Der Sprung von der Wissenschaft in die Industrie (2)

BLOG: Detritus

Gedanken, biologisch abgebaut
Detritus

Vor etwa einem Jahr schrieb meine Gastautorin Maria hier über ihre Pläne, nach ihrer Doktorarbeit in die Industrie zu gehen. Sie hat es geschafft:  in ihrem Blog verriet sie, dass sie im Bereich „Vertrieb und Marketing“ gelandet ist. Nun zieht sie hier Bilanz und teilt ihre Erfahrungen mit dem Bewerbungsterror – und die sind wertvoll, und teilweise durchaus diskussionswürdig, wie ich finde. 

Nach nun einem guten Jahr auf meinem Weg von der Wissenschaft in die Wirtschaft möchte ich das Jahr gerne zusammenfassen. Und erst einmal das Wichtigste: Ich bin angekommen!

Im Februar 2012 habe ich meine Promotion eingereicht, bis zum Juli habe ich dann noch im Labor gestanden, Projekte beendet, Publikationen geschrieben und im Juli habe ich verteidigt. Dann folgten Humboldt und Marie-Curie-Anträge, Reisen und Vorstellungstermine (Wien und China) durch das Orientierungsstipendium einer Graduiertenschule und dann von Oktober bis Dezember ein Forschungsaufenthalt in China. In dieser Phase habe ich mich immer mehr in Richtung Unternehmen orientiert, das heißt ich wollte immer weniger in der Forschung bleiben und habe sukzessive immer mehr Bewerbungen in Richtung Wirtschaft geschrieben.

Zum Jahreswechsel beschloss ich meine Strategie zu wechseln, nachdem ich in China nicht das Potential sah, meine Zukunft zu gestalten und bin in eine der deutschen Städte mit dem größten Potential in Bereich Biotech und Bio Start Up gezogen- nach Berlin. Sicher kann man sich über die Ortwahl streiten, da es mich jedoch vor allem persönlich dort hinzog, bin ich im Januar 2013 nach Berlin gegangen.

Hier habe ich von Februar bis April ca. einhundert Bewerbungen an Firmen vor Ort geschrieben, hatte vier Vorstellungsgespräche und habe seit März zwei Praktika absolviert. Eines in einer Biotech-Firma für zwei Monate in Vollzeit und eines als „freier Mitarbeiter“ im Bereich Wissenschaftskommunikation. Dadurch konnte ich Einblicke in beide Bereiche bekommen, einmal in ein Unternehmen, welches selbst forscht und die Produkte dann vermarktet und verkauft und in die Öffentlichkeitsarbeit. Dadurch haben sich viele sinnvolle Kontakte ergeben, viele Personaler haben mit mir telefoniert und warten scheinbar bloß darauf, dass ich ein halbes bis ein Jahr Berufserfahrung habe. Zwei weitere Vorstellungsgespräche in dieser Woche habe ich abgesagt, genauso wie ein Stipendium für Wien.

Auf jeden Fall habe ich daraus Folgendes gelernt:

  • So viele Bewerbungen wie möglich schreiben! Vor allem in der Bio- Industrie kommt es nicht auf personalisierte Anschreiben an, verfasst ein Schreiben, das zu allen Stellen passt auf die ihr euch bewerbt, ändert bloß die Anschrift, den Namen und den Grund eurer Bewerbung passend zur Ausschreibung. Dann immer schön senden klicken! Je mehr umso besser! Von 100 Bewerbungen hatte ich vier Gespräche. Da könnt ihr euch den Umsatz selbst ausrechnen.
  • Jobs-Newsletter helfen nur bedingt weiter, ich hatte echt viele abonniert, am besten fand ich jobworld, denn da sind immer alle ausgeschriebenen Stellen aufgetaucht. 
  • Initiativ bewerben! Sucht euch im Netz das Branchenverzeichnis eurer Zielgegend aus und schreibt alles an!! Auch hier geht es über Masse! Oft werden Stellen nur pro forma ausgeschrieben oder es werden nur schwer zu besetzende Stellen veröffentlicht (die sonst an Mitarbeiter oder über interne Kontakte besetzt werden würden). Aber landet eure Bewerbung zum richtigen Zeitpunkt auf dem Tisch, habt ihr gute Chancen, gleich in den Auswahlprozess integriert zu werden.
  • Praktikum hin oder her, mir hat es geholfen. Überlegt euch, wie viel ihr aus einem Praktikum lernen könnt, begrenzt es auf einen engen Zeitraum und macht das Beste draus! Oder sucht euch einen Nebenjob in eurem Fachbereich. Vom zuhause-bleiben ergeben sich weder Kontakte noch Erfahrungen!
  • Geht auch zu Gesprächen, die nicht eure Traumstelle beworben haben! Hier könnt ihr super üben, und auch Kontakte knüpfen. Vielleicht ist die Stelle ja doch genau die Passende oder es gibt auch noch andere Positionen zu besetzen? Genau das Gleiche gilt für Telefoninterviews, und wenn ihr mit dem 20. Personaler sprecht, diese Übungen sind wichtig. Auch bekommt ihr von Personalern Infos zu Stellen, zum Gehalt und sogar zu euren Bewerbungsunterlagen. Fragt nach der Meinung dieser Menschen, die jeden Tag Bewerbungen sortieren, wie kam euer Anschreiben an, wie hoch darf euer Gehalt sein, wie wirkt euer Foto.

Diese Woche habe ich nun meinen ersten Arbeitsvertrag in der Industrie unterschrieben und bin schon gespannt wie es weitergehen wird. 

Natürlich werde ich weiterhin darüber berichten, was ich hier im Unternehmen lerne, was wird wirklich anders sein als an der Uni? Wie wird mir die Arbeit hier gefallen? Wie fühlt man sich in der Industrie, und wie kommt man voran?

Martin Ballaschk ist promovierter Biologe, aber an vielen anderen Naturwissenschaften interessiert. Das Blog dient ihm als Verdauungsorgan für seine Gedanken. Beruflich ist er als Wissenschaftskommunikator, hier rein privat unterwegs.

3 Kommentare

  1. Standardanschreiben

    Hallo Maria,

    gerade die Sache mit dem Standard-Anschreiben hätte ich anders gehandhabt. Es wäre interessant, konkrete Daten dazu zu sehen, aber intuitiv hätte ich gesagt, ein sorgfältig abgestimmtes Anschreiben ist eines der wichtigsten Dinge für einen Personaler oder die zukünftige Chef/in.

    Gleichzeitig habe ich aber während meiner Bewerbungsphase nach der Diplomarbeit gemerkt, dass das unglaublich viel Zeit auffrisst: Man muss die Stelle finden, sofern sie überhaupt ausgeschrieben ist. Dann muss man ein paar Papers und Gruppenwebsites lesen und die Bewerbung auf das Thema und die erforderlichen Fähigkeiten abstimmen. Dann erst habe ich bei Initiativbewerbungen die Gruppenleiter/innen kontaktiert und ggf. die Bewerbung hingeschickt – teilweise habe ich aber auch gleich eine Absage bekommen und die ganze Arbeit war umsonst.

    Zu der Zeit habe ich dann auch noch meinen Sohn tagsüber betreut (quasi Vollzeitjob) und da bleibt echt wenig Energie und Zeit für gute Bewerbungen übrig. Entsprechend mager war auch meine Quote.

    Ich finde also den Ansatz „Masse“ sehr interessant, das hört sich zumindest effizienter an, als mein Weg.

  2. Super!

    Diese Blogidee finde ich ganz hervorragend: Realistisch, interessant und nützlich. Außerdem noch gut geschrieben! Gerne lese ich hin und wieder das Neueste von ‘Maria’.

  3. Masse kann auch Klasse

    Hallo Martin,
    meine Anschreiben waren schon durchdacht, keine oberflächlichen Schreiben sondern einfach auf den Knackpunkt gebracht, was ich für Erfahrungen haben. Nur den ersten Block im Brief habe ich dann wahlweise ausgetauscht mit ein, zwei Sätzen, die mich für den Personaler und die ausgeschriebene Stelle interessant machen.

    @Michael:
    Danke, ich freue mich, wenn mein Blog irgendwem weiterhilft und ich selbst ein paar Anregungen für ein erfolgreiches Arbeitsleben bekomme!

    Ich glaube viele von uns Naturwissenschaftlern hängen daran fest, dass ein einzelnes Bewerbungsschreiben so eine Art Publikation ist, von der man nicht lassen kann und an die man die Erwartung hat, dass sie erfolgreich ist. Das birgt ein hohes Enttäuschungsrisiko!

    Diese Details über die Gruppen kannst du für dich prüfen, bevor du dich bewirbst, und alles ganz genau, kannst du lernen, bevor du zum Gespräch eingeladen wirst. Erst einmal musst du jedoch die Hürde nehmen, dass dein Schreiben auf dem richtigen Stapel landet und da zählt meiner Meinung nach der Lebenslauf.

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