Kühe auf der Weide – (K)ein Mythos

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Sind Kühe auf der Wiese lediglich eine perfide Irreführung gut bezahlter PR-Agenturen gegenüber uns Menschen? Die Tage entdeckte ich auf Facebook mal wieder sehr merkwürdige Kommentare zur Haltung von Milchkühen. Die kämen ja heute gar nicht mehr raus, las ich erstaunt. Das sei heute wohl nicht mehr üblich. Doch, das ist es.

Es stimmt natürlich ebenso, dass Kühe manchmal im Stall sind. Dann sind sie es aber meist freiwillig. Wenn nicht, hat der Landwirt so seine Gründe, die sich Laien vielleicht nicht sofort erschließen. Ich habe mich mal umgehört.

Hochleistungskühe kommen mit kühleren Temperaturen weitaus besser klar als mit warmen. Das liegt schlicht an ihrer Physiologie. Ich las mal den schönen Vergleich, dass die hohe Milchleistung mit einem Marathonlauf vergleichbar sei. Das bedeutet, es entsteht viel Wärme, die auch abgegeben werden muss. Am Ende des Artikels habe ich einige Infos dazu gesammelt.

“Dann schmeiß ich die Kühe eben nachts raus, wenn es kühler ist.” Das war die pragmatische Antwort eines Landwirts auf meine Frage, ob die Tiere im Sommer dann ständig im Stall blieben. “Nur im Stall zu sein, geht ja auch nicht.” Da ist es natürlich dumm, dass nachts so wenig Menschen spazieren gehen. Glücklich schätzen können sich jene Kühe, die eine Wiese haben. Dabei kann es auch hier zu Problemen kommen. So berichtete mir eine Landwirtin, dass in ihrer Region witterungs-bedingt selten optimale Bedingungen für eine gelegentliche “Draußen-Haltung” herrschten. Im Frühjahr und Herbst sei es oft zu nass, während der Sommer heiß und trocken sei. Im Klartext: entweder stapfen die Kühe im Matsch rum oder sie bekommen einen Hitzschlag. Alles nicht erquicklich. Da bietet ein Stall deutlich konstantere Bedingungen für die Tiere – klimatisch wie auch bei der Nährstoff-Versorgung über Silage, schließlich wächst auf einer Wiese in voller Sonne nicht gerade viel, was sich zu fressen lohnt.

In diesem Zusammenhang darf ein Blick in den Bereich der ökologischen Landwirtschaft natürlich auch nicht fehlen. Ein Landwirt schrieb mir über Twiter, dass eine Weide nach EU-Verordnung nicht zwingend notwendig sei. Es reiche ein nicht überdachter Auslauf mit 4,5 qm je Kuh.

Bio-Verbände wie Bioland oder Demeter sind nach eigener Aussage noch etwas strenger. In einer Broschüre für Landwirte zum Auditing des eigenen Betriebs ist zu lesen:

Weidegang im Sommerhalbjahr ist obligatorisch. Nur in den wenigen Fällen, in denen keine beweidbaren Flächen zur Verfügung stehen, kann auch ein ganzjähriger, befestigter Auslauf akzeptiert werden. Ein Auslauf bzw. Laufhof ist zwar für Weidebetriebe nicht verpflichtend, sollte aber nach Möglichkeit auch hier für das Winterhalbjahr angeboten werden.

Interessant, das unterscheidet sich in dieser Form kaum von den Problemen und Lösungen in der konventionellen Landwirtschaft. Kühe sind eben Kühe und Scheißwetter bleibt Scheißwetter.

Stimmen die äußeren Bedingungen, setzt die freie Entscheidung für den Stall oder die Weide natürlich voraus, dass die Tiere sich in einem Freilaufstall auch frei bewegen können. Dieser erfreut sich zum Glück auch großer Verbreitung, der Anteil dieser Stallform beträgt in Deutschland um die 75%. (1)

Das Problem dabei: ein solcher neuer Stall kostet viel Geld, die Kredite laufen über viele Jahre. Das kann sich ein kleiner Betrieb mit wenigen Tieren nicht leisten. Die Folge ist ein Weiterbestehen der Anbindehaltung – übrigens auch in der ökologischen Landwirtschaft. (2)

Ihr seht, Milchkühe auf der Wiese sind keineswegs ein Relikt einer längst vergangenen Zeit – weder im konventionellen noch im ökologischen Bereich. Trotzdem gibt es vielfältige Gründe für Aufenthalte im Stall, obwohl eigentlich Freigang anstünde. Sie alle haben allerdings gemein, dass sie der Sicherstellung der bestmöglichen Lebensumstände für die Tiere dienen.

Vielleicht erinnert Ihr Euch daran, wenn Ihr mal an einem traumhaften Tag an einem Betrieb vorbeischlendert und dort keine Kühe auf der Weide seht…

Anmerkungen

  1. Ich weiß auch, dass einige Freilaufställe sich noch in der Genehmigungs-Phase befinden. Sowas zieht sich mitunter härter als alte Kaugummis.

  2. Hier können die Tiere auch raus. Selbst entscheiden kann die Kuh das aber nicht.

Physiologisches in der Kurz-Übersicht:

  • Ein hohes Produktionsniveau führt zu hoher Wärmeabgabe, was bei hohen Temperaturen und schlechter Lüftung zu einem Problem wird. Deshalb sind eine gute Ventilation und sogar Duschsysteme im Sommer ganz wichtig.

  • Temperaturen bis –20 Grad sind kein Problem.

  • Ab Temperaturen von 0 Grad steigt der Anteil aufgenommener Energie für die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur.

  • Der tierphysiologisch optimale Bererich liegt zwischen 4 und 16 Grad.

  • Bis 22 Grad verschlechtert sich die Futteraufnahme, es tritt aber noch keine Leistungs-Depression auf > darüber hinaus wird auch die Leistung beeinflusst.


Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

28 Kommentare

  1. Ich möchte kurz ergänzen, um zu verdeutlichen das jedes Tierhaltungssystem Vor- und Nachteile hat und es keine pauschale Lösung geben kann die für alle gilt.
    Daher hier nochmal in kompakter Form mögliche Vor- und Nachteile der Weidehaltung.

    Vorteile:
    • Nutzung nicht mähbarer Flächen und für
    die Mahd ungeeigneter Aufwüchse
    • Erhaltung einer dichten Grasnarbe;
    prädestiniert für Landschaftspflege
    • Geringste Qualitätsbeeinträchtigungen des Futters; hohe Leistung aus dem Grundfutter
    • Geringste Futterkosten, u. U. Arbeitserleichterung
    und Einsparung von Arbeitszeit
    • Artgerechte, meist auch gesündere
    Haltung
    • Sicheres Erkennen rindernder sowie
    kranker Tiere
    • Zeitweilige Stallräumung: u. U. Verzicht auf Stallraum
    • Reduzierung von Dungtransporten
    • Belebung des Landschaftsbildes

    Nachteile

    • Anhaltend zu nasse Flächen nur bedingt
    beweidbar
    • Hohe Ansprüche an des Management
    • Höhere Futterverluste (Weiderest) als
    Ernteverluste bei der Mahd
    • Bei ungünstiger Lage der Weiden
    Erhöhung des Aufwandes leichterung gegenüber effektiver Stallhaltung
    • Weidespezifische Erkrankungen; Stress
    infolge extremer Witterung
    • Höherer Aufwand für die Separierung von
    Einzeltieren
    • Vollweide von Milchkühen erfordert
    konzentrierte Herbstkalbung
    • Weniger Wirtschaftsdünger für den Acker
    • Ausbruchsrisiko

    (Aus DGfZ – Schriftenreihe. – Heft 8. – Wirtschaftliche Futtererzeugung vom Grünland)

  2. Hallo Lederstrumpf,

    vielen Dank für die Ergänzung. Über Grünland hatte ich ja auch schon mal geschrieben:

    https://scilogs.spektrum.de/…kein-ende-der-tierhaltung

    Ud ja, Du hast recht, dass jedes System seine Vor- und Nachteile hat. Wetter und Klima sind aber für alle gleich, unabhängig vom Siegel, weshalb sich auch die Lösungen nicht zu stark unterscheiden. Fand ich auch mal wichtig zu erwähnen 😉

  3. Kühe auf dem Wasserbett beimMozart-Hören

    Die bei den Städtern verbreitete Meinung(Zitat)“Die Kühe kommen ja heute gar nicht mehr raus” zeugt von ungenügender Meinungsbildung und damit ungenügender Medienarbeit der Landwirte und ihrer Vertreter in Politik und Lobbygruppen. Anregung: Ein paar Wochen einen TV-Spot aufschalten in dem man die Kühe auf Wasserbettmatrazen herumfläzen sieht und ihnen zusieht beim Genuss von selbstgewählter Musik, beispielsweise von Mozart, Beethoven oder Pink Floyd (wenn die Kuh das will und sie es selbst gewählt hat, warum dann nicht auch die Pink-Floyd-Kuh?).
    Oder ein virales Video dazu auf You-Tube.

    Das würde einschlagen und niemand mehr würde von den Kühen sprechen, die nicht rauskönnen, denn wer will denn bei diesem Angebot raus?

    Wenn die jungen Städter die Kühe heimlich beneiden würden, dann wäre der Umbruch geschafft.

  4. Landwirte wollen Ei und Omlett essen

    Die industriellen mittelständischen bäuerlichen…Betriebe wollen heute das Ei und das Omlett essen, d. H. zwei Dinge gleichzeitig tun, die eigentlich nicht gleichzeitig zu haben sind. Aber es gibt ja die EU-Bürokratie, die Unmögliches finanziell belohnt oder entschädigt…

    Sie wollen Hochleistungskühe, die sie nur noch in klimatisch austarierten Ställen halten können und sie wollen Landschaftspfleger sein, um noch mehr Transfermittel abzukassieren.

    Früher waren die Kühe von Mai bis Oktober auf der Weide und die restliche Zeit im Stall. Ich kann mich noch gut daran erinnern, welch’ freudige Unruhe unter den Kühen ausbrach, wenn die Stalltüren geöffnet wurden. Wenn das Wetter zu ungemütlich wurde, sind sie dann brav wieder in den Stall maschiert.

  5. Agrar-PR

    Hallo Herr Holzherr,

    angesichts dieses Szenarios, welches Sie in ihrem Kommentar konstruieren, sehe ich als Reaktion genau zwei Möglichkeiten: entweder das schlägt wie von Ihnen prophezeiht ein – oder das genaue Gegenteil passiert.

    Ich persönlich würde mir eine Veramerikanisierung der Agrar-Kommunikation wünschen. Dort gibt es viele PRler und Landwirte, die sehr offen und vor allem kompetent unter sich und gleichzeitig mit interessierten Laien kommunizieren, während man hier lieber in Schockstarre auf die Presse-Mitteilung des DBV wartet, die allerdings eher selten weiterhilft.

  6. Ach Geoman, wie toll das früher für die Tiere war, kann man sich heute noch bei Neben-Erwerbs-Betrieben anschauen. Enge dunkle Ställe, durch mangelnde Ventilation feuchte Stellen – da waren und sind Atemwegs-Infekte Alltag. Und was die Eignung der Weiden angeht, herrschten früher ebenso die gleichen Bedingungen wie heute – keine Grund in eine Romantisierung zu verfallen.

    Du schreibst:

    “Wenn das Wetter zu ungemütlich wurde, sind sie dann brav wieder in den Stall maschiert.”

    Genau. Exakt so ist das heute auch 😉

  7. Paradox

    Außer, dass die Betreiber der industriellen mittelständischen bäuerlichen…Landwirtschaft, in der Regel und aus guten Gründen nicht die Produkte essen, die sie selbst erzeugen, ist an der modernen Landwirtschaft wirklich nix romantisch.

    Auf die maßlose Verwendung von Antibiotica in der modernen Landwirtschaft gehe ich hier aus romantischen Gründen nicht weiter ein.

  8. Almwirtschaft

    Bei der Überschrift dachte ich es handle sich um einen Artikel über Almwirtschaft, da dieser Tage ja auch der Almabtrieb stattfindet, wo die Kühe, die den Sommer über auf der Weide stehen, wieder ins Tal und in den Stall gehen müssen. Leider wurde dieser Aspekt der Freilandhaltung nicht erwähnt. Dabei werden in Bayern, Österreich und der Schweiz immer noch zahlreiche Almen bewirtschaftet. Natürlich ist das Ganze sehr arbeitsintensiv und es lässt sich auch bei weitem nicht so viel Geld verdienen wie mit intensiver Massentierhaltung. Dabei sind die auf den Almen erzeugten Lebensmittel von allerhöchster Qualität. Viele Almbauern haben sich mit dem Tourismus ein zweites Standbein geschaffen, sonst gäbe es sie längst nicht mehr.
    http://www.youtube.com/watch?v=A44TvRqlqR0

  9. Manchmal

    ist man perplex wie sich Menschen ständig weigern Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, diese dann mit iherer bisherigen Meinung zu vergleichen und falls erforderlich diese zu berichtigen.
    @Geoman,
    sie sind ohne Zweifel so ein Fall.
    Aller bisherigen Artikel von Herrn Schewe zum Trotz schaffen sie es diese gekonnt zu ignorieren.
    Wie einfach ist doch die Welt wenn man erst einmal eine feste Meinung hat.

    @Sören,
    es ist bewundernswert, wie unaufgeregt und sachlich sie schreiben. Bei all dem Bashing was von Seiten der Ökologischen Landwirtschaft sowie deren Konsumenten kommt, wäre es für mich schwer noch Neutral zu bleiben.
    Haben sie übrigens den Artikel in WeltOnline von Hume gelesen?
    Was halten sie von seiner Strategie um die Naßhörner zu retten?
    Grüße Brutha

  10. Almwirtschaft

    Hallo Mona,

    natürlich habe ich die Almwirtschaft nicht vergessen, scroll mal etwas hoch, in meiner Antwort hier auf Lederstrumpf, habe ich meinen Artikel über Kunstfleisch verlinkt, indem ich mich genau dieser Form widme (die Bücher, die ich dazu besitze, kommen aus Österreich, also noch “almiger” geht es kaum mehr).

  11. Hallo Brutha,

    die Frage, wie ich denn so ruhig bleiben könne, ist einfach zu beantworten: ich ignoriere einfach alles, was zu dem Thema in den Medien auftaucht – es sei denn, ich werde drauf angesprochen, dann schau ich mir das natürlich gerne an 😉

    Dazu zählt übrigens auch das von Ihnen erwähnte Bashing. Unterhält man sich mit Landwirten, sind dort viele weitaus entspannter bei dem Thema als es manche Talkshow erwarten ließe. Beide Formen – öko wie auch konventionell – haben ihre Daseins-Berechtigung, aber eben auch ihre Vor- und Nachteile.

    Die Nashörner sind jetzt etwas off-topic, aber ehrlich gesagt geht mir dieses ganze Gemurkse, was uns ständig als bahnbrechend zur Rettung verkauft wird – langsam auf die Nerven. Die Abschusszahlen steigen weiter ungebremst. Erste Prognosen sprechen dieses Jahr schon von vier-stelligen Werten. Rettungs-Strategie am Arsch.

  12. @Sören Schewe

    “natürlich habe ich die Almwirtschaft nicht vergessen”

    Es hätte mich auch gewundert, wenn Du darüber nicht informiert wärst. In diesem Zeitungsartikel wird der “Almatlas” erwähnt, der noch mit ein paar aktuellen “Zahlen, Daten und Fakten” zur Almwirtschaft aufwartet. So werden beispielsweise in Graubünden 99,8% aller Rinder auf die Alm gebracht.
    http://www.meraner.eu/…ft–gestern-und-heute.637

  13. @Mona Wunderbar!

    Oh, die Zahlen kann ich gut gebrauchen. Danke Dir! Ich würde übrigens nie ernsthaft behaupten immer alles auf dem Schirm zu haben. Wenn Du was findest, kannst Du das jederzeit gerne irgendwo in den Kommentaren parken 😉

  14. Schleichställe

    Jetzt mal ganz unromantisch und nüchtern:

    Der Begriff ‘Freilaufstall’ verschleiert, dass die meisten Großställe beengte “Schleichställe” sind, in denen die Kühe auf verdreckten Beton-Spaltenböden oder Gummimatten dahinschleichen, um nicht auszurutschen.

    Derzeit haben in Deutschland noch ca. 40 % Milchkühe die Möglichkeit zum Weidegang, wobei Kühe in großen Beständen seltener auf die Weide als Tiere in kleineren Bestände gehen.

    Welche Agrarfabrik hat schon Weideland für 500 oder 1.000 und mehr Kühe in Betriebsnähe? Und wohin geht der Trend?!

    Resümee: Kühe sind eben Kühe’ also Weidetiere, auch wenn sie beim Weidegang unter Produktionsgesichtspunkten energieärmeres Futter aufnehmen, was die Milchleistung mindert.

  15. Die Kuh darf raus

    Ich kann das oben gesagte aus eigener Erfahrung durchaus bestätigen.
    Bei einem der Bauern, bei denen wir Urlaub machen, ist es üblich, dass die Kühe (praktisch) immer dürfen was sie wollen.
    Da ist es durchaus üblich, dass die Kühe unter Tags im Stall sind und erst Nachts hinaus gehen.
    Bei unserem anderen Bauern sind die (Milch-)Kühe praktisch täglich draußen, auch wenn sie den Aus-/Eingang nicht selber bestimmen können. (Die Jungkühe sind den Sommer die ganze Zeit auf der (Gemeinschafts-)Weide.

  16. @Geoman

    Du hast nie einen Stall gesehen, oder? Der Begriff Freilaufstall verschleiert überhaupt nix – außer bei Dir. Dass es sich dabei nicht um ein Olympia-Stadion mit 400 m-Bahn handelt, sollte klar sein. Und auf Gummimatten schleichen die Tiere auch nicht rum, die befinden sich nur um Liege-Bereich und sorgen mit Hilfe von Streu dafür, dass die Gelenke keinen Schaden nehmen. Die sogenannten Technopathien sind ein guter Ansatzpunkt bei Stall-Kontrollen, um zu sehen, ob die Liegeboxen oft genug gereinigt und neu ausgestreut wurden.

  17. @KeinAnfang

    Freut mich, dass Dir das auch schon so begegnet ist. So sieht es tatsächlich in vielen Betrieben aus 😉

  18. Mit Gummi planbefestigte Laufflächen

    Die Laufflächen(nicht die Liegeflächen, darüber habe ich gar nicht geschrieben) bestehen entweder aus Spaltenböden oder sie sind planbefestigt und werden schiebentmistet.

    Da Lahmheit und Klauenprobleme die größten Probleme in ‘Laufställen’ sind, werden zwischenzeitlich nicht nur Betonböden, sondern auch rutschsichere und klauenabriebfördende Planbefestigungen aus Gummikomponenten in die Ställe eingebaut.

    Das die Laufflächen aus Kostengründen oft sehr oder zu klein sind, versteht sich von selbst. Das nennt man bekanntlich moderne rationelle Landwirtschaft.

  19. @Geoman

    1) Hm, ok.

    2) Klauenprobleme lediglich auf den Stall zu reduzieren ist zu einfach. Dass es dafür ganze eigene Fachliteratur gibt, hat einen Grund…

    3) Achso, moderne Landwirtschaft, ich verstehe. Wie erklärst Du Dir dann das erlaubte Weiterbestehen alter Ställe mit Anbindehaltung, auch im Bio-Bereich? Schließlich geht es dabei gerade NICHT um “Industrie-Betriebe” mit ein paar hundert Tieren.

  20. Artgerechter Lauftstall

    Wir sollten jetzt nicht traditionelle Anbindehaltung mit 20 (und halbjährlichen Weidegang) gegen die moderne Laufstallhaltung mit 500 Kühen ohne Weidegang)ausspielen.

    Die halbwegs artgerechte Zukunft liegt ohne Frage in der Laufstallhaltung mit Weidegang, vernünftig gepolsterten Liege- und großen rutschsicheren, klauenfreundlichen Laufflächen ohne Beton-Spaltenböden.

    Wenn es in den Laufställen dann noch so sauber und geruhsam für die Kühe zu geht, wie bei der arbeits- und pfelgeintensiven Anbindehaltung, dann wäre schon viel erreicht. Fragt sich bis zu welcher Anzahl von Kühen in einem Laufstall dies noch gewährleistet werden kann?

  21. @Geoman

    Hallo Geoman,

    freut mich, dass wir da doch noch auf eine Linie kommen. Zu Deiner Frage: wichtig ist ja erstmal, wie groß ein Betrieb sein muss, damit ein Laufstall tatsächlich gebaut werden kann (bei 100 Tieren und Kosten um eine Million läuft ein Kredit schon mal 20 Jahre, wie bei einem Haus).

    Die durchschnittliche Betriebsgröße liegt in Deutschland immer noch bei 46 Tieren, was vermutlich an der sehr kleinteiligen Milch-Wirtschaft in Bayern liegt. Dort sind Anbindeställe immer noch zu 75% verbreitet.

    Ausgehend vom genannten Beispiel, sollte ein Betrieb also schon um die 100-200 Kühe haben, um Modernisierungen finanziell umsetzen zu können. Dazu gehören – weil Du das Beispiel der Sauberkeit erwähntest – auch Roboter, die ständig durch den Stall fahren und die Böden reinigen, damit sie nicht glitschig sind. Vielleicht kann ich mir die Teile sogar mal in Aktion anschauen.

    “Riesen-Betriebe” mit 500 oder sogar 1000 Kühen gibt es eigentlich nur im Osten, wo nach und nach die früheren LPGs renoviert werden.

  22. Riesenstallanlage tief im Westen

    Das freut mich auch, wenn wir auf einen Nenner kommen: Bin ja von Natur aus nicht rechthaberisch und durchaus lernbereit!

    Nur, bei Deiner Bemerkung, dass es Riesenbetriebe eigentlich nur im Osten geben soll, habe ich Zweifel. Da scheint mir die Betonung zwischenzeitlich auf “eigentlich” zu liegen:

    Was hälst Du z. B. von folgendem Riesenstall im Westmünterland, dessen (katastrophales) landschaftliches Umfeld ich aus eigener Anschauung kenne. Auch die gewaltigen Siloanlagen sprengen jede Dimension.

    http://www.brueninghoff.de/…ktbl_Hessling_DL.pdf

  23. @Geoman: Stall-Beurteilung

    Ich hatte in meinem letzten Kommentar ein paar Zahlen wiedergegeben, die ich einem der letzten Situations-Berichte zur Landwirtschaft entnommen habe. Die Tendenz ist klar steigend, denke auch, dass ein 100-Tier-Betrieb bald Normalität wird bzw. dann auch statistisch zu den “Kleinen” gehört.

    Zu dem Stall-Projekt: zu dem Umfeld kann ich nichts sagen, das sehe ich nicht. Der Stall an sich entspricht dem, was heute modern ist. Hohe Decken und viele offene Bereiche gewährleisten einen guten Luftaustausch und gleichzeitig Schutz vor direkter Sonneneinstrahlung oder auch anderen Unannehmlichkeiten des Wetters.

    Die Größe an sich finde ich nicht problematisch – natürlich ein gutes Management vorausgesetzt. Um das genauer beurteilen zu können, muss ich dann aber tatsächlich einen Betrieb besuchen, ein paar nette Fotos helfen da nicht.

  24. Groß-, Kleindiskussion

    ist schon merkwürdig, dass es in vielen Kommentaren immer auf die Groß-, Kleindiskussion hinausläuft, mit “Klein” = wenig Geld für Investitionen (auch für mehr Tierschutz) und “groß” = Profitgier, tierquälerisch, Umwelt schädlich.

    WAS SOLL DAS?

    Für alle unternehmerisch denkende Betriebsinhaber – in allen Branchen – gilt das “Gesetz vom abnehmenden Ertragszuwachs” oder der bestmöglichen Verzinzung von Produktionsfaktoren, auch in der Bio- und konventionellen Landwirtschaft. Dass Großbetriebe daher oft auch ökologischer wirtschaften hat unter dem Begriff “Ecology of Scale” Eingang in die Betriebswirtschaft gefunden. Und: Tierschutz gilt in Europa immer noch Einzeltier bezogen und hat mit der Betriebsgröße herzlich wenig zu tun.

  25. Einzeltiere und Tierschutz

    Hallo Klaus,

    ich plane dazu noch einen eigenen Artikel – also zu Betriebsgrößen und Tierschutz. Ich vertrete mittlerweile auch die These, dass ein geringerer Fleischkonsum keineswegs zu kleineren Betrieben führt.

    Bezüglich Tierschutz, der sich am Einzeltier orientiert, stimme ich Dir grundsätzlich zu, bekomme aber gerade beim Geflügel so meine Probleme. Bei den Tierzahlen jedes Einzeltier im Blick zu haben ist utopisch…

  26. @Sören: “Bei den Tierzahlen jedes Einzeltier im Blick zu haben ist utopisch…” Doch, das funktioniert. Ich habe eine landwirtschaftliche Lehre gemacht und man entwickelt sehr schnell ein “Gespür” für die Tiere, wenn man morgens und abends nach der Fütterung einen Stallrundgang macht. Du erkennst selbst in einem 5.000er Stall schnell, ob alles i.O. ist, ob sich Tiere untypisch verhalten. Der Leiter vom Versuchsgut Ruthe der TiHo Hannover hat das ‘mal so beschrieben: “An der Vokalisation einer Hähnchenherde spürt man sehr schnell, ob es den Tieren gut geht oder nicht”. Das kann ich nur bestätigen.

    • Ich kann Klaus da nur zustimmen. Ich habe auch in meiner landwirtschaftlichen Lehre ein Jahre auf einem Betrieb mit Putenmast verbracht. Auch in größeren Ställen mit mehrern tausend Tieren lernt man die Tiere kennen. Da reicht es natürlich nicht nur einmal die Stalltür aufzumachen, aber wenn man auf den mehrmals täglichen Kontrollgängen unterwegs ist, entwickelt man ein Bilck auch für das Einzeltier. Die Auffälligen springen einem dann sofort ins Auge. Das erfordert etwas Übung, die bekommt man aber sehr schnell durch die Intensität der Betreuung.
      Das ist einem Außenstehenden, der nur mal einen Blick in den Stall wirft, nicht sofort klar. Es ist vielleicht ähnlich wie bei einer guten Buchhalterin, die blind sagen kann in welchen Aktenordner welche Rechung zu finden ist und welche Rechung vor und hinter einer speziellen Rechnung abgelegt sind. Da staunt der Laie auch.

      • Ok , ich habe das mit dem Einzeltier weiter oben wohl etwas zu genau genommen, Ihr habt natürlich recht mit Eurem Einwand, dass das durchaus möglich ist. Habe das ja selbst schon erlebt…Danke für Eure Kommentare

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