Boykottiert Elsevier! Unterstützt Open Access!

BLOG: Detritus

Gedanken, biologisch abgebaut
Detritus

Wie macht ein Wissenschaftler seine Arbeit bekannt? Er/sie publiziert zum Beispiel einen Artikel in einem Fachjournal, das Gutachter bestellt, die die Arbeit bewerten, Fehler finden und Verbesserungen vorschlagen. Weder Gutachter, noch die Editoren oder die Autoren bekommen dafür Geld. Überwiegend öffentlich finanzierte Wissenschaftler liefern Inhalt, Begutachtung, und meistens sogar die Formatierungsarbeit kostenlos an das Journal.

Wer gibt diese Fachjournale heraus? Überwiegend sind das große Verlagshäuser, die Nature Publishing Group, der Elsevier-Verlag oder Springer-Verlag gehören zu den größten und bekanntesten. Es sind die größten und bekanntesten Blutsauger!

Die Verlage praktizieren eine Kultur des Diebstahls

Diese Verlage kassieren, nicht zu knapp und vor allem für den Zugriff auf die Artikel. Sowohl der Abruf einzelner Artikel etwa durch Privatpersonen, als auch der dauerhafte Abruf durch Uni-Bibliotheken kosten viel Geld. Die Gebühren für die Abonnements sind in den letzten Jahren stark gestiegen, während die Finanzierung der Bibliotheken oft immer weiter zusammengekürzt wurde.

Sicher entstehen den Verlagen auch Kosten durch die Veröffentlichung und Bereitstellung. Da der Wechsel von gedruckten Journalen zu elektronischen Publikationen weitgehend abgeschlossen ist, kann man aber davon ausgehen, dass die Kosten eher gesunken, als gestiegen sind. Nicht ohne Grund gilt das wissenschaftliche Verlagswesen als hochprofitabel. Elsevier allein macht einen Reinprofit von mehr als einer Milliarde Dollar pro Jahr (das sind etwa 3 Millionen pro Tag!), denn schließlich kostet so ein „Instituts-Abo“ für ein einziges Journal durchschnittlich ein paar Tausender. Das teuerste, das ich finden konnte, ist Brain Research mit mehr als 21.000€ pro Jahr, nur für den Online-Zugriff. Oftmals sind die Journale nur in Paketen zu haben: Wer Cell haben will, muss für einen saftigen Aufpreis auch ein paar Ladenhüter dazu nehmen. Wer das Geld nicht hat, hat Pech oder muss jemanden finden, der das Geld hat. Auch wenn die Forschung – das, was den eigentlichen Wert der Publikation ausmacht – bereits aus öffentlicher Hand bezahlt wurde, muss man nochmals Geld in die Hand nehmen, um sich die Resultate anzusehen.

Das Verlagswesen praktiziert eine Kultur des Diebstahls. Die Verlage stehlen die Arbeitszeit der Editoren und Referees. Sie stehlen der Bevölkerung die Ergebnisse der Arbeit, die sie selbst aus eigener Tasche bezahlt haben. Und natürlich stehlen sie mit ihrer Geschäftspraxis Steuergeldern aus den Kassen der Bibliotheken. Dieses Geld wird wiederum in das Lobbying investiert, damit die Pfründe der Großen geschützt werden.

Ein öffentliches Bekenntnis

Seit einigen Jahren grollt nun der Unmut unter Wissenschaftlern und es kam wiederholt zu Boykottaufrufen gegen Elsevier. Es geht bei einer neuen Aktion TheCostOfKnowledge.com darum, Farbe zu bekennen, und öffentlich die Position zu vertretern, dass man keinen Handschlag für diese Verbrecher mehr tun wird. Die Liste der Namen ist nun gerade mal 2700 Einträge lang. Das ist viel zu wenig!

Hier unterzeichnen: 
TheCostOfKnowledge.com

Ich habe in einer Instituts-weiten Mail zum Unterzeichnen aufgerufen, und außer mir hat gerade mal eine einzige Person unterschrieben.

Ist die Kraft besser in Open Access investiert?

Vielleicht sind meine Kollegen aber auch der Meinung, dass sich die Mühe nicht lohnt. Twitterer und Neurowissenschaftler Björn Brembs findet, dass diese Art Aktionen viel zu sehr von dem Kernproblem ablenkt und ruft dazu auf, sich weniger auf Opposition gegen die großen kommerziellen Verlage zu konzentrieren, sondern seine Kraft in die Unterstützung offenerer Modelle zu investieren. Kommerzielle Verlage sollte man schlicht links liegen lassen und stattdessen Bibliotheksleiter davon überzeugen, Abonnements nicht mehr zu erneuern und von dem verfügbaren Geld ein paar Server zu kaufen, die die Literatur und Daten hosten können.

Er schreibt:

Die akademische Kommunikation muss zurück in die Hände der Wissenschaftler! Man muss die Verlage dort treffen, wo es ihnen am meisten schmerzt: in ihren Brieftaschen.*

***

* Let’s bring our scholarly communication system back into our hands! Hit the publishers where it hurts: their pocketbooks.


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Read on, my dear …

Martin Ballaschk ist promovierter Biologe, aber an vielen anderen Naturwissenschaften interessiert. Das Blog dient ihm als Verdauungsorgan für seine Gedanken. Beruflich ist er als Wissenschaftskommunikator, hier rein privat unterwegs.

5 Kommentare

  1. gutes Timing

    Eine Community, die ich qualitativ für eine sehr wichtige halte, hat es nun auch noch geschafft ein Open Access Journal auf die Beine zu stellen: F1000 research

    Retraction Watch & Nature haben auch einen blogpost darüber.

    Warum erwähne ich das? OA-Journals gibt es schon zu Hauf…
    Schon, aber es gäbe so viele Ansätze für “science2.0” (oder sind wir schon bei 3.0) die innovative neue Verlage beschreiten könnten. Mit f1000 ist hoffentlich endlich etwas am Start, das dem gewissermaßen nachkommt.

    So ganz perfekt ist es noch nicht, dazu fehlt mir zumindest eine peer-review-phase, die strikt von der Veröffentlichung & auch dem post-publish peer review getrennt ist. Einem breiten Publikum würde ich unfertige/ungesichtete Arbeiten nicht in gleichem Maß anvertrauen.

  2. Wichtiges Thema!

    Danke, dass Du das Thema hier auf den Scilogs ansprichst. Langsam organisiert sich da eine Bewegung im Internet, hurra. Habe in meinem neuen Post auch gleich hierher verlinkt. 🙂

    Christian Reinboth hat einen Vorschlag zu Open Access recht prominent auf dem Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin platzieren können – Unterstützung willkommen!
    https://www.dialog-ueber-deutschland.de/DE/20-Vorschlaege/30-Wie-Lernen/Einzelansicht/vorschlaege_einzelansicht_node.html?cms_idIdea=192

    Von mir stammt ein weiterer Vorschlag, öffentlich geförderte, online zugängliche Open-Access-Journale zu schaffen.
    https://www.dialog-ueber-deutschland.de/DE/20-Vorschlaege/30-Wie-Lernen/Einzelansicht/vorschlaege_einzelansicht_node.html?cms_idIdea=570

    Mit vergleichsweise wenig Geld könnte sich der Wissenszugang für Wissenschaftler und Gesellschaft verbessern und damit die Wissensgesellschaft dynamisieren lassen.

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