Erfolgreiche Wissenschaftler werden immer älter

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So ziemlich jeder kennt die Geschichten von jungen Genies, die bereits in der Grundschule aufzeigen, wie besonders sie sind – man denkt nur an Carl Friedrich Gauß, der mit nur 21 Jahren die Disquisitiones Arithmeticae auf Latein schrieb. Auch heutzutage gibt es noch solche Genies – man denke zum Beispiel an Gabrial See, der vor zwei Jahren im zarten Alter von 11 die Silber-Medaille des MIT-Wettbewerbs iGEM (Synthetische Biologie) gewann; mit einem selbst-programmierten Lego-Roboter, der Zellbausteine zusammen-pipettiert.

Natürlich sind solche Menschen die Ausnahme – bei ihnen kommt Talent, Förderung und Glück genau richtig zusammen. Aber die Frage stellt sich schon – in welchem Alter sind Wissenschaftler am erfolgreichsten? Dazu erschien diese Woche in PNAS die Studie “Age dynamics in scientific creativity”, die ich hier vorstellen möchte.

Die Forscher untersuchten darin die Altersverteilung der Nobelpreisträger von 1901 bis 2008 in den Feldern Medizin, Physik und Chemie – und zwar nicht basierend auf dem Alter des Forschers zum Zeitpunkt der Preisverleihung, sondern zum Zeitpunkt der Arbeit, die zum Preis geführt hat.

Zu Beginn der Nobelpreisverleihungen waren die Preisträger in allen drei Bereichen noch jung – zwischen 60 und 70% waren zum Zeitpunkt ihrer Arbeit junger als 40 und ca. 20% waren unter 30 Jahren jung. Dies änderte sich über die Jahre – schauen wir uns dafür die folgenden Kurven an.

A zeigt die Verteilung des Alters, in dem Chemie-Nobelpreisträger ihr “Great Achievement” erlangten, also das Alter in dem sie ihre Nobelpreis-würdige Arbeit veröffentlichten. Die untere Kurve stellt den Anteil der unter-30 Jährigen und die obere Kurve den Anteil der unter-40 Jährigen dar – die unter-30 Jährigen starten bei ungefähr 20% und sterben dann aus, im Jahr 2000 sind sie fast bei 0%. Die unter-40 Jährigen stagnieren lange bei ca. 60% und stürzen dann drastisch ein, bis sie ebenfalls fast bei 0% sind.

B zeigt die gleiche Verteilung, aber nur für Arbeiten die hauptsächlich aus theoretischer Arbeit bestehen – also keine Feldversuche, sondern Ideen, Theorien und mathematische Konstrukte wie zum Beispiel Werner Heisenbergs Quantenmechanik. Auch hier ungefähr die gleiche Verteilung – doch dazu mehr später. C zeigt den Anteil der Nobelpreislaureaten, die im Alter von 25 ihren Doktor in der Tasche hatten – auch hier fällt der Anteil. D zeigt, wie sehr die preiswürdige Arbeit von zu der Zeit aktueller Arbeit abhängt – man beachte, dass die Y-Achse invertiert ist. Die Kurve zeigt: Je jünger die Arbeit, desto eher zitiert sie ältere Arbeiten. In anderen Worten: Es gibt weniger radikal neues unter der Sonne, die meisten Arbeiten bauen auf älteren Erkenntnissen auf.

Eine Kurve mit sehr interessantem Verlauf ist die der Physik-Nobelpreisträger. A, B, C und D zeigen den gleichen Inhalt wie in der obigen Kurve. Hier fällt die Spitze zwischen 1930 und 1950 auf – der Blütezeit der Quantenmechanik, in der unglaublich junge Wissenschaftler wie Heisenberg, Pauli oder Dirac Bahnbrechendes veröffentlichen, dass wenig auf alter Arbeit und größtenteils auf neusten Erkenntnissen basierte. Dieser “Boom” endete in den Fünfzigern – in Richtung 2000 ähnelt die Kurve mehr der obigen, also gibt es auch hier weniger junge Preisträger.

Interessant ist der Unterschied zwischen theoretischen und empirischen Arbeiten – konzentriert euch in der folgenden Graphik nur auf die gestrichelte und die durchgehende Gerade. Die gestrichelte Gerade stellt das Alter der Empiriker zum Zeitpunkt ihrer “großen Arbeit” dar, und die durchgehende Gerade stellt die Theoretiker dar. Zur Erinnerung: Die Empiriker basieren ihre Arbeit auf Daten, die sie auf verschiedenen Wegen in der Natur (oder im Labor) gesammelt haben, während die Theoretiker auf Mathematik basierte Theorien veröffentlichen (wie z.B. die Quantenmechanik). Hier sieht man einen deutlichen Unterschied zwischen beiden Gruppierungen – Theoretiker sind wesentlich jünger zum Zeitpunkt ihres Erfolges.

Was sagt uns das alles? Das grundlegende Wissen aller Fachgebiete wird immer größer, also wächst auch das benötigte Grundwissen aller Wissenschaften. Mit dem benötigten Grundwissen wächst auch die Zeit, die benötigt wird, um das alles zu lernen. Ich denke, dass das Zeitalter, in der junge Genies an den Spitzen ihres jeweiligen Feldes stehen, vorbei sind – es sei denn, etwas grundlegend neues, alles umwerfendes wie die Quantentheorie kommt nochmal. Die obigen Daten zeigen dass dann die jungen Wissenschaftler wieder triumphieren.

Der Unterschied zwischen Theoretikern und Empirikern erklärt sich mir mit dem Unterschied an benötigter Arbeit – Empiriker können Jahrzehnte damit verbringen, die für ihre Arbeit benötigten Daten zu sammeln, während Theoretiker auf vorhandener Arbeit oder eigenen Ideen aufbauen.

Die Arbeit ist ein Trost für jüngere Wissenschaftler wie mich, die in ihrem Feld noch nichts vollbracht haben. Ich gehe davon aus dass der generelle Erfolgstrend dem Trend der Nobelpreisträger folgt und sich damit der Erfolg im höheren Alter einstellt. Bis dahin lern ich weiter!

Kleine Anmerkung am Rande: Teil dieser Veröffentlichung wurde von der John Templeton Foundation gesponsert, die schon öfters attackiert wurde aufgrund ihrer Nähe zur Religion und ihrer Mission, eine Brücke zwischen Wissenschaft und Religion zu schlagen. Dabei kam die Organisation öfters in das Umfeld von Kreationisten und wurde dafür u.A. von Richard Dawkins heftig attackiert. Die vorliegende Arbeit hat meines Erachtens nichts mit Religion zu tun, ich wollte aber trotzdem darauf hinweisen.

Dank an Sebastian Reusch für das Paper!

Bildnachweis & Literatur:
Jones BF, & Weinberg BA (2011). Age dynamics in scientific creativity. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America PMID: 22065777

Veröffentlicht von

Philipp hat einen Bachelor in Biologie, ein Graduate Certificate in IT und studiert momentan für seinen Master in IT in einem übertrieben großen Land voller Spinnen und Schafe. Für die Bierologie schreibt er zumeist über Biologie, Evolution und allem was an den Rändern der Gebiete noch so angeschwemmt wird.

5 Kommentare

  1. Mal bei den Kollegen lesen

    Lieber Philipp, danke für die erweiterte Aufarbeitung. Das Paper ist allerdings schon vor zwei Wochen erschienen und ich hatte darüber bei den Brainlogs geschrieben. https://scilogs.spektrum.de/…schaftler-im-besten-alter

    Was nicht heißt, dass man nicht zweimal das gleiche Thema aufgreifen darf und Du bist ja nochmals mehr ins Detail;-)

    Gruß Beatrice

  2. DANKE

    Hi, ich bin kevin,22 Jahre und komme aus Lübeck, ich habe nicht viel in meinem Leben geleistet, nichts bewegendes, weder für mich noch für die Wissenschaft, durch einen Zufall, habe ich interesse am Urknall gefunden und weiter gesucht und immer weiter und immer weiter, das erste mal in meinem leben habe ich das gefühl mit spass an eine sache ranzugehen, doch mir gehen die bekannt gegebenen informationen aus, ich will es ändern, ich will was bewirken, nicht für mich sondern für die die es nicht können, ich will wissenschaftler werden, ob ich dafür stundenlang lernen muss ist eigentlich egal, denn es ist was anderes ob man nun was machen “muss” oder es wissen “WILL” . Ich danke für deine Informationen, schreib mir doch mal ne mail:Kevin_k.kuepper_grone@hotmail.de

    LG aus Lübeck, Kevin Küpper

  3. Hallo Kevin,

    ich hab dir mehrmals versucht, eine E-Mail zu schreiben, jedoch kommt von deinem E-Mail-Provider immer ein “550 550 Requested action not taken: mailbox unavailable (state 14).”

    Gibt es andere Möglichkeiten des Kontaktes?

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