Geschützte Ideologien?

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Wien. Heidelberg. Berlin: ein israelischer Blick auf Deutschland
un/zugehörig

Im Rahmen des IPS hatten wir vor kurzem eine Veranstaltung, wo wir uns mit (negativer) Diskriminierung befasst haben, was an den Beispielen von Homosexuellen, Juden und Frauen konkretisiert wurde. Gemeint war damit nicht Art. 3 Abs. 3 GG, der ja für den Staat gilt, sondern der sonstige, allgemeine Lebensbereich, kurzum das, was eine Öffentlichkeit ausmacht.


1. Einführung

Auf den ersten Blick scheinen diese drei Beispiele (andere wären natürlich auch möglich gewesen) nur ein großes Durcheinander hervorzubringen, denn sie kommen jeweils ganz unterschiedlich zum Ausdruck: Eine Frau ist gewöhnlich leichter zu erkennen als ein Homosexueller oder ein Jude; ein Homosexueller unterscheidet sich in seinem Lebensstil oft in weit geringerem Ausmaß von Heterosexuellen als Frauen von Männern und Juden von anderen Völkern; und Juden haben als Volk viel, was weder Frauen noch Homosexuelle als solche haben, z. B. einen Staat. Schließlich kann man aber auch alle drei zugleich, nämlich: eine jüdische Lesbe sein.

Doch ihnen ist gemeinsam, dass sie durch neutrale Merkmale charakterisiert werden, deren Träger ihrem jeweiligen Schicksal folglich kaum entfliehen können. Zwar kann man, wenn man mit sich selbst nicht zufrieden ist, seine sexuelle Orientierung unterdrücken, seine Volkszugehörigkeit verheimlichen oder sich einer Geschlechtsoperation unterziehen, aber normalerweise ist man doch einfach das, was man ist: Homosexueller, Jude oder Frau. Und das ist auch gut so.

Das bedeutet natürlich nicht, dass man alles tolerieren muss, was Homosexuelle, Juden oder Frauen propagieren. Im Gegenteil: Die Merkmale homosexuell/jüdisch/weiblich können nur deswegen unter Schutz gestellt werden, weil sie eben neutral sind und an sich mit keinem spezifischen Gedankengut verknüpft sind. Mit anderen Worten: Selbst wenn Homosexuelle, Juden und Frauen zu bestimmten, jeweils anderen Gedankengütern neigen, setzt sich nicht jeder Homosexuelle für gleichgeschlechtliche Ehen ein, glaubt nicht jeder Jude an Gott und ist nicht jede Frau Feministin.

Wenn sich also eine Frau zum Nazismus bekennt, bildet die Opposition dazu noch keine Verletzung ihres Schutzrechtes als ein weiblicher Mensch. Auch die Kritik an ihrem Bekenntnis hat nichts mit diesem neutralen Merkmal zu tun, sondern mit der Weltanschauung, deren Anhängerin sie ist. Desgleichen mit anderen Weltanschauungen, deren Anhänger homosexuelle und/oder jüdische Menschen sind: Man darf auch dann gegen den Kommunismus argumentieren, wenn man mit einem jüdischen Anhänger desselben konfrontiert ist, oder gegen den Liberalismus, wenn man mit einem homosexuellen Anhänger desselben zu tun hat. Denn: Menschen sollen aufgrund neutraler Merkmale zwar nicht benachteiligt werden, doch darüber darf der postulierte Schutzbereich nicht hinausgehen.

2. Die Problematik

Ohne auf die Qualität der vom Bundestag organisierten Referate einzugehen, hat mir das dreibeinige Gesamtkonzept dieser Veranstaltung eingeleuchtet. Doch eine kleine Bemerkung am Rande der Veranstaltung hat den allgemein positiven Eindruck ziemlich stark überschattet. Ein relativ hochrangiger Beamter hat nämlich in seinem Schlusswort neben Homosexuellen, Juden, Frauen und, wenn ich mich nicht irre, Dunkelhäutigen im selben Atemzug auch Muslime genannt und vom "Rassismus" gegen diese Gruppen gesprochen (heute wird Rassismus oft nicht mehr im herkömmlichen Sinne, sondern als negative Diskriminierung aufgrund unveränderlicher Merkmale verstanden, für welche die Person nicht verantwortlich ist). Ob er sich der möglichen Konsequenzen dieses Postulats bewusst war?

Anhänger islamischer Weltanschauungen mit (etwa) Frauen gleichzustellen, würde bedeuten, dass wir Menschen nicht nur im Hinblick auf neutrale Merkmale unter Schutz nähmen, sondern nunmehr auch im Hinblick auf ihre Überzeugungen. Denn während Frauen allenfalls zu Feminismus neigen, aber nicht dadurch Frauen werden, ist es bei Muslimen genau umgekehrt: Ein Moslem neigt nicht zum Islam, im Gegenteil: erst durch das Bekenntnis zum Islam wird er Moslem.

Das bedeutet wiederum, dass die Opposition zum Islam und die Kritik daran nichts mit Einzelnen zu tun hat, die sich zu dieser Weltanschauung bekennen, genauso wie die Opposition zum Neoliberalismus, zum Sozialismus, zum Katholizismus, zum Chassidismus oder zum Faschismus nicht die Menschen verurteilt, die sich zu diesen Weltanschauungen (in welcher Ausprägung auch immer) bekennen. Im Gegenteil: Den Anhängern ist es immer möglich, ihre bisherigen Überzeugungen beiseite zu legen.

Hier wird der fundamentale Unterschied zwischen den Kategorien "Moslem" und "Frau" ganz deutlich erkennbar: Während man durch Indoktrination Moslem werden und auf diese Überzeugung auch wieder verzichten kann (sofern man die Angst überwinden kann, nach islamischem Recht ermordet zu werden), ist es einer Frau im Grunde genommen unmöglich, dieses neutrale Merkmal, also ihr Weiblichsein, zu ändern. Darum darf Intoleranz gegenüber Frauen als Rassismus (im heute üblichen Sinne des Begriffs) bezeichnet werden, aber nicht die Argumentation gegen islamische (oder andere) Gedankengüter und deren Verbreitung. Das gilt auch dann, wenn die Kritik sich auf die Anhänger einer Weltanschauung bezieht (z. B. "Kommunisten unterstützen grundsätzlich Verstaatlichungen, was ich für Eigentumsraub halte"), aber nur dann, wenn sie sich auf die Anhänger als solche und nicht als Menschen bezieht ("Kommunisten verwenden ihre Kinder als Sexualobjekte, was ich für unmoralisch halte"). Denn ein Mensch ist ja weit mehr als eine Weltanschauung, zu der er sich heute und morgen noch bekennt, aber übermorgen vielleicht nicht mehr.

3. Auswirkungen

Da das Bekenntnis zu einer Weltanschauung, geschweige denn zu einer religiösen, alles andere ist als ein neutrales Merkmal, hätte eine solche Schutzmaßnahme schwerwiegende Wirkungen auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zur Folge, denn diese setzt ja eine kritische Öffentlichkeit und die Möglichkeit eines kritischen Diskurses voraus.

In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Meinungsfreiheit, denn trotz (oder gerade wegen) meiner liberalen Überzeugung bin ich in begründeten Fällen doch für die Beschränkung derselben. Welche Wirkungen hätte also dieser Ansatz auf den Umgang mit weltanschaulichen Schriften, die gegen Völker verhetzen, welche hier und jetzt davon betroffen sind und dadurch gefährdet werden?

2015 verliert Bayern die Urheberrechte an "Mein Kampf". Den an sich sehr problematischen Anspruch auf diese Rechte konnte Bayern bislang zumindest in Deutschland zur Gänze durchsetzen. Obwohl "Mein Kampf" zu den Grundschriften einer Weltanschauung zählt, wäre ich aufgrund der judenfeindlichen Aussagen, die dieser Text aufweist, dafür, dass er hierzulande nicht frei, sondern, wenn rechtlich möglich, nur in Form von kritischen, kommentierten Ausgaben erhältlich wäre.

Eine solche Ablehnung dieses Gedankengutes wäre allerdings nicht salonfähig, wenn Weltanschauungen unter Schutz gestellt und die Opposition dazu als "Rassismus" gebrandmarkt würde, wie es manche – sogar im parlamentarischen Apparat – in Bezug auf islamisches Gedankengut anscheinend gerne hätten. Leider braucht dieser Umstand nicht unbedingt nur vermutet werden: Er lässt sich teilweise schon beobachten, denn islamische Grundschriften, die explizit (auch) gegen Juden verhetzen, dürfen in der Bundesrepublik auch heute schon ungehindert verbreitet werden. Im Dienste der "Vielfalt" und der "Toleranz", natürlich.


4. Fazit

Wie hat es Broder formuliert?

Hurra, wir kapitulieren!

Veröffentlicht von

www.berlinjewish.com/

Mancherorts auch als der Rebbe von Krechzn* bekannt, heißt der Autor von "un/zugehörig" eigentlich Yoav Sapir. Er ist 5740 (auf Christlich: 1979) in Haifa, Israel, geboren und hat später lange in Jerusalem gelebt, dessen numinose Stimmung ihn anscheinend tief geprägt hat. Nebenbei hat er dort sein M.A.-Studium abgeschlossen, während dessen er sich v. a. mit dem Bild des Juden im Spielfilm der DDR befasst hat. Seit Sommer 2006 weilt er an akademischen Einrichtungen im deutschsprachigen Mitteleuropa: anfangs in Wien, später in Berlin und dann in Heidelberg. Nach einer Hospitanz im Bundestag arbeitet er jetzt selbstständig in Berlin als Autor, Referent und Übersetzer aus dem Hebräischen und ins Hebräische. Nebenbei bietet er auch Tours of Jewish Berlin. * krechzn (Jiddisch): stöhnen; leidenschaftlich jammern.

13 Kommentare

  1. ???

    Lieber Yoav,

    seltsam: Solange Redner zu Recht Juden gegen pauschale Kritik in Schutz nehmen, fühlst Du Dich auf der Veranstaltung wohl. Wenn es aber ein Redner wagt, das gleiche auch für “Muslime” gelten zu lassen, dann empfindest Du die Veranstaltung als “stark überschattet”. Und assoziierst nicht etwa Muslime mit Juden (Religionszugehörigkeiten), sondern plötzlich Islam (aber nicht Judentum) mit biologischem Geschlecht.

    Als ob z.B. ein Nazi einen Ex-Muslim anerkennen bzw. anders bewerten würde als einen Ex-Juden. Er unterscheidet eben nicht zwischen Volks- und Religionszugehörigkeit, sondern sieht in Juden und Muslimen “Semiten”, johlt über Beschneidungen, den Wüstengott Abrahams usw. Für die bleibt ein Araber Araber, Türke Türke, Muslim Muslim und Jude Jude, ganz egal, wie sich der Mensch selbst versteht.

    Ich empfinde sowohl Antisemitismus wie Islamophobie (ebenso wie Vororuteile gegen Christen, Atheisten, Homosexuelle und andere Menschengruppen) als gleichermaßen abstoßend und würde mir wünschen, dass wir Menschen endlich die Rechte, die wir für uns selbst einfordern, auch anderen zuerkennen sollten. Hass und Feindbilder sind ätzend, völlig egal, wer sie gegen wen richtet.

  2. @ Michael

    Ich richte mich nach deinen Absätzen:

    1.

    Ich habe mich auf der Veranstaltung auch davor nicht so wohl gefühlt, weil das Niveau der Referate nicht so hoch war. Danach aber erst recht, weil mit dieser Bemerkung ist der logische Aufbau der Veranstaltung zusammengebrochen: Ein Bekenntnis zu einer Weltanschauung, etwa zum Islam, kann mit einem neutralen Merkmal wie Homosexualität zwar verglichen (wie ich es hier tue), aber keineswegs gleichgesetzt werden.

    Jude zu sein, genauso wie Deutscher zu sein, ist ebenfalls ein neutrales Merkmal. Es bedeutet noch kein Bekenntnis zu irgendeiner Weltanschauung. Meine Volksgenossen sind also nicht unbedingt ebenfalls liberal gesinnt, sondern können auch Sozialisten, Faschisten etc. sein. Sie können gläubig, agnostisch oder atheistisch gesinnt sein. Und so weiter und so fort. Deswegen ist die Ablehnung von Juden als solchen notwendigerweise ein Vorurteil. Wenn ein ganzes Volk als solches abgelehnt wird, ist es eine Position, die sich nicht rational begründen lässt.

    Neben all diesen und anderen Möglichkeiten gibt es auch die eigenen, israelischen Gedankengüter. Aber wenn man behauptet, diese Gedankengüter bzw. jüdische Schriften, wie etwa die Bibel (bis auf das Evangelium nach Lukas?), müssten deswegen geschützt werden, weil sie jüdisch sind, dann lehne ich eine solche Einstellung genauso streng ab wie oben beschrieben.

    2.

    Hier beginnst du eigentlich einen Exkurs, der nicht viel mit dem Thema zu tun hat, aber immerhin:

    Die engen Beziehungen zwischen Muslimen und Nationalsozialisten – man denke an die islamischen Freiwilligen in der Waffen-SS oder an die Zusammenarbeit des islamischen Führers Mohammed Amin al-Husseini mit Adolf Hitler – scheinen genau das Gegenteil von deiner Behauptung zu beweisen.

    Es sei denn, das war alles nur eine sehr große Anhäufung von Zufällen.

    3.

    Ich lehne ebenfalls Vorurteile gegen Menschengruppen ab und erkenne in diesem Zusammenhang anderen Menschen dieselben Rechte zu, die ich für mich beanspruche. Aber was hat das mit der Opposition zu Weltanschauungen (oder zu Teilen davon) oder mit begründeter Kritik daran zu tun? Ich beanspruche doch gar keinen Schutz für meine weltanschaulichen Überzeugungen.

    Und wenn Muslime schon in Schutz (wovor eigentlich? Welche Weltanschauung ruft explizit zu Mord an den Muslimen auf?) genommen werden, warum nicht auch die Anhänger anderer Weltanschauungen? Wäre es nicht toll, wenn jedem, der an Marxens “Kapital” Kritik üben würde, gleich “Rassismus gegen Sozialisten” vorgeworfen würde? Das wäre ja genauso logisch wie der vermeintliche “Rassismus gegen Muslime”.

    Mit anderen Worten: Kann es sein, dass du hier absichtlich Weltanschauungen einerseits und neutralen Merkmalen andererseits miteinander verwechselst?

    Übrigens stellt Atheismus genauso wenig eine Weltanschauung dar wie der Theismus. Der Atheismus ist von seiner Beschaffenheit her das Gegenteil einer Weltanschauung: Ein Atheist zeichnet sich ja eben dadurch aus, dass er sich *nicht* bekennt, also kann hier logischerweise von keinem Bekenntnis die Rede sein (was nicht ausschließt, dass er ansonsten Leninist ist und sich als solcher eben zum Leninismus bekennt).

  3. Gruppe und Individuum@Yoav

    Ist es möglich, dass die Individuen der Gruppe Juden Merkmale aufweisen, die andere Gruppen nicht in dem Masse vorzuweisen haben ? Oder die Gruppe “Muslime”. Oder die Gruppe “Deutsche”, Merkmale, die so häufig in der jeweiligen Gruppe vorkommen, dass sie als “typisch jüdisch”, oder “typisch muslimisch” oder “typisch deutsch” bezeichnet werden, vielleicht als Resultat einer spezifischen sozialen Prägung ? Möglicherweise ist das so, und diese kaum zu definierenden Merkmale werden sodann mit dem Wort “Mentalität” umschrieben.

    Wenn wir mal diese Prämisse “gehäuftes Vorkommen gewisser Merkmale in Gruppen” gelten lassen, dann ist damit noch lange keine gesicherte Aussage über ein einzelnes Individuum möglich. Selbst die naheliegende Feststellung, dass Deutsche deutsch sprechen, ist nicht allgemeingültig, denn es werden sich mit Sicherheit einige Deutsche finden lassen, die nicht deutsch sprechen.

    Die einzige allgemeingültige Aussage über Juden ist, dass sie Juden sind – eine Tautologie eben, denn nur das wird mit der Kategorisierung allgemeingültig erfasst. Alle anderen Merkmale sind immer nur mehr oder weniger wahr.

    Deshalb wäre es angebracht, zwischen einer formalen Religionszugehörigkeit und einer Ideologie zu unterscheiden und zur Verdeutlichung die Dinge auch unterschiedlich zu benennen.

    Du sagst, der Moslem werde erst durch sein Bekenntnis zum Moslem. Das mag aus theologischer Sicht so gesehen werden. Wirklichkeitsnäher ist es aber, dass die Eigenschaft “muslimisch” ein vererbtes Recht ist, so wie der Jude Jude ist, weil sein Vater und seine Mutter es auch waren.

    Sofern tatsächlich ein Bekenntnis vorliegt, untersteht dieses natürlich der Kritik, wie jedes andere Bekenntnis auch, sei es nun ein religiöses oder nicht.

    Ich sehe das Problem aber schon. Kritik an den Schriften des Islam wird Rassismus unterstellt, Kritik am Feminismus Frauenfeindlichkeit, Kritik an der Bibel aber gilt dem postmodernen Bourgeois als progressiv.

  4. @ Peter

    Es versteht sich von selbst, dass die Kritik an einer Weltanschauung sich nur insofern auch auf die Anhänger der jeweiligen Weltanschauung beziehen kann, als diese Anhänger sich bewusst zu dieser Weltanschauung bekennen. Wer sich nicht aus Überzeugung bekennt, ist ja auch kein richtiger Anhänger.

    Eine Kritik am Marxismus kann sich folglich von vornherein nicht auf die vielen beziehen, die mit Che-Guevara-Ikonen rumlaufen und dabei doch nicht wissen, worum es genau geht, und daher, wie du richtig sagst, auch gar nicht in der Lage sind, sich wirklich zum Marxismus zu bekennen.

    Desgleichen eine Kritik am Islam, für die all jene, die nur ein unüberlegtes Lippenbekenntnis (“formale Religionszugehörigkeit”) ablegen und nicht genau wissen, worum es geht, oder die es doch wissen, aber für sich selbst die jeweils problematisierten bzw. kritisierten Stellen ablehnen, von vornherein irrelevant sind.

  5. @ Yoav

    Lieber Yoav,

    für Dich ist also “Jude” eine Volksbezeichnung, “Muslim” eine Ideologie. Dass beides schlichtweg eine Religionsbezeichnung ist (und sich sowohl Juden wie Muslime auch aus ganz unterschiedlichen Ethnien zusammen setzen) ist Dir zweitrangig, da machst Du noch die abenteuerlichsten Akrobatiken.

    Deine seltsamen Assoziationen von Muslimen und NS-Schergen sind nur noch widerliche Polemik. Die meisten NS-Leute hatten christliche Hintergründe bzw. waren konfessionslos (schon vergessen?) und in islamischen Ländern (wie der Türkei) fanden abertausende Juden Zuflucht, wie auch in den Jahrhunderten zuvor z.B. jüdische Flüchtlinge aus Spanien im Osmanischen Reich aufgenommen worden waren. Meine Frau ist übrigens auch Muslimin und ich empfinde Deine islamophoben Beiträge hier mehr und mehr als niederträchtig.

    Schon in mehreren Beiträgen hintereinander hast Du jetzt gegen Muslime, Palästinenser etc. Stimmung gemacht, jeweils von vermeintlich hoher, moralischer Warte aus. Damit demonstrierst Du hier schlichtweg eindrucksvoll, dass es Nationalismus und Intoleranz eben unter Menschen aller Volks- und Religionszugehörigkeit gibt. Ich finde Deine Islamophobie genauso bedauerlich, wie ich Antisemitismus bei Christen, Muslimen oder Konfessionslosen bedauere. Verachtung bleibt Verachtung, und schön ist sie nie.

  6. @ Michael

    Dass Religionen keine (sinngemäß religiösen) Weltanschauungen bilden, müsstest du noch beweisen. Und zwar nicht nur mir, sondern auch all jenen Landesregierungen, wo Religion in der Rubrik “weltanschaulicher Unterricht” angeboten wird.

    Desgleichen mit deinem Versuch, die Juden bzw. Israel von einem Volk (mit eigenem Kult, das ihm sinngemäß am Herzen liegt und dennoch genauso anfechtbar ist wie der Sozialismus oder der Islam) auf eine Religion zu reduzieren. Auch in diesem Punkt wirst du sehr große Schwierigkeiten haben, weil selbst die Gebete des israelischen Kultes, also die weitgehend religiösen Texte, stets und überall vom “Volk Israel” sprechen. Wie “übrigens” die Bibel auch, die mein Volk hervorgebracht hat (bis auf das umstrittene Lukas-Evangelium).

    Und ich darf dich noch darauf hinweisen, dass du dich mit dieser Behauptung – nicht mir gegenüber, aber in politischer Hinsicht – auf sehr dünnes Eis begibst, denn damit behauptest du genau das, was die Führung der islamischen Palästinenser seit ihrem Anfang in den frühen 1960er Jahren behauptet und bis heute noch in ihrer Nationalcharta geschrieben steht. Denn wenn Israel nur eine Religion wäre und kein Volk, dürfte es natürlich keinen Anspruch auf sein Land erheben, dorthin zurückkehren, dieses zurückerobern und einen Nationalstaat gründen. Nicht zufälligerweise weigern sich sämtliche Führer der islamischen Palästinenser bis zum heutigen Tage noch, den Staat “Israel” als jüdischen Nationalstaat anzuerkennen. Denn sie wissen, dass sie damit die Existenz dieses Staates nicht nur hinnehmen müssten, sondern nunmehr auch legitimieren würden.

    Ansonsten muss ich dir sagen, dass deine Argumentation folgendermaßen ausschaut:

    Ich: Es gibt Hunger auf der Welt und wir müssen über dieses Problem reden!
    Du: Wie kannst du nur so pauschalisieren? Siehst du nicht, wie satt die Menschen in Europa sind?

    Mit anderen Worten: Ich weise auf ein Problem im Islam hin, aber du versuchst, mit irrelevanten Argumenten, die zwar nicht unbedingt falsch sind, aber einfach nichts mit meinen Aussagen zu tun haben, die Diskussion vom eigentlichen Thema wegzubringen. Das nennt man in der Rhetorik die Verwirrungstaktik.

    Und was soll man davon halten, dass du jetzt sogar mit deiner Frau zu “argumentieren” versuchst?

    Darum: Entschuldigung, aber darauf lasse ich mich nicht ein.

  7. Ausgrenzung

    Yoav : “Im Rahmen des IPS hatten wir vor kurzem eine Veranstaltung, wo wir uns mit (negativer) Diskriminierung befasst haben, was an den Beispielen von Homosexuellen, Juden und Frauen konkretisiert wurde.”

    Haben diese Gruppen etwas gemeinsam ? War es Zufall, dass die genannten Gruppen als Beispiele aufgeführt wurden ?
    Offensichtlich gelten diese Gruppen als potentielle Opfer von negativer (!) Diskriminierung.

    Gibt es denn auch eine positive Diskriminierung ? Ja, die gibt es, zumindest wird sie so bezeichnet. Positiv ist eine Diskriminierung, wenn sie sich gegen den heterosexuellen, weissen Mann richtet, der auch sonst über keine Merkmale verfügt, die ihn als zu einer Opfergruppe zugehörig auszeichnet, wie beispielsweise ein körperliches Gebrechen, einer nicht der gesellschaftlichen Norm ( Norm als häufigstes Merkmal ) entsprechenden sexuellen Orientierung oder eben einer religiösen Minderheit zugehörig.

    Damit wäre auch die Frage beantwortet, was denn diese scheinbar so zusammenhangslosen Kategorien gemeinsam haben. In diesem Falle ist es eine negative Definition. Die genannten Gruppen, und es gäbe da noch viele andere, zeichnen sich durch das aus, was sie nicht sind.

    Mit dieser ziemlich einfältigen Kategorisierung, welche einzig der Ausgrenzung dient, wird für die genannten Gruppen eine latent vorhandene Bedrohung behauptet. Diese Bedrohung geht naheliegenderweise, so die Suggestion, von der Gruppe aus, die nicht als potentiell gefährdet gilt und und mit der Ausgrenzung notwendigerweise den Gegenpol bildet – die Gruppe der potentiellen Diskriminierer, der potentiellen Unterdrücker, kurzum : Kapitän Ahabs Jagd nach dem grossen, weissen Wal.

    Wer an meinen Ausführungen zweifelt, der sollte doch bitte zur Kenntnis nehmen, was unter dem Begriff ” positive Diskriminierung” verstanden wird und von wem dieser Diskriminierungs – und Ausgrenzungswille ausgeht und gegen wen er sich richtet.

    Es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass diese Ideologen der postmodernen Beliebigkeit nichts als ein Haufen verlogener Einfaltspinsel sind, moderat ausgedrückt.

  8. @ Peter

    Es ist heutzutage leider tatsächlich so, dass man als weißer Mann gerade in öffentlich-rechtlichen Einrichtungen oft relativ *schlechtere* Chancen auf eine Stelle hat als eine Frau oder ein Dunkelhäutiger, geschweige denn eine dunkelhäutige Frau…

  9. Volk – Religion

    Lieber Yoav,

    auch Christen bezeichnen sich als übernationales “Volk Gottes” und auch Muslime verstehen sich als “Umma”, als eigenständige Gemeinschaft. Dennoch bezweifelt kein ernsthafter Mensch, dass Christentum und Islam Religionen sind, ebenso, wie sich z.B. jüdische Gemeinden in Deutschland häufig als “Israelitische Religionsgemeinschaft” konstituieren und deren Mitglieder selbstverständlich dennoch Deutsche, US-Amerikaner etc. sein können. Oder willst Du ernsthaft bestreiten, dass Juden auch zum US-amerikanischen, französischen oder äthiopischen Volk gehören können (um nur wenige prominente Beispiele zu nennen)?

    Wenn Du hier in Stuttgart mal die Synagoge besuchst, kannst Du z.B. das Ehrenmal für die gefallenen, deutschen Juden des ersten Weltkriegs besichtigen, die sich zu Recht als deutsche Juden verstanden haben. Das NS-Regime hatte Unrecht, Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder Herkunft das Deutschsein abzusprechen und auszubürgern!

    Was Israel angeht: Zum israelischen Staatsvolk gehören inzwischen weit über 20% Nichtjuden, darunter v.a. Muslime, aber auch Christen, Drusen, Bahai und Konfessionslose. Nach Deiner “völkischen Definition” wären das alles Nichtisraelis und Du bist auf eine entsprechende Nachfrage meinerseits auch bereits ausgewichen.

    Gib doch einfach klare Antwort: Sollten aus Deiner Sicht Muslime oder Christen vollgültige, gleichberechtigte Bürger Israels sein? Und was ist mit einem Juden, der seinen Glauben wechselt und z.B. Muslim wird, fällt der dann aus Deiner eigenwilligen “Volksdefinition” hinaus?

    Ich bin gespannt, inwiefern sich Deine Antworten z.B. von griechischen, türkischen und zunehmend eben auch israelischen Nationalisten unterscheiden, die oft erstaunlich wenig von religiösen Geboten halten, aber die Religionszugehörigkeit zur Ausgrenzung von Minderheiten mißbrauchen. Vielleicht kannst Du verstehen, dass ich von diesen “Bewegungen” herzlich wenig halte, völlig egal, welche Fahne oder Religion sie benutzen oder gegen welche Minderheit sie gerade absurde Verschwörungstheorien verbreiten.

  10. @ Michael

    Du verwechselst (absichtlich?) Staatsangehörigkeit mit Volkszugehörigkeit, die sich (je nach objektiven und subjektiven Voraussetzungen) decken können, aber keineswegs müssen. Ich darf dir daher folgenden Beitrag empfehlen: http://www.chronologs.de/…vs.-volkszugeh-rigkeit

    Mir ist notabene kein einziger Nationalstaat bekannt (die USA sind übrigens keiner), in dem es keine Minderheiten gibt. In Deutschland gibt es neben vielen anderen Volksminderheiten die berühmten Serben, in Österreich leben Slowenen, Kroaten und Ungarn, in Rumänien gibt es Ungarn und Deutsche und selbst im heutigen Polen leben noch Deutsche, Kaschuben, Juden, Ukrainer, Weißrussen und andere Völker. Der jüdische Staat ist also keine Ausnahme.

    PS. In der Synagoge in Stuttgart war ich natürlich schon. Der Ausdruck “deutsche Juden”, wie “russische Juden” etc., muss aber kein Verzicht auf die jüdische Volkszugehörigkeit bedeuten. Vielmehr bezeichnet es in der Regel das Land, in dem man lebt. Um das auszudrücken, was du meinst, müsste man eher “jüdische Deutsche”, “jüdische Russen” etc. sagen. Auch diese Geistesströmung gab es im damaligen Deutschland, aber sie hatte, wie die Geschichte zeigt, keinen realen Bestand. Heute lebt dieses Phänomen vor allem in den USA fort, was vor allem deswegen nahe liegt, weil die USA kein Nationalstaat sind, sodass es dort nur eine riesengroße Staatsnation gibt und kein “amerikanisches” Volk, das bestimmte Menschen jüdischen Glaubens, aber nichtjüdischer Volkszugehörigkeit, als volkszugehörig akzeptieren müsste (wie es die Deutschen eben nie taten).

  11. @ Yoav: Wieder ausgewichen

    Lieber Yoav,

    wie Du richtig schreibst, gibt es weltweit religiöse, ethnische und kulturelle Minderheiten. Und es gibt ebenso weltweit üble Nationalisten, die diese Minderheiten aus dem jeweiligen Nationalstaat ausschließen wollen, um eine “völkische Reinheit” zu erreichen – von Griechenland über die Türkei, Deutschland und Indien, Russland, USA und inzwischen auch Israel. Von religiösen Geboten halten diese Nationalisten meist wenig, sie verwenden Religionszugehörigkeit nur als Ausgrenzungsmerkmal. Dagegen stellen die Erklärung der Menschenrechte und unser Grundgesetz klar, dass kein Mensch aufgrund seiner Religionszugehörigkeit oder ethnischen Herkunft diskriminiert werden soll – also z.B. auch Bahai, Juden, Muslime, Mormonen, Sorben, Roma etc. deutsche, US-amerikanische, französische etc. Staatsbürger und Angehörige des jeweiligen Volkes sein und werden können.

    Darf ich meine schlichten Fragen an Dich, denen Du wiederholt ausgewichen bist, wiederholen?

    Sollten aus Deiner Sicht auch Christen und Muslime als vollwertige und gleichberechtigte Bürger zum israelischen Staatsvolk gehören dürfen?

    Wenn ein Jude z.B. zum Islam konvertiert, verliert er dann seinen “Volksstatus” nach Deiner Definition? Und wenn ein Christ oder Muslim zum Judentum konvertiert, würdest Du ihn dann immer noch nicht als Volkszugehörigen anerkennen?

  12. @ Michael

    Deine Differenzierung zwischen Christen und Juden ist nicht 100%-ig tragfähig, denn es gibt in Israel auch Judenchristen, also Christen mit jüdischer Nationalität, sowohl von ihrem Selbstverständnis her als auch von der Angabe auf ihren Personalausweisen her.

    Aber wieso „ausgewichen“? In dem Beitrag, auf den ich dich hingewiesen habe, steht ganz ausdrücklich: „[…] wäre es für mich vollkommen inakzeptabel, wenn jenen Menschen, die zwar keine Juden, aber immerhin Bürger des jüdischen Nationalstaates sind, das Jüdischsein aufgezwungen würde.“

    Das bedeutet, dass es in Israel auch Staatsbürger mit fremder Volkszugehörigkeit geben kann, zu welcher Religion oder sonstiger Weltanschauung sie sich auch immer rechnen, seien sie nun Heidenchristen oder Muslime.

    Ich würde allerdings nicht vom israelischen „Staatsvolk“ sprechen, denn damit kann der Eindruck vermittelt werden, zu Israel würden etwa auch die islamisch-palästinensischen Staatsbürger zählen, die als Muslime zwar die israelische Mythologie rückwirkend usurpieren, sich aber auf Ismael zurückführen möchten und nicht auf Israel.

    Was Übertritte angeht, so ist es nach geltendem Recht so, dass ein Jude einen Anspruch auf Einbürgerung in seinen Nationalstaat hat, und zwar als solcher, d.h. ohne Rücksicht darauf, zu welcher jüdischen Konfession er sich bekennt bzw. ob er überhaupt gläubig/religiös ist, solange er sich zu keiner fremden Religion bekennt. Wer in diesem Zusammenhang als Jude gilt, wird – genauso wie im deutschen Rückkehrgesetz der BRD – von der Abstammung abgeleitet.

    Damit kommt die Vorstellung von der engen Beziehung zwischen Israel und seiner Gottheit zum Ausdruck, denn es ist auch atheistischen Juden wichtig, dass ihr Volk zu einem Sammelbecken fremder Kulturen würde. Dieses Prinzip funktioniert auch umgekehrt: Durch das Bekenntnis zur israelischen Gottheit und die Verpflichtung zum israelischen Kult kann man sich (nach jüdischen Verständnis, das du natürlich nicht akzeptieren musst) in das Volk Israel und daraufhin auch in dessen Nationalstaat aufnehmen lassen.

  13. Affirmative Action

    Ich finde es immer wieder faszinierend, wie unterschiedlich Ereignisse bewertet werden.

    “Es ist heutzutage leider tatsächlich so, dass man als weißer Mann gerade in öffentlich-rechtlichen Einrichtungen oft relativ *schlechtere* Chancen auf eine Stelle hat als eine Frau oder ein Dunkelhäutiger, geschweige denn eine dunkelhäutige Frau…”

    Ich glaube eher, dass die Kategorisierungen letztendlich Fronten schaffen wollen. Indem ich, als weisser Mann, ihre Kategorien übernehme, trete ich in den Krieg ein, d.h ich positioniere mich genau da, wo sie mich haben wollen, auf der anderen Seite der von ihnen geschaffenen Front.
    Ich bin nicht Pazifist. Meine Front ist eine andere. Meine Gegner sind diejenigen, die Menschen in einfältige Kategorien einteilen und nicht gewillt sind, das Individuum als solches wahrzunehmen.

    Wenn es denn tatsächlich so wäre, dass die schwarze Frau irgendwo aus Afrike in einer Stellenbewerung mir vorgezogen würde, obwohl es ihr aufgrund ihrer Fähigkeiten nicht zustünde, dann gilt meine Verachtung nicht ihr, sondern den staatlich alimentierten Aufwieglern, die ihren Einfluss wahren, indem sie Fronten schaffen, diesen Heuchlern, welche die Menschen nach Geschlecht und Rasse kategorisieren, und sich als die grossen Antirassisten darstellen.

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