Das liebe Federvieh in der Landwirtschaft

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Das mit dem Geflügel und mir – das ist eine ganz seltsame Geschichte. Schon öfter überkam mich das Bedürfnis, doch mal darüber zu berichten und dabei blieb es dann. Durchbrochen wurde diese gefiederte Lethargie lediglich im Januar diesen Jahres, als im Zuge des Dioxin-Skandals so einiges drunter und drüber ging. Gerade der starke Absatz von Bio-Eiern erschien da etwas kurios. Da konnte ich meine Finger dann nicht stillhalten. Ganz anders erging es dem Artikel zur ökologischen Mastputen-Haltung – oft verschoben und mittlerweile schon ein Mythos. In letzter Zeit begegnete mir dann öfter der Wunsch nach einem grundlegenden Artikel zum Geflügel und werde das jetzt mal versuchen.

Bei Rindern werden die Rassen grob in Milch-, Fleisch- und Mehrnutzungsrinder eingeteilt. Nach dem gleichen Schema funktioniert das auch bei Hühnern, deren Rassen allgemein in Lege- und Fleischrassen (die Tiere heißen dann aber Masthühner und nicht Fleischhühner) kategorisiert werden. Womöglich regt sich jetzt bei dem einen oder anderen Widerspruch. Natürlich gibt es da auch noch Kampfrassen (Hahnenkämpfe sind seit dem 19. Jahrhundert verboten, finden sich aber noch in Asien) oder Dekorationsgeflügel, welches wohl eher Ziergeflügel heißt. Die Zuchtkritierien beziehen sich dann auch eher auf optische Feinheiten bei den Merkmalen und nicht um produktive Leistung. Aber hier soll es erstmal nur um jene Federviecher gehen, die in der Landwirtschaft von Bedeutung sind.

Eine weltweit beliebte Legerasse sind die Weißen Leghorn, die sowohl Konsum- als auch Bruteier produzieren. Enstanden ist diese Rasse aus italienischen Landhühnern und versorgt uns seit 1910 in Europa. Daneben gibt es auch Legehybriden, zum Beispiel Tetra S, eine "Kombination" aus Weißen Leghorn und Rhodeländer (welches eine Zweinutzungsrasse ist). Die Aufzucht einer Legehenne dauert 20-24 Wochen, während eine Legeperiode bis zu 15 Monate dauern kann. Da wir Menschen aber nicht nur Eier essen, sondern Fleisch, gibt es natürlich auch dafür eine entsprechende Rasse: White Cornish. Allerdings werden hier auch Zweinutzngsrassen wie die schon erwähnten Rhodeländer, Plymouth Rock oder auch New Hampshire verwendet. Hybride aus White Cornish und Plymouth Rock ergeben übrigens einen Broiler, dessen Mast 6-8 Wochen dauert.

Wenn ich Eier kaufe, habe ich in der Regel die Wahl zwischen drei "Sorten": Freiland-, Boden- und Käfighaltung. Gerade letzterer Stempel ist ein wenig verwirrend, denn die tatsächlich gruselige Haltung der Hühner in Käfigen ist in Deutschland schon seit einiger Zeit verboten. An ihre Stelle ist seit Januar 2009 die Kleingruppenhaltung getreten. Halte ich persönlich jetzt auch nicht so für den großen Wurf, aber das ist wohl wieder einer dieser Konflikte zwischen Tierwohl und Verbraucherwünschen. Wer möchte, kann hier auch noch eine vierte Kategorie ergänzen: Eier aus ökologischer Haltung…    

Bei der Putenmast geht es grundsätzlich um Fleischansatz und Futterverwertung. Auch hier unterscheidet sich das Geflügel nicht so sehr von Rindern oder Schweinen. Eine vorwiegend in der konventionellen Tierhaltung verwendete Rasse sind die BIG SIX, eine extreme Fleischrasse. Das Schlachtgewicht mancher Männchen kann da schon mal über 20 Kilo betragen. Zum Vergleich: "normalerweise" sind eher 11 Kilo üblich. Aus Sicht der Leistung sind die 20 kg also schon ziemlich beachtlich, bringen dann aber auch einige Probleme mit sich. So kann es zum Beispiel passieren, dass die Beinmuskulatur in ihrer Entwicklung nicht mit dem Rest des Körpers Schritt halten kann, was dann dazu führt, dass die Tiere kurz vor der Schlachtung nur noch liegen können. Auch das Herz hat mitunter seine liebe Not mit dem rasant wachsenden Körper. In starken Stress-Situationen kann es schon mal zum Tod kommen. In der ökologischen Freilandhaltung kommt die Rasse allerdings nicht zum Einsatz, da greift man lieber auf traditionelle Bronze-Puten zurück, die sich dann auch nicht so "extrem" entwickeln. (Die LMU München hat das mal vor einigen Jahren untersucht. Dabei wurden Tiere der BIG SIX und Kelly Bronze parallel ökologisch – also im Freiland – gehalten und dabei ihre Enwicklung, sprich die Zunahme und das Verhalten, verglichen. Die Ergebnisse sind tatsächlich recht interessant, hat diese diese Haltungsform den eigentlich für intensive Mast vorgesehenen Tieren der BIG SIX recht wenig ausgemacht).

Puten sind recht stressempfindlich. Damit sie sich während der Mast gut entwickeln können, gilt es, einige für die Tiere problematische Faktoren auszuschließen. Zugluft gehört zum Beispiel dazu. Verstehe ich gut, kann ich auch nicht ertragen. Dass eine mangelhafte Versorgung mit Wasser und Ernährung ganz grundsätzlich Stressfaktoren sind, welche nicht nur junge Puten belasten, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Auch das kann man sich als Mensch gut vorstellen. Auch das Betriebs-Personal sollte – zumndest während – der Mastphasen nicht wechseln. Bevor die nächsten Tiere kommen, ist das natürlich kein Problem. Bestenfalls leben die Tiere während der Mast in einer für sie gut klimatisierten Halle ohne Zugluft und werden über Wasserhähne regelmäßig mit frischem Wasser versorgt, welches regelmäßig kontrolliert wird.

So, das sind erstmal ein paar Grundlagen. Ich hoffe, der Artikel las sich einigermaßen interessant…  

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

17 Kommentare

  1. Auf dem Hühnerhof

    Ein sehr informativer Beitrag! Ich kann zwar mit Hühnern nicht viel anfangen (außer in der Küche ;-)), aber mich faszinierte schon immer die Hackordnung unter Hühnern. Einer meiner früheren Lehrer behauptete gar, die Welt wäre ein Hühnerhof, da er viele Parallelen zwischen Hühnern und Menschen sah. Ob das stimmt?

    Hier wird die Rangordnung eines Hühnervolks beschrieben: http://ema.bonn.de/bio/huhn.htm

  2. Hühner und Sardinen

    Hallo Mona,

    Danke für den Link, habe ich gleich mal gespeichert. Was Menschen und Hühner angeht: nun ja, wenn ich mir einige populäre Strände so anschaue, wo Menschen wie Sardinen nebeneinanderliegen, das wäre unter Hühnern ein Chaos…

  3. Kleingruppenhaltung ist auch verboten, aber da die Ställe relativ neu sind, haben sie noch eine verlängerte Betriebserlaubnis.

    Bauen darf man auch Kleingruppenställe seit 10 Jahren nicht mehr.

  4. Käfighaltung, Kleingruppenhaltung

    Ich glaube es wird immer der Unterschied zwischen Käfighaltung und Kleingruppenhaltung verwechselt. Die Kafighaltung ist seit 2009 in D. verboten. In der EU ab 2012. Die Eierproduzenten der EU-Staaten wollen aber 2020 anpeilen. Die Kleingruppenhaltung hat in D. eine Erlaubnis bis 2035, da hier große Investitionen getätigt wurden. Fakt ist aufjedenfall, dass durch den Verbot der Käfighaltung die Eierproduktion in D. stark gesunken ist. Viele Eierproduzenten konnten die Kosten für Alternativen nicht aufbringen und haben aufgegeben. Im Supermarkt finde ich auch nur noch Eier aus Boden- oder Freilandhaltung. Die Eier in Fertigprodukten und Kuchen allerdings stammen aus der Käfighaltung anderer EU-Staaten und Drittländern. Hier wurden also die Käfige nur ins Ausland verlagert. Die Kleinguppenhaltung kommt übrigens in allen wissenschaftlichen Untersuchen, die ich kenne, in Bezug auf Tiergesundheit, Produktqualität, Umweltbelastungen und Ökonomie am besten weg.

  5. Etwas genauer bitte

    Hallo Earli,

    irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass Du da etwas durcheinanderbringst. Für den Fall, dass ich mich irre, erläutere doch mal etwas genauer, was Du meinst.
    Reuben hat das ja schon etwas erklärt.

    Was die BIG SIX in der ökologischen Landwirtschaft angeht, hast Du recht und das funktioniert laut der oben erwähnten Studie auch ganz gut. Trotzdem ist diese Rasse ursprünglich für die Intensivmast gedacht gewesen.

  6. Hi Martin,

    danke für den ZEIT-Artikel, der aber auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Vor- und Nachteile gibt es immer. Die Tiere deshalb grundsätzlich in Käfige zu packen, halte ich aber auch nicht für die finale Lösung, interessant ist es aber schon…

  7. Hallo Tobias,

    Breiter Rundumschlag trifft es wohl ganz gut, werde das Thema wohl nochmal etwas präziser aufgreifen. Dein Link ist ganz hervorragend, zeigt er doch sehr schön die Wege der Domestikation

  8. Größen der Legehennenbestände

    Anfang des Jahres 2011 hatte ich mir aus aktuellem Anlass (Dioxin) mal ein paar Zahlen zu den Bestandsgrößen in der Legehennenhaltung herausgesucht.

    Konventionelle Legehennenhaltung:
    38,5 Mio. Legehennen wurden in 73.000 Betrieben gehalten. Davon wurden allein 1 Mio. Hennen in 64.000 Betrieben gehalten die weniger als 50 Hühner hatten. Das macht einen Durchschnittsbestand von 15 Hennen je Betrieb. Das kann man wohl als Hobbyhaltung bezeichnen.
    32 Mio. Legehennen (82 % aller Legehennen in Deutschland) wurden in Betrieben gehalten mit mehr als 10.000 Stallplätzen. Das fand in der übersichtlichen Anzahl von 583 Betrieben statt.

    Ich denke diese Zahlen wundern den Beobachter nicht weiter, ist die Konzentration und die Bestandesgröße in der konventionellen Eierproduktion allgemein bekannt.

    Ökologische Leghennehaltung:
    2007 wurden ca. 1,6 Mio Legehennen in 3.234 Ökobetrieben gehalten. Daraus ergab sich ein durchschnittlicher Tierbestand von 500 Legehennen je Ökobetrieb.
    Von den 1,6 Mio. Öko-Legehennen wurden 900.000 (57 %) in Beständen unter 30.000 Tieren gehalten.
    Ca. 700.000 (43 %) der Öko-Legehennen wurden in Beständen von über (!) 30.000 Artgenossen gehalten.
    Daraus folgt, dass auf maximal 22 Öko-Bauernhöfen (700.000 Hennen durch mind. 30.000 Tieren je Öko-Bauernhof) 43 % der Ökoeier produziert werden.

    Wer hätte das gedacht! Eine beachtliche Stellung am Markt dieser max. 22 Öko-Hennenhalter, die sich nicht hinter ihren konventionellen Kollegen zu verstecken brauchen, was die Marktbeherrschung angeht.
    Ebenso beachtlich finde ich, dass 43 % aller Öko-Legehennen in Beständen von mehr als 30.000 Tieren gehalten wurden. Das ist weitweg von der Größenordnung, die land- / stadtläufig mit der ökologischen Hennenhaltung auf einem Biobauernhof verbunden wird.
    Und wenn man dann noch berücksichtigt, dass die Zahlen aus dem Jahre 2007 stammen, dann ist davon auszugehen, dass sich die Bestandsgrößen und die Konzentration am Markt bis heute wohl eher nicht verringert haben.

  9. Hallo Daniel,

    Danke Dir für die Zahlen, hast Du vielleicht noch die Quellen da, habe da spontan eine Artikel-Idee zu Massentiehaltung…

    Schöne Grüße
    Sören

  10. Quellen zu den Legehennenbeständen

    Hallo Sören!
    Da ich mir im Januar die Zahlen nur auf einen Zettel geschrieben habe, ohne Quellen zu notieren, habe ich eben noch einmal die Quellen herausgesucht. So sind die Zahlen auch für die Zweifler belegt.
    Hier die Quellen:

    Betriebe mit Legehennenhaltung nach Bestandsgrößen:
    http://berichte.bmelv-statistik.de/…100-2007.pdf

    Anzahl Ökolegehennenhalter und Ökolegehennen (Tab. 1.7):
    http://www.destatis.de/…099004,property=file.pdf

    Anzahl Ökolegehennen und Bestandsgröße:
    http://www.proplanta.de/…_article1207097317.html

  11. Quellenangaben gehören dazu

    Hallo Sören,

    bitte nicht zu viel der Rührung, das gehört sich doch für einen anständigen Beitrag. Asche auf mein Haupt, dass ich mich versucht hatte hier ohne Quellenangaben durchzumogeln 😉

    Daniel

  12. Hi Daniel,

    Du hast recht, aber Dir hätte ich das jetzt auch einfach mal so geglaubt. Bist ja kein Unbekannter hier…

    Grüße
    Sören

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