iPS-Zellen – Paarung post mortem

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Nashörner – es war lange ruhig um sie in diesem Blog, was in nicht allzu geringem Maße an der plötzlichen Ausbreitung des landwirtschaftlichen Nutzgeflügels lag. Gut, vielleicht war die Stille auch der Tatsache geschuldet, dass die Zwischenmeldungen, welche mich regelmäßig erreichten, einfach nicht besonders erfreulich waren. So gibt es jetzt nur noch sieben nördliche Breitmaulnashörner. Eins der übrigen Tiere im Zoo Dvur Kralove ist verstorben. Und auch die Meldungen über neue Zahlen gewilderter Tiere in Südafrika wussten meine Laune zuverlässig zu verderben. Vor ein paar Tagen fand ich dann einen Artikel, der mich aus meiner Lethargie riss und nahezu elektrisierte. Damit Ihr nicht völlig ins kalte Wasser fallt, gibt es erstmal noch einen kleinen Rückblick.

Anfang diesen Jahres hatte es medial und auf den einzelnen Plattformen ziemlich begeisterte Nachrichten gegeben. Mating! Mating! Was wie ein Hilferuf klingt, heißt nichts anderes, als dass die nach Kenya gezogenen nördlichen Breitmaulnashörner nach langer Eingewöhnungszeit den Paarungsakt vollzogen haben. "The New Year starts with a bang" war natürlich eine ganz großartige Überschrift und hätte in dieser Form auch von mir stammen können. Dabei sollte nicht unerwähnt bleiben, dass gerade Sudan, dieser alte Sack, die Sache mit dem Bang äußerst ernst nahm und gleich mal das Angebot feuriger Südländerinnen ausgiebig durchtestete. Jetzt war das natürlich erstmal nicht so gewollt. Nördliche und südliche Tiere können sich durchaus untereinander fortpflanzen, jetzt sollte aber eigentlich ein "rein" nördlicher Nachwuchs entstehen. Tja, da bestand dann wohl eine gewisse Diskrepanz zwischen dem, was Wissenschaftler und Experten wollten und dem, was Sudan wollte. Ersteren ging es um die Zukunft des nördlichen Breitmaulnashorns, Letzterem um den Spaß mit jungen Frauen. Dumm gelaufen, aber hilft ja nix.

Jetzt war ja auch der Tierarzt des Budapester Zoos schon ziemlich genau vor einem Jahr nicht sonderlich optimistisch, was diese ganze Aktion anbelangte und auch ich hatte da schon meine Fühler ausgestreckt, um nach Möglichkeiten zu suchen, die eventuell noch ein bisschen Hoffnung erhalten könnten – selbst, wenn alle bekannten Stricke reißen. Tatsächlich wurde ich fündig und berichtete natürlich auch:

"Die Idee dazu hatten Inbar Friedrich Ben-Nun und Jeanne Loring vom Scripps Research Institute in La Jolla, Kalifornien in Zusammenarbeit mit dem San Diego Zoo, der die Zellen von 800 verschiedenen Tierarten zur Verfügung stellt. Den beiden Wissenschaftlern war es gelungen, aus den Hautzellen eines Mandrillen sogenannte iPS-Zellen herzustellen. Dabei verwendeten sie Viren, die so programmiert waren, dass sie vier menschliche Gene transportierten, die in der Lage waren aus "erwachsenen" Zellen wieder embryonale Stammzellen herzustellen. Das langfristige Ziel dieser Forschung soll dann die Herstellung der oben erwähnen Gameten sein. 

Natürlich geht es den Wissenschaftlern weniger um die Rückkehr der Dinosaurier oder kuscheliger Mammuts. Vielmehr steht der Erhalt gefährdeter Arten und deren genetische Vielfalt im Vordergrund, da sich in einer kleinen Population natürlich auch die Inzucht erhöht und damit die Gefahr besteht, dass sich genetische Krankheiten in der Population manifestieren. Aber auch das Breitmaulnashorn ist ein potentieller Kandidat. Allerdings funktioniert hier der Trick mit den menschlichen Genen nicht. Ob es mit den Nashorn-Versionen klappt, ist noch offen."

Wenn ich die aktuelle Meldung zu diesem Thema aus dem Nature Magazine richtig interpretiere, stehen die Zeichen der Umwandlung in iPS-Zellen positiv. Zuvor hatte man Fatu, einem der beiden Weibchen, ein paar Millionen Zellen abgeluchst und gespeichert. Das hat übrigens den Vorteil, dass man auch nach Fatus Ableben noch auf ihr Material zurückgreifen kann. Das klingt jetzt nicht romantisch, ist aber ungemein praktisch, sollten weitere Durchbrüche noch etwas auf sich warten lassen. Bereitete die Umwandlung der Körperzellen in iPS-Zellen mithilfe menschlicher Gene zuvor noch Probleme, hat das jetzt endlich funktioniert. Das finde ich schon ziemlich erfreulich, auch wenn gewisse Zweifel natürlich immer irgendwie angebracht sind. Bei vielen Wildtieren fehlt das genaue Wissen über deren Fortpflanzungsphysiologie. Hinzu kommt, dass auch die Menge an verfügbaren "Versuchstieren" nicht besonders groß ist. Zudem wurde zwar schon erforscht, wie man ein Nashorn künstlch befruchtet, aber Super-Ovuationen sind wiederum völliges Neuland. Aber eigentlich möchte ich an all die potentiellen Probleme jetzt erstmal nicht denken. Als ich vor ein paar Wochen einen Artikel über Pharmanimals veröffentlichte, erzählte Gehirn-Blogger Helmut Wicht in den Kommentaren, dass er momentan an einer Laudatio säße – und zwar für jenen Mann, der die ersten transgenen Mäuse entwickelt hat. Wenn Ihr jetzt fragt, was der denn nun mit den Nashörnern zu tun habe, kann ich Euch sagen, dass das einiges ist. Mittlerweile forscht er nämlich an induzierten pluripotenten Stammzellen, womit die Kurve geschafft wäre.

Wenn ich das Feld so überblicke, gibt es da noch einiges zu erforschen und zu entdecken. Und ich hoffe, dass Prof. Dr. Jänisch hier weiter am Ball bleibt. Bleiben Sie doch, oder? Die Nashörner und ich werden es Ihnen danken!


Hier geht es zum Nature-Artikel, der nochmal einen aktuelleren Überblick über die Forschung auf diesem Gebiet gibt. Und hier geht es zur Homepage, rund um die vier ausgewanderten nördlichen Breitmaulnashörner.

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Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

3 Kommentare

  1. In guter Hoffnung?!

    Das klingt ja vielversprechend für die Nashörner! Hoffentlich klappen dann auch die Super-Ovulationen und führen zu einer hohen und komplikationslosen Schwangerschaftsrate. Denn ein ovarielles Hyperstimulationssyndrom beispielsweise mag ich mir bei einem solch gefährdeten Tier irgendwie gar nicht gern vorstellen.

    Ich drücke jedenfalls alle Daumen und bin gespannt auf die nächsten Meldungen…

  2. Fischen im Trüben

    Hallo Trota von Berlin,

    das braucht natürlich erstmal einige fundierte Untersuchungen. Allein schon die Erforschung der künstlichen Befruchtung war ja ein totaler Akt. Das liest sich nur so locker flockig hier^^

    Ob das mit den Super-Ovulationen klappen kann und was da alles passieren kann, ist alles noch ziemlich unklar.

    Aber ich bleibe natürlich dran^^

  3. Pingback:Suni ist tot – einer der letzten seiner Art › Vom Hai gebissen › SciLogs - Wissenschaftsblogs

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