Quantenspeicher

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Gedanken eines Experimentalphysikers
Quantenwelt

In der Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift Nature vom 6. März 2008 gibt es einen Artikel über die Abbildung verschränkter Photonen in einem Speicher und das Auslesen dieser gespeicherten Quanteninformation. Diese Veröffentlichung ist ein weiterer Schritt in Richtung von Quantencomputern. Aber was hat man sich darunter vorzustellen? Wird es schon 2020 Windows auch für Quantencomputer geben? Oder wird ein Taschenrechner 2030 in Windeseile große Zahlen mit Quantenlogik faktorisieren können?

Die Antwort ist: Wahrscheinlich nein. Quantencomputer werden wohl nicht die herkömmlichen Computer ersetzen können und sollen. Quantenlogik funktioniert ganz anders als klassische Logik. Während der Computer, vor dem Sie wahrscheinlich gerade sitzen, in jeder seiner Speicherzellen eindeutig eine Zahl stehen hat, kann ein Quantencomputer eine Überlagerung aller möglichen Zustände seiner Speicherzellen zugleich bearbeiten. Es ist unbestritten, dass man diese Eigenschaft von Quantencomputern in vielen Computeranwendungen gar nicht braucht. Dieser Text zum Beispiel ist von mir genau so geschrieben, wie Sie ihn sehen, und so möchte ich ihn haben. Für eine Überlagerung aller möglichen Texte mit der selben Anzahl Buchstaben haben weder Sie noch ich Verwendung. Quantencomputer werden also, auch wenn sie einmal Marktreife erreicht haben sollten, immer Spezialanwendungen vorbehalten bleiben. Beispiele für solche Anwendungen sind die Zerlegung sehr großer Zahlen in Faktoren oder die abhörsichere Datenübertragung. Von diesen Anwendungen kann ich später, eventuell  einmal berichten. Heute soll es um das Experiment der Kollegen K.S, Choi, H. Deng, J. Laurat und H.J. Kimble vom California Instutute of Technology (CALTECH) gehen.

Licht ist ein Wellenphänomen. Eine Lichtwelle kann man an einem halbdurchlässigen Spiegel in zwei Teilwellen aufspalten, die man auf getrennte Wege schickt. Später kann man diese beiden Teilwellen wieder mit einem zweiten halbdurchlässigen Spiegel vereinigen und dabei etwas über den Zustand dieser Teilwellen und den Weg, den sie durchlaufen haben, erfahren. Die Vereinigung der beiden Teilwellen enthält Informationen über beide Wegstrecken, weil ja je ein Teil der Welle einen der Wege durchlaufen hat. Wenn man die Lichtwelle nun so weit abschwächt, dass immer nur ein einzelnes Photon unterwegs ist, würde man im naiven Teilchenbild erwarten, dass dieses Photon immer nur einen der Wege durchlaufen hat und somit keine Information des anderen Weges mitbringen kann. Tatsächlich hat aber ein Photon die selben Eigenschaften, wie eine klassische Welle. Das Photon kann als Welle beide Wege durchlaufen, versucht man es aber auf beiden Wegen zu detektieren, dann wird man feststellen, dass es immer nur auf einem Weg gefunden werden kann. Misst man es links, so kann man es rechts nicht mehr finden und umgekehrt. Messungen an diesem Photonenzustand ergeben Statistiken, wie sie nur quantenmechanisch erklärt werden können. Es zeigt sich eine merkwürdige Nichtlokalität der Quantenwelt: An verschiedenen Orten vorgenommene Messungen hängen direkt voneinander ab, sie sind verschränkt.

Den Wissenschaftlern von CALTECH ist es nun gelungen solch einen verschränkten Photonenzustand einige Mikrosekunden zu speichern und dann wieder freizugeben. Dabei wiesen sie nach, dass die Verschränkung der Photonen erhalten bleibt. Das Speichern der Photonen geschieht dabei in dichten Wolken sehr kalten Rubidium-Gases. Durch einen Schaltlaser wird das Rubidium so manipuliert, dass es das verschränkte Photon unter Beibehaltung des gesamten Wellencharakters absorbieren kann. Die quantenmechanische Lichtwelle wird dem Rubidiumgas aufgeprägt und dann durch kontrolliertes Ausschalten des Schaltlasers gespeichert. Beim erneuten Einschalten des Schaltlasers wird das Rubidiumgas dann wieder in den gespeicherten Quantenzustand zurückgebracht und erzeugt ein neues Photon mit exakt den selben Eigenschaften, die das Ursprüngliche Photon hatte. Von außen sieht es so aus, als ob das Photon im Gas auf null abgebremst und wieder beschleunigt wurde. So wurde dieses Verfahren auch gelegentlich stark vereinfacht in der populärwissenschaftlichen Presse beschrieben. (Was zu großen Verwirrungen derer führte, die wissen, dass man masselose Teilchen gar nicht abbremsen kann.)

An einzelnen Photonen wurde dieses Speicherverfahren schon vorher angewandt. Neu ist in diesem Versuch, dass ein- und derselbe Photonenzustand gleichzeitig an zwei räumlich getrennten Stellen im Rubidiumgas gespeichert wurde. Man hatte also für kurze Zeit zwei unterschiedliche Gasvolumen, die sich in einem zueinander verschränkten Zustand befanden. Bei Wiederanregung dieser Gasvolumen, wurde von beiden gemeinschaftlich nur ein Photon abgegeben, dass aber von beiden Orten ausging und bei Wiederverschmelzung am halbdurchlässigen Spiegel den selben Effekt zeigte, den man durch ein direkt getrenntes und wieder zusammengebrachtes Photon erwartet.

Was ist nun das besondere an diesem Versuch? Das Verhalten von Rubidiumgas und Photon war genau so, wie man es Quantenmechanisch erwartet hat. Die Quantenphysik hat sich mal wieder glänzend bewährt. Ihren nichtlokalen Charakter kann man kaum noch leugnen. Außerdem besteht kein Grund, warum die beiden Gasvolumen, in denen der Zustand gespeichert war, nicht auch weit voneinander entfernt sein könnten. Man kann also mit dieser Methode nun miteinander verschränkte Materiezustände an ganz verschiedenen Orten erzeugen. Man kann Verschränkung transportieren und so zur sicheren Datenübertragung verwenden. Vor allem aber ist dieser Versuch handwerklich ausgesprochen anspruchsvoll und zeigt, wie gut die Experimentatoren ihr Handwerk beherrschen. Damit dieser Versuch klappt, müssen eine Reihe von Lasern sehr genau auf die atomaren Schwingungszustände abgestimmt sein. Die Lichtwege müssen so eingehalten werden, dass die Lichtimpulse genau zum richtigen Zeitpunkt dort eintreffen, wo sie gebraucht werden. Und nicht zuletzt müssen die Rubidiumgas-Wolken in magnetischen Fallen erzeugt und mit Lasern auf extrem niedrige Temperaturen gekühlt werden. Damit die Atome, währen sie den Zustand speichern, nicht gestört oder aufgeheizt werden, muss der Versuch in einem guten Vakuum stattfinden. Eine Atomwolke erzeugt das einzelne Photon, das dann in zwei Wege aufgespalten und an zwei Orten in einer zweiten Atomwolke gespeichert und wieder erzeugt wird. Schließlich müssen die beiden Lichtwege wieder sehr genau zusammengebracht und analysiert werden.

Das Experiment fasziniert mich vor allem wegen der großen Präzision, die der Umgang mit verschränkten Zuständen erfordert. Von einem technisch anwendbaren Speicherbaustein für Quantencomputer sind wir noch weit entfernt, aber die Experimentatoren haben einmal mehr gezeigt, wie gut die Quantenmechanik schon beherrschbar ist. Wenn man genügend Geschicklichkeit und Geduld aufbringt.

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Joachim Schulz ist Gruppenleiter für Probenumgebung an der European XFEL GmbH in Schenefeld bei Hamburg. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann in der Quantenoptik, in der er die Wechselwirkung einzelner Atome mit Laserfeldern untersucht hat. Sie führte ihn unter anderem zur Atomphysik mit Synchrotronstrahlung und Clusterphysik mit Freie-Elektronen Lasern. Vier Jahre hat er am Centre for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg Experimente zur kohärenten Röntgenbeugung an Biomolekülen geplant, aufgebaut und durchgeführt. In seiner Freizeit schreibt er zum Beispiel hier im Blog oder an seiner Homepage "Joachims Quantenwelt".

9 Kommentare

  1. Geschwindigkeit

    “Man kann also mit dieser Methode nun miteinander verschränkte Materiezustände an ganz verschiedenen Orten erzeugen.”

    Ich habe da mal eine Frage, ich hoffe, sie ist nicht zu trivial, aber im Beitrag konnte ich kein Hinweis darauf finden. Wenn ich nun eins dieser verschränkten Photonen in eine Ecke des Universums setze und das andere in die gegenüberliegende Ecke. Das wäre eine beträchtliche Entfernung. Wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, benötigt das Licht 15 Milliarden Jahre um von einem Rand des Universums zum anderen zu gelangen. Laut Einstein ist Lichtgeschwindigkeit die höchste Geschwindigkeit. Gilt das auch für die verschränkten Photonen? Muß ja eigentlich. Es geht zwar noch schneller als das Licht (beispielsweise wenn ich eine Schallplatte ins Cover schiebe und die Schnittpunkte zwischen Schallplatten- und Coverrand sich auf einander zu bewegen), doch wenn Informationen mit übertragen werden ist die Lichtgeschwindigkeit das Maximum und das müßte dann auch bei den ver(be 😉 )schränkten Photonen der Fall sein.

  2. Auch die!

    Ja, auch die verschränkten Photonen sind auf Lichtgeschwindigkeit beschränkt. Sie reagieren halt tatsächlich genau wie sie geteilte Welle, nur dass zudem die Energiequantisierung dazu führt, dass das Photon nur auf einem Weg absorbiert werden kann obwohl es beide durchläuft. Aber die beiden Wege durchläuft es mit begrenzter Geschwindigkeit.

  3. Energiequantisierung

    Tschuldigung, dem Werne Große mußte ich letztens schon offenbaren, daß ich nicht mehr genau weiß, wie man den Tangens berechnet, weil ich das schon Jahre nicht mehr gemacht habe. So muß ich auch hier wieder meine Vergeßlichkeit preisgeben.

    Was heißt Energiequantisierung? So eine blaße Erinnerung erfaßt mich von Atomen und Elektronenschalen, die auf eine höhere Schale (durch Anregung) springen und wenn sie auf die niedrigere fallen, diese Energie wieder abgeben. Beim Laser macht man sich diesen Effekt zu nutze.

    Und das Photon als Schlüssel quasi findet ins Schloß, weil es die passende Energiequantisierung hat?

    Jedenfalls taugt die Teleportation dann auch nur für die Universumskurzstrecke (um auf meine Anfangsfrage zurückzukommen). Ich habe es schon geahnt, daß Worp neun Komma fast zehn reine Fiktion ist. 😉

  4. Energiequantisierung

    Darf ich dazu einfach mich selbst zitieren?

    “Quantisieren heisst hierbei, dass die Elementarwellen nicht jede beliebige Gesamtenergie haben können.”
    Aus http://www.quantenwelt.de/licht/photonen/

    Eine Welle der Wellenlänge Lambda kann nur Energien in Stufen von der Planckschen Konstanten geteilt durch Lambda haben. Eine Welle, die nur eine dieser Energiestufen trägt, heißt Photon.

    Das mit dem Warp ist eine andere Geschichte, die hat mit Raumkrümmung zu tun. Aber die Quantenteleportation funktioniert tatsächlich nur mit Lichtgeschwindigkeit. Die wird ja auch nur zum Transport von der Enterprise auf die Planetenoberfläche benötigt. Dafür reicht Lichtgeschwindigkeit allemal. Die pure Datenmenge jedoch dürfte Ausreichen um das Beamen unmöglich zu machen.

  5. “Darf ich dazu einfach mich selbst zitieren?”

    Selbstverständlich. Schicke Seite, diese Quantenwelt. Haben Sie dazu so eine Art Stichwortliste? Dann könnten Sie ja beim nächsten Beitrag so ein Stichwort mit Ihrer Seite als eine Art Lexikon verlinken. Jedenfalls konnte ich da mein altes Wissen auffrischen. Der Begriff “Quantensprung” kommt ja wohl auch daher, daß die Energie nur in Stufen aufgenommen werden kann.

    “Eine Welle, die nur eine dieser Energiestufen trägt, heißt Photon.”

    Danke für die Auffrischung. Jetzt verstehe ich das auch besser. Ist halt kein reiner Physikblog hier und da kann es schonmal zu solchen Nachfragen kommen, weil hier nicht nur Physiker lesen. Ich hoffe, es stört sie nicht.
    Allerdings sind die Beiträge der Evolutionsbiologen genauso unverständlich. Doch das kann ich schneller nachvollziehen, weil es einfacher ist sich mit dieser Materie vertraut zu machen. Ist fast nur wie Vokabeln lernen.

    “Die pure Datenmenge jedoch dürfte Ausreichen um das Beamen unmöglich zu machen.”

    Ja, allein die Datenmenge vom Zustand der Materie und wahrscheinlich bestehen wir wohl nicht nur aus Materie. Wobei Information nicht materiell ist. Vielleicht gibt es ja auch eine Information des Geistes, der Seele und des Gefühls. Aber ich drifte ab. Das hat mit verschränkten “Wellen, die nur eine dieser Energiestufen tragen” nicht mehr viel zu tun. 😉

    Danke! Hat Spaß gemacht.

  6. “An einzelnen Photonen wurde dieses Speicherverfahren schon vorher angewandt.”

    Darf ich fragen von wem und wo ich darüber etwas nachlesen kann?

  7. Kein direkter Zusammenhang

    Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Tunneleffekt und den Wurmlöchern.

    Die Existenz von Wurmlöchern ist noch nicht bewiesen.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Wurmloch

    Der Tunneleffekt hat bereits zahlreiche technische Anwendungen.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Tunneleffekt

    Aber auch superluminales Tunneln erlaubt keine überlichtschnelle Informationsübertragung.

    http://theory.gsi.de/~vanhees/faq/nimtz/nimtz.html

    Das Rastertunnelmikroskop (RTM) ist eine sehr nützliche Anwendung des Tunneleffektes.

    http://www.deutsches-museum.de/…ke-ii/mikroskop/

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