Viele Welten oder Kollaps?

BLOG: Quantenwelt

Gedanken eines Experimentalphysikers
Quantenwelt

Es gibt mehrere Ebenen auf denen man physikalische Formeln interpretieren kann. In den letzten Beiträgen zu Schrödingers Katze und zur Verschränkung habe ich mich auf die rein pysikalische Interpretation beschränkt. Innerhalb der Physik sind Interpretationen unverzichtbar. Wir müssen zu jedem Element einer mathematischen Formel eine Interpretation dafür entwickeln, was dieses Element in der wahrnehmbaren physischen Welt beschreibt. So beschreibt das elektrische Feld eine normierte Aussage darüber, welche Kraft man an jedem Ort messen würde, hätte man dort einen geladenen Probekörper.

Ähnlich ist es bei der Wellenfunktion in der Quantenmechanik: Die Wellenfunktion beschreibt die vollständige Entwicklung eines Systems; ihr Betragsquadrat ergibt die Wahrscheinlichkeit, das System in einem bestimmten Zustand zu messen. Diese Interpretation ist die Standardinterpretation der Quantenmechanik und wurde von Max Born eingeführt, der dafür den Nobelpreis erhielt.

Nun gibt es eine kleine aber lautstarke Gruppe von Physikern und interessierten Laien, die die Standardinterpretation der Quantenmechanik vehement ablehnt. Sie bevorzugt die Viele-Welten-Interpretation von Hugh Everett III, oder viel seltener die Bohmsche Mechanik. Um mich einmal näher mit der Viele-Welten-Interpretation auseinandersetzen zu können, hab ich mir das neue Buch von H. Dieter Zeh Physik ohne Realität durchgelesen.*

Das Buch ist eine sehr gute Anschaffung für alle, die sich gerne ausführlich mit der Viele-Welten-Interpretation auseinandersetzen möchten.+ Dabei denke ich aber, dass man bereits recht firm in der Quantenphysik sein sollte. Das Buch ist kein Lehrbuch. Auch wenn einige Kapitel ohne Formeln auskommen und polulärwissenschaftlich wirken, dürfte es für Anfänger nicht leicht sein, die Aussagen tatsächlich nachzuvollziehen.

Eine ähnliche Einschränkung gilt natürlich auch für diesen Artikel. Ich kann hier also auch nur in Kurzform die Viele-Wellten-Interpretation vorstellen und einordnen, ohne sie im Detail begründen zu können.

Dekohärenz

Quantenprozesse zeichnet Kohärenz und Verschränkung zwischen verschiedenen Teilen der Wellenfunktion aus. Eine Wellenfunktion ist im allgemeinen nicht eine Funktion über klassische Orte und Impulse eines Teilchen. Sie beschreibt alle messbaren Zustandsgrößen eines ganzen Systems von Teilchen und Feldern. Dabei ist die Unterscheidung von Feldern und Teilchen recht künstlich. Alle durch die Quantenmechanik beschriebenen Felder lassen sich quantisieren und haben somit auch Teilchencharakter.

Wir scheinen aber in einer klassischen Welt zu leben, in der Quanten-Verschränkungen zwischen Teilchen keine Bedeutung haben. In der verschiedene Teilchen unabhängig voneinander existieren. Das wird heute ziemlich übereinstimmend mit dem Vorgang der Dekohärenz erklärt: Alle klassischen Vorgänge finden in einer Umgebung von zahllosen Atomen statt, die alle mit den untersuchten Objekten wechselwirken. Diese Wechselwirkungen zerstören nun sehr schnell und effektiv jede messbare Verschränkung zwischen voneinander entfernten Teilchen. Aus der maximal verschränkten Quantenwelt kondensiert sozusagen die verschränkungsfreie klassische Welt durch Wechselwirkung mit einem Wärmebad vieler Atome.

Die Kondensation des Messausgangs wird in der Standardinterpretation der Quantenmechanik mit dem Kollaps der Kopenhagener Deutung gleichgesetzt: Wenn die Verschränkung des Ausgangszustands durch Wechselwirkung mit der Umgebung verloren ist, dann kann man mit einer reduzierten Wellenfunktion weiterrechnen. Eine praktisch veranlagte Physikerin wird das auch so machen. Es gibt keinen Grund, mit einer Gesamtwellenfunktion weiterzurechnen, die die Umgebung auch noch beinhaltet. Und in der Regel ist es auch nicht durchführbar. Nach Durchgang einer Wellenfunktion durch einen Polarisator kann man zum Beispiel mit einer polarisierten Welle weiterrechnen. Was mit dem unpolarisierten Anteil weiter passiert, muss nicht bedacht werden.

In diesem Punkt wiedersprechen die Vertreter der Viele-Welten-Interpretation auch gar nicht. Praktisch funktioniert eine Viel-Welten-Quantenmechanik genau wie eine Kopenhagener Quantenmechanik. Die Physik, nämlich die Wissenschaft von wahrnehmbaren Naturphänomenen, ist die selbe. Viele-Welten-Vertreter messen genau dasselbe wie Kollaps-Vertreter.

Viele Welten statt Kollaps

Der Unterschied zwischen der Kopenhagener Deutung und der Viele-Welten-Interpretation liegt außerhalb der Physik. In der Ontologie, der Lehre von dem Sein. Die Frage ist, ob die nicht realisierten Möglichkeiten in der Wellenfunktion tatsächlich nach der Messung verschwunden oder nur unerreichbar geworden sind. Nach der Kopenhagener Deutung bricht die Wellenfunktion durch Dekohärenz zusammen so dass sie durch eine reduzierte Wellenfunktion ersetzt werden kann. Aus einer Wahrscheinlichkeitsverteilung von Messwerten ist ein realisierter Messwert geworden. Jede weitere Messung findet unter Voraussetzung des bereits Realisierten statt.

Nach der Viele-Welten-Interpretation kollabiert eine Wellenfunktion nie. Durch die Dekohärenz spaltet sie sich nur immer weiter in parallele Realitäten auf. Diese Einzelnen Realitäten können nicht mehr miteinander wechselwirken, weil so viele Teilchen beteiligt sind, dass ein kohärentes Wiederzusammenfließen praktisch ausgeschlossen ist. Die ständige Wechselwirkung aller Teilchen des Universums miteinander sorgt für immer weitere Aufspaltung der ursprünglichen Wellenfunktion in faktisch getrennte Realitäten. Aber diese Realitäten werden nie unabhängig. Sie sind stets vollständig durch eine Gesamtwellenfunktion beschrieben, die sich aus der ursprünglichen Wellenfunktion stetig und deterministisch entwickelt hat.

Die Wahrscheinlichkeit ein Ereignis zu messen, wie wir sie in der Standard-Quantenmechanik berechnen, wird in der Viele-Welten-Interpretation zu einer Gewichtung der Welten, in der dieses Ereignis gemessen wurde. Die Realität der Standard-Quantenmechanik wird zu einem Teil der Realität in einem Multiversum.

Missverständnisse

Die Viele-Welten-Interpretation wird oft missverstanden. Weil sie mit allen Aussagen der Standard-Quantenmechanik übereinstimmt, lässt sie ebensowenig wie diese Raum für esoterische Spekulationen. Die Wellenfunktion entwickelt sich auch in der Viele-Welten-Interpretation deterministisch und kann nicht etwa durch Gedankenkraft in eine bestimmte Richtung beeinflusst werden. Wünsche an das Universum können also auch Viele-Welten-Anhänger für sich behalten.

Außerdem stimmt die oft gehörte Ansicht nicht, jedes denkbare Universum sei in der Viele-Welten-Interpretation realisiert. Tatsächlich sind nur die Ereignisse realisiert, die sich aus den Anfangsbedingungen des Universums ergeben. Also aus der globalen Start-Welllenfunktion. Das ist eine wesentliche Einschränkung.

Zuletzt schließt die Viele-Welten-Interpretation Interaktionen zwischen Parallelwelten aus. Diese sind genau so Science-Fiction wie Zeitreisen. Die Kluft zwischen Paralleluniversen ist unüberwindbar.

Gegenargumente und Erwiderungen

Diese Unüberwindbarkeit macht die Viele-Welten-Interpretation angreifbar. Wenn die parallelen Welten nicht mehr mit unserer wechselwirken können, so fragen wir, inwiefern sind sie dann realer als eine erfundene Geschichte. Die Befürworter der Viele-Welten-Theorie halten dagegen, dass ihre Interpretation auf einen echten Kollaps der Wellenfunktion verzichten kann. Sie mache keine weiteren Annahmen und sei deshalb der Standard-Interpretation vorzuziehen.

Außerdem verweist H. Dieter Zeh auf die allgemeine Relativitätstheorie. Dort wendet man die Physik auch auf das innere von Schwarzen Löchern an, aus denen uns keine Information erreichen kann. Wenn man die Realität der parallelen Welten leugne, so Zeh, müsse man konsequenter Weise auch dem Raum im inneren eines Schwarzen Lochs die Existenz absprechen.

Real oder nicht?

In einem gewissen Sinne tue ich genau das. Meine Herangehensweise an solche weltanschaulichen Fragestellungen ist pragmatisch. Ich versuche in meinen Blogs streng zu unterscheiden zwischen Dingen, die wir wissen können, und Spekulationen. Dass es die vielen Parallelwelten der Viele-Welten-Interpretation gibt, ist Spekulation. Dass es einen tatsächlichen Kollaps der Wellenfunktion durch Dekohärenz gibt, ist auch Spekulation. Aber dass wir mit der Quantenmechanik unter Hinzunahme der Wahrscheinlichkeits-Interpretation von Max Born sehr genaue Vorhersagen von Messergebnisse machen können, ist keine Spekulation. Das ist Physik.

Die Wahrscheinlichkeits-Interpretation ist die erste, rein physikalische Interpretation der Wellenfunktion. Die Annahme, entweder der Kollaps oder die nicht messbaren parallelen Welten seien real, ist eine darüber hinausgehende philosophische Spekulation. Das kann spannend sein, darf uns aber nicht daran hindern, an der physikalischen Forschung weiterzuarbeiten. Aus meiner Sicht ist es wichtig, gerade im polulärwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen physikalischen Aussagen, die experimentell zugänglich sind, und philosophischen Spekulationen zu unterscheiden.

Anmerkungen

*Ich möchte bei dieser Gelegenheit den Springer-Verlag für das Rezensionsexemplar und Stefan Taube vom Science-Shop für die Organisation danken.

+Eine Einschränkung zur Buchempfehlung muss ich noch machen: Das Buch ist eine Kollage von Beiträgen, die in ähnlicher Art anderswo, zum Teil frei im Internet, veröffentlicht wurden. Echte Kenner der Aufsätze Zehs dürften also wenig Neues in diesem Buch finden.

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

www.quantenwelt.de/

Joachim Schulz ist Gruppenleiter für Probenumgebung an der European XFEL GmbH in Schenefeld bei Hamburg. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann in der Quantenoptik, in der er die Wechselwirkung einzelner Atome mit Laserfeldern untersucht hat. Sie führte ihn unter anderem zur Atomphysik mit Synchrotronstrahlung und Clusterphysik mit Freie-Elektronen Lasern. Vier Jahre hat er am Centre for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg Experimente zur kohärenten Röntgenbeugung an Biomolekülen geplant, aufgebaut und durchgeführt. In seiner Freizeit schreibt er zum Beispiel hier im Blog oder an seiner Homepage "Joachims Quantenwelt".

52 Kommentare

  1. Schöner. Aber auch besser?

    Gut geschriebener Artikel der für mich aber die Frage offenlässt, was die Vielewelteninterpretation überhaupt bringt. Wenn die sich abspaltenden Realitäten in keiner Weise interagieren, können wir sie mit Fug und Recht ignorieren. Es bleibt allenfalls eine schönere Theorie übrig – wer will sich schon mit einem Kollaps zufriedengeben?

  2. Viele-Welten-Interpretation

    Die sich abspaltenden Realitäten, die in keiner Weise mit uns interagieren, erklären sehr genau, warum bei uns etwas ganz bestimmtes geschieht.

    Alles was überhaupt geschehen kann, das geschieht auch irgendwo, aber natürlich nicht alles hier bei uns.

    Das erklärt zum Beispiel auch die lebensfreundliche Abstimmung der Naturkonstanten.

  3. “Außerdem verweist H. Dieter Zeh auf die allgemeine Relativitätstheorie. Dort wendet man die Physik auch auf das innere von Schwarzen Löchern an, aus denen uns keine Information erreichen kann. Wenn man die Realität der parallelen Welten leugne, so Zeh, müsse man konsequenter Weise auch dem Raum im inneren eines Schwarzen Lochs die Existenz absprechen.”

    Das stimmt schon, aber es wird auch immer auf die Unzulässigkeit (nach den gängigen Theorien) hingewiesen, dass eben Berechnungen über das Innere Schwarzer Löcher nicht falsifizierbar sind und deswegen diese Berechnungen auch keine wissenschaftlichen Theorien sein können.
    Ich weiss nicht ob sich Zeh mit dieser Argumentation eine Freude macht, denn mit dem Vergleich sagt er selbst, dass die Theorie der “Viele Welten” keine wissenschaftliche Theorie sein kann.

    Es ist wohl auch eine Streitsache, was nun weniger Annahmen bedeutet. Das postulieren von unendlich vielen, nicht überprüfbaren Welten ist ja auch nicht wenig. 😉

    Auch gibt es doch in der Quantenfeldtheorie Modelle, wo (wissenschaftliche, also falifizierbare) Aussagen über das innere von Schwarzen Löchern getroffen werden können und das ist noch Gegenstand aktueller Forschung – soweit ich das verstanden habe.
    Aber die “Viele Welten” schliesst selbst aus, dass jemals Informationen von einem dieser Paralleluniversen in unseres gelangen kann. Sie sagt also selbst, dass es unmöglich ist diese Theorie zu überprüfen und damit ist sie keine wissenschaftliche Theorie – egal ob Andere das Innere von Schwarzen Löchern berechnen.

    In Wirklichkeit ist es (teilweise!) ein nicht beantwortbares ontologisches Problem, die Broglie–Bohm Theorie trifft die selben Vorhersagen, wie die Kopenhagener Deutung. Das sich gerade letztere durchgesetzt hat, ergab sich doch aus dem Einfluss Heisenbergs und Bohrs. Die Broglie–Bohm Theorie hat ihre Schwächen, aber ebenso der Nichtdeterminismus der Kopenhagener Deutung.

    De Broglie hat aber durchaus interessante Gedankenexperimente erdacht, wo er die Vollständigkeit der Quantenmechanik in Frage stellte. Zb das Schachtel-Paradoxon, das eben nicht mit der Schrödinger-Gleichung beschrieben werden kann. Und nur Sinn ergibt (wenn man die Quantenmechanik als vollständig annimmt), wenn die Existenz von Objekten von einem subjektiven Messvorgang abhängt. Die Bohmsche Mechanik ergibt da (meiner [Nicht-Physiker ;-)] Meinung nach) eine befriedigerende Erklärung.

  4. Frage

    Seh’ ich das richtig, wenn ich sage, dass die Vertreter der Multiversen sich an dem Satz “aus einem Etwas kann nicht Nichts werden” festhalten, wohingegen die Kollapsvetreter eher “Berkeley-isch” argumentieren: “Sein heisst wahrgenommen werden/interagieren”?

    Wenn man das so sagen kann, dann haben wir es, wenn ich es recht verstanden habe, mit der Kollision zweier Axiome zu tun, und mit einem “System” (Uni- vs. Multiversum), das es uns nicht erlaubt, den Widerspruch aufzulösen.

    Liege ich falsch, wenn ich da an Gödel denken muss?

  5. @Helmut Wicht

    Ja, so ähnlich verläuft die Diskussion.

    Allerdings bezweifeln die Kollaps-Interpretatoren zumeist schon, dass beim Kollaps “aus einem Etwas ein Nichts wird”. Schließlich würde ja bei der Ziehung der Lottozahlen auch niemand darauf kommen, der Vorgang des Zahlenziehens würde 13 Millionen potentielle Ausgänge einfach vernichten.

    Die Wellenfunktion stellt zweifellos ein Etwas dar. Schließlich können Wellenfunktionen miteinander wechselwirken. Aber es ist unklar, ob es einen Erhaltungssatz für Wellenfunktion gibt. Warum sollte sie nicht zerfallen.

    Auch die Aussage Berkeleys kann man etwas aufweichen: Was nicht messbar/wahrnehmbar ist mag es geben, aber es ist kein Gegenstand physikalischer Forschung.

  6. @ Joachim

    Danke für die Replik. Es ist sicherlich im Sinne der Physik als Naturwissenschaft klug, der Zuspitzung des Problems, die ich vorschlug, ein wenig von der Schärfe zu nehmen, so wie Du es tatest.

    Im Sinne der Metaphysik ist es, glaub’ ich, aber erlaubt, so zuzuspitzen.

    (Ich bin momentan mal wieder auf’m metaphysischen Trip. “Joker” hat mir L. Lütkehaus’ Buch “Nichts” empfohlen, das ich gerade mit grosser Wonne lese, und das ich nur weiterempfehlen kann. Und, wenn ich nun Deinen [schönen, bravo!] Aufsatz lese, derweil mir die Philosophie des Nichts und ihre Aporien im Kopf herumgehen, frag’ ich mich, warum die Physiker sich eigentlich so [ungern?] eingestehen, dass sie oft vor den offenen Pforten der Metaphysik stehen, aber es nicht wagen – mit Rücksicht auf ihren guten Ruf als Naturwissenschaftler – hindurch zu gehen. Freilich müssten sie dazu die Seinsverliebtheit (ich wollte nicht “Positivismus” sagen, das klingt so despektierlich) der Physik abwerfen. Das wird’s wohl sein … und man kann’s ihnen ja nicht mal verübeln.)

  7. Weitere Fragen

    Neben meiner ersten Frage:

    “Was ist das Schachtel-Paradoxon?”

    Habe ich inzwischen eine zweite Frage entwickelt:

    Handelt es sich bei der theoretisch angenommenen Aufspaltung in zwei Paralleluniversen um eine Halbierung oder um eine Verdoppelung der zur Verfügung stehenden Masse?

    Rein physikalisch wäre eine Halbierung der Masse viel wahrscheinlicher.

    Dann würden wir in einer von vielen Schattenwelten mit 0,001 Prozent Realitätswahrscheinlichkeit umher irren.

  8. QKarl Bednarik Viele Welten

    kleine Verständnisfrage:

    Ich hatte gedacht, die “Viele Welten-Interpretation” der Quantentheorie hätte nichts mit dem “Multiversum”, das man annimmt, um die “Feinabstimmung” das Naturkonstanten zu erklären, zu tun. Täusche ich mich da?

    Christoph Deblon

  9. Kollaps oder Aufspaltung ?

    In beiden Fällen postuliert man einen Elementarakt (eine “Wechselwirkung” – was immer das sein mag), mit dem die gedachte (unbeobachtbare) Realität in die faktische übertritt. Es ist doch egal ob dieser Akt in einem Kollaps oder einer Aufspaltung der Wellenfunktion besteht, ist doch beides unverstanden -und mathematisch offenbar unzugänglich.

    Gerade das Letztere verwundert mich, denn auf mathematische Kunststücke versteht sich die Physik doch bestens.

    Im Ernst: das Problem, wie aus verdichteten Wahrscheinlichkeiten in einem Grenzübertritt Gewissheiten werden,
    scheint mir auf den ersten Blick nicht so schwer, mathematisch zu formulieren.
    Die geeignete physikalische Interpretation wird sich dann schon finden.

    Ist das schon mal versucht worden ?

    Grüsse
    Bernd

  10. @Schachtel-Paradoxon

    @Helmut Wicht: Mit praktisch jeder Erklärung steht man vor den Pforten der Metaphysik – Bsp.: Mir ist heute ein Stein auf dem Kopf geflogen (zum Glück nicht wirklich), das ist wegen meiner negativen Gedanken.

    Und PhysikerInnen “wagen” es deswegen nciht hindurch zu gehen, weil sie WissenschaftlerInnen sind. Wissenschaftliche Aussagen müssen falsifizierbare Aussagen sein, die Mataphysik widerspricht diesen Anspruch.
    Positivismus hat auch ncihts mit Selbstverliebtheit zu tun, Positivismus ist die Forderung, Erkenntnis auf positive Befunde zu beschränken. Also nicht Theorien zu hinterfragen, sondern die Verifizierung als Fortschritt auf den Weg der Wahrheit anzusehen. NaturwissenschaftlerInnen sind aber keine PositivistInnen, sondern FalsifikationistInnen und lehnen auch die Erreichbarkeit von Wahrheit ab. MetaphysikerInnen sind oftmals PositivistInnen.

    @Karl Bednarik: Schachtel-Paradoxon: Auch das de-Brogli-Box-Paradox. (Ich hoffe ich kann das halbwegs entsprechend erkläären, aber ich behelf mir aus Lehrbüchern – wenn ich als Unisnn rede, dann sind die Lehrbücher falsch udn nicht meine miserable Erklärungskunst… ;-))

    Ein Teilchen befindet sich im Inneren einer quaderförmigen Box. Sein Zustand sei der maximaler Ortsunschärfe – für jeden Ort in der Schachtel besteht die gleiche Aufenthaltswahrscheinlichkeit.

    Die Box wird nun durch einen Schieber halbiert und in zwei Schachteln getrennt. Vorraussetzung für das Gedankenexperiment ist die völlig symmetrische Trennung der Box, in diesem Fall gibt es in beiden getrennten Boxen die gleiche Aufenthaltswahrscheinlichkeit für das Teilchen.

    Nun wird eine der beiden Boxen von der anderen entfernt und geöffnet. Findet man das Teilchen in einer Box (B(1)), so kann es nicht in der anderen Box sein (B(2)). Die Wellenfunktion B(2) muss nun in ¨ = 0 abgeändert werden. Wenn B(1) aber leer ist, muss die Amplitude in B(2) verdoppelt werden.

    Bis zur Öffnung der einen Box ist ungewiss, zu welchen Ergebnis eine Öffnung der anderen Box führt. In dem Moment wo aber eine Box geöffnet wird, ist eindeutig bestimmt zu welchem Ergebnis das Öffnen der anderen führen wird. Die Bestimmung des durch ¨ beschriebenen Teilchenzustand (An- oder Abwesenheit des Teilchens) in einer Box führt nach der üblichen Interpretation der Quantenmechanik (Kollaps der Wellenfunktion) zur sofortigen (instanten) Zustandsänderung in einer anderen Box. Und das bei beliebiger Entfernung der Boxen, die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist also unendlich.

    Dafür kann aber nicht die unendliche Ausbreitungsgeschwindigkeit der Front eines durch die Schrödinger-Gleichung beschriebenen Wellenpaket verantwortlich sein. Mit dieser unendlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit kann sich nur ein Teil des Wellenpakets ausbreiten, der größte Teil muss sich mit der Gruppengeschwindigkeit bewegen und diese ist relativ zur Schachtelhälfte sogar null. Bei hohen Geschwindigkeiten müsste zudem eine relativistische Wellengleichung herangezogen werden und bei dieser Lösung bewegt sich auch die Frontgeschwindigkeit mit Lichtgeschwindigkeit.

    Einfachste Lösung wäre es, wenn schon bei der Trennung der Anfangs-Box festgelegt wird, in welche von den beiden Boxen sich das Teilchen befindet. Bei einem Experiment mit einem klassischen Teilchen, bei dem die Anfangs-Box so geschüttelt wird, dass die Wahrscheinlichkeitsdichte für das Antreffen des Teilchen überall gleich groß ist, wäre das genau so.
    Das ist aber in einer quantenmechanischen Beschreibung des Experiment nicht möglich: in der Anfangs-Box führt die symmetrische Trennung nicht zum Verschwinden der Wellenfunktion in der der einen Teil-Box und zur Verdopplung in der anderen Teil-Box, sondern zu einer symmetrischen Aufteilung der Wellenfunktion. Wenn aber doch schon bei der Trennung der Schachtel die Aufenthaltsposition des Teilchen feststehen, dann ist die Information nicht in der gleichmäßig aufgeteilten Wellenfunktion. Dazu bräuchte es eine weitere Information des Teilchenzustand (im Experiment mit dem klassischen teilchen wäre das die – dem Beobachter unbekannte – Teilchenposition vor dem Aufteilen der Box). Und die zusätzliche Information wird verborgene Variable genannt. Neumanns striktes Verbot von verborgenen Variablen wird allerdings hinterfragt.

    Eine andere Erklärung ist, dass solange keine lokalisierende Messung am Teilchen vorgenommen wird, es keinen Sinn macht, über Orte des Teilchen zu reden. Erst durch die Beobachtung wird das Teilchen zu einem lokalisierbaren Teilchen. Damit verliert das Teilchen aber jede objektive Relaität, da es seine Existenz von der subjektiven Beobachtung abhängt.

    Eine wiederum andere Erklärung ist, dass sich das Teilchen in beiden Boxen befindet. Das Teilchen wäre damit Nichtlokal.

    Die Bohmsche Mechanik gibt da eine bei weitem bessere Antwort – die ich aber nicht ausführen werde, denn sonst spreng ich leicht die 10.000 Zeichen-Grenze… 😉

    “Bessere Antwort” mit Vorbehalt der anderen Interpretationen, die wollte ich mir schon immer mal genauer ansehen, finde aber keine Zeit dafür – mal der Einfachkeit aus Wiki kopiert: http://en.wikipedia.org/…ns_of_quantum_mechanics

    4.1 Classification adopted by Einstein
    4.2 The Copenhagen interpretation
    4.3 Many worlds
    4.4 Consistent histories
    4.5 Ensemble interpretation, or statistical interpretation
    4.6 de Broglie–Bohm theory
    4.7 Relational quantum mechanics
    4.8 Transactional interpretation
    4.9 Stochastic mechanics
    4.10 Objective collapse theories
    4.11 von Neumann/Wigner interpretation: consciousness causes the collapse
    4.12 Many minds
    4.13 Quantum logic
    4.14 Quantum information theories
    4.15 Modal interpretations of quantum theory
    4.16 Time-symmetric theories
    4.17 Branching space-time theories

  11. @eigener Artikel

    Sorry für die Rechtschreibfehler, ich hab den falschen Text reinkopiert und nicht den durch das Rechtschreibpogramm ausgebesserten… 😉

  12. @Bernd

    Mathematisch ist der Kollaps eigentlich recht einfach. Die Wellenfunktion wird nach der Messung reduziert auf den Anteil, der mit der Messung kompatibel ist. Die Messung wirkt also wie ein Filter, der nur einen teil der Wellenfunktion hindurchlässt.

  13. Schachtel-Paradoxon

    Ich finde das Schachtel-Paradoxon ziemlich unergiebig. Es eignet sich nicht zwischen einer Quantentheorie und einer klassischen Theorie, nach der das Teilchen von Anfang an in einer der Schachteln war, zu unterscheiden. Da ist das EPR-Paradoxon, das ich in einem früheren Beitrag erläutert habe, zielführender. Das schließt über die bellschen Ungleichungen eine ganze klasse von klassischen Interpretationen aus.

  14. @Joachim

    Hinsichtlich de Broglie-Bohm ist das “Schachtel-Paradoxon” (nennt man das wirklich so auf Deutsch?) vielleicht doch nicht ganz so unergiebig. Es ist immerhin ein Gedankenexperiment von Einstein.

    Vgl. dazu auch http://arxiv.org/abs/quant-ph/0404016
    (Habe dies zwar nicht gelesen, es fehlt mir gerade auch die Zeit dazu. Kann also nicht wirklich sagen, ob das Paper nützlich ist.)

  15. Schachteln

    Schachteln und andere Systeme.

    Man kann zum Beispiel die beiden Hälften der Schachtel nur höchstens mit Lichtgeschwindigkeit von einander entfernen.

    Die Information, was nun in welcher Hälfte der Schachtel drinnen war, kann einen dann ebenfalls nur höchstens mit Lichtgeschwindigkeit erreichen.

    Ein oder zwei Raum-Zeit-Diagramme mit reflektierten oder verschränkten Photonen:

    http://members.chello.at/….bednarik/VERSPHOT.PNG

    Da ist nichts nichtlokales oder gar überlichtschnelles drinnen.

  16. @ Gustav

    Ich hab’, bitteschön, nicht von “Selbstverliebtheit” sondern von “Seinsverliebtheit” geschrieben. Und inwiefern das Gleichnis vom Stein, der mir auf den Kopf fällt, weil ich negativ denke, einen metaphysischen Gehalt hat, das müsste man mir noch erklären. Der Apfel fiel Newton ja auch nicht auf den Kopf, weil er gerade an die Gravitation dachte, HINTERHER fiel die ihm ein. Die Vertauschung von Ursache und Wirkung bzw. die Behauptung von allerlei Esoterika sind keine Metaphysik, sondern Stuss.

    Die Metaphysik fängt – so wie die ganze Philosophie – mit der Verwunderung an (Plato). In diesen (quantenmechanischen) Fällen mit der Verwunderung darüber, dass es keine überprüfbaren Antworten gibt, dass wir – wenn ich es in einem Bild sagen darf, denn ich kann es nicht anders – sozusagen auf ein “Loch” im Gewebe des Seins gestossen sind, das sich zum einen nicht stopfen lässt (es gibt keine verborgenen Variablen, die das seltsame Verhalten mancher Teilchen erklärenv würden), das Loch gestattet aber auch keine (falsifizierbaren) Ausblicke auf etwas ganz anderes, etwas ausserhalb des Seins, ist also gerade _nicht_ das Loch, das in den berühmten Holzschnitt hier:

    http://tinyurl.com/7g8c5u6

    gezeigt ist. Wir gucken nicht auf die Weltmechanik, und ich glaueb auch nicht, dass durch diese Löcher irgendetwas hineinkommt (der liebe Gott oder der freie Wille oder sonstwer).

    Metaphysik, so wie ich sie gerne verstehen würde, ist

    a) die logische und normative Löchrigkeit der Welt (auch auf anderen (Makro)ebenen) zu konstatieren (ens et bonum NON convertuntur (Schopenhauer), ens et logos NON convertuntur (Quantenphysik, wenn ich es recht verstehe), und damit ist der Positivismus imho logisch und moralisch erledigt. Das ist eine starke Behauptung (vor allem die letzte), und ich warte darauf, dass man sie mir um die Ohren haut.

    b) und diese Einsicht in das Nachdenken über die Welt mit einzubeziehen. Dass dabei nichts Falsifizierbares herauskommt, ist mir wurscht. Ich will ja nicht den ganzen Tag Naturwissenschaft machen. Mich interessiert nicht nur die Natur. Mich interessiert die Welt.

  17. Okay, sorry, habe mich verlesen (vielleicht war _ich_ gerade zu selbstverliebt beim lesen ;-)).

    @Helmut Wicht: Der Gedanke, der Stein hat mich am Kopf getroffen, weil ich negative Gedanken hatte, ist natürlich ein metaphysischer Gedanke. Weil ich versuche einen Sinn in einem rein physikalischen Vorgang zu erkennen, wo ich keinen Sinn nachweisen kann.

    Metaphysik ist (Aristoteles) die Frage nach dem letzten Sinn in der Welt und klassisch gesehen, können metaphysische Fragen nicht empirisch überprüft werden und sind damit nicht Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis. Aristoteles “tà metà tà physiká” = “das, was hinter der Physik steht”.
    Sie sind nicht ergründbar, nciht überprüfbar, nicht verifzierbar oder falsifizierbar. Möglich, dass die Metzaphysik an der Uni ihren Platz hat, dann aber in der theologischen Fakultät, in den anderen hat sie ncihts verloren.

  18. Nachtrag mit Schachteln

    Zuerst ganz ernsthaft:

    Jedes Ereignis, das an einem bestimmten Ort stattfindet, ist kausal über die Lichtgeschwindigkeit mit diesem Ort zwingend verbunden, ganz gleich ob darin verschränkte Teilchen vorkommen, oder eben nicht.

    Falls dann Signale von wo anders her über dieses Ereignis zurück kommen, dann gehört auch der Ort des Richtungswechsels des Signals kausal zur Geschichte des Ereignisses.

    Selbstverständlich kommt dann das Signal auch immer noch etwas später an.

    Dass etwas gleichzeitig an zwei Orten passiert, das ist nicht so leicht zu behaupten.

    Ich stehe in der Mitte eines Zimmers und schalte eine Glühbirne in der Mitte dieses Zimmers ein.

    Die linke und die rechte Wand des Zimmers werden gleichzeitig erleuchtet.

    Das könnte ich nun einfach glauben.

    Wissen kann ich es erst dann, wenn das von den Wänden reflektierte Licht bis zu mir gelangt ist.

    Wir wollen die beweglichen Zimmer von Albert Einstein gar nicht erst in Betracht ziehen, denn mein Zimmer hat sich glücklicherweise bisher noch nie bewegt.

    Zum Multiversum:

    Alles was geschehen kann, das passiert auch.

    Zum Beipiel gibt es bei uns lebensfreundliche Naturgesetze, und in anderen Universen eben nicht.

    Dort gibt es daher auch niemand, der sich fragen kann, warum bei ihm alles so mühsam ist.

    Endlich wird es lustig.

    Vorsicht, Science Fiction:

    Parallel-Unversen sind von Gestern, wir haben Winkel-Universen:

    Operation Magix

    http://www.e-stories.de/…geschichten.phtml?22464

    Einfach unverzichtbar, das Graf-Hombug-Perry-Rhodan-Parallel-Universum:

    Der Parachron-Zwischenfall

    http://www.e-stories.de/…geschichten.phtml?18616

    Man sollte in Betracht ziehen, dass die Physik nur ein Teilgebiet der Science Fiction ist.

  19. @ Gustav

    “Metaphysik ist (Aristoteles) die Frage nach dem letzten Sinn in der Welt und klassisch gesehen, können metaphysische Fragen nicht empirisch überprüft werden und sind damit nicht Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis. Aristoteles “tà metà tà physiká” = “das, was hinter der Physik steht”.
    Sie sind nicht ergründbar, nciht überprüfbar, nicht verifzierbar oder falsifizierbar. Möglich, dass die Metzaphysik an der Uni ihren Platz hat, dann aber in der theologischen Fakultät, in den anderen hat sie ncihts verloren.”

    Ich habe keine Lust, das weiter mit Ihnen zu diskutieren, da Sie sich (das steht Ihnen natürlich frei) in das Schneckenhaus des Positivismus zurückziehen.

    Ich lass’ das, was sie oben schrieben, aber nicht so stehen. Erstens stammt der Begriff von der “Metaphysik” nicht von Aristoteles, und zweitens ist die Metaphysik kein ausschliessliches Geschäft der Theologen, wie sie insinuieren, sondern durchaus auch eines der Philosophen. Endlich ist ja der Nihilismus, der den Tod Gottes und der Welt behauptet/anstrebt/beklagt ein Stück aus der philosophischen Fakultät, und nicht aus der theologischen.

  20. @Karl Bednarik: Multiversum

    Sie verwechseln hier offenbar die Multiversum-Theorie mit der Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik. Ich habe ja im Artikel explizit geschrieben, dass die Aussage, alles Mögliche sei auch in einer der Welten verwirklicht, in der Viele-Welten-Interpretation nicht stimmt.

    Es ist nur genau all das verwirklicht, was sich aus der Anfangswellenfunktion aufgrund der bekannten Naturgesetze ohne Kollaps entwickelt.

    Multiversen sind eine andere Geschichte.

  21. @Helmut Wicht

    Bitte beschäftigen sie sich mit den Begriffen. Ich bin ein alter Popperianer, also das genaue Gegenteil des Positivismus. Die Metaphysik ist positivistisch, weil sie hier immer nur positive Bestätigung des vorurteilbehafteten Wissen entscheidend ist (“Ich habe ein Erlebnis, das mich Gott näher brachte = positives Erlebnis und Bestätigung meiner Annahme [das es Gott gibt] = Positivismus”).

    NaturwissenschaftlerInnen sind FalsifikationistInnen.

    Die Metaphysik ist klassisch positivistisch. Aber das Angebot nicht mehr weiter zu diskutieren nehme ich gerne und dankbar an, da ich keine Lust auf einen “Positivismusstreit” habe.

    Vielleicht nur zur Ergänzung: der Begriff Metaphysik stammt natürlich aus der aristotelischen Philosophie. Aristotels hat 8 Bände über die Physik geschrieben, einen weiteren Band mit metaphysischen Inhalt wurde diesen Büchern über Physik nachgereiht – daher der Begriff “Metaphysik” (tà metà tà physiká – “hinter der Physik stehend”).
    Diese Reihung wurde von Andronikos von Rhodos vorgnommen, (erstes Jahrhundert vuZ), erst da entstand der eigentliche Begriff Metaphysik, bezieht sich aber eindeutig auf den 9. Band von Aristoteles.

  22. @Joachim:

    Danke für den Link zum Artikel “EPR-Paradoxon”, muss mir den mal in Ruhe durchlesen. Aber ziehlt das de-Brogli-Box-Paradoxon nicht auf etwas anderes ab? In dem geht es ja nicht nur um eine Eigenschaft eines Teilchen, sondern um die Existenz- bzw Nicht-Existenz eines Teilchens?

  23. Hi Joachim,
    die Wellenfunktion beschreibt den unbeobachtbaren Zustand der Welt (exakt leider nur die einfachsten Einteilchensysteme, die anderen näherungsweise). Sie verliert im Moment, in der beobachtete Objekte aus der unbeobachteten Welt in die beobachtete eintreten, abrupt ihre Gültigkeit. Sie ist daher die Mathematik der virtuellen, denkbaren Seins-Zustände. Für den Übertritt fehlt die Mathematik, das glaubwürdige Modell, die überzeugende Theorie. Oder ?
    Die Grenze ist daher das Interessante – eine Grenze mit gewaltiger Seins-Mächtigkeit, mathematisch, physikalisch, philosophisch unerklärt.
    Grüsse Bernd

  24. Hallo Joachim,

    vielleicht sollte ich meine Frage noch ein wenig genauer stellen:

    Es passiert natürlich nichts komplett verrücktes (Steine fallen nach oben), aber es passiert alles, was halbwegs physikalisch plausibel ist (dunkelhaarige Marylin Monroe).

    Der Kollaps der Wellenfunktion muss natürlich zwangsläufig zu verschiedenen Zuständen der Welt führen.

    Es ist nur genau all das verwirklicht, was sich aus der Anfangswellenfunktion aufgrund der bekannten Naturgesetze ohne Kollaps entwickelt.

    Warum eigentlich ohne Kollaps?

    Das eröffnet natürlich einen ziemlich weiten Spielraum.

    Ausserdem gab es am Anfang des Universums ziemlich viele ziemlich energiereiche Wellen.

  25. @Joachim Multiversen =/= Viele Welten

    Danke, diese Vorstellung hatte sich auch in meinem Laienkopf festgesetzt.
    Christoph Deblon

  26. Philosophische Schulen

    Lieber Gustav, Sie irren. Hier die Kurzdefinition für positivism aus der Encyclopaedia Britannica:

    in philosophy, generally, any system that confines itself to the data of experience and excludes a priori or metaphysical speculations.

    Da Quantenwelt ein Physikblog ist und der zu besprechende Beitrag einer über ein spezifisches Problem der Quantentheorie, erspare ich uns allen einen Vortrag über den Positivismus im allgemeinen [s.o.] und im besonderen [Auguste Comte, falls es jemand nachschlagen möchte].

  27. @Dierk

    Die Encyclopaedia Britannica ist ein Nachschlagewerk, so falsch und richtig (wie wir aus Studien wissen) wie Wikipedia. Mein Philosophiestudium und Naturwissenschaftliches Studium (allerdings nicht der Physik) sagt mir etwas anderes. Das gleiche kann ich so über den Positivismus sagen (welchen Maßstab soll da Auguste Comte liefern, wo Positivismus noch eine vollkommen andere Bedeutung hatte?).

  28. Gustav, wieso kommt bei Ihrem Philosophiestudium was Anderes raus, als bei meinem? Oder droppen Sie hier bloß names und Begriffe, die sie mal wo gehört haben?

  29. Danke

    Ich hatte mich ja bei der Katze darüber beschwert, dass die Viele-Welten-Theorie nicht diskutiert wurde und wollte mich kurz für das Nachholen bedanken.

    Alles in allem finde ich ihren Artikel gelungen. ^^

    P.S: Bei den meisten Gedankenexperimenten, die in der Frühzeit der Quantenmechanik enstanden, wird immer ein quantenmechanisches System mit einem klassischen in Wechselwirkung gebracht und dort liegt dann auch der Hund begraben. Was dort passiert (wie auch im Artikel beschrieben) nennt sich Dekohärenz und beschreibt die Verschränkung des qm-Teilchen mit seiner Umwelt, die erstmal per se genauso durch die QM beschrieben werden muss. Und hier werden dann auch die Missverständnisse ausgeräumt.
    Und das schönste an der Sache ist, dass das Phänomen der Dekohärenz keinesfalls interpretationsabhängig ist, sondern empirischer Fakt. 🙂

  30. Eine Laienfrage:

    Lassen sich die Parallel-Universen und die Viele-Welten-Interpretation vielleicht auf diese Weise vereinigen:

    Wenn sich eine Welt bis zu Schrödingers Katze hin entwickelt hat, dann gibt es nur zwei nachfolgende Welten, eine mit einer lebenden Katze, und eine mit einer toten Katze.

    Wenn in der zeitlichen Nähe des Urknalls durch Symmetriebrüche die Naturkonstanten festgelegt werden, dann kann es mehrere nachfolgende Universen mit unterschiedlichen Werten für die Naturkonstanten geben.

    Beide Vorgänge haben gemeinsam, dass eine Wellenfunktion mehrere unterschiedliche Möglichkeiten enthält.


    Die vier Ebenen der Paralleluniversen von Max Tegmark:
    http://space.mit.edu/home/tegmark/crazy.html

  31. @Karl Bednarik: Multiversum/Viele-Welten

    Ich halte wenig von dem Versuch, Multiversum-Theorien und die Viele-Welten-Theorie zu einem gemeinsamen Konstrukt zusammenzuführen. Das kann man zwar machen, aber es ändert nichts daran, dass beides Spekulationen sind. Beides kann zumindest heute noch nicht experimentell überprüft werden und beides kann unabhängig voneinander wahr oder falsch oder einfach unentscheidbar sein.

    Mein Anliegen ist es, Spekulationen klar von überprüfbaren Theorien zu trennen. Auch bei überprüfbaren Theorien ist unser Wissen begrenzt, weil wir nicht wissen, ob es eine andere Theorie geben könnte, die gleiche Erklärungskraft hat. Aber es ist nun einmal ein Unterschied, ob eine Theorie falsifizierbare Ergebnisse bringt, oder ob sich ihre Aussagen auf einen der Beobachtung unzugänglichen Bereich beziehen.

  32. Pingback:Subjektive Wellenfunktion › Quantenwelt › SciLogs - Wissenschaftsblogs

    • Hallo Dr. G., sie schreiben auf der Webseite unter “Physik / Paradoxes zur Zeit”
      “Merke: Nur Beschleunigung macht Uhren langsamer”
      Da stimmt was nicht – Grüße Senf

      • Hallo Herr Senf,
        man hat zu unterscheiden zwischen den subjektiven Sichten zweier Beobachter und dem, was objektiv ist.

        Mir ist das auch erst aufgegangen, nachdem ich Bücher von Martin Bojowald: Zurück vor den Urknall (2012) und Martin Carrier: Raum-Zeit (2009) gelesen hatte.

        Die relevanten Zitate daraus finden sich in zwei meiner Notizen (Beitrag 2113-1 und, ihm unmittelbar folgend, Beitrag 0-38) ab Stelle http://greiterweb.de/zfo/Erkenntnisse.htm#msgnr2113-1

        Carrier spricht es aus: “Deutlich wird, dass die relativistische Längenkontraktion eine Folge des V e r f a h r e n s der Längenmessung ist”. Und natürlich gilt für die Zeitdilation genau das Gleiche (in der SRT wenigstens, dann also, wenn keine Beschleunigung mit ins Spiel kommt).

        Bojowald sagt es ähnlich deutlich: “Wenn wir uns beim Betrachten einer Situation schneller bewegen als ein zweiter Beobachter, so e r s c h e i n e n uns räumliche und zeitliche Abstände in den beobachteten Ereignissen anders als diesem”.

        Paradoxa wie das in Beitrag 0-38 diskutierte hätten sonst ja auch gar keine Lösung.

        Oder wie erklären Sie es sich, dass zwei sich schnell voneinander entfernende Uhren die jeweils andere langsamer gehen sehen? Was sie (nur scheinbar) langsamer macht ist doch nur die Zeit, die das Licht benötigt, die Entfernung zwischen beiden zu überbrücken.

          • Hallo Herr Senf,

            vielen Dank für den Hinweis auf die Seite von Joachim Schulz.

            Aber ist Ihnen nicht auch aufgefallen, dass der Titel seiner Seite https://scilogs.spektrum.de/quantenwelt/nicht-die-beschleunigung-macht-die-zeit/ (welcher lautet: » Nicht die Beschleunigung macht die Zeit «) genau das Gegenteil von dem behauptet, was er selbst am Ende seiner Seite http://www.relativitätsprinzip.info/experimente/maryland-experiment.html über die Ergebnisse des Maryland-Experiments sagt (ich zitiere): » Wie das folgende Bild aus der Original-Veröffentlichung zeigt, war die Messung genau genug um nachzuweisen, dass die Uhren tatsächlich um so schneller gingen, je weiter sie aus dem Gravitationsfeld der Erde heraus waren «.

            Die Geschwindigkeit, mir der sie in den 3 unterschiedlichen Höhen unterwegs waren, hat dabei nur insofern eine Rolle gespielt, als sie natürlich korrespon-diert zur Beschleunigung, die notwendig ist, die jeweilige Kreisbahn um die Erde einzuhalten).

            PS: Zeitdilation im Sinne der SRT ist tatsächlich nur ein beobachter-spezifisch subjekter Effekt (der darauf zurückzuführen ist, dass durch zwei Uhren an ihn abgesandte Signale mehr oder weniger lange unterwegs sind in Abhängigkeit davon, wie weit jede einzelne von ihm entfernt ist).

            Gruß, GG

          • Noch ein Argument:

            Dass als Ursache für langsamer gehende Uhren (im Sinne der ART) auf keinen Fall deren Geschwindigkeit in Frage kommt, folgt allein schon aus der Tatsache, dass es gar keinen absoluten Geschwindigkeitsbegriff gibt:

            Wer von der Geschwindigkeit eines Objekts X spricht, meint damit stets seine Geschwindigkeit relativ zu einem anderen, gegebenen Objekt Y.

            Es hat dann aber Y relativ zu X eben dieselbe Geschwindigkeit.

            Und genau deswegen ergibt sich in der SRT: Sieht X die Uhr von Y angsamer (bzw. schneller) gehen als seine eigene, so sieht umgekehrt Y die von X um eben denselben Prozentsatz langsamer (bzw. schneller) gehen.

            Beider Beobachtung definiert sich also rein subjektiv.

            Erst die ART kommt auf den Kern der Sache, da sie mit Beschleunigung — einem  n i c h t  relativem Begriff — operiert.

      • Hallo Dr. G. “Erst die ART kommt auf den Kern der Sache, da sie mit Beschleunigung — einem n i c h t relativem Begriff — operiert.”
        Nein, die ART relativiert nochmal – Grüße Senf

        • Ok, Herr Senf,

          Sie haben recht. Ich hätte besser sagen sollen “Erst die ART kommt wirklich auf den Kern der Sache, da sie mit Beschleunigung (Raumkrümmung) operiert”.

          Ist in http://greiterweb.de/zfo/Erkenntnisse.htm#msgnr0-66 nun auch so ausgedrückt.

          Habe Joachim Schulz gebeten, mir Fehler in jener Kritik seiner Meinung nachzuweisen … Warten wir also mal auf seine Antwort dort (https://scilogs.spektrum.de/quantenwelt/nicht-die-beschleunigung-macht-die-zeit/#comment-7924).

          Gruß, GG

  33. Viele-Welten-Afficionados neigen zur Überinterpretation vor allem was den Moment und die Konsequenzer der Aufspaltung in mehrere Welten angeht. Sean Carroll (Philosoph, ehemaliger Physiker) ist so einer. Für einen Laien wie mich schien sein Artikel Why the Many-Worlds Formulation of Quantum Mechanics Is Probably Correct zuerst überzeugend, wo er Dinge schreibt wie
    “the quantum state has the built-in ability to describe superpositions of non-interacting worlds. Not only did we not need to add anything to make it possible, we had no choice in the matter. The potential for multiple worlds is always there in the quantum state, whether you like it or not.”

    Sean Carrol legt in diesem Blogartikel nahe, dass bereits die verschiedenen Superpositionen in einem sich entwickelnden Quantensystem verschiedenen Welten entsprechen (vor allem auch in den beigefügten Folien) Doch wenn bereits die verschiedenen Superpositionen schon verschiedenen nicht interagierenden Welten entsprechen kann es auch keine Interferenzen geben.
    Lubos Motl weist in seinem Blogartikel Many Wolrds Pseudoscience again zudem darauf hin, das sich bei konsequenter Fortsetzung des Gedankens die Welt in jedem Augenblick in unendlich viele Welten aufspaltet. Da diese Welten nicht interagieren sind sie für jede weitere Bezugnahme nutzlos. Zudem entfernt die Idee der Weltaufspaltung gerade das für den Beobachter Wichtigste, nämlich die unterschiedliche Wahrscheinichkeit mit der verschiedenen Ausgänge. Nach dem Lesen von Lubos Motls Replik bin ich zum Schluss gekommen, dass die Viele-Welten-Theorie absolut keinen Nutzen bringt und höchstens Verwirrung stiftet.

  34. Als Nicht-Physikerin habe ich eine ganz grundsätzliche Frage zu Everetts Viele-Welten-Interpretation:
    Was wird bei dieser Interpretation eigentlich aus dem Energieerhaltungssatz? Wenn sich die Welt immerfort in verschiedene Äste aufspaltet und multiple Universen erzeugt, wird dann auch jedes Mal die Energiemenge aufgeteilt? Die würde dann doch quasi bei jeder Verzweigung immer weiter schrumpfen innerhalb der jeweiligen Parallelwelten. Wäre das nicht ein stetiger “Substanzverlust”? Oder habe ich da einen wesentlichen Aspekt der Quantenwelt nicht verstanden? Gilt dort der Energieerhaltungssatz nicht? Bitte entschuldigt, wenn die Frage jetzt total blöd war oder so.

    • @Viola:
      Energieerhaltung spielt hier keine große Rolle. Im Grunde besagt die Everettsche Interpretation, dass Wellenfunktionen nie zerfallen sondern sich immer nur entwickeln und die potenzielle Entwicklung die, in der allerersten Wellenfunktion schon vorhanden war, sich heute als viele getrennte Welten manifestiert. Es wird also nach Everett nichts mehr, die parallelen Universen haben schon immer existiert.

      In der Standard-Quantenmechanik gab es vor dem Experiment eine Wellenfunktion, die verschiedene mögliche Ausgänge eines Experimentes beschrieb. Nach dem Experiment wurde eine der Möglichkeiten realisiert. In der Everettschen Interpretation sind alle Möglichkeiten von Anfang an real und bleiben es. Das Experiment markiert lediglich den Punkt, von dem an man mit einer reduzierten Wellenfunktion weiterrechnen kann.

      Allerdings gibt es tatsächlich Theorien, die auch die Energieerhaltung verletzen. In kosmologischen Dimensionen ist Energieerhaltung kein uneingeschränktes Gesetz.

  35. @Joachim Schulz:
    Vielen Dank für Ihre Antwort.
    Wenn alle Parallelwelten schon von Anfang an als real betrachtet werden, spielt dann der Zeitpfeil keine Rolle mehr? Sprich, alle Welten existieren in einer Art mystischem stehenden Jetzt?
    Inwiefern gibt es eigentlich naturwissenschaftliche Legitimationen zur Annahme von “außerzeitlichen Realitäten”? (Durch die Realtivität der Zeit vielleicht?) In der Everettschen Interpretation scheint der Begriff der “Realität” irgendwie bedeutsam zu sein. Epistemologisch ist ja schon ein Beweis der Realität einer/unserer Welt heikel. Sind diese Viele Welten dann nicht ein ontologischer Overkill?

    Sie schreiben, in kosmologischen Dimensionen sei die Energieerhaltung kein uneingeschränktes Gesetz. Welche Konzepte bilden dann das Fundament? Die Logik mathematischer Formeln?

  36. Pingback:Quantencomputer: Mehr als Computer mit Quanteneffekten › Quantenwelt › SciLogs - Wissenschaftsblogs

  37. In Ihrem Blogeintrag fehlt mir noch ein Verweis auf die “richtigen” Kollapstheorien, die Theorien der dynamischen Reduktion des Zustandsvektors. Der ausgefeilteste Vertreter ist wohl die CSL Theorie (continous spontaneous localization). Hier wird die Schrödingergleichung durch einen kleinen, nicht-hermiteschen Term ergänzt, der einem massen- und teilchenzahlgewichteten Wienerinkrement entspricht (die Bewegungsgleichung wird also stochastisch) die Zustände mit der Zeit stetig auf eine “optimale Breite” von Wellenpaketen kollabieren lässt.

  38. Sehr geehrter Herr Schulz,
    ich habe die Thematik im Studium nur tangiert, aber schon einiges darüber gelesen und möchte Ihnen ein Kompliment machen: Mir ist noch keine so gute und prägnante Zusammenfassung der Problematik untergekommen.
    Ich teile zu 100 Prozent Ihr Meinung, dass es gerade populärwissenschaftlich wichtig ist, zwischen physikalischen Aussagen und physikalischen Spekulationen zu unterscheiden.
    Mein Eindruck ist allerdings, dass in den gut vier Jahren seit Ihrem Artikel, der Zug eher in die entgegengesetzte Richtung fährt. Stringtheoretiker huldigen mehr oder weniger verschämt dem “Eleganz-genügt-Prinzip” (http://www.spektrum.de/news/frontalangriff-auf-die-wissenschaftliche-methode/1340690) und ein Max Tegmark sagt unverhohlen “Die Inflationstheorie verwandelt also tatsächlich das Mögliche in das Wirkliche” (Viedeo in diesem Blogartikel: https://die-grossen-fragen.com/2016/09/24/auf-der-suche-nach-anderen-welten/).
    Teilen Sie diese kritische Einschätzung?
    Mit freundlichen Grüßen
    Axel Stöcker

Schreibe einen Kommentar