Bio, konventionell und dann?

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

oder: Über die menschliche Neigung zu einfachen Lösungen

Volker Pispers sagte mal: Wenn man weiß, wer der Feind ist, dann hat der Tag Struktur. Ich glaube, er nutzte dabei den Feminismus als Beispiel, aber das tut jetzt nichts weiter zur Sache. Wenn ich Berichte in den Medien verfolge, gewinne ich immer wieder den Eindruck, dass wir Menschen gar keine richtigen – im Sinne von ausgereiften – Lösungen wollen. Wir erfahren etwas über einen Skandal und wollen direkt den Schuldigen ausmachen. Sollte irgendwie ein Konzern involviert sein, ist es natürlich eben dieser. Alles andere ist so gut wie ausgeschlossen. Schön ist auch das viel gelesene Argument, dass uns in Supermärkten bestimmte Produkte psychologisch so präsentiert werden, dass wir gar nicht anders können als diese zu kaufen. Und deshalb sind die Märkte schuld. Häh? Natürlich ist es so, dass mir im September schon die ersten Schoko-Weihnachtsmänner entgegengrinsen. Aber muss ich deshalb einen kaufen? Schießen die mich vielleicht über den Haufen, wenn ich sie ignoriere? Mag sein, dass es da Versuche gibt, die Kunden irgendwie psychologisch zu beeinflussen durch Anordnung oder Präsentation, aber am Ende entscheide immer noch ich, was ich kaufe und nicht der Supermarkt. Und wenn ich im September Gummibärchen will, dann kaufe ich Gummibärchen – das gilt übrigens auch für Dezember – und keinen Schoko-Nikolaus, auch wenn die Kerle nur einen Meter daneben stehen. Und wenn ich im April einen haben möchte, hab ich eben Pech gehabt…So, das musste mal raus.

Einfache Einteilung

Ein anderes Phänomen begegnet mir immer, wenn ich den Supermarkt meines Vertrauens betrete und direkt im Obst- und Gemüse-Bereich stehe. Auch hier findet sich eine sehr simple Einteilung. Da gibt es einmal das "normale" Obst und Gemüse aus konventionellem Anbau und dann gibt es jenes mit dem Bio-Siegel. Das ist doch eigentlich ein recht überschaubares und leicht verständliches Angebot, oder? Gut, vielleicht ist nicht jedem Kunden der Unterschied zwischen konventionellen Pflanzen und biologischen/ökologischen Pflanzen bekannt, aber im Grunde ist alles klar.

Folgen einer zu frühen Einteilung

Vor einigen Wochen bin ich dann auf dieses Cartoon auf dem englisch-sprachigen Blog Biofortified gestoßen, welches dieses recht simple Weltbild ziemlich heftig ins Wanken bringt: 

Zugegeben, es ist etwas überspitzt dargestellt, allerdings illustriert es wunderbar, welche Schwierigkeiten entstehen, wenn wir unsere Nahrung zu schnell in das eine bzw. das andere einteilen. Stellen wir uns mal vor, es ist der Tag gekommen, an dem gentechnisch verändertes Obst und Gemüse angeboten wird. Wie verläuft dann die Grenze? Wird die Nahrung aus konventioneller Produktion dann plötzlich besser?  Und was ist mit dem Öko-Gemüse?

Es ist ja nicht so, dass das Gemüse mit dem Bio-Siegel natur-gegeben ist. "Bio" bedeutet lediglich, dass dieses Gemüse – natürlich auch das Obst – unter den vom Menschen festgelegten Bedingungen für ökologische Landwirtschaft gewachsen ist. Und bei der Optimierung der Pflanzen – und auch der Tiere – war der Mensch durchaus einfallsreich. Eine dieser Methoden zur Optimierung der Pflanzen ist das sogenannte Radiation Breeding. Dabei hat man Felder um eine radio-aktiv strahlende Quelle angelegt, die Pflanzen wachsen lassen und hat dann untersucht, welche Eigenschaften die so gewachsenen Pflanzen hatten. Auf diese Weise ist zum Beispiel Getreide mit einem höheren Gluten-Gehalt entstanden, was für Nudeln nicht ganz unwichtig ist.So ziemlich den einzigen Artikel zu diesem Thema habe ich hier gefunden.

Warum erwähne ich das hier? Weil ich tatsächlich glaube, dass wir bald ähnlich doof aus der Wäsche schauen wie die Roboter im obigen Cartoon. Die Vorraussetzungen dafür sind perfekt. Schließlich wird kaum jemand abstreiten, dass er beim Kauf einer Bio-Tomate ein besseres Gefühl hat, verglichen mit dem Kauf einer konventionellen. Ein dritter Part würde da für völlige Konfusion sorgen.

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

6 Kommentare

  1. Mag sein, dass es da Versuche gibt, die Kunden irgendwie psychologisch zu beeinflussen durch Anordnung oder Präsentation, aber am Ende entscheide immer noch ich, was ich kaufe und nicht der Supermarkt.

    Und – nur weil die mir eine Packung Lebkuchen präsentieren und ich die kaufe, weil ich sie sehe und Lust drauf bekomme, bin ich weder ein willenloser Sklave noch das Geschäft das Böse ™.
    Sie nutzen einfach aus, dass Süßkram Belohnungszentren erregt – wahrscheinlich genauso wie bei ‘Bio’.

    Und danke für das Posten das Comics, der ist exzellent. Ich hatte den gesehen, wollte ich letztens irgendwo verwenden und hab ihn nicht mehr gefunden.

  2. Supermärkte machen es so, dass sie bewusst die teuren Produkte auf Augenhöhe in das Regal stellen und die billigeren nach ganz unten. Zweck dieser Sache soll sein, dass man die teuren Produkte kaufen soll, indem man keine Lust hat sich zu bücken, um die billigeren Produkte zu begutachten. Die Supermärkte sind da schon ganz raffiniert. Zudem werden Lebensmittel auch bewusst beleuchtet und in bestimmten Gängen Düfte versprüht. Es geht halt immer um Gewinnmaximierung!

  3. Supermärkte machen es so, dass sie bewusst die teuren Produkte auf Augenhöhe in das Regal stellen und die billigeren nach ganz unten.

    Ich persönlich finde das sehr angenehm. Das spart mir Zeit bei der Suche, weil ich meist ein paar Stufen tiefer in den Regalen nachschaue.

  4. Da hast Du wohl recht

    Grüß Dich Jörg,

    Willkommen auf meinem Blog – jetzt auch als Kommentator.

    Sie nutzen einfach aus, dass Süßkram Belohnungszentren erregt – wahrscheinlich genauso wie bei ‘Bio’.

    Da hast Du sicherlich recht. Danke für die Ergänzung.

  5. Lieber Dr. Glucose,

    natürlich geht es darum, den Gewinn zu maximieren. Daran sehe ich auch erstmal nichts Verwerfliches. Ich weigere mich aber zu glauben, dass ich als Kunde zu einer konsumierenden Marionette gemacht werde. Ich kaufe, was ich will und nichts anderes. Punkt.

    PS: Soll jetzt nicht trotzig sein^^
    Vielen Dank für den Kommentar.

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