldiskutierte Geld, sondern wirklich Eigentum an sich bzw. das Wesen desselben.

Es geht also um die Frage, wieso Menschen überhaupt eine Vorstellung davon haben, dass ein Objekt X (ggf. exklusiv) zu einer Person Y gehört. Damit befinden wir uns wohl in den dunklen Tagen der Vorgeschichte und so fühle ich mich als Historiker überfordert. Darum will ich in meinen Wirrwarr erst mal etwas Ordnung bringen.

Ich betrete nun also ein für mich neues Gebiet. Aber, liebe Leser, macht euch keine Sorgen – auch so komme ich noch auf den Holocaust.

 

I. Gültigkeit des Begriffs

Als Erstes stellt sich mir die Frage, ob Eigentum wirklich nur für Menschen gilt bzw. ein menschliches Phänomen ist. Ich differenziere hier zwischen dem Phänomen an sich und dem Bewusstsein dafür bzw. der Vorstellung hiervon. Gibt es in der Tierwelt, ungeachtet des wohl nicht vorhandenen Bewusstseins, vielleicht immerhin so etwas wie Eigentum?

Nun habe ich schon beim Verständnis der Menschen große Schwierigkeiten und bin in der Tierwelt ziemlich ahnungslos. Immerhin habe ich zwei Katzen, die unterschiedliche Lieblingsspielzeuge haben. Rosa (genannt nach R. Luxemburg) ist verrückt nach den Verschlüssen der Milchkartons. Hanna hingegen (genannt nach H. Arendt) interessiert sich vielmehr für eine Stoffmaus, mit der Rosa nie spielt. Unterlässt es Rosa, weil sie weiß, dass es Hannas Maus ist? Oder geht es einfach darum, dass Rosa sich gar nicht für diese Maus interessiert?

Sollte sich nun einmal Rosa doch für die Stoffmaus interessieren – könnte sie Hanna die Maus “stehlen”? Ergibt in diesem Zusammenhang diese Vorstellung überhaupt Sinn? Und wenn da kein Stehlen möglich ist, was für Eigentum ist es?

So oder so handelt es sich anscheinend um kein Eigentum im menschlichen Sinne. Auch das der Tierwelt so eigentümliche Revier lässt sich kaum als “Eigentum” verstehen: Kein Tier kann sein Revier vererben. Das tierische Eigentum, wenn es denn so etwas gibt, existiert ausschließlich in der Gegenwart. Der Bezug des Reviers zu einem bestimmten Tier ist durch dessen Gebrauch bedingt, ja davon abhängig. In dieser Konstellation kann “Eigentum” allenfalls eine Auswirkung, eine Ableitung sein, ohne dass es an sich einen Sinn hätte.

 

II. Chronologie und Entwicklung

Womit mag beim Menschen Eigentum begonnen haben? Was könnte das erste Objekt gewesen sein, das ein Mensch besaß? Wohl ein Werkzeug oder, noch “anfänglicher”, ein Kleidungsstück, z. B. etwas zum Verdecken der Genitalien. Also wie in Genesis – steckt in dieser höchst metaphorischen Bibelgeschichte vielleicht ein Stück urzeitlicher Wahrheit?

Gab es eine Evolution des Eigentums? Etwa indem man irgendwann begann, Tiere zu domestizieren bzw. zu besitzen? Kein Tier kann ein anderes Lebewesen “besitzen”, geschweige denn eines von derselben Art. Allein der Mensch begann, andere Menschen zu besitzen. Ist die Sklaverei, ungeachtet unserer heutigen Verurteilung, ein Extremfall des Menschlichen (im objektiv-neutralen Sinne des Wortes), eine makabre Zuspitzung der Evolution?

 

III. Eigentum und Identität

Und da, wo das Eigentum begann – war es im Singular oder im Plural? Will sagen: Ging Gemeinschaftseigentum dem persönlichen voran, das Öffentliche dem Privaten, das Unsrige dem Meinigen?

Als Phänomen wohl schon, denn auch in der Tierwelt wird geteilt – allerdings wohl als Instinkt, als Selbstverständliches und Natürliches, ohne jedwedes besondere Bewusstsein hierfür.

Was dieses Bewusstsein angeht, also den menschlichen Begriff von Eigentum, scheint das Persönliche die Voraussetzung für das Öffentliche gewesen zu sein: das Eigene muss erst mal da sein, damit das Gemeinsame überhaupt Sinn ergibt bzw. vorstellbar wird.

Lebt eine gewisse Zahl von Urmenschen im Wald, so braucht das ihnen gemeinsame Eigentum erst dann als solches gekennzeichnet bzw. wahrgenommen werden, wenn es in dieser Urgesellschaft bzw. -gemeinschaft auch privates Eigentum gibt (sonst ist alles von Natur aus allen gemeinsam wie in der Tierwelt). Das Öffentliche kann erst ins Bewusstsein gelangen, wenn es Privates gibt.

Der Begriff des Gemeinschaftlichen bedeutet also einfach: “Es gehört nicht nur mir oder dir, es ist nicht das Eigentum eines Einzelnen.” Das Gemeinschaftliche setzt also das Private voraus. So gesehen bildet die (eher nachträgliche) Vorstellung von “Gemeinschaftseigentum”, wie wir sie heute kennen, einen Widerspruch in sich: das Eigene wird dem Einzelnen, dem es bislang noch eigen gewesen ist, zugunsten der Gemeinschaft eben ent-eignet – im wahrsten Sinne des Wortes.

Andersherum: Wie entstand das Private, als es (wie bei den Tieren) nur das unbewusst “Öffentliche” gab? Waren die eigenen Genitalien, wenn Genesis hierin Recht hat, die allererste “Privatsphäre”, die man vor anderen schützte? Waren Genitalien das erste Eigene, das allererste, was “meines” war? War das Verdecken der Genitalien die erste zwischenmenschliche “Grenze”? Ist ein Zaun zwischen zwei Grundstücken ein späteres Ergebnis der Privatisierung der Genitalien, eine spätere Erscheinung desselben Prinzips? (Nebenbei: Ist das Grundstück bzw. das Eigentum eine imaginäre Fortsetzung der Genitalien? Steht in der menschlichen Psychologie größeres Eigentum für einen größeren Penis?)

Und als noch kein Privates, auch noch keine Vorstellung hiervon da war, was war dann der Mensch? Was war der Einzelne, als es noch kein Eigentum gab, nicht einmal zum Verdecken der Genitalien? Konnte sich ein solcher Urmensch überhaupt seiner Individualität, seiner Identität als Einzelner, bewusst werden? (Nebenbei: Hat das Verdecken der Genitalien als Voraussetzung für Individualität vielleicht zur Entstehung eigener Namen geführt? Oder war es eher umgekehrt?)

 

IV. Bedeutung fürs Menschsein

Was bedeutet Eigentum für das Menschliche am Menschen – im Gegensatz zur Tierwelt?

War die Entstehung des Eigentums auch die Geburtsstunde des Individuums als solchen, ja womöglich die Geburtsstunde des Menschen, wie wir ihn bzw. uns kennen?

Gab es überhaupt “Menschen” vor der Entstehung von Eigentum oder gehört dieses zum Entstehungsprozess des Menschen?

Kann es Menschliches geben, wo gar kein Eigentum möglich ist? Oder muss es da, wo Menschen sind, notwendigerweise auch Eigentum geben?

Ich denke an extreme Situationen, an den Holocaust, wo selbst das Leben, die eigene Existenz, nichts mehr wert und wörtlich dem Zufall ausgesetzt war. Doch selbst in dieser Situation, unter absoluter Willkür, gab es Eigentum: mein Stückchen Brot für deine Zigarette. Und auch wenn jeder augenblicklich sterben kann: Wehe dem, der die Mütze eines anderen stiehlt (ich denke an Roman Fristers Autobiographie “Die Mütze oder der Preis des Lebens”).

Ist nach Auschwitz ein Mensch jenseits von “Meines vs. Deines” noch vorstellbar? Oder ist Eigentum gerade das, was uns – und sei es selbst in Auschwitz – doch noch irgendwie als Individuen, ja als Menschen bewahrt?

 

Veröffentlicht von

www.berlinjewish.com/

Mancherorts auch als der Rebbe von Krechzn* bekannt, heißt der Autor von "un/zugehörig" eigentlich Yoav Sapir. Er ist 5740 (auf Christlich: 1979) in Haifa, Israel, geboren und hat später lange in Jerusalem gelebt, dessen numinose Stimmung ihn anscheinend tief geprägt hat. Nebenbei hat er dort sein M.A.-Studium abgeschlossen, während dessen er sich v. a. mit dem Bild des Juden im Spielfilm der DDR befasst hat. Seit Sommer 2006 weilt er an akademischen Einrichtungen im deutschsprachigen Mitteleuropa: anfangs in Wien, später in Berlin und dann in Heidelberg. Nach einer Hospitanz im Bundestag arbeitet er jetzt selbstständig in Berlin als Autor, Referent und Übersetzer aus dem Hebräischen und ins Hebräische. Nebenbei bietet er auch Tours of Jewish Berlin. * krechzn (Jiddisch): stöhnen; leidenschaftlich jammern.

54 Kommentare

  1. Lieber Yoav,
    Zitat:
    “Ist nach Auschwitz ein Mensch jenseits von “Meines vs. Deines” noch vorstellbar? Oder ist Eigentum gerade das, was uns – und sei es selbst in Auschwitz – doch noch irgendwie als Individuen, ja als Menschen bewahrt?”

    “Ausschwitz” hat sich schon zig mal in einer sagen wir mal etwas weniger “radikal ökonomischen” Weise wiederholt… Burundi (1965/ 72), Sabra und Schatila (1982), Ruanda (1994), Srebrenica (1995)

    Homus homini lupus…. Evolutorisch ist der Mensch vom Tier nicht so weit entfernt, auch hier geht es um Selektion (Darwinismus; wobei sich dort ohne Einfluss des Menschen ein natürliches Gleichgewicht automatisch einstellt)… Wer etwas anderes denkt ist ein Sozialromantiker… Der Kapitalismus ist das System, welches der menschlichen Natur am nächsten kommt… alles andere ist Gleichmacherei, die es bei Menschen aufgrund der Individualität und des autonomen Denkens nicht gibt.. Tiere handeln naturgegeben nach Instinkten… Der Mensch handelt nach seinen kognitiven Möglichkeiten… Die Ungleichheiten werden durch die sozialen Errungenschaften ausgeglichen.. am Spannungsfeld des menschlichen Egos und seines Strebens nach Individualität ändert es nichts…

    Shalom

  2. Undzum Thema Eigentum noch eine kleine philosophische Anmerkung:
    Man ist nicht das was man hat, sondern man ist das was man ist… Mit anderen Worten alles von Menschen hervorgebrachte Materielle ist nur Schall und Rauch, denn von alledem nimmt niemand etwas mit ins Grab… Das wichtigste des Menschseins ist der eigene Kopf und seine Kreativität… Das ist die Schöpfung… Alles andere sind künstliche Konstrukte… Wer sich innerlich von den Zwängen der -ismen löst, ist ein freier Mensch und mit sich selbst im Reinen…

    S.H.

  3. Höchst philosophischer Beitrag! Gefällt mir sehr gut. Im Kern: Definiert sich der Mensch als Individuum lediglich durch Eigentum? Meine Antwort: Nein! Der Mensch definiert sich durch seine Persönlichkeit, seine Taten, seinen Charakter als Individuum. Niemals durch Eigentum!

  4. Mal ganz wild geraten, der Eigentumsgedanke (vs. Besitzgedanke, auch der Hund kennt einen Napf als seinen) könnte im Rahmen der Fortpflanzung entstanden sein, ‘meine Frau’, ‘mein Sohn’, so in dieser Art. Er benötigt aber die Sprachlichkeit, die bekanntlich am Anfang stand.
    MFG
    Dr. W (der einen Zusammenhang mit der systematischen Judenvernichtung nicht sieht)

    • Den Bezug zum eigenen Nachwuchs kennen auch Tiere. Und manche Arten haben ja auch so etwas wie feste Beziehungen. Ich würde also das Soziale, was kein menschliches Novum ist, nicht unter “Eigentum” subsumieren oder umgekehrt.

      Einen “Zusammenhang” gibt es nicht. Mich fasziniert einfach die Tatsache, dass sogar (oder gerade?) in “Auschwitz” und Ähnlichem Eigentum nicht völlig egal wird, sondern dem Menschen, solange dieser noch irgendwie lebt, weiterhin so anhaftet wie sein Atem.

      • Äh, die versuchte Unterscheidung war zwischen Eigentum und Besitz, das Eigentum ist an bestimmte gültige soziale Regeln gebunden, für die es notwendigerweise die Sprache braucht.
        Ansonsten sind Ihre Überlegungen sehr angenehm, natürlich ist der Mensch ohne Eigentum nichts, insofern ist jetzt hier auch der letzte Absatz Ihrer Nachricht verstanden. – Liest sich btw auch ein wenig anti-sozialistisch der Text.

        MFG
        Dr. W (dessen Katzen anders heißen)

        • Ja, aber Besitz, wie du am Beispiel des Hundes veranschaulichst, beschreibt ein physisches, gebrauchsbedingtes Verhältnis. Es ist ja auch möglich, dass ich etwas (z. B. ein Buch) besitze, das einem anderen gehört und somit, auch wenn es sich in meinem Besitz befindet, nicht mein Eigentum ist.

          • Was glauben Sie, was Ihr Kommentatorenfreund die ganze Zeit versucht zu erklären? – Also, nochmal, guter Artikel, solide Beleuchtung, es wäre den Artikel abrundend gewesen, wenn die Unterscheidung zwischen Besitz und Eigentum im Artikel selbst vorgenommen worden wäre.
            MFG
            Dr. W (der am Rande an die zeitgenössisch übliche Anredeform der deutschen Sprache erinnert)

          • Aha, verstanden. Nun stellt sich die Frage, ob ein so kompliziertes Abstraktum wie Eigentum erst durch die Entwicklung der Sprache möglich wurde, oder war es eher umgekehrt, sodass die Sprache sich soweit entwickelten musste, um den Anforderungen eines immer komplizierter werdenden Alltags zu genügen?

          • Nun stellt sich die Frage, ob ein so kompliziertes Abstraktum wie Eigentum erst durch die Entwicklung der Sprache möglich wurde, oder war es eher umgekehrt, sodass die Sprache sich soweit entwickelten musste, um den Anforderungen eines immer komplizierter werdenden Alltags zu genügen?

            Im Rahmen der Menschwerdung ging es insofern Hand in Hand, dass erst die Sprache die Verlautbarung von Konzepten erlaubte und insofern vorher nichts war.
            Man wäre hier auch schnell bei sogenannten Tier-Rechten, die physiozentrischer (vs. anthropozentrischer) Bauart sind.
            Wie die Bibel schon sagte, war am Anfang das Wort.
            Ohne Sprache kein Eigentum, und selbst der Besitz müsste von außen zugesprochen werden.

            Selbstverständlich war diese oben getätigte Aussage – ‘natürlich ist der Mensch ohne Eigentum nichts’ – eine Denkanregung, die gedankenexperimentell wiederlegt werden kann, wenn auch unter einiger Verrenkung, die abär beabsichtigt war.

            MFG
            Dr. W

      • Zum Thema Eigentum hat meine Großmutter (nebenbei bemerkt nach “Naziverständnis Halbjüdin”, was nichts zur Sache tut) einmal gesagt: Wenn du die Augen zumachst, dann weißt du, was dir gehört!! In diesem Sinne!!

        S.H.

          • Das war eine philosophische Äußerung zur Relativierung von Eigen-tum…
            Soll heißen, dass Alles MATERIELLE als Eigentum (=Haben) vom eigenen LEBEN (=Sein) durch das Schließen der Augen offensichtlich wird. Da man dann nur das sieht, was sich in den eigenen Gedanken (=Sein) abspielt…
            Das Produkt der Gedanken durch das Schaffen (Schöpfung) manivestiert sich dann im HABEN…. Wie dies gestaltet wird, hat wiederum etwas mit den ideologischen -ismen zu tun…
            Ich kann dir hier die Werke von Erich Fomm, ein aus einer streng religösen jüdsichen Familie stammender deutscher Psychologe und Philosoph, empfehlen, u.a. “Haben und Sein”

            Gruß S.H.

          • Hab ich gelesen. Ob aber Haben und Sein gegenübergestellt werden sollten? Oder ergänzen sie sich wie die zwei Seiten einer Medaille, der menschlichen? Vielleicht gehört das Haben zum menschlichen Sein…

          • Korrektur: Das Werk von Erich Fromm heißt “Haben oder Sein”
            weitere sehr interessante Werke: “Die Seele des Menschen”, “Die Furcht vor der Freiheit” und “Die Kunst des Liebens”

            Sein gegrüßt, Yoav, S.H.

          • Tatsächlich gehört das Haben nicht zum Sein. Ich erinnere hier an die Maslowsche Bedürfnispyramide.. die kennst du sicherlich… am Anfang stehen die Grundbedürfnisse des Menschen, Essen, Schlafen, Liebe (Zuneigung)… Dann kommen weiter oben immer mehr individuelle Bedürfnisse, an deren Ende das Bedürfnis nach “Selbstentfaltung” steht…
            Im französischen gibt es einen schönen Ausdruck für gesellschaftliche Bedürfnisse… man nennt dies “la pensee collective”…
            Im Konzept der französischen “sozialen” Denke und der individuellen Freiheit ist sehr vieles verborgen, was den Spagat zwischen “Volk/ Nation” (pensée collective) und individueller Freiheit ausmacht.. Das erkennt man auch an einem völlig anderen Verhältnis von “Staat” und “Volk” (Beispiel Industriepolitik in Frankreich) im Gegensatz zum “Neoliberalismus”…

            S.H. (ich schweife an dieser Stelle ein bisschen vom Thema Eigentum ab, aber im Grunde genommen hat auch dies etwas mit (Volks-) Eigentum zu tun. Stichwort Alstom

          • Zum Thema Eigentum gibt es im Grundgesetz übrigens einen sehr netten, wenn auch sehr idealistischen Satz: Artikel 14 (2):

            “Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.”

            Schön formuliert, oder?

            S.H.

  5. @ yoav
    Danke für den inspirierender Blogbeitrag.
    Das “Eigentümliche” des Menschen, das dem Menschen “Ur-Eigene”, ist sein Eigentum.

    Noch ein etwas anderer Gedankengang:
    Für den statistischen Durchschnitt aller (Klein-)kinder ist die ganze Welt zunächst ein einziger Spielplatz, den sie entdecken und auf dem sie sich entfalten können. Ein großes einladendes “JA”. Die Allerkleinsten kennen keine Konkurrenz – denn sie brauchen Kooperation und Unterstützung um zu überleben.

    Es dauert meist nicht lange und die Eltern stellen Stopschilder (NEIN’s) auf. Das Kind lernt also: Ein NEIN, ist das was sich ein anderer “zu eigen” macht – “aneignet”. Die Wand welches das Kind im spielerischen Entdeckungsrausch bemalt, wird mit einem NEIN der Erwachsenen “annektiert”, wieder übermalt und so zur Tabuzone. Das NEIN als das Eigentum anderer! Du sollst nicht begehren…

    Jedes Kind lernt dieses Spiel spielen zwischen “mein” und “dein”, wenn sie Rollenspiele nachspielen. Weniger bei Kindern, als bei Erwachsenen wächst die Sorge um das Eigentum

    Es ist ein eingebildete Mangel, mit welchem die Angst vor dem Zukurzkommen geschürt und genährt wird. Erwachsene meinen zu wissen: Es mangelt an allem! Bodenschätze, Erdöl, Energie. Das ist teuer. Was teuer ist, muss beschützt werden vor dem Zugriff anderer, welche es sich aneignen – stehlen wollen.

    Das Kreuz mit den Neinsagenden Eltern liegt darin, dass sie dadurch Schuldgefühle bekommen. Es sind die Schuldgefühle, welches viele Eltern antreibt, ihre Kinder andererseits idealisieren lässt. Zuviel davon führt zur Parentifizierung. Der Stolz der Eltern auf ihr(e) Kind(er), ihre Aufmerksamkeit wird zur wertvollsten Währung für Kinder. Das ist eines Menschenkindes Eigentum – die persönliche Aufmerksamkeit, die es erhält um sein Ich zu stabilisieren.

    Das was Menschen sich aneignen wird zum Kommunikationsmittel um die Geschwister “Neid” und “Eifersucht” zu kultivieren und zu legitimieren.

    Sowohl das alte, wie auch das sog. neue Testament, geißeln die Prioritäts-Verwechslung von “Haben” und “Sein”. Weshalb auch nur entweder “Gott” (Repräsentant für das “Sein”) oder “Mammon” (Repräsentant für das “Haben”) angebetet, bzw. gedient werden kann.

    • Auf die Entwicklung des Kindes bin ich, wohl mangels eines solchen, nicht gekommen. Dein Ansatz erinnert stark an Lacans “Name-des-Vaters”. Da will ich noch drüber nachdenken. Vielleicht hängt das doch irgendwie mit der Entstehung eigener Namen zusammen.

      • Die Entwicklung einer eigenständigen Ich-Identität etwa im bzw. ab dem 2. Lebensjahr dürfte ein wichtiger Grund sein wieso wir Eigentum besitzen. Durch diese ICH-identität entgrenzt man sich von der Umwelt (ich/ihr, mein/euer) und unterscheidet zwischen ´Eigenem´ und ´Anderem´.
        Das Ausmaß (die Menge) von Eigentum hängt von der jeweiligen Kultur/Erziehung ab. Es gibt Stammesgruppen, bei denen es kaum persönlichen Besitz gibt, andere haben Regeln zur Verteilung von Besitz (Teilen der Jagdbeute) und es gibt natürlich die kapitalistischen Gesellschaftsordnung; wo Besitz ohne soziale Verpflichtung angehäuft wird.

          • Einen eigenen Namen, einen eigenen Körper zu besitzen ist der Anfang von Eigen-tum. (Man hat z.B. im Holocaust den Opfern Nummern gegeben, um sie der menschlichen Identität zu berauben, um sie zur unpersönlichen Sache zu degradieren.)
            Die Entwicklung einer ICH-Identität erfolgt in Abhängigkeit von der örtlichen Kultur. Bei uns ab dem 2.Lebensjahr, aber sie erfolgt später in Kulturen wo die Gemeinschaft wichtiger ist, als das Einzelindividuum (z.B. in Asien, bei den Maori).
            Die Bedeutung von Eigentum muss man aber auch unter anderen Gesichtspunkten betrachten; z.B. geographisch: In vielen Gegenden unserer Erde konnten die Menschen das ganze Jahr über von Sammeln und Jagen leben – hierbei ist Eigentum von untergeordneter Bedeutung. In anderen Gegenden war es notwendig z.B. Nahrungsmittelvorräte anzulegen um auch solche Zeiten überbrücken zu können, wo es kaum Nahrung in der Natur gab (z.B. Winter). Hier ist Anhäufung von Besitz (Nahrungsmittel, Tierfutter, Brennstoff) überlebenswichtig.

            Das Anlegen von Nahrungvorräten kann man auch bei Tieren beobachten. Bei Raben konnte man sogar beobachten, dass sie andere Vögel täuschen, wenn sie z.B. Nahrungsvorräte vergraben. D.h. hier ist zumindest die Idee vorhanden, dass etwas Eigenes weggenommen werden kann

  6. Ich tippe mal der Begriff Eigentum macht nur Sinn in einer Sozialgemeinschaft. Es definiert eine Verhaltensregel zwischen Teilnehmern der Gemeinschaft, die dem Überleben aller nutzt. Erst solche Regeln ermöglichen Arbeitsteilung und Zusammenarbeit der Individuen. Wie könnte sonst ein Jäger Frau und Kinder ohne Aufsicht in der Gruppe zurücklassen, wenn er nicht davon ausgehen könnte, dass andere Gruppenmitglieder seine Angehörigen nicht in Abwesenheit verspeisen würden.

    • Ich tippe mal der Begriff Eigentum macht nur Sinn …

      Deuten statt erklären?

      Es [das Eigentum] definiert eine Verhaltensregel zwischen Teilnehmern der Gemeinschaft, die dem Überleben aller nutzt.

      Das heißt: Wenn es nicht dem Überleben aller nutzt, ist es kein Eigentum? Mein Auto nützt nur mir, nicht Ihnen. Nur ich hole mit meinem Auto Speis und Trank für mein Überleben. Kein Eigentum?

      Wo kommt eigentlich der Nebensatz her?

      • Es [das Eigentum] definiert eine Verhaltensregel zwischen Teilnehmern der Gemeinschaft, die dem Überleben aller nutzt.

        Das heißt: Wenn es nicht dem Überleben aller nutzt, ist es kein Eigentum?

        Das Zitierte wäre nicht korrekt verstanden, wenn es hier zu einem Ja kommen sollte.
        Das mit dem Eigentum, also was es sinnhafterweise bedeutet, ist verstanden worden?
        MFG
        Dr. W

    • Ich tippe mal der Begriff Eigentum macht nur Sinn in einer Sozialgemeinschaft. Es definiert eine Verhaltensregel zwischen Teilnehmern der Gemeinschaft, die dem Überleben aller nutzt.

      So isses. Der Begriff Besitz kommt ohne sozialen Überbau aus. – Der Begriff Eigentum erlaubt denn auch einen sozialen Überbau, der die Konditionierung anderer bei Übergriffen auf eigenes Eigentum sozial erlaubt oder gar anweist. – Stehen diese Konzepte, die der o.g. soziale Überbau meint, erst einmal bereit, kann es kein Nicht-Eigentum mehr geben.
      Soziale, sozialistische Versuche des letzten Jahrhunderts waren insofern zum Scheitern verurteilt, denn zurück ins “Barbarische” wollte und konnte man nicht.
      MFG
      Dr. W

        • “[Es ]existieren Dinge, die in niemandes Eigentum stehen:
          – Die Luft”

          Noch!

          Die Luft gibt es auch abgepackt in Flaschen. Da ist sie jetzt schon Eigentum. Man denke z.B. an – von unten nach oben sortiert – Taucher, Bergsteiger oder Astronauten.

          Nachdem das Land schon aufgeteilt wurde und das Wasser gerade privatisiert wird, ist es nur eine Frage der Zeit, wann auch die Luft gesetzlich geregelt zum Eigentum erklärt wird.

  7. Es geht also um die Frage, wieso Menschen überhaupt eine Vorstellung davon haben, dass ein Objekt X (ggf. exklusiv) zu einer Person Y gehört.

    Das ist aber keine Frage nach dem Wesen des Eigentums, sondern die Frage nach dem menschlichen Vermögen, bestimmte Vorstellungen zu haben. Hier konkret: Die Vorstellungen von etwas.

    Als Erstes stellt sich mir die Frage, ob Eigentum wirklich nur für Menschen gilt bzw. ein menschliches Phänomen ist.

    Vielleicht legen Sie sich und uns einmal die notwenigen Bestimmungen des Begriffs vor. Dann lässt sich schnell entscheiden, ob Nichtmenschen, denen etwa die Fähigkeit, sich etwas Vorzustellen, fehlt, über den Begriff verfügen.

    Ich differenziere hier zwischen dem Phänomen an sich und dem Bewusstsein dafür bzw. der Vorstellung hiervon

    Was ist er denn eigentlich, der Begriff des Eigentums?

    Gibt es in der Tierwelt, ungeachtet des wohl nicht vorhandenen Bewusstseins, vielleicht immerhin so etwas wie Eigentum?

    Woran machen Sie fest, anhand welcher Kriterien entscheiden Sie, ob in einem gegebenen Sachverhalt Eigentum vorhanden ist. Nehmen Sie eine Alltagssituation: Sie stehen in der Natur und es regnet. Ist hier Eigentum irgendwo im Spiel oder in Sicht?

  8. Ein sehr interessanter Text.
    Die Begriffe “Eigentum” und “Besitz” sind sehr modern, rechtlich definiert oder wenigstens überformt. Man sollte vielleicht lieber von “persönlichen Gegenständen” oder vielleicht “persönlichem Besitz” sprechen. Sie dienen zur Abgrenzung der Individualität, das stimme ich zu. So etwas waren ganz am Anfang zuerst Kleidung und Schmuckstücke, Amulette, persönliche Waffen und Werkzeuge, darunter auch welche, mit persönlichen Beziehungen. Was können Jäger und Sammler an solchen persönlichen Gegenständen mitführen? Nicht viel, aber vielleicht doch etwas, was nicht ohne Bedeutung war. Die Schamschwelle kann in unterschiedlichen Kulturen sehr unterschiedlich verlaufen, ebenso die physische Abgrenzung der Person gegen andere. Bei uns gilt in der Regel ein Abstand von ca. 0,5m. Berührungen sind sozial reglementiert. Das sind keine materiellen Besitztümer, aber “soziale” Rechte, die man als Ausdruck des zwischenmenschlichen Respekts besitzt.
    In den KZ wurde diese Grenze völlig aufgehoben, der Besitz von Gegenstände wie eine Mütze oder Zigarette war eine letzte der sozialen Regelungen, die man verteidigen wollte, weil man sich hier noch als Subjekt zeigen konnte, das Respekt verdient.

  9. Eigentum in der Tierwelt .

    Gibt es in der Tierwelt, ungeachtet des wohl nicht vorhandenen Bewusstseins, vielleicht immerhin so etwas wie Eigentum?

    Ich meine, ja. Man denke etwa an das selbst gebaute Nest, den selbst gebuddelten Bau, das selbst gesammelte und/oder versteckte Futter… von diesen Phänomenen scheint es mir nur ein kleiner Schritt zu unseren Vorstellungen vom Eigentum zu sein.

    • Man denke etwa an das selbst gebaute Nest, den selbst gebuddelten Bau, das selbst gesammelte und/oder versteckte Futter… von diesen Phänomenen scheint es mir nur ein kleiner Schritt zu unseren Vorstellungen vom Eigentum zu sein.

      Kollekt! – Sofern eine diesbezügliche Sprachlichkeit bereit steht, die auch bestimmte soziale Konzepte kennt.
      Ansonsten wäre es, von außen betrachtet, was wichtich ist anzumerken, Besitz.


      Übrigens nagt diesbezüglich auch der allgemein geachtete Film von Stanley Kubrick ein wenig.

      MFG
      Dr. W

  10. Zu Besitz und Eigentum im Tierreich
    Zur Untersuchung dieser Frage versuche man einem Löwen – oder einem anderem Raubtier – die Beute abzunehmen…
    Darüber hinaus gibt es genügend Parasiten, die andere Tiere im wahrsten Sinne des Wortes in Besitz nehmen.
    Die Unterscheidung zwischen Besitz und Eigentum wird im Streitfall über das Kräfteverhältnis geregelt. Der Gewinner nennt dann die tote Gazelle dann sein Eigen und darf sie in Ruhe essen.

    Noch ein schönes Wochenende
    Nils

    • Die Unterscheidung zwischen Besitz und Eigentum wird im Streitfall über das Kräfteverhältnis geregelt.

      Der Besitz oder das In-Besitz-Nehmen kann so “geregelt ” werden, Eigentum wird aber, weggehend von “bloßem” Besitz, so verstanden, das es sich um ein Konzept handelt; dass kommuniziert, ausgehandelt werden muss, im sozialen Verbund.
      MFG
      Dr. W (der noch einen schönen Tag des Herrn wünscht)

      • Ja, das leuchtet mir vollkommen ein: Als Imaginäres, das von vielen respektiert werden soll, setzt Eigentum ein soziales Gefüge aus. Mich würde interessieren, ob es im Internet so einen Überblick gibt über unterschiedliche Auffassungen von Eigentum, also jenseits abendländischer Konzepte.

        • Jurisitsch ist der Begriff des Eigentums und des Besitzes klar definiert. Erstes Semster Wirtschaftswissenschaften oder Jura… lernt man auch in der Schule in Wirtschaft- und Rechtslehre:

          Besitz ist die TATSÄCHLICHE Herrschaft über eine Sache. Wenn ich dir also etwas klaue, bin ich im Besitz dieser Sache.

          Eigentum ist die RECHTLICHE Herrschaft über eine Sache. Ich habe die Sache also rechtmäßig (Geld gegen Ware direkt oder Zug um Zug) erworben.

          Das was der Webbaer da so kompliziert mit dem Kommunizieren oder Aushandeln im “sozialen Verbund” ausdrückt ist mit “GELD gegen WARE” ziemlich leicht erklärt, wobei das Rumfeilschen (Aushandeln) in abendländischen Kulturen nicht so sehr verbreitet ist, wie in anderen (arabischen, morgenländischen) Kulturen… Da handelt man noch gerne,,, In unserer zubetonierten und durchökonomisierten, rationalen insb. deutschen Wirtschaft ist das eher die Ausnahme… “Wir sind ja hier nicht auf dem Basar” 🙂

          • Die juristischen Definitionen haben aber in abendländischen Kulturen Vorrang. Sie sind Grundlage unseres sozialen, wirtschaftlichen und im Rahmen der sich daraus “ausgehandelten” und in Gesetze gegossenen, Miteinanders. Alles andere ist bekanntlich Willkür. Eine besondere Ausprägung der Nicht-Beachtung der über Jahrhunderte sich entwickelten Gesetzgebung nennt man Korruption, Betrug etc., zumindest in abendländischen Kulturen.
            Ergo: (Privat)Eigentum ist die rechtliche Herrschaft über eine Sache, Besitz die tatsächliche… Als rechtmäßiger Besitzer ist man demnach gleichzeitig Eigentümer der Sache. Es gibt auch noch den Eigentumsvorbehalt, solange die Sache noch nicht vollständig bezahlt ist (Zug um Zug Geschäft). Bei Gemeinschaftseigentum bzw. Kollektiveigentum sieht die Sache ein wenig anders aus (Stichwort: öffentliche Güter). Hier kommt das Konstrukt des Ausschlussprinzips ins Spiel… Beispiel: öffentliche Autobahnen (Maut?) versus Privatautobahnen (etwa in Italien oder Frankreich)…. Kulturgüter, wie Theater, Museum etc…

        • Mich würde interessieren, ob es im Internet so einen Überblick gibt über unterschiedliche Auffassungen von Eigentum, also jenseits abendländischer Konzepte.

          Selbstverständlich wäre es verfehlt Sie auf die bekannte Online-Enzyklopädie hinzuweisen, in der wie eine gerade erfolgte Prüfung ergab, einiges zum Thema steht. Eigentumsforschung gibt es wohl auch. Inwieweit es Eigentumskonzepte gibt, die nicht von aufklärerischer Seite erfasst sind, weiß Ihr Kommentatorenfreund nicht, weist aber ganz am Rande und ohne zum Medium Stellung zu beziehen auf die Monatszeitung ‘Eigentümlich frei’ hin, in der sich schon jemand gelegentlich zu diesem Thema erhoben haben müsste. – Spannendes Thema, gell.
          MFG
          Dr. W

  11. Eigentum ist ein materielles Äqivalent zur geistigen Souveränität.

    Ich denke dabei, dass das Eigentum nur in materieller Hinsicht Sinn ergibt, denn in der materiell zergliederten Welt entsprechen bestimmte “Singularitäten” eben einem geistigen Anteil. Der geistige Anteil jedoch kann nur schwerlich abgegrenzt werden. Ein “geistiges Eigentum”, wie es auch im Recht oft betitelt wird, ist als solches kritisch zu betrachten. Selbst wenn geistige “Dinge” abgrenzbar wären, benötigte man nicht die dem Eigentum typische Zuordnungsfunktion – ideologisch / dogmatisch lässt sich geistiges Eigentum daher kaum rechtfertigen.

    Beim materiellen (und einzig “richtigem”) Eigentum geht es meines Erachtens also allein um die materielle Umsetzung der Souveränität, mithin der Freiheit jedes Einzelnen. Die Freiheit und souveränität, die wir im Geiste besitzen, wird auf der materiellen Ebene durch das Eigentum gewährleistet.

    Diese materielle Freiheit ist überall dort wichtig, wo wir mit diesen materiellen “Singularitäten” in Berührung kommen und mit ihnen untereinander umgehen. Auch in der Tierwelt gibt es territoriale Ansprüche. Vielleicht kann man diese territorialen Besitzansprüche als Indiz dafür werten, wie weit ein Bewusstsein eines Tieres entwickelt ist.

    Im Prinzip spielt auch hier die Privatsphäre als Garant für geistige und (!) materielle Freiheit und Souveränität mit hinein.

    Stellen wir uns die Souveränität wie eine Seifenblase vor, die wie eine Glaskuppel über jedem Menschen auf der Erde liegt. Unter dieser Seifenblase hat jeder Mensch ein Stück Land, auf dem er machen kann was er will, in der Seifenblase hat er genug Raum das zu tun, was ihm beliebt und er hat auch ein Recht darauf, dass dieser Raum praktisch nicht einsehbar wird, wenn er das nicht möchte. Jede Einwirkung, die ihm diese materiellen Möglichkeiten nimmt, würde ihm meines Erachtens auch ein Stück weit seine geistige Freiheit als Äquivalent hierzu nehmen.

    • Stellen wir uns die Souveränität wie eine Seifenblase vor, die wie eine Glaskuppel über jedem Menschen auf der Erde liegt.

      Dito. Das war eigentlich immer das, was Ihr Kommentatorenfreund versucht hat auszusagen, abär nie umfänglich hervorgebracht hat.
      Äh, ist es eigentlich korrekt, dass Sie eine runde Brille, dunkle Haare, ein als allgemein wohlempfundenes Äußeres tragen und so knapp unter 30 sind? Norddeutschland?
      MFG
      Dr. W (der den angegebenen Namen, auch als Vornamen, cool findet)

      • Das mit der runden Brille fand ich jetzt etwas gruselig, gut dass Sie dunkle Haare schrieben. Ansonsten mag ich meine Privatsphäre eig. auch ganz gern.

    • PS
      Souveränität vs. Sklaverei
      oder vs. Instinktivität – wie bei Tieren? Dann ist Eigentum vielleicht auch als Emanation einer gewissen Selbstbeherrschung zu verstehen (ich beherrsche [gewissemaßen] mich selbst, also kann/darf ich auch anderes beherrschen >> Eigentum)

      • Vielleicht ist es gewissermaßen wie eine Oberfläche, die wir als Individuum aufbauen.

        So, wie wir im Geiste die weiter oben schon beschriebene Identität aufbauen, können wir eine Oberfläche aus materiellen Dingen bilden. Oberfläche deshalb, weil es einen Ursprung, die Tiefe, gibt (wenn man sich die Identitätsbildung mal versucht “dreidimensional” vorzustellen). Die Identität entwickelt sich aus dem Ursprung / der Tiefe (des Unbewussten) heraus, wächst und bildet irgendwann eine zusammenhängende (gesunde) geistige Oberfläche. Die Oberfläche, die dann weit entfernt von der Tiefe, in unmittelbarer Nähe zur materiellen Welt agiert. [1]

        So gesehen können wir auch im materiellen Sinn eine Art Oberfläche bilden. Irgendwann besitzt man vielleicht ein Haus, Auto, etc.. Und evtl. identifiziert man sich sogar mit dieser materiellen Oberfläche, auch hier ist daher die Oberfläche wiederum in unmittelbarer Nähe zur geistigen Identität.

        Die Frage ist, wie kann man sich die Tiefe der materiellen Oberfläche vorstellen? Es könnte sein, dass es ist wie in Ihrem Beispiel, im KZ – man verliert zunächst alles Eigentum, dann ist man reduziert auf den Körper, so weiter reduziert (falls man sich das noch irgendwie vorstellen kann), bleibt irgendwann nur noch der Geist im Kern, in der Tiefe (insofern ist die menschliche Haut auf materieller Ebene der tiefste Punkt der Oberfläche [2]). Es scheint also, als wären beide Tiefen miteinander verknüpft.

        Vielleicht ist es deshalb so schwer für die meisten Menschen, auf einmal gewonnene materielle “Oberfläche” wieder zu verzichten. Es ist evtl. wie ein Loch in der eigenen Identität, welche sich im Geiste wohl umformen, jedoch eher schwer zurückbilden kann. Im Grunde ist eine Ausweitung dieser materiellen Oberfläche aber nichts schlechtes, denke ich. Vielleicht nur dann schlecht, wenn die Identitätsbildung ausschließlich über materielle Dinge erfolgt.

        [1] Das mit der Oberfläche und der Tiefe ist jetzt nicht von mir, das stammt aus Deleuzes “Die Logik des Sinns”. Der hat auch viel mit einem Felix Guattari, einem Psychoanalytiker zusammen geschrieben.

        [2] Irgendwas hatte Deleuze auch diesbezüglich zur Haut geschrieben, ich werd es bei Gelegenheit mal nachgucken.

  12. also noch einmal zur Haut: “Von Paul Valéry gibt es einen tiefsinnigen Ausspruch: Das Tiefste, das ist die Haut.” – Deleuze, “Die Logik des Sinns”

    Ich hab das Zitat von Paul Valéry leider nicht im ursprünglichen Zusammenhang gefunden.

Schreibe einen Kommentar