Mehr Tierwohl durch mehr Tiere

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

In regelmäßigen Abständen treffen sich Menschen in Talkshows und reden Dummes über unseren Fleisch- oder allgemeinen Konsum tierischer Produkte. Die Ansicht, dass weniger mehr sei und ein höherer Preis die Massentierhaltung beende, ist dabei grundsätzlicher Bestandteil, geht aber gleichzeitig auch völlig an der Realität vorbei.

Außerhalb von Talkshows ist es tatsächlich eher unwahrscheinlich, dass allein durch höhere Preise aus 2% Landwirten in der Gesellschaft wieder 50% wie in der Vergangenheit werden. Als ebenso unsinnig entpuppt sich die Ansicht, dass weniger Tiere und kleinere Ställe für mehr Tierwohl stünden. Das Gegenteil stimmt. Mehr Tierwohl bedeutet ganz oft auch, dass Betriebe größer werden müssen.

Und dann kommt auch gerne noch die Politik um die Ecke und fordert allerorten strengere Auflagen für dieses und jenes, die umgesetzt werden müssen. Wer das nicht kann, kackt ab. Ganz schlichte Kiste, womit sich die “größeren” dann immer weiter durchsetzen.

Diesen Artikel mit mehr Inhalt gibt es drüben bei der DLG eV.

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

8 Kommentare

  1. Ja, wer meint ein Tier in einer Grossgruppe kommen ebenso zu kurz wie ein Kind in einer Grossfamilie liegt oft falsch. Ein Kleinbauer mit wenig Tieren kümmert sich nicht automatisch mehr und besser um seine Tiere.Vielmehr fehlen ihm häufig die finanziellen Mittel um sich Dinge anzuschaffen, die für das Tierwohl wichtig sind. Die optimale Temperatur im Kuhstall immer einzuhalten kann beispielsweise Ventilatoren nötig machen oder gar einen neuen Stall. Das können sich Kleinbauern mit nur wenigen Tieren weit weniger leisten als Bauern mit vielen Tieren.

  2. Kleine Betriebe können ihren Tieren durchaus Tierwohl bieten. Ist Wachstum unendlich? Wie groß sollen unsere Betriebe noch werden? Ein Beispiel:
    Es ist logistisch nicht möglich einer Milchkuh in einer 1000 Kuh Herde Weide anzubieten. Die Flächen sind zu groß und die Entfernungen zum Melken im Stall sind zu lang, also wird das Grass mit hohem technischem Aufwand gemäht siliert usw. um es dann der Kuh im Stall auch im Sommer direkt vor die Nase zu legen. 80% unserer Kühe haben schon heute im Sommer keine Weide mehr. Stattdessen muss im Stall mit hohem finanziellem Aufwand Tierwohl hergestellt werden. Die Kuh in der kleinen Herde kann ohne Tierwohlkosten direkt auf der Weide ihr Futter vom Halm abbeißen. Ok, ich bin naiv oder ich rede einfach nur dummes.

    • Hallo Herr Hansen,

      Ihr Kommentar trifft den Punkt meiner Aussage nur so mittel. Natürlich kann auch in kleineren Betrieben ein sehr gutes Tierwohl-Niveau herrschen, die große Relevanz des Managements und der Mensch-Tier-Interaktionen habe ich hier im Blog schon oft betont. Wissenschaftliche Referenzen explizit zu Milchvieh finden Sie bei Hemsworth/Coleman, Seabrook, Albright, Grandin oder – etwas grundsätzlicher bspw. – von Gordie Jones oder Rick Grant.

      Der Punkt ist doch, dass wir mal klar sagen müssen, welche Auswirkung bspw. das Ende der Anbindehaltung auf kleine Milchvieh-Betriebe hat. Oder was Forderungen bzgl. bestimmter Emissionsauflagen bewirken.

      Mit der Weidehaltung, die Sie ansprechen, ist das übrigens auch nicht so perfekt. Ist es heiß und schwül, ist nicht viel mit Grasen, höchstens nachts ein bisschen. Ist es regnerisch, mag es kühl genug sein, aber die Wiese ist zu matschig für die Tiere. Auch Mist.

  3. Eigentlich ärgert mich Ihre Herangehensweise maßlos. Zunächst mal stellen Sie sehr subjektiv eine Behauptung auf „In regelmäßigen …. reden Dummes über unseren Fleisch- oder allgemeinen Konsum tierischer Produkte.“ wegen diesen Kommentars bin ich überhaupt auf Sie aufmerksam geworden. Dann Beweise ich Ihnen an einem Beispiel aus der Praxis, dass sie da komplett daneben liegen, und Sie Antworten mir wiederrum mit wissenschaftlichen Thesen die sie dann aber wieder subjektiv mit Ihren Weideanegdoten versüßen. Wo bin ich den hier gelandet? Im Unisandkasten?

    • Ob das hier zum Sandkasten wird, liegt ganz bei Ihnen. Ja, das hier ist mein Blog, da bin ich subjektiv. Punkt. Sie haben mir darüberhinaus nichts bewiesen. Ich habe die Tatsache, dass Tierwohl auch im kleinen Maßstab möglich ist, nirgendwo bestritten, daneben liegen kann ich also nicht.

      Aber kommen wir doch mal zurück zum Inhalt. Die Verpflichtungen zur Umrüstung von Anbindehaltung auf Freilaufstall und das Aussetzen dieser, weil sie sonst das Ende der Betriebe bedeutete, habe ich mir ja nicht ausgedacht. Warum wird darüber nicht gesprochen? Warum wird immer alles auf die Gleichung Konsum = Massentierhaltung oder “weniger kaufen, mehr bezahlen” heruntergebrochen? Das stört mich. Warum reden Mälzer und Konsorten nicht mal darüber, dass auch freiwillige Investitionen in Tierwohl bedeuten können, dass sich ein Betrieb vergrößern muss? Ist doch nix dabei.

  4. Worüber reden wir? Über ein Verbot der ganzjährigen Anbinde Haltung? Zum einen haben die meisten kleinen Betriebe mit Anbinde Haltung Die Weide voll integriert. Dh. Die Tiere sind 200 Tage im Jahr Tag und Nacht draußen auf der Weide. Da geht es der Kuh in Bezug auf Tierwohl saldiert aufs ganze Jahr doch zumindest genauso gut wenn nicht sogar besser als der in der Ganzjahres Laufstallhaltung ohne Weide. Des Weiteren gibt es sehr schöne bezahlbare Umbau Möglichkeiten mit Verzicht auf Anbindung auch für kleine Betriebe.
    Der kleine Betrieb muss genauso wie der Große sein Inventar ab und zu erneuern. Das können beide über Abschreibungen Finanzieren. Es ist doch nun leider so, dass die Betriebe ihre Rücklagen für Erhaltungsinvestitionen aufgebraucht haben um sich bei den schlechten Marktlage überhaupt über Wasser zu halten. Die Großen stehen finanziell nicht besser da aber sie finanzieren Ihre Erhaltung oder Neubaupläne über Wachstumserwartungen. Und da ist doch gerade das Problem. Unser Agrarwachstum ist endlich. Und Wachstum um mehr zu erwirtschaften ist ein nicht endender Teufelskreis. Also lieber gleich bessere Preise und Regionalität sichern und kleine Betriebe erhalten, und auch mal über alternativen Nachdenken, als in 10, 20 Jahren vor dem weiter nötigen Wachstum zu kollabieren.

    • Sehen Sie Herr Hansen, das ist doch genau der Punkt. Über Alternativen nachzudenken ist schon nicht schlecht, anstehende Auflagen erstmal auszusetzen, um die kleinbäuerliche Landwirtschaft nicht ins Aus zu schieben, wäre die andere Möglichkeit.

      Natürlich hat ein Betrieb laufende Kosten inklusive Reparaturen und Neuanschaffungen. Wenn dazu aber noch Umbaumaßnahmen oder gar Neubauten erzwungen werden, wird es schwierig. Und das Mehr an Ertrag/Produktion kommt dann erst später. Wie gesagt, heute produzieren 2% der Gesellschaft die Lebensmittel für alle, kein Vergleich zu früher. Mit der Kochzeile einer Studentenwohnung lässt sich das Aufkommen einer Kantine auch bewältigen 😉

    • Guten Tag Herr Hansen

      Unser Agrarwachstum ist endlich. Und Wachstum um mehr zu erwirtschaften ist ein nicht endender Teufelskreis. Also lieber gleich bessere Preise und Regionalität sichern und kleine Betriebe erhalten, und auch mal über alternativen Nachdenken, als in 10, 20 Jahren vor dem weiter nötigen Wachstum zu kollabieren

      Da gehts doch schon los. Lieber an die eigene Sattheit denken und nicht daran, das wir eine globale Verantwortung haben den Hunger zu bekämpfen. Nur weil die Medien von Übergewichts-Propaganda überfließen, heißt das nicht das die ganze Welt satt ist. Sattheit erzielen wir für die Armen und Ärmsten dieser Welt aber nicht mit teuren Regionalkonzepten oder gar Bioprodukten für eine kaufkräftige Elite in Kleinstbetrieben. Eine satte Weltbevölkerung schaffen wir mit industrialisierten Produktionsprozessen und ja vor allem mit Wachstum in Kombination mit Effizienzsteigerung. Es funktioniert nicht einfach nur vom gemütlichen Wohlfühlbauerndasein zu träumen und für eine Handvoll Menschen Nahrung zu produzieren, der Maßstab ist nicht weniger als die globale Bedürfnisserfüllung. Dazu gehört auch globaler Handel und Spezialisierung der Produktion damit jedes Land das anbauen kann, was in der eigenen Region am effizientesten Funktioniert. Es ist völlig bescheuert in Deutschland Produkte anzubauen mit Mindererträgen unter teuren Bedingungen, die dann wenige nur bezahlen können. Da gehen die Produktionen mit Regionalgequatsche und Ökomonstranz auch nur zu Gunsten eines kommerziellen Erfolgs – genau das was man der Industrie vorwirft. Tatsache ist, das eine Sojaproduktion hierzulande einfach nicht effizient ist und Flächenverbrauch erzeugt. Das kann man in den USA und Südamerika besser leisten, zumal Fläche dort kein Problem ist.
      Ergo kostet das Zeug aus industrieller Produktion dann auch nur einen Bruchteil gerade auch weil in Südamerika in verschiedenen Regionen mehrere Ernten pro Jahr möglich sind. Das wird exportiert und kostengünstig in der Welt angeboten, während Weizenernten in Deutschland sehr gut sind und am Ende fällt damit der Preis und die Armen und Ärmsten können sich genug zu Essen leisten.

      Nur wenn Nahrungsmittel global so billig wie Müll sind, dann wird auch für alle genug davon vorhanden sein. Das funktioniert nicht mit dieser Kleingeisterei und merkantilistischem Marktverhalten der Regionalmarkenvertriebler.

      Ich bin kein Ideologe sondern sehe und erkenne an das alle Produktionsweisen mal mehr mal weniger Vorteile bieten können. Solange man mit einem offenen Sinn für die nötigen Aufgaben und einer Offenheit für Produktionstechniken arbeitet, kann man immer örtliche oder produktspezifische Rahmenbedingungen durch unterschiedlichste Herstellweisen und Haltungsformen erzielen. Das Problem ist, das die verschiedensten kommerziellen oder ideologischen Interessen hinter dem Deckmantel einer Tierfürsorge oder mit ökologischen Argumenten durchgepeitscht werden sollen ganz ohne Rücksicht auf Verluste. Dieser Hebel dient Tierrechtlern und Ökoideologen um die Fleisch- und Landwirtschaft zu diskreditieren und am Ende interessieren diese speziellen Gruppen die Folgen für die Menschen nicht. Auf einer ähnlichen Welle reitet auch Ihr Argument, nämlich Regionalität und Kleinbetriebe vor Industrialisierung, Wachstum und Effizienz. Am Ende gehts um die eigene Exizenz nicht um den Sinn der eigenen Argumente. Das verstehe ich sehr gut, niemand gibt gerne auf. Aber wie ich woanders schon schrieb: Der Strukturwandel ist nicht aufzuhalten und wieso sollte es Bauern eigentlich besser gehen als anderen Unternehmern und Arbeitnehmern? Überall im Markt wirken dieselben Kräfte, es sei denn die Gesellschaft schaltet diese teilweise wie im medizinischen Bereich bewußt aus und zahlt dafür einen hohen Preis. Das ist aber für Lebensmittel nicht möglich oder sollte keinesfalls möglich gemacht werden. Nicht mal in Deutschland. Millionen Menschen arbeiten heute für weniger als 1000 Euro im Monat, viele liegen kaum über Hartz4, von den Sozialleistungsempfängern und Grundsicherungsbetroffenen einmal abgesehen. Die alle wollen auch in Deutschland noch essen.

      Da ist es einfach daher gesagt das Regionalität und tolle Produkte aus überteuerter Produktion und “Vereinzelt-Viehwirtschaft” die Gesellschaft beglücken sollen. 145 Euro für Lebensmittel bleibt theoretisch einem Hartz4/Sozialleistungsbezieher. Erzählen sie mal wie Arme in Deutschland denn sich von teurem Regionalzeug ernähren sollen? Schon in manchen Supermärkten sind die Preise hoch und ohne die Angebote der Discounter gäbe es sicher weniger Versorgungssicherheit für Arme. Und die beziehen nicht Regional sondern suchen effiziente Lieferanten in ganz Europa. Wer nicht mithalten kann und seine gesellschaftlichen Aufgaben wahr nimmt, nämlich als Lebensmittelproduzent auch einen Nennenswerten Beitrag zu leisten, geht unter und das ist auch gut so!
      Macht Platz für diejenigen, die ihre Aufgaben Pflichtbewußter ausführen und mehr Menschen versorgen und damit einen größeren Nutzen für alle erbringen.

      Grüße

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