Jamie Oliver verkauft Geflügelfleisch aus Käfighaltung

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Welch ein Recherche-Ausfall! Jamie Oliver tauchte hier im Blog erst kürzlich auf, als Mona mir seine Sendung “Jamies Hühnerhölle” empfahl und ich diese absolut großartig fand, weshalb ich sie Euch nicht vorenthalten wollte. Dort äußert er sich nicht nur kritisch zur konventionellen Geflügelhaltung, sondern zeigt uns auch Alternativen. Gestern stieß ich dann auf eine Meldung im Telegraph, nach der Oliver bestimmte Sandwiches und Snacks um die Ohren flögen.

Oliver habe sich immer für Bio und Freiland-Haltung eingesetzt und empfohlen, doch nun habe er Geflügelfleisch verwendet, welches aus Bodenhaltung mit bis zu 15 Tieren pro qm stamme. Offenbar Grund genug für eine gewisse Empörung. Die Zahl 15 machte mich neugierig und am Ende des kurzen Artikels fand sich dann auch die essentielle Information: das Geflügel stamme aus einer Haltung, die die sogenannten Freedom Foods-Standards erfülle. Das ist ein eigenes Tierwohl-Label der Briten und begegnete mir das erste Mal 2011 – richtig, Ihr wisst schon wo. Das Privathof-Geflügel von Wiesenhof kommt diesem Standard sehr nahe, weshalb man dort auch eine entsprechende Zertifizierung anstrebt.

Um die Zahl 15 mal nicht so nackig im Raum stehen zu lassen, hilft eine kleine Einordnung. Sicher, 15 Tiere pro qm sind nicht wenig, der normale konventionelle Standard sieht allerdings 20-22 Tiere vor. Hinzu kommen beim Freedom Food-Standard aber noch Sitzstangen, Spielzeug, ein Wintergarten und nicht zuletzt ist die Rasse eine langsam wachsende. Alle wichtigen Informationen dazu finden sich in diesem Teil von Jamies Hühnerhölle, ungefähr ab der 8. Minute geht es los:

Natürlich blieb die Meldung nicht beim Telegraph, sondern fand ihren Weg auch in die deutschen Medien. Den Vogel abgeschossen hat Welt Online, wo uns in einer Video-Meldung erläutert wird, dass da für Sandwiches und Snacks tatsächlich Käfighühner verwendet würden. Nur so nebenbei: Mastgeflügel wurde noch nie in Käfigen gehalten. Süffisant beendet wurde die Meldung mit den Worten, dass man doch vielleicht gleich ganz auf Fleisch verzichten solle. Naja, wenn es beim Recherchieren hilft. Um herauszufinden, was Freedom Foods bedeutet, hätte das einfache Bedienen einer Suchmaschine völlig ausgereicht 😉

Natürlich solltet Ihr Euch nicht nur diesen einen oben eingebundenen Auschnitt anschauen, sondern alle Teile, die Ihr unter meinem Artikel “Jamies Hühnerhölle – keine Kuschelpädagogik” dazu findet. Den Stein des Anstoßes im Telegraph findet Ihrhier und die fast schon amüsant verquere Zusammenfassung bei Welt Online dort.

Ach, ich hatte gerade erst über Magengeschwüre beim Schwein geschrieben, die könnten auch noch etwas Aufmerksamkeit gebrauchen: eine Spurensuche…

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

7 Kommentare

  1. Danke für die Einordnung!

    “freedom food” hätte ich eher als einen Oberbegriff für die berühmten “freedom fries” und ähnliche Albernheiten vermutet.

  2. Link zur Seite

    Hallo Sonja,

    das habe ich doch gern gemacht 😉

    Das hier ist übrigens die Seite, auf der Du Dich – falls Interesse besteht – etwas einlesen kannst: http://www.rspca.org.uk/freedomfood

    Ich gebe Dir durchaus recht, dass die Bezeichnung etwas merkwürdig klingt. Aber gut, Hauptsache die Tatsachen stimmen 😉

    Viele Grüße!

  3. Zu den Presseberichten:

    Es ist für Journalisten anscheinend schwierig zu begreifen, dass es für Hühner heutzutage verschiedene Haltungsmöglichkeiten gibt und sie nicht mehr aufwachsen wie anno dazumal auf Omas Bauernhof. Also treibt man jede Woche eine neue Sau, pardon, ein Huhn durchs Dorf. Schön, dass es wenigstens gut informierte Blogger gibt. 😉

    Apropos Sau, da Deine Schweine noch etwas Aufmerksamkeit brauchen, wie Du schreibst, werde ich mich noch mal kritisch mit ihnen befassen. Den Schweinen in der Intensivmast geht es ja ähnlich wie den Hühnern.

  4. Hallo Mona,

    danke für das Kompliment 😉

    Ich verlange ja auch gar nicht, dass jeder Journalist direkt alle Haltungsformen mit Vor- und Nachteilen aus dem FF vortragen kann. Aber es sollte doch nicht zu viel verlangt sein, wenn man wenigstens Fleisch- und Eier-Produktion auseinander hielte, oder?

    Mich nervt das einfach, weil es die Aufmerksamkeit völlig unberechtigt auf dich zieht und wichtige, sachliche Kritik versickert…

  5. Wenn die Verbraucher…

    Der für mich Entscheidende Satz fiel in dem Beitrag nach 9 Minute und 55 Sekunden: “Wenn die Verbraucher ihre Kaufgewohnheiten ändern würden, gäbe es eine bessere Zukunft für alle gezüchteten Hühner.”

    Ich will hier nicht den Schwarzen Peter zwischen Produzenten / Landwirten und Verbrauchern hin und her schieben, aber die Verantwortung der Verbraucher, die immer höhere Standards in der Tierhaltung fordern, möchte ich nicht außer Acht lassen. Die Landwirte werden mir zu häufig allein an den Pranger gestellt. Das Zusammenspiel von Angebot UND Nachfrage wird zu häufig vergessen.
    In unseren Supermärkten kann man Fleisch aus allen möglichen Produktionsrichtungen kaufen. Wenn sich nur diejenigen Verbraucher, die die höheren Standards fordern, in ihrem Einkaufsverhalten an ihren eigenen Forderungen orientieren würden, würde viel mehr Fleisch als alternativen Tierhaltungsformen verkauft. Und wenn Landwirte riechen würden, dass sie mit der Tierhaltung in den alternativen Formen sicher Geld verdienen würden, wäre das Angebot schneller steigen, als irgendwelche neuen Haltungsverordnungen umgesetzt sind.
    Forderungen nach dem Gesetzgeber sind schnell erhoben, das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen und ggf. umzustellen, ist erfahrungsmäß deutlich schwerer.

  6. Hallo Daniel,

    Du hast sicher recht mit Deiner Ansicht, dass der Verbraucher – also wir – mehr Macht hat als uns womöglich bewusst ist. Wir sollten aber auch nicht vergessen, dass Lebensmittelketten mitunter schon eingreifen, bevor wir entscheiden können. Natürlich müssen die Tierwohl-orientierten Produkte funktionieren, deshalb kommuniziere ich sie ja auch sehr offen 😉

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