Der Entschuldigungsminister

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Wahrheiten als Querdenkerisches verkleidet, von Gunter Dueck
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In der Wirtschaft hat es sich bewährt, sich bei den Kunden zu entschuldigen – dann kann alles so bleiben, wie es immer war. Jeder macht mal Fehler, aber wenn er es bereut, verzeiht man es ihm. Die echte und tätige Reue muss dabei gar nicht an den Tag gelegt werden, schließlich verfolgen wir ja niemals den, der uns schlecht bedient hat. Es reicht deshalb für den Moment völlig aus, wenn sich jemand entschuldigt. Manager sagen allesamt: „Es ist einfacher sich zu entschuldigen als um Erlaubnis gefragt zu werden.“
Wer müsste also das Entschuldigen am besten üben und perfekt lernen? Natürlich derjenige, der am meisten Fehler macht, oder für den es opportun ist, nicht alles richtig zu machen, weil es zu viel Mühe machen würde. Das sind eben die besagten Manager und vor allem die Politiker. Es ist aber erstaunlich, dass sie sich nicht entschuldigen, sie erklären zuerst immer, dass „sie sich nicht zuschulden kommen ließen“. Wenn man das vor einer Entschuldigung sagt, am besten mehrfach über einen längeren Zeitraum, und sich erst dann entschuldigt, wenn man dazu fast gezwungen wird, dann wird man nicht wirklich entschuldigt. Es ist wichtig, sich sofort zu entschuldigen.

Zusammengefasst: Politiker und Top-Manager müssen das sofortige Entschuldigen üben. Wo kann man das lernen? Na, wo am meisten erfolgreich entschuldigt wird: bei der Bahn. Neulich lautete die Ansage im ICE so: „Wir verabschieden uns von den Fahrgästen, die in Mannheim aussteigen. Wir wünschen eine gute Weiterreise und einen guten Tag … und wie immer bitten wir um Entschuldigung.“ Das ließ Heiterkeit aufkommen, und niemand war mehr böse.

Die CDU hat das größte Problem. Sie regiert ja schon lange und macht deshalb viele Fehler. Helmut Kohl hat die seinen alle ausgesessen, bis sie vergessen wurden, das geht auch. Angela Merkel lässt sich irgendwie nicht gut beschuldigen, sie wird deshalb Teflon-Angie genannt. Aber was passiert, wenn sie wie geplant im Jahre 2015, in der Mitte der Wahlperiode, in den Ruhestand geht? Die CDU muss das Entschuldigen üben. Das wird schon lange geplant. Jetzt erfolgen erste konkrete Schritte. Ronald Pofalla wird voraussichtlich für zwei Jahre in den Vorstand der Deutschen Bahn ausgeliehen. Weil die Formalien dafür zuerst nicht so schnell erledigt werden konnten, hatte Pofalla zuerst sehr zweideutig angekündigt, „er wolle in der nächsten Zeit sein Leben in vollen Zügen genießen.“
Pofalla soll bei der Bahn – so heißt es – ein neu geschaffenes Ressort für die langfristige Unternehmensstrategie und Kontakte zur Politik in Berlin und Brüssel übernehmen. Er wird dort das Entschuldigen lernen, ständig verbessern und nachhaltig in der Politik einführen. Kurz nachdem seine Ausleihe an die Bahn publik wurde, kursierten schon die ersten Spekulationen um seine ersten Amtshandlungen. Er würde nach dem Amtsantritt sofort erklären: „Die Verspätungen der Bahn haben sich erledigt. Wir haben das Programm ‚Nie später ankommen‘ aufgelegt, kurz NSA.“

Die derzeitigen Pläne sehen angeblich vor, dass Pofalla unter der zweiten Kanzlerin Ursula von der Leyen Entschuldigungsminister wird. Er könnte gleichzeitig auch Verteidigungsminister werden. Minister für Entschuldigung und Verteidigung. Es ist vorgesehen, die bei der Bahn erworbene Expertise an die anderen Kabinettsmitglieder, aber auch an Nachwuchstalente wie Frau Schavan und Herrn zu Guttenberg weiterzugeben. „Wir bitten die Staatsschulden zu entschuldigen.“ – „Wegen der Störungen im Politikablauf kam es kurzfristig zu unvorhergesehenen Steuererhöhungen. Über die genauen Anhebungsbeträge werden wir sie rechtzeitig informieren.“ – „Die Regierung ist unplanmäßig zu einem Halt gekommen. Das Weitermachen verzögert sich auf unbestimmte Zeit.“ – „So lange die Renten nicht wirklich entfallen, gilt die Unschuldsvermutung.“ – „Die flächendeckende Überwachung der Bürger ist immer noch nicht gewährleistet, weil es nicht überall Internet gibt. Wir bitten um Entschul-digung.“ – „Die Banken machen viel zu kleine Gewinne, wir bitten um Entschuldung.“ – „Die Universitäten bieten leider zu wenige Plätze, das geht uns an Herz, da können viele Bachelors den Master gleich abschreiben, den Doktor sowieso.“
Endlich wird Reue gezeigt werden!
Politik muss nicht Leid sein. Politik muss Leid tun.

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www.omnisophie.com

Bei IBM nannten sie mich "Wild Duck", also Querdenker. Ich war dort Chief Technology Officer, so etwas wie "Teil des technologischen Gewissens". Ich habe mich viel um "artgerechte Arbeitsumgebungen" (besonders für Techies) gekümmert und über Innovation und Unternehmenskulturen nachgedacht. Besonders jetzt, nach meiner Versetzung in den Unruhestand, äußere ich mich oft zum täglichen Wahnsinn in Arbeitsumgebungen und bei Bildung und Erziehung ein bisschen polarisierend-satirisch, wo echt predigende Leidenschaft auf Stirnrunzeln träfe. Es geht mir immer um "artgerechte Haltung von Menschen"! Heute bin ich als freier Schriftsteller, Referent und Business-Angel selbstständig und würde gerne etwas zum Anschieben neuer Bildungssysteme beitragen. Ich schreibe also rund um Kinder, Menschen, Manager und Berater - und bitte um Verzeihung, wenn ich das Tägliche auch öfter einmal in Beziehung zu Platon & Co. bringe. Die Beiträge hier stehen auch auf meiner Homepage www.omnisophie.com als pdf-download bereit. Wer sie ordentlich zitiert, mag sie irgendwo hin kopieren. Gunter Dueck

3 Kommentare

  1. 1.) Die Entschuldigung diente einstmals der Benachrichtigung, von durch Maßgaben bzw. durch deren Umsetzung zu Maßnahmen, Geschädigter, dass der Handelnde den Schaden erkannt hat und zumindest vom Anspruch her zur Kompensation bereit steht.
    2.) In einer zunehmend infantilisierten Gesellschaft dient die Entschuldigung primär der Pflege des sozialen Seins, sie ist nicht mehr ernst gemeint.

    Hier könnte man gesellschaftspsychologisch ran, der Schreiber dieser Zeilen will hier nicht weiter ausführen, außer allgemeine Armseligkeit festzustellen.

    MFG
    Dr. W

  2. “entschuldigen – dann kann alles so bleiben, wie es immer war. ”

    Treffer , das ist nicht nur in der Wirtschaft zu einer regelrechten Gesellschaftskrankheit geworden .

    Absichtlich Mist bauen und Grenzen überschreiten , sich entschuldigen und dann weiter rumasseln , wies Einem in den Kram passt , das Ganze gerne garniert mit jovialer und scheinbar lockerer Kumpelhaftigkeit.

  3. Ronald Pofalla wird voraussichtlich für zwei Jahre in den Vorstand der Deutschen Bahn ausgeliehen.