Die zweite Erde: suchen wir doch am Uranus!

Kleine grüne Männchen zu finden, ist nicht einfach. Erdähnliche Planeten, heißt es, seien geeignet. In einer Zone um ihren Stern, in der Wasser flüssig ist. Zumindest in unserem Sonnensystem wäre diese Suche schnell beendet – außer der Erde (und vielleicht dem Mars von Jahrmilliarden) gibt es schlicht keinen weiteren solchen Planeten.

Uranus mit Titania, Ariel, Miranda und Umbriel (CC-BY 3.0 Unported, ESO)
Uranus mit Titania, Ariel, Miranda und Umbriel (CC-BY 3.0 Unported, ESO)

Erdähnliche Exoplaneten gibt es zwar – aktuell wird sogar von einem solchen in der Nachbarschaft unserer Sonne, bei Alpha Centauri B, berichtet. Aber der ist seinem Stern so nah, dass dort nicht mehr lebt als im Sternenfeuer selbst. Und überhaupt: Bis wir Leben auf einem Exoplaneten entdecken, werden trotz allerlei Anstrengungen wohl noch Jahrzehnte vergehen.

Aber warum in die Ferne schweifen? Unser eigenes Sonnensystem bietet einige Schlupfwinkel, die zumindest mikrobischen grünen Männchen ein Auskommen erlauben könnten: Monde! Bis heute wurden gut 180 Trabanten im Sonnensystem entdeckt, fast alle davon um die Gasriesen von Jupiter bis Neptun. Seit den ersten Besuchen von Raumsonden wissen wir, dass viele dieser Monde Wassereis besitzen, manche (wie der Saturnmond Tethys) sogar fast ausschließlich daraus bestehen.

Aber für Mikroben brauchen wir mehr. Wir brauchen Wärme.

Die Existenz flüssiger Ozeane wird seit langem unter vielen großen Monden vermutet, allen voran beim Jupitermond Europa, befeuert durch ständige Gezeitenkräfte. Auch weiter draußen wären solche feuchten Lebensräume denkbar, was wir seit Cassinis Flug durchs Saturnsystem wissen. Enceladus sprüht geradeso von Wasser, auch der umwölkte Großmond Titan könnte ein flüssiges Innenleben aus Wasser besitzen.

Monde der Eiswelten

Noch weiter draußen wird es immer kühler, die Reisen für Raumsonden beschwerlicher. Die äußersten Gasgiganten Uranus und Neptun wurden nur einmal besucht. Große NASA-Missionen haben es nach Voyager 2 anno 1986 nicht mehr dorthin geschafft. Dabei hat auch Uranus mehrere mittelgroße Monde. Und mindestens einen Kandidaten für flüssiges Wasser.

Ariel. Entdeckt 1851 vom britischen Astronomen William Lassell, besitzt er die hellste Oberfläche aller Uranusmonde. Bilder von Voyager 2 zeigen, dass er von einer Eisschicht bedeckt ist. Seine Oberfläche ist hochkomplex und beweist: Ariel ist geologisch aktiv. Manche Regionen scheinen älter, mit Kratern übersäht. Anderswo durchschneiden Gräben und sogar sich aufwölbende Kuppeln die älteren Ebenen.

Eis gibt es also, aber auch genügend Wärme?

Ariel, abgelichtet von Voyager 2 am 24. Januar 1986, aus 130.000 km Entfernung. (gemeinfrei, NASA)
Ariel, abgelichtet von Voyager 2 am 24. Januar 1986, aus 130.000 km Entfernung. (gemeinfrei, NASA)

NASA-Planetologen um Julie Castillo-Rogez haben das durchgerechnet und diese Woche auf einer Tagung in Reno, Nevada vorgestellt. Ihnen zufolge spricht der geringe Abstand zum Uranus für eine immense Gezeitenwärme. Die ist gut fünf mal stärker als beim wasserspeienden Enceladus. Zusätzlich besitzen beide Monde (Enceladus am Saturn und Ariel am Uranus) wohl einen silikatischen Gesteinskern, der zusätzlich Wärme aus radioaktivem Zerfall bereitstellt. Das Uranussystem sei zudem für die Suche nach trabantischen Ozeanen interessant, weil es in seiner Entstehung wohl deutlich mehr Verunreinigungen einsammelte als die Monde weiter innen im Sonnensystem: darunter Ammoniak, das den Schmelzpunkt von Eis herabsetzt.

Aber ist Ariel auch ein Mond mit hervorschießenden Geysiren? Um das sagen zu können, war der Vorbeiflug von Voyager 2 zu kurz. Am Saturn ist Enceladus (wie wir seit der Cassini-Mission wissen) für die Instandhaltung des E-Rings verantwortlich, den er ständig mit neuem Material versorgt. Auch Uranus besitzt zwar ein Ringsystem, aber keinen bislang bekannten Ring im Bahnbereich von Ariel. Castillo-Rogez sieht dafür zwei Erklärungen: Entweder haben wir den Ring nur noch nicht entdeckt, oder Ring/Ariel haben ihre Bahn kürzlich verändert.

Ganz unwahrscheinlich ist das nicht, immerhin zeigten Beobachtungen des Ringsystems von 2007, dass sie sich sehr dynamisch verändern können. Einer der Ringe war seit dem Voyager-Besuch 22 Jahre zuvor gänzlich verschwunden oder hatte sich zumindest deutlich verlagert.

Eine weitere Erklärung: Ariel ist doch nicht so aktiv wie hier formuliert – und seine Oberfläche wird nur durch sogenannten festen Vulkanismus geologisch umgestaltet. Dabei bewegen sich feste, aber zur Duktilität erwärmte Eispakete nach oben, ohne dabei Flüssigkeiten oder Gase abzusondern. Fester Vulkanismus galt bisher als wahrscheinlichste Ursache für die geologisch junge Oberfläche von Ariel.

Flüge zum Uranus

Es spricht also Vieles dafür, bald eine größere Sonde zum Uranus zu schicken. Vorschläge dafür liegen bei NASA und ESA auf dem Tisch. In den USA ist sogar eine milliardenteure Flaggschiffmission im Gespräch, die jedoch wegen finanzieller Engpässe auf Eis liegt (genauso wie ein konkurrierender großer Marsrover, der die Arbeit von Curiosity nach 2018 fortsetzen könnte). Der ESA-Vorschlag wäre mit maximal 470 Millionen Euro deutlich günstiger, scheiterte letztes Jahr aber vorerst gegen andere Konkurrenten.

Eigentlich schade, wäre der Flug zum Uranus mal wieder ganz nah dran am final frontier: Allein die eher leichtgewichtige ESA-Mission wäre nach drei Schwungmanövern (Flybys) an der Erde, einem an der Venus und einem an Saturn erst nach 15 Jahren angekommen.

alt

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Karl Urban wäre gern zu den Sternen geflogen. Stattdessen gründete er 2001 das Weltraumportal Raumfahrer.net und fühlt sich im Netz seitdem sehr wohl. Er studierte Geowissenschaften und schreibt für Online-, Hörfunk- und Print-Publikationen. Nebenbei podcastet und bloggt er.

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