Weltuntergangsszenarien – wie schnell wachen Supervulkane auf

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Mit Verstand und Hammer die Erde erkunden
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In den Visionen von möglichen Weltuntergängen (und davon werden wir dieses Jahr sicher mehr als genug haben, bei all dem Wirbel, der um den Maya Kalender gemacht wird und noch werden wird), spielen die oft so genannten “Super”-Vulkane eine große Rolle. Diese gewaltigen Vulkane, von denen rund zwei Dutzend auf der Erde bekannt sind, haben nicht nur Hollywood immer wieder gerne beflügelt, sie haben mit ihren Ausbrüchen auch in der Erdvergangenheit so manche reale Krise ausgelöst. Für unsere heutige Zivilisation hätte ein so ein Vulkanausbruch, gegen den der des Mt. St. Helens zwergenhaft wirken würde, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verheerende Folgen. Bislang folgte immer die Versicherung der Geologen, dass man hier eine gesteigerte Aktivität rechtzeitig erkennen würde.

Da platzt eine aktuelle Studie von Druitt et al. (2012) herein, nach der die Supervulkane nicht hunderte oder gar tausende von Jahren benötigen, um zu erwachen, sondern möglicherweise nur Jahrzehnte, wobei die Entwicklung sehr sprunghaft ablaufen würde. Die letzten Schübe an Nachschub in die Magmenkammer käme möglicherweise erst einige Monate vor den Ausbruch. Die Studie erscheint mir auf den ersten Blick ziemlich solide, so dass ich hier keinen Grund sehe, ihr in irgend einer Weise zu widersprechen. Da aber die Medien mit sehr großer Wahrscheinlichkeit darauf abfahren werden, sofern sie es nicht schon getan haben (hier und hier), und weil die Zeitvorstellungen unseren Freunden des Weltunterganges vom 21.12.2012 so schön passen dürfte, soll hier einmal ein kleiner Blick auf die Hauptinformationsquelle der Studie geworfen werden; zonierte Feldspatkristalle.

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Mischbarkeit im ternären Feldspatsystem bei 90°C (blau) und 600°C (rot) sowie Änderung der Nomenklatur, nachgezeichnet nach Deer, Howie & Zussman 1963.

Wenn Kristalle in einem Magma auskristallisieren, dann nehmen sie die für ihren Bau benötigten Elemente aus der sie umgebenden Gesteinsschmelze auf. Das gilt auch für Feldspäte. Das gilt sowohl für die Hauptelemente, die unser kristallisierendes Mineral aufbauen, also Natrium, Kalium und Calcium, als auch für Spurenelemente. Was die Hauptelemente angeht, erinnern wir uns kurz: Feldspat, wie wir ihn kennen, ist eigentlich ein Mischkristall aus drei verschiedenen Komponenten. Das mag manchem als arg akademisch erscheinen, aber manchmal kann man mit diesen Fakten erstaunliche neue und faszinierende Erkenntnisse gewinnen. Wenn man sich die Plagioklasreihe konzentriert, dann kann man das betreffende Mineral anhand seiner Calcium und Natrium-Gehalte charakterisieren. Dabei wird der Gehalt an Calcium und Natrium in unserem Plagioklas von der chemischen Zusammensetzung des Magmas bestimmt. Und wenn sich während des Wachstums unseres Kristalls die chemische Zusammensetzung des Magmas abrupt ändern sollte, wenn sich zum Beispiel neues Magma anderer Zusammensetzung mit älterem in einer Magmenkammer mischt, dann wird die daraus kristallisierende Schicht unseres Kristalls eine leicht andere Zusammensetzung haben als die ältere, darunter befindliche. Ein zonierter Kristall entsteht, der in seinen Zonen die wechselvolle Geschichte der Gesteinsschmelze in sich trägt, aus der er geboren wurde.

Zonamiento / Zoning

Zonierter Plagioklas in einem Gabbro. Foto von Miguel Vera, CC-by-sa 2.0-Lizenz.

Und diese Zonierung findet sich nicht nur in den Hauptelementen unseres Minerals, sondern auch in Spurenelementen, also Elementen, die nur in sehr geringen Mengen in das Gitter eingebaut werden. In Plagioklasen können so unter anderen geringe Mengen an den Elementen Magnesium und auch Titan eingebaut werden. Die Aufnahme dieser Elemente spiegelt das Verhältnis der Elemente zwischen dem umgebenden Magma und dem wachsenden Kristall wieder. Oder um genauer zu sein, der Verteilungs-Koeffizient sagt aus, wie gerne unser Kristall ein jeweiliges Element aus der Schmelze aufnimmt. Dieser Verteilungs-Koeffizient ist für jede chemische Zusammensetzung, Druck und Temperatur eines Magmas und jedes Mineral festgelegt, so dass gleiche Minerale in unterschiedlichen Magmen (mit ihren jeweils unterschiedlichen chemischen Zusammensetzungen, ihrer unterschiedlichen Temperatur und dem unterschiedlichen Druck) eine andere Zusammensetzung haben werden, die für das jeweilige Magma typisch ist. Aber mit der Kristallisation ist die Geschichte noch nicht vorbei. Ein Element würde, wenn die Differenz in der chemischen Zusammensetzung groß genug ist, auch aus dem Kristall hinaus in die Schmelze diffundieren (oder ebenso gut auch hinein). Gerät also unser Kristall in ein ihm völlig fremdes Magma, so werden die in ihm enthaltene Elemente versuchen, ein Gleichgewicht mit der umgebenden Schmelze herzustellen. Die Ränder werden dabei den Anfang machen. Dabei benötigen die verschiedenen Elemente je nach ihrer Größe und Ladung eine jeweils eigene Zeit. Wenn man also die chemischen Gradienten und die Druck- und Temperaturbedingungen des Magmas voraussetzt, kann die Diffusion quasi als Uhr eingesetzt werden, um die Verweilzeit eines Kristalls in einem anderen Magma zu bestimmen.

Für ihre Studie haben Druit et al (2012) diese Eigenschaften der Plagioklase genutzt, um den Ausbruch des Vulkans von Santorin 1600 vor Christus zu entschlüsseln. Dabei zeigte sich, dass das Magma, welche bei dem Ausbruch gefördert wurde, eine Mischung verschiedener Magmen darstellte, und dass der letzte Schub an frischem Magma in die Magmenkammer unter dem Vulkan geologisch gesehen erst sehr kurze Zeit vor dem Ausbruch erfolgte, möglicherweise Jahrzehnte, aber auch nur Monate vorher.

Allerdings scheinen Zeitskalen, basierend auf der chemischen Diffusion, wie sie in dieser Studie verwendet wurden, Ereignisse deutlich schneller ablaufend an, als wenn man die Kristallisationsalter einzelner Zonen eines zonierten Minerals mit Hilfe radiometrischer Datierungen bestimmen würde. Es ist daher anzunehmen, dass die Zeiträume, die in dieser Studie angegeben werden, als Mindestzeiträume angesehen werden sollten.

Da sich die Medien mal wieder auf die katastrophalen Auswirkungen der Supervulkane oder deren Vorhersagezeitraum gestürzt haben, ist ein Aspekt etwas untergegangen. Durch die Magmenmischungen kommt es eventuell nicht zu einer messbaren Aufwölbung des Bodens wie wir vom Ausbruch des Mt. St. Helens her kennen. Vielmehr könnte der Boden der Magmenkammer absacken, wenn frisches Magma einströmt.

Abgesehen davon dürften auch Vorwarnzeiten von 100 oder auch 200 Jahren eine echte Herausforderung an uns Menschen sein. Man sollte aber, und da stimme ich mit den Autoren der Studie überein, die bekannten Riesencalderen und die schlummernden “Super”-Vulkane überwachen, auch wenn sie in abgelegenen Ecken unseres Planeten liegen mögen.

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Gunnar Ries studierte in Hamburg Mineralogie und promovierte dort am Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum über das Verwitterungsverhalten ostafrikanischer Karbonatite. Er arbeitet bei der CRB Analyse Service GmbH in Hardegsen. Hier geäußerte Meinungen sind meine eigenen

7 Kommentare

  1. Super …

    Habe heute früh die Meldung auf Scienxx gelesen, der Artikel war aber nicht so vielsagend. Vielen Dank für die Erklärung und die gute Darstellung … und keine weiteren Fragen ^^

  2. @ Ries

    Ich weiss zwar nicht, ob es mir was nützt, aber ich bin erneut ein Stück klüger und der Geologie geneigter geworden.
    Danke!

  3. RD

    Ich schließe mich den vorherigen Kommentaren an.

    ‘Man sollte aber, … die bekannten Riesencalderen und die schlummernden “Super”-Vulkane überwachen.’
    Finde ich auch. Hat man nur noch Jahrzehnte bis zum Weltuntergang, sollten sich doch die wenigstens Rentenversichrungsbeiträge reduzieren lassen.

  4. Überwachung

    Eine Überwachung ist sinnvoll , um Menschen in der Nähe zu retten.
    Wie aber können wir uns vor langjährigen Klimaveränderungen und Missernten im Gefolge eines solchen gigantischen Ausbruchs retten?

  5. @Ch

    Wenn wir Jahrzehnte Zeit haben: Durch Umstrukturierung der Wirtschaft. Schau dir an, was in den letzten 2 Jahrzehnten in Sachen Klimawandel passiert ist: Vom Freak-Thema zu einer ernsthaften Politikkomponente. So aehnlich kannst du dir das dann auch fuer die Supervulkane vorstellen (inklusive der Vulkan-Denier, fuer die das alles eine Verschwoerung ist). 😉

  6. Pingback:Der Laacher See - wie geht es weiter? » Mente et Malleo » SciLogs - Wissenschaftsblogs

  7. Die 20 irdischen Supervulkane gefährden die menschliche Zivilisation mehr als etwa Asteroideneinschläge, ist doch mit einem Ausbruch alle 100’000 Jahre zu rechnen und jeder Ausbruch würde neben den unmittelbar Millionen getöteten Menschen in der Nähe des Vulkans zu Ernteausfällen mit Milliarden Verhungernden führen, reichen die Weltnahrungsvorräte doch nur 71 Tage.
    Doch Ausbrüche von Supervulkanen könnten vollkommen verhindert werden indem man die Wärmezufuhr zu den Magmakammern reduziert, indem man die Wärme mit seitlichen tiefengeothermischen Bohrungen, die unt die Magmakammern reichen, abführt. Bei Yellowstone müssten gemäss NASA etwa 6 Gigawatt abgeführt werden.

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