„Das Ideale seh’ ich wohl, allein wie komm’ ich aus dem Mist heraus?“

BLOG: WILD DUECK BLOG

Wahrheiten als Querdenkerisches verkleidet, von Gunter Dueck
WILD DUECK BLOG

Katharina Saalfrank, unsere Bundes-Super-Nanny, hat in Heidelberg ihr neues Buch über Erziehung vorgestellt, wie die Rhein-Neckar-Zeitung am 21. Juni 2013 berichtet. Köstlich! Das Buch beschreibt, wie eine ideale Erziehung aussehen könnte – natürlich anhand wundervoller Beispiele von Eltern-Kind-Beziehungen. Solche kamen aber in ihren TV-Sendungen niemals vor – nicht einmal annähernd. Und vor ihr sitzt ein Publikum, das konkrete Ratschläge gegen schreckliche Kinder erwartet.

Auf der einen Seite das Ideal – aber auf der anderen eine Welt in Trümmern, die kraftlos nach einem Rettungsanker sucht, und zwar am besten nach einem, der ohne großen Aufwand die gröbsten Probleme verschwinden lässt. Sebastian Riemer kommentiert: „Am Ende ist es schlicht ein Plädoyer für den gesunden Menschenverstand, für Verantwortung, Liebe, Authentizität und Respekt…“ Und er fragt sich: „Viele Worte, wenig Erkenntnis?“ und „Warum man es [das Buch] nach eineinhalb Stunden Metaebene noch lesen sollte, bleibt offen.“

Da versuchen Eltern erfolglos zu beherrschen, verlieren die Kontrolle und sind überfordert. Kinder versuchen gegenzuhalten und entwickeln Tyrannenqualitäten. Das ist die Lage. Und Katharina Saalfrank fordert nun eine echte Eltern-Kind-Beziehung, die absolut nicht Interessenterror bedeutet – von keiner Seite.
Ach, ich kann mir so richtig vorstellen, welches Gesicht unterlegen-geschundene Eltern dazu ziehen, die bestimmt gekommen sind, viele neue Techniken der „Stille-Treppe-Pädagogik“ zu erlernen und so der Erziehung endlich Herr zu werden.

Die Probleme entstanden, weil sie Erziehung als Machtausübung und Kontrolle verstanden hatten und damit keine Beziehung schaffen konnten. Das vorgetragene Ideal der Beziehung aber halten sie bloß für gesunden Menschenverstand und tun den als solchen ab. Und sie fragen hartnäckig, wie sie denn die Kontrolle wiedererlangen könnten, damit sie DANN und DAMIT eine gute Beziehung herbefehlen könnten. Da seufzt der Idealist und weiß, dass es zumindest heute keine wirkliche Brücke gibt. Die Grundannahmen der Erfolglosen über das Wurzelübel (z.B. „das Kind ist eklig“) sind falsch. Die Wurzel liegt sehr oft in ihnen selbst.

Ach, ich erlebe so etwas häufig. Ich beschreibe in meinen Keynotes, wie es gehen kann. Und dann bestätigen mir Zuhörer zwar eine „scharfe Analyse“ und „ja, es ist so“, bemängeln aber, dass ich bei den konkreten Vorschlägen quasi kneife und sehr vage bleibe, sodass sie von meinem Vortrag sehr wenig profitieren könnten. Lehrer: „Die Schüler haben aber kein Interesse! Was tun Sie dann?“ – Manager: „Wir haben aber kein Geld für Innovationen. Wie sollen wir vorgehen?“ – Oder: „Die Arbeit hier ist naturgemäß stumpfsinnig, wie sollen wir denn die Mitarbeiter begeistern?“ Oder: „Die Wähler wollen nun einmal Versprechungen. Wie können wir da regieren?“ Oder: „Die Terroristen hassen eben unser Land. Sie respektieren uns nicht. Da müssen wir uns alle bewaffnen.“ Oder: „Unsere Kinder hassen uns. Dagegen müssen wir hart vorgehen. Eltern haben Anspruch auf Respekt.“ Oder generell: „So ist die Realität vor uns nicht.“

Die Super-Nanny versuchte, Todesspiralen in solchen Beziehungen zu unterbrechen, denen die Abwärtskatastrophe gar nicht bewusst war. Die, die im Mist stecken, laufen in einem Hamsterrad und versuchen, schneller zu laufen, damit sie hinauskommen. Stehen bleiben und sich ruhig umschauen? Nie.
Die, die im Mist stecken, sehen das Ideal durchaus klar. Sie rennen aber in eine falsche Richtung, um es möglichst schnell zu erreichen. Da entfernt sich das Ideal in der Todesspirale, und sie rufen von weitem: „Was sollen wir tun?“ Und darauf antwortet jedes Ideal, wirklich jedes: „Kehre um.“ Die, die die schreckliche Realität vor sich sehen, haben sie nämlich irgendwann hinter sich gelassen.

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

www.omnisophie.com

Bei IBM nannten sie mich "Wild Duck", also Querdenker. Ich war dort Chief Technology Officer, so etwas wie "Teil des technologischen Gewissens". Ich habe mich viel um "artgerechte Arbeitsumgebungen" (besonders für Techies) gekümmert und über Innovation und Unternehmenskulturen nachgedacht. Besonders jetzt, nach meiner Versetzung in den Unruhestand, äußere ich mich oft zum täglichen Wahnsinn in Arbeitsumgebungen und bei Bildung und Erziehung ein bisschen polarisierend-satirisch, wo echt predigende Leidenschaft auf Stirnrunzeln träfe. Es geht mir immer um "artgerechte Haltung von Menschen"! Heute bin ich als freier Schriftsteller, Referent und Business-Angel selbstständig und würde gerne etwas zum Anschieben neuer Bildungssysteme beitragen. Ich schreibe also rund um Kinder, Menschen, Manager und Berater - und bitte um Verzeihung, wenn ich das Tägliche auch öfter einmal in Beziehung zu Platon & Co. bringe. Die Beiträge hier stehen auch auf meiner Homepage www.omnisophie.com als pdf-download bereit. Wer sie ordentlich zitiert, mag sie irgendwo hin kopieren. Gunter Dueck

6 Kommentare

  1. Verdoppelung der Misere

    Das zeigt doch auch, dass dieses ganze Super-Nanny-Gedöns, das eher zum Fremdschämen ist, und schwierige Verhältnisse eher zementiert, weil öffentlich ausstellt und grenzüberschreitend ist (also auch keine ‘echten’ Beziehungen entstehen lassen kann), zum Fernsehtrash gehört.
    Ein Buch kann das eigentlich nur duplizieren.

  2. Weg mit dem…

    Stimme Clemens Maier zu , hier geht es um systematische Erniedrigung , um Zementierung der herrschenden Verhältnisse.
    Unbeabsichtigt setzt das Ganze dann aber doch an der richtigen Stelle an – wer in einer solchen Problematik steckt und ernsthaft herauswill , wird feststellen , daß es sich nicht nur um die persönlichen Verhältnisse handeln kann , die geändert werden müssten , um eine gewisse Beziehungs-und Liebesfähigkeit herzustellen.

    Wer täglich verheizt wird im Räderwerk zur weiteren Herausfütterung der Reichen und der Gutsituierten , der kann das nur , wenn er sich selber aufgibt und selbst unterdrückt , und das nicht nur im Niedriglohnbereich , nicht selten unter Zuhilfenahme diverser Fremdstoffe.

    Das Hamsterrad deformiert und zerstört die Menschen , und da kann es gar nicht anders sein , daß die das dann an ihre Kinder weitergeben.

    Wer hier einer besseren Beziehung das Wort redet , weiß oft gar nicht , wie revolutionär und damit politisch unerwünscht sein Ansinnen ist.
    Also werden weiter überforderte Familien bloßgestellt , wird ihnen weiterhin die Primitivität der “Eliten” als ihr eigenes Versagen zugeschustert , dabei liegt ihr tatsächliches Versagen darin , daß sie zuwenig bereit sind , solche Zusammenhänge auch nur anzudenken.

  3. Die “Super-Nanni” ist das Schlechteste, was ich bisher gesehen habe. Ohne ins Detail meiner Forschungen zu gehen, kann ich sagen, daß hier versucht wird, einen Gewaltkreislauf durch Gewalt zu stoppen.
    Das Schlimme ist, daß es auch noch allen, als das Richtige verkauft wird. Stand im Artikel nicht etwas von “Kreislauf”?
    Wie dem auch sei, man sollte den Menschen beibringen, Gewalt in’s Leere laufen zu lassen und schon ist dieser Kreislauf unterbrochen und man kann (fast) von vorne anfangen…

    Nihilus

  4. ‘Todesspiralen’

    Diesen Begriff lohnt es zu kennen, wenn “Wild Duck” gelesen wird.

    Todesspiralen meinen den absehbaren Exitus eines Kooperationsverhältnisses und diese seien, so der Autor, zu unterbrechen, um die Kooperation, oder was dafür gehalten wird, aufrecht zu erhalten.

    Der Schreiber dieser Zeilen erkennt hier aber eine (auch: modische) Sozialpsychologisierung und rät hier manchmal schlicht zum Kooperationsabbruch oder -ende.

    Man muss auch mal “Danke, es war schön!” sagen können.

    MFG
    Dr. W

  5. @Dr.Webbaer

    Der Schreiber dieser Zeilen […] rät hier manchmal schlicht zum Kooperationsabbruch oder -ende.

    Man muss auch mal “Danke, es war schön!” sagen können.

    Zu den eigenen Kindern? Oder habe ich Sie falsch verstanden?

  6. Todesspiralen

    , ‘die man aufhalten kann‘, ziehen sich das Duecksche Werk.
    Manche kann man und soll man nicht aufhalten, war die Nachricht einer anderen ehemals in der Wirtschaft tätigen Kraft.

    MFG
    Dr. W