Landwirtschaft aus Eurer Sicht – ein Experiment

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Da es hier zuletzt verstärkt um das Für und Wider der Institution Zoo ging, möchte ich jetzt mal wieder die Kurve zur Landwirtschaft bekommen – und zwar mit einer Idee, die der gute Sebastian schon vor einiger Zeit zum Thema Evolution hatte. Dann wurde ich auch in den Kommentaren zu meinem Artikel über die Petition gegen Massentierhaltung darauf angesprochen (aber nicht schummeln und in den dortigen Kommentaren schauen…) Also werde ich das jetzt mal probieren. Diese Idee funktioniert so: hier schreibe nicht ich, sondern Ihr! Mich interessiert einfach, was Ihr über Landwirtschaft denkt, was sie in Euren Augen leisten muss, wie sie Eurer Meinung nach sein sollte…Lasst Euren Gedanken da einfach freien Lauf. Mich persönlich interessiert natürlich besonders die Tierhaltung, da ich aber einige fach-kundige Kommentatoren habe, könnt Ihr Euch auch gerne über Pflanzen oder Agrartechniken auslassen.

Vermutlich werde ich mich da weitgehend raushalten. In einem späteren Artikel ziehe ich dann ein Fazit.

Here we go.

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

33 Kommentare

  1. Irgendwie wundere ich mich darüber, wie gut man über Legehennen und Milchvieh bescheid weiß, wie wenig aber über Mastgeflügel und -schweine.

  2. Nachfrage

    Hallo Earli,

    eigentlich wollte ich mich ja hier raushalten, aber das finde ich jetzt spannend: was veranlasst Dich denn dazu zu denken, dass wir über Mastgeflügel und Schweine weniger wüssten?

  3. modern?

    Hallo.
    Ich bin kein Fachmann/frau, aber ich finde es schade, dass immer weniger Getreide/ Agrarprodukte zum eigentlichen menschlichen Verzehr angebaut werden. Ich fände mehr kleinere Wirtschaften, die saisonal und regionaltypisch anbauten, irgendwie zeitgemäßer. Es ist ja nun hoffentlich allen bekannt, dass “Masse” nicht die optimale Grundlage gesunder Ernährung ist. Also gibt es einen Weg zurück aus den Riesenbetrieben hin zu kleineren, mittleren Höfen, wo man (dann natürlich etwas teurer als discount) bewusster kaufen kann? Für die breite Masse?
    Das fände ich persönlich klasse.

    LG Anke

  4. Nochmal nachgefragt

    Hallo Anke,

    vielen Dank für Deinen Kommentar, aber irgendwie kann ich die Finger nicht still halten wie geplant…

    Du schreibst:
    “(….), dass immer weniger Getreide/ Agrarprodukte zum eigentlichen menschlichen Verzehr angebaut werden.”

    Hm, dachtest Du da an Biosprit oder wie meinst Du das?

    Was meinst Du mit einem kleinen oder mittleren Hof?

    Antworten gebe ich jetzt bewusst noch nicht^^

  5. Hallo Sören,
    Ja ich dachte an Biosprit und Mastfutter (Mais und sowas) für Massentierhaltung.

    Mit kleineren/ mittleren Höfen meine ich sowas wie zugängliche Bauernhöfe, die einen Hofladen haben. Hier soll natürlich mit modernem Gerät gearbeitet werden, aber Mähdrescher mit Flutlichtanlagen finde ich zu befremdlich.
    Kleine /mittlere Höfe, die von Familien betrieben werden, auch Angestellte haben, aber eben keine Großbetriebe mit einseitiger Wirtschaft sind. Wo fast autark das Futter für die Schweine, Rinder und Hühner noch selbst angebaut wird und sowas. Ich habe da vielleicht romantische Vorstellungen, aber das ist meine persönliche Vorstellung.

  6. Da fallen mir zwei Sachen zu ein:

    1. Großbetriebe
    In Deutschland gibt es kaum Großbetriebe. Der Durchschnittliche Milchbauer hat 43 Kühe. Die Großbetriebe, die es in Deutschland gibt, sind das Erbe der DDR-Planwirtschaft.

    http://www.destatis.de/…plateId=renderPrint.psml

    2. Futtermais
    Futtermais kann nicht mit Getreide verwechselt werden. Wenn Mais gefüttert wird, dann ist damit gemeint, dass die ganze Maispflanze – ein Süßgras – im grünen Zustand gehäckselt und verfüttert wird. Es ist also sowas wie 2 Meter hoch wachsendes Gras.
    Getreidemais muss hingegen so lange reifen, dass die Pflanze nur noch als Stroh zu gebrauchen ist. Nur die Körner fallen dann als Nahrung ab. Der Rest taugt gerade mal als Streugut für Ställe.

    Es ist also überhaupt nicht vergleichbar. Wenn man die ganze Maispflanze zählt, dann fallen viele Tonnen pro Hektar Land ab. Wenn man die Körner zählt, ist es Größenordnungen weniger.

  7. Jetzt fällt mir doch noch mehr ein:

    3. Hofläden sind eine ökologische Katastrophe (weil viele Autos zum Einkaufen weit fahren müssen).

    4. Statistik über die Angestelltenverhältnisse auf deutschen Bauernhöfen:

    http://bauernblog.de/zahlen-zahlen-zahlen%E2%80%A6

    Ich weiß also nicht, welcher deiner Wünsche nicht längst erfüllt ist. Das gilt natürlich alles nur für Deutschland, dass es in den USA völlig anders aussieht, ist bekannt.

  8. Noch eine Frage offen

    Hallo Earli,

    ist ja ganz reizend, dass Du schon Infos lieferst und erklärst und darüberhinaus das Blog verlinkst, für das ich auch schon Artikel geschrieben habe…

    Nur meine Frage von heute Mittag hast Du noch nicht beantwortet^^

  9. Oh, Sören, das tut mir Leid. Ich wusste nichts weiter dazu zu sagen, das ist mein subjektiver Eindruck, was man halt so mitbekommt. Ich habe das Gefühl, über Schweine- und Geflügelmast (insb. Puten) wenig zu erfahren und bei Recherchen auch viel weniger zu finden, als bei Eiern und Milch.

  10. Geht doch!

    Na das ist doch mal eine klare Ansage. Damit kann ich was anfangen. Wenn ich später ein Fazit schreibe, soll das ja möglichst präzise sein.
    Ich hatte ja zuerst die leise Befürchtung, dass das eine Anspielung war, versuche ich doch schon länger einen Artikel über Puten zu schreiben…

  11. Noch was intessantes zu meiner These, dass Großbetriebe ein Erbe der DDR-Planwirtschaft ist:

    In allen alten Bundesländern sind Öko-Betriebe überdurchschnittlich groß, in allen neuen Ländern kleiner als konventionelle.

    http://www.destatis.de/…plateId=renderPrint.psml

  12. Nettes Thema. ^^

    Tja, wie soll sie sein, was soll sie können? Wie bei jedem Unternehmer sollte sie den Besitzer des Hofes samt der Angestellten ernähren können. Andererseits sollen die Produkte auch für die Bevölkerung noch erschwinglich sein. Gleichzeitig aber auch halbwegs haltbar – wenn ich (inzwischen nur noch selten) mal Biokram kaufe, gammelt der mir ratz-fatz unter den Händen weg oder ist oft sogar schon beim direkten Aufschneiden innen “bäh!”… Ist mir auf die Dauer zu teuer.
    Landwirtschaft soll wie jede Industrie die Umwelt geringstmöglich belasten. Gleichzeitig aber auch “sicher” für den Verbraucher sein. (Mutterkorn im Getreide und letztendlich im Brot kommt wohl auch beim größten Bio-Fan nicht gut an. ^^)

    Ich denke: Mit jeder weiteren Anforderung wird die Zahl der Elemente in der Schnittmenge geringer. Letzten Endes läuft es wohl immer auf irgendein “geringeres Übel” raus. Je nach Priorität des jeweils Betroffenen.

  13. @Earli: Deine Meinung

    Aber auch “im Westen” werden Betriebe größer, da nicht jeder Betrieb einen Nachfolger findet und daher einige zusammengelegt werden.

    Um mal die Kurve zur Intention des Artikels zu bekommen:
    Was hälst von großen oder kleinen Betrieben? Hast Du bei größeren ein Unbehagen oder fällt das für Dich nicht so ins Gewicht?

  14. Du willst Meinungen, keine Fakten? Also assoziere ich mal frei: Landwirtschaft soll Essen bereitstellen. Das ist wohl vor allem seit “unseren” Erfahrungen in und nach Kriegen mitsamt Hungersnöten ihre primäre Aufgabe. Ihre Multifunktionalität wird kaum gesehen, gabs dabei aber geschichtlich wohl immer (was ist Futtermittel für Zugtiere anderes als Energiebereitstellung?), andererseits wie gesagt: Primär ist Nahrung.

    Dann – da wird’s spannend – ist Landwirtschaft am Fadenkreuz anderer gesellschaftlicher Erwartungen: Landwirtschaft hat viel mit regionaler Identität zu tun, weil: historisch wichtig. Und: Landschaftspflege. Dazu ist Landwirtschaft der Ort schlechthin der Mensch-Nutztier-Begegnung.

    Summa summarum: Landwirtschaft ist im Fadenkreuz zig moralisch und emotional aufgeladener Aspekte. Daher wird’s schnell emotional, wenn’s um sie geht.

    [Ich hab mal ein Paper darüber geschrieben, warum Landwirtschaft relativ realitätsfern als “Idylle” verkauft wird. Das hab ich dir aber mal geschickt, glaub ich, oder?]

  15. Für mich ist das nicht so wichtig, wie groß jetzt ein Betrieb ist, aber amerikanische Verhältnisse würde ich nicht mögen.

    Die Bauern sollten ihre Tiere noch “persönlich” kennen – das ist bei Masthähnchen natürlich schwierig – aber bei Milchkühen noch üblich.

    Um ein Zusammenlegen kommt man natürlich nicht herum, und unter ein paar Bedingungen finde ich es unproblematisch:

    1. Nicht zu große Herden
    Je nach Tierart sollte beachtet werden, wie viele Tiere zusammen gehalten werden können. Mir ist es egal, ob ein Betrieb 1000 oder 5000 Hühner hat. Aber dann vielleicht nicht 5000 in einem Stall, sondern in getrennten Gruppen.

    2. Nur so groß, dass der Bauer noch selbst der Bauer ist
    Wenn zwei oder drei Familienbetriebe heutzutage zusammengelegt werden, und dann eine Firma gegründet wird, ändert sich ja nicht viel für die Tiere, wenn diese drei Bauern weiter alles selbst machen, vielleicht mit ein oder zwei Lehrlingen/Angestellten.

    Kritisch finde ich es, wenn die Betriebe so groß werden, dass es einen Eigentümer gibt, der die Tiere nicht mehr kennt, und viele lose Angestellte, die sich nicht verantwortlich fühlen. Dann leidet auch schnell der Umgang mit den Tieren.

    Bei Pflanzen bin ich weniger kritisch, da muss man nur aufpassen, dass die Felder mit einer Frucht nicht so groß werden, dass die Krankheiten und der Pflanzenschutzmittelbedarf ausarten.

    Wichtig finde ich auch, dass Tierzüchter ihre Futter in der Masse selbst anbauen, allein um den Mist wieder als Düngemittel zu verteilen. Zukaufen von Getreide (oder zum Beispiel der abfallenden Getreidehülsen aus der Mühle) als Ergänzung ist okay, aber die Masse sollte aus der Nähe kommen.
    In den USA ist das so ausgeartet, dass der eine Bundesstaat nur Mais anbaut, der dann hunderte Kilometer transportiert wird, und im nächsten Bundesstaat die Hühner gefüttert werden. Im Maisstaat wird dann massiv Kunstdünger und Planzenschutz gebraucht, im Hühnerstaat weiß man nicht, wohin der Mist soll.

  16. Komplexität

    Hallo Dyrnberg,

    das ist genau der Punkt, wenn Du schreibst:

    “Landwirtschaft ist im Fadenkreuz zig moralisch und emotional aufgeladener Aspekte. Daher wird’s schnell emotional, wenn’s um sie geht.”

    Man kann Landwirtschaft – im Grunde lässt sich praktisch gar nichts einzeln betrachten – nicht als eine Art Hort betrachten, welcher losgelöst vom Rest der Umwelt agiert. Das macht Landwirtschaft ganz praktisch so komplex, aber auch die Debatten dazu.

    Und nein, das Paper habe ich nicht bekommen^^

  17. Earli hat die Kurve bekommen. Super Kommentar (die anderen waren natürlich auch super^^)! Darfst gerne weiter Fakten sammeln und mir diese dann später unter mein Fazit knallen bis es qualmt^^

  18. Manna, Hostie, Prestige-Nahrung

    Mich interessiert einfach, was Ihr über Landwirtschaft denkt, was sie in Euren Augen leisten muss, wie sie Eurer Meinung nach sein sollte…

    Es kann nicht DIE Landwirtschaft geben, weil die Bedürfnisse ganz unterschiedlich sind, denn Nahrung bedeutet vieles, wie etwa: Überleben, Geniessen, Privilegiert-Sein (wenn man sich von Dingen ernährt von denen andere nur träumen wie Kaviar,Wachteln etc.).

    Mich interessiert vor allem die Nahrung für die Vielen, weil es hier um das Überleben geht und immer noch die meisten Nicht-Deutschen, Nicht-Europäer, Nicht-Westler schlicht um das Überleben kämpfen.

    Nahrung für die Vielen heisst schon in der Bibel Manna: Ein Grundnahrungsmittel, das nährt, wo man auch ist, sei es in der Wüste oder wo auch immer (z.B. im Weltraum). Reis und ein paar andere Grundnahrungsmittel sind heute das Manna. In Zukunft werden Algen, in Nährlösungen gezüchtete Pilze und auch Insekten zu den klassischen Grundnahrungsmitteln Reis, Getreide, Mais, Kartoffeln, Maniokwurzeln, etc. dazukommen.

    Auch für Fleisch – das war ja die Hauptfrage – wird es verschiedene Lösungen geben – so wie heute schon. Fleisch für die Verwöhnten, die es sich leisten könnnen, misst sich schon immer an der Diät unserer allerersten genetisch identischen Vorfahren, den Jägern, Fischern (und Sammlern). Dazu gehören Wild, edle Nutzfische, Vögel und andere schwer erbeutbare Wildtiere. Die Agrarwirtschaft hat ja die Nahrungsdiversität für den Einzelnen überhaupt nicht verbessert, sie hat nur eine verlässliche Ernährung zu vertretbarem Aufwand von viel mehr Menschen ermöglicht als das beim (gefährlichen) Leben als Jäger möglich war.

    Diagnose: Heute gibt es das Fleisch und den Fisch für die Reichen: ((Kobe-) Rind, Kalbsfleisch, Sushi. Es gibt aber auch das Billigfleisch für die Massen: Geflügel (Puten, die heute so schnell an Gewicht zulegen, dass sie kaum auf eigenen Füssen stehen können). In Zukunft wird es eine weitere noch billigere Fleischvariante geben, z.B in Form von leckeren Insekten oder von fleischähnlichen Produkten pflanzlichen Ursprungs.

    Auch die Deutschen werden sich in Zukunft unterschiedlich ernähren, gerade was das Fleisch angeht. Vom zertifiziereten Biofleisch bis zum Billigprodukt und gar dem überzeugenden Fleischersatz wird es alles geben. Wer etwas auf sich hält und genügend Knete hat, wird sich zu Bio (und damit auch zu Biofleisch) bekennen, Eingewanderte werden die Nahrung der Bessergestellten aus ihrer Heimat als Ziel anvisieren und gewisse Hartz-IV-Empfänger werden sich vielleicht mit gerösteten Insekten zufriedengeben, damit ihnen genug Geld für Bier, Schnaps und anderen Fusel bleibt.

  19. Vom Winde verweht

    Über Tierhaltung habe ich ja schon in dem von Sören Schewe verlinkten Artikel geschrieben. Was den Tieren schadet ist natürlich auch dem Rest des Systems abträglich.

    Die ideale Landwirtschaft sollte daher nachhaltig sein. Sie muss den örtlichen Gegebenheiten angepasst sein und darf die Natur nicht zerstören. Nährstoffkreisläufe, Stickstoff bindende Pflanzen und das Wechselspiel von Schädlingen und Nützlingen sowie Ruhepausen für den Boden spielen dabei eine zentrale Rolle.

    Monokulturen auf riesigen Feldern sind ungünstig und können nicht nur für Umwelt zum Problem werden, sondern auch schon mal für die Autofahrer, wie man vor kurzem auf der A 19 geschehen hat. Dort trieb der Wind den “Sand” von den trockenen Feldern auf die Autobahn und es kam zu einer Massenkarambolage mit mehreren Toten. Bei der Suche nach der Ursache hat man jetzt auch die Bauern im Visier. Der Berliner Kurier schrieb: „Durch die jahrelange Vernachlässigung der Bodenstruktur haben die Böden immer weniger Humusgehalt, sie degradieren“, sagt Agrarexperte Burkhard Roloff vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Der Boden verliert an Substanz, ist sehr trocken. Wind braucht dann nicht einmal Orkanstärke, um Böen in Sandstürme zu verwandeln.
    Die Landwirte zeigen sich empört über die Unterstellung: „Das ist totaler Unsinn. In den vergangenen sechs Wochen hat eine enorme Trockenheit geherrscht, da kann kein Landwirt was dafür“, so Rainer Tietböhl, Präsident des Bauernverbands. Kurz nach dem Unfall kamen einige Bauern zur Unfallstelle, um die trockenen Felder mit Gülle zu bespritzen.”

    http://www.berlinonline.de/…ror-crash/339803.php

  20. Keine Schaeden?

    Es ist meines Erachtens schwer zu definieren, was “die Natur nicht zerstören” bedeutet. Geht man heute zum Beispiel in den Naturpark Lueneburger Heide, so findet man eine Kulturlandschaft vor. Die Heidelandschaft ist durch Jahrhunderte lange Viehhaltung geprägt. Die natürliche Vegetation wären hier Wälder. Ist die Heide also zerstört?

    Ich glaube, dass eine Landwirtschaft ohne Veränderung der Natur nicht möglich ist. Landwirtschaft, auch Tierhaltung, ist immer eine Veränderung, wenn man so will Zerstörung der Natur.

    Vielleicht sind Monokulturen tatsächlich ein Weg in die falsche Richtung, weil hier der mittelfristige Profit und nicht die langfristige Nutzbarkeit im Vordergrund steht. Aber eine natürliche Landwirtschaft, die nichts verändert, halte ich für illusorisch. Das würde die Rückkehr zur Jäger-und-Sammler-Kultur bedeuten.

  21. Hallo Joachim und Mona,

    vielen Dank für Eure Kommentar, damit kann ich was anfangen!

    Und natürlich auch ein Dankeschön an Martin Holzherr für den Ausblick in die Zukunft!

  22. Keine schwarz-weiß Malerei

    Interessant finde ich, ich habe es aber auch nicht anders erwartet, dass hier in der Hauptsache Betriebsformen präferiert werden, in denen “der Bauer noch alles selber macht” und der Eigentümer jedes Tier kennt.
    Da wird viel verlangt von so einem Bauern! Die Auflagen und die Anforderungen werden nicht geringer. Der Landwirt muss sich dann mit den Pflanzenarten und -sorten auskennen, bei Pflanzenschutz und den Düngemitteln auf dem neusten Stand sein, das Futtermittelrecht beherrschen, Tierkennzeichungsverordnung kennen, über die neusten Entwicklungen in der Tierzucht informiert sein und auch noch die Fortentwicklung in der Landtechnik verfolgen. Und in allen Bereichen gibt es jährlich unzählige Neuerungen und Weiterentwicklungen.
    Ich muss zugeben, dass ich die 1.000 Mutterschafe in meinem Betrieb nicht alle persönlich kenne. Aber geht es ihnen deswegen schlechter? Ich denke nicht, denn drei Schäfer kümmern sich um die Schafe, wenn es sein muss Rund um die Uhr und das ganze Jahr. Die kennen alle Schafe. Dafür brauchen sie sich auch nicht um die Düngung des Grünlandes oder die Heuwerbung kümmern und ihre Technik auch nicht selber reparieren.
    Der Pflanzenbau wird von zwei Agraringenieuren geleitet, darüber hinaus gibt es noch zwei verschiede unabhängige Berater für den Pflanzenbau. Das kann sich kein kleiner Betriebe leisten. Und da ich nicht selber auf dem Schlepper sitzen muss, um zu Spritzen oder die Aussaat vorzunehmen, habe ich mehr Zeit die Bestände zu kontrollieren und über die notwendigen Maßnahmen zu entscheiden. Für die gezielte Dünung liegen für alle Schläge GPS-gestützte Bodenuntersuchungen vor, aus denen Streukarten für die Düngerstreuer errechnet wurden, so dass bei der Düngung sehr kleinräumig nur das gestreut werden muss, was der Boden und die Pflanzen benötigen. Auch die Stickstoffdüngung erfolgt mit Sensortechnik, die sich direkt am Stickstoffbedarf der Pflanzen orientiert und nur so viel Sticckstoff gestreut wird, wie die Pflanzen brauchen. Das kann auch auf einem kleinen Feldstück sehr unterschiedlich sein. All das richtig anzuwenden erfordert Spezialisten. Und ich habe größten Respekt vor einem selbständigen Landwirt, der das alles beherrscht.
    Aber so einfach, wie es manche nach dem Motto verfahren: small is beautiful, ist es in der vielfältigen Landwirtschaft nicht.
    Und fast hätte ich es vergessen, in einem größeren Betrieb mit Lohnarbeitsverfassung, gibt es geregelte Urlaubszeiten. Meine Kollegen haben je anch Alter 24 – 31 Tage Jahres Urlaub. Auch das ist in einem kleineren Betrieb nicht zu gewährleisten.

  23. Das Futter muss vom eigenen Hof kommen

    Ich will noch eine gern geäußerte These aufgreifen. Es kommt immer wieder zu der Forderung (nicht zuletzt im Rahmen der Dioxinfälle im Winter), dass das Futter für die Tiere vom eigenen Hof kommen soll.
    Ist das aber immer effizient? Nehmen wir einmal an, ein Landwirt hat Getreide produziert und es hat Backqualität. Dann ist es nicht effizient dieses wertvolle Brotgetreide an das eigene Vieh zu verfüttern. Zum einen dient das Brotgetreide zur menschlichen Ernährung und ist zu schade für den Trog, zum anderen kann der Landwirt für das Brotgetreide mehr erlösen, als ihm Futtergetreide im Einkauf kostet.
    So kann es durchaussinnvoll sein das eigene Getreide zu verkaufen Getreide für das Tierfutter wieder einzukaufen.
    Die Landwirte, denen es vielleicht aufgrund einer verregneten Ernte nicht gelungen ist, Getreide in Backqualität zu produzieren, müssen ihr Getreide auch vermarkten, wenn es die Qualitätsanforderungen zum Brotbacken nicht mehr erreicht. Dieses Getreide kann dann als Futtergetreide für die Tiere eines anderen Landwirts genutzt werden. So kann es deutlich effizienter sein, nicht das eigene Getreide zu verfüttern, sondern Getreide zu handeln.
    Denn wie es bei einer Produktion unter freiem Himmel, ausgesetzt dem Wind und Wetter, ist, lassen sich bestimmte Qualitäten zwar ansteben, aber eine Gewähr, dass man sie erreicht gibt es nicht.

  24. Futter und Feldertrag…

    Offenbar reicht ja der Feldertrag eh nicht zur direkten Fütterung aus. Oder warum verwendet man Futtermischungen .. aus Mixturen… (wo dann mal leider auch Gifte enthalten sind…)?

    Der jüngste Sturm und seine Auswirkungen ist für mich kein ausserordentliches Geschehen. Ich kenne Erzählungen von Tornados in der Lausitz, die nur durch die großen Felder … also große Freiflächen wohl entstanden sind. Sie begünstigen besondere thermische Vorgänge und Bedingungen. Und ich kenne kleine Windhosen … aus der Beobachtung von der Autobahn aus auf große Felder… und diese entstehen nicht zu knapp… Wenn die Wetterlage dafür günstig ist (und dazu zählt gerade Trockenheitund Temperatursprünge), kann sie jeder relativ verlässlich sehen.

    Gegen solche Auswirkungen würden sicher mehr Bäume zwischen kleineren Feldern helfen. Und vor allen Dingen Wasser – Feuchtigkeit.

  25. Erosion

    “Gegen solche Auswirkungen würden sicher mehr Bäume zwischen kleineren Feldern helfen. Und vor allen Dingen Wasser – Feuchtigkeit.”

    Stimmt, denn mit dem Verschwinden der Hecken und Feldraine wird das Bodengefüge zerstört und die Erosion gefördert. Die riesengroßen Felder sind dann den Elementen schutzlos ausgeliefert. Besonders ungünstig ist der Anbau von Mais oder Zuckerrüben auf diesen Feldern, da die genannten Pflanzen spät aufwachsen und der Boden so lange Zeit offen gehalten wird. Wasser löst das Problem aber leider nicht, besonders in Hanglagen kann der Regen den Boden von solchen Feldern oft ungehindert wegspülen. In der Ebene ist eher der Wind das Problem, der den Boden verschleppt. (Siehe auch meinen ersten Kommentar).

    Schutz vor Erosion bietet nur eine dichte und dauerhafte Pflanzendecke, die mit ihrer bodenbildenden Funktion dafür sorgt, dass der Boden nicht fortgespült oder weggeweht wird.

  26. @Chris: Zusammenhang

    Das ist ja ier jetzt mehr so eine Art Sammlung und weniger eine Diskussion, aber eine Sache möchte ich kurz aufgreifen.

    Chris, Du schreibst:
    “Offenbar reicht ja der Feldertrag eh nicht zur direkten Fütterung aus. Oder warum verwendet man Futtermischungen .. aus Mixturen… (wo dann mal leider auch Gifte enthalten sind…)?”

    Vorsicht! Die Gifte sind ja nicht automatisch in dem Futter. Fett wird gerne verwendet, um die Pellets des Futtemrittels besser zu binden, damit sie nicht so trocken sind. Bei dem Dioxin-Skandal war es jetzt so, dass dafür eben nicht geeignete Fette verwendet wurden. Das Futtermittel an sich hat damit erstmal nichts zu tun.

  27. Grundsätzliches Überdenken

    Landwirtschaft hat sich immer mehr dazu entwickelt, ein Überangebot und möglichst billigen Produkten zu jeder Zeit zur Verfügung zu stellen. Diese Entwicklung bringt nicht nur ökologische und ethische Probleme mit sich, sie führt auch zu einerseits zu einem kulturellen Verlust (weil regionaler und saisonaler Charakter von Lebensmitteln verloren geht) und obendrein zu einem Verlust an Geschmack und Qualität der Lebensmittel.

    Es wäre wünschenswert, wenn man davon wieder wegkommen würde. Weniger, aber dafür qualitativ hochwertigere Lebensmittel würden viele der Probleme lösen, die wir momentan haben. Sowohl für die Verbraucher, wie auch für die Landwirte und letztlich auch für Umwelt und Landschaft als Kulturraum.

    Aber das liegt nicht allein an den Landwirten, die letztlich sehr oft die Leidtragenden in diesem System sind. Wir alle müssen Lebensmitteln wieder die Wertschätzung zukommen lassen, die sie verdienen. Und wir müssen wir anfangen, die Zusammenhänge und die Hintergründe zu verstehen und bewusst zu konsumieren, anstatt ganzjährig volle Regale zu fordern, wovon die Hälfte dann weggeworfen wird.

    Die Grenze läuft da auch nicht zwangsweise zwischen bio und konventionell, auch wenn es tendenziell im Biobereich zumindest etwas besser aussieht.

  28. @Mona

    Du meinst Umweltschutz, nicht “Natur nicht zerstören”.

    Denn die Natur kann man nicht zerstören. Die Natur besteht aus unendlichen Weiten von riesigen Galaxienhaufen. In einem dieser Galaxienhaufen gibt es eine Galaxie, an deren Rand unsere Sonne sich befindet. Um diese winzige Sonne kreist ein noch winzigeres Staubkorn namens Erde. Und diese total winzige Erde hat auf der Oberfläche einen dünnen Hauch von Leben, er ist ein wenig grün verschmiert.

    Diesen grünen Hauch nennen wir zurecht unsere schützenwerte Umwelt, denn ohne ihn könnten wir nicht leben. Aber der Anteil des Lebens an der Natur ist winzigst. Und wir sind Teil des irdischen Lebens.

    Das irdische Leben ist vielen Gefahren ausgesetzt, die menschliche Sorglosigkeit ist auch eine. Aber es ist nicht so, als wäre das Leben ohne den Menschen besser dran. Die Sonne wird irgendwann ausgebrannt sien, und eines Tages wird unsere Galaxie mit dem Andromeda-Nebel kollidieren. Was davon auch immer zuerst eintreffen mag, es wird das Leben auf Erden unmöglich machen.

    Die einzige Chance für das Fortbestehen des Lebens darüber hinaus ist Intelligenz. Die Evolution hat mit uns Menschen eine ernstzunehmende Hoffnung hervorgebracht. Es ist ja wahrscheinlich noch genug Zeit, und wahrscheinlich sind wir heutigen Menschen sowieso nicht der Weisheit letzter Schluss – wir sind nur die Neandertaler von morgen. Mal sehen, was noch kommt. Das ist so spannend, man will es am liebsten miterleben.

  29. @earli

    “Denn die Natur kann man nicht zerstören.”

    Da wäre ich mir nicht so sicher. Natürlich kann man die Natur sehr weit fassen, meinetwegen auch bis in die “unendlichen Weiten von riesigen Galaxienhaufen”. Letztere dürften aber definitiv unserem Zugriff entzogen sein – zumindest auf sehr lange Zeit. Wird es klarer, wenn man die Naturzerstörung in Geld beziffert?

    http://www.zeit.de/…-10/zerstoerung-natur-kosten

    Ansonsten finde ich Ihre Gedanken sehr schön.

  30. nachträglich

    Das ganze läuft ja schon ne Zeit und da ich bisher nicht dazu kam, aber hier auch kein “Sammlung geschlossen” entdecken kann, möchte ich meine Sicht auch noch kurz dazugeben.

    Landwirtschaft sollte primär genug Nahrungsmittel für alle Menschen produzieren und dabei dem Bauer erlauben von dieser Produktion zu leben.

    Langfristig muss die Landwirtschaft dabei ressourcenschonend sein und das ökologische Umfeld möglichst wenig mit Pestiziden/Dünger und anderen Hilfsmitteln belasten.
    Dazu zählt für mich auch den Stromverbrauch für verwendete Maschinen zu optimieren.

    Nutztierhaltung sollte in diesem Zusammenhang “artgerecht” erfolgen. Das heißt für mich das die Tiere stressarm gehalten werden (wobei ich davon ausgehe, das Stress durch unsachgemäße Haltungsbedingungen bedingt ist) und soweit möglich ihren benötigten Freiraum erhalten. Verwendete Futtermittel sollten nicht in Konkurrenz stehen zur Nahrungsmittelproduktion und die Exkremente sollten ebenfalls nutzbringend eingesetzt werden.

    Erstrebenswert fände ich dann, dass der für die Landwirtschaft benötigte Raum mindestens konstant gehalten werden könnte, so dass Raum bleibt für die nicht vom Menschen genutzte Ökosphäre.

  31. Auf den Punkt!

    Hallo Jörg,

    der Kommentar kommt echt auf den Punkt, habe mit dem Fazit schon angefangen. Generell ist hier aber nie etwas abgeschlossen, schließlich gehen die Entwicklungen immer weiter. Außerdem will ich hier ja kein Memorandum schreiben^^

    Also vielen Dank für Deinen Kommentar!

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