Geist & Gehirn: Hylemorphismus

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Hirnforschung & Theologie
WIRKLICHKEIT

Mir erscheint offensichtlich, dass alles, was uns umgibt, “Stoff” (hyle) in einer bestimmten Form (morphe) bzw. Organisation ist, aus welcher sich die Eigenschaften (Merkmale, Fähigkeiten) des jeweiligen Dings und mithin seine Identität (was er/sie/es ist) ergeben. Wenn wir gleich mal beim Stoff bleiben, dann kann man diesen eben so organisieren, dass er als Kleidung zum Anziehen taugt, oder so, das man ihn als Teppich auf den Boden legen kann.

Während bei Artefakten klar ist, dass irgendjemand dem jeweiligen Stoff absichtlich seine Form gibt, finden in der Natur alle Dinge von allein zu ihrer Form. Dies fängt schon mit den Atomen an, die auf verschiedene Weise aus Elementarteilchen zusammengesetzt sind, wodurch sich ihre jeweiligen physikalischen Eigenschaften erklären (z.B. elektrisch leitend oder in größeren Mengen goldfarben zu sein usw.). Natürlich schwebt das Atomige des Atoms nicht irgendwie über den Elementarteilchen – letztere sezernieren es nicht irgendwie als ihr Produkt –, sondern das Atom ist – ja was ist es? Manche würden sagen: Das Atom ist nichts anderes als Elementarteilchen; denn daraus und ausschließlich daraus ist es ja zusammengesetzt. Diese Sichtweise ist sicher nicht falsch, unterschlägt aber doch das Entscheidende: die Organisation der Elementarteilchen, ihre Ordnung, die das bestimmte Atom erst zu dem Atom macht, das es ist. Vielleicht müssten wir sogar soweit gehen und sagen: wenn man jedes Elementarteilchen unter Wahrung der exakten Ordnung austauschen würde, dann wäre das Gesamtensemble immer noch dasselbe Atom. Oder anders gesagt: Es kommt im Grunde vor allem auf die Ordnung (Anordung, Organisation, Form) an, während es zweitrangig ist, woraus bzw. womit diese Ordnung physisch realisiert wird. Zwei Aussagen sind dann trivial: Erstens, es muss selbstverständlich immer etwas geben, das geordnet wird (“Stoff”); eine Ordnung an und für sich ohne etwas Geordnetes würde kaum Sinn machen. Und zweitens: Eine Ordnung lässt sich nicht auf ein einzelnes Elementarteilchen reduzieren; allenfalls kann man erklären, welche Eigenschaften eines Elementarteilchens es befähigen, Teil einer solchen Ordnung sein zu können. (Kein einzelner Fußballer erklärt die Mannschaftsleistung, kein einzelnes Instrument den Orchesterklang.)

Als völlig ungeschützte Behauptung wage ich hier jedoch einmal die These, dass die sich ordnende Teile sowohl rezeptive (afferente) wie aktive (efferente) Anteile aufweisen, oder um es ein wenig poetischer zu sagen: dass sie irgendwie “aufeinander hören” können und dies normalerweise auch tun.

Niemand bestreitet ernsthaft, dass es Sinn macht, Atome in ihrem Wechselspiel usw. zu untersuchen. Die Eigenschaften, die aus der beim Atom gegebenen Anordnung von Elementarteilchen resultieren, sind allemal interessant genug für eingehende wissenschaftliche Analysen. In gewisser Weise abstrahiert man dann davon, dass man es hier im Grunde doch immer noch mit nichts anderem als Elementarteilchen zu tun hat. Noch mehr gilt dies, wenn man vom Atom auf die Ebene der Moleküle wechselt und sich spätestens jetzt das Reich der Chemie auftut. Und wo wir schon dabei sind, gehen wir doch gleich noch ein paar Schritte weiter: zur Organelle, zur lebenden Zelle, zum Organ und schließlich zum lebensfähigen mehrzelligen Organismus. Auch bei diesem “Aufstieg” gibt es an keiner Stelle “Sezernierungen” von übergeordneten Produkten aus einer zugrunde liegenden niedrigeren Ebene – es gibt gar nicht mehrere Ebenen. Nein: Wir haben einfach nur den Zoom anders eingestellt! Ein Mensch ist nichts anderes als eine Ansammlung von Organen, Zellen, Organellen, Molekülen, Atomen und schließlich Elementarteilchen – plus deren Ordnung. Wenn wir fokussieren oder einen Zoom enger wählen, dann wird normalerweise gleich auch der Bildausschnitt kleiner. Hier nun käme es darauf an, den Zoom auf den gesamten Menschen anzuwenden: der ganze Mensch ist eine “Wolke” aus Elementarteilchen, wenn wir in ihn hinein zoomen. Und zwar Elementarteilchen in einer ganz bestimmten Anordnung, aus welcher sich letztlich sämtliche im Körper stattfindenden physikalischen, chemischen und physiologischen Abläufe erklären lassen. Wenn wir bei Lebewesen angekommen sind, müssen wir gleich bemerken, dass sich hier auch die essentielle Bedeutung des Kontextes, in dem sich ein organisiertes System etabliert, zeigt: ein Lebewesen existiert nicht nur durch das intrinsische Zusammenspiel seiner eigenen Teile, sondern auch und vor allem durch das gelingende Zusammenspiel mit den Systemen in seiner Umwelt.

Niemand bestreitet ernsthaft, dass es Sinn macht, auch die sehr besonderen Eigenschaften dieser extrem großen Aggregate von Elementarteilchen mit dafür geeigneten wissenschaftlichen Methoden, Messverfahren und Konzepten zu untersuchen. Es ist nun auch gleich ziemlich klar, was “explanatorische Reduktion” leisten kann und was nicht: die in einem Lebewesen auf spezifische Weise organisierten Teile können für sich genommen vielleicht ein Potential zur Beteiligung an einer solchen Gesamtorganisation aufweisen; aber die Gesamtorganisation als identifizierende Eigenschaft eines Lebewesens lässt sich natürlich nicht an ihnen studieren. Ein weiteres Beispiel: An einem einzelnen Weizenhalm kann man seine Biegbarkeit bewundern, aber das Phänomen des Wogens eines Weizenfeldes im Winde setzt voraus, dass es sehr viele solche Halme und außerdem Wind gibt; auf der Ebene eines einzelnen Halms existiert dieses Phänomen schlicht nicht.

Es lohnt sich, hier kurz die Frage nach Kausalitäten aufzuwerfen: Erstens, werden die Ordnungen selbst zu Akteuren? zu Ursachen? Dies wäre meines Erachtens impliziert, wenn man zum Beispiel der Formulierung zustimmt, dass Systeme sich selbst organisieren, oder wenn man sagt, dass Ordnungen eine Tendenz aufweisen, sich selbst zu stabilisieren. Bei diesen Formulierungen scheint die Ordnung doch den geordneten Teilen irgendwie gegenüber treten und dann auf sie einwirken zu können. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Ordnung aus nichts anderem besteht als aus den geordneten Teilen; sie kann diesen daher unmöglich gegenüber treten oder auf sie einwirken. Richtig ist allerdings, dass die geordneten Teile in ihrer Ordnung wirksam werden. Der Ordnung kommt keine eigene Kausalität zu, sie wird nicht selbst und allein zum Akteur; es ist immer “nur” die Kausalität der Elementarteilchen und damit die Kausalität der heute bekannten vier grundlegenden Wechselwirkungen. Aber diese Kräfte werden eben in Systemen wirksam, die sich in einer bestimmten Ordnung befinden, was völlig andersartige Gesamteffekte bewirken kann als wenn dieselben Elementarteilchen in keiner oder in einer anderen Ordnung wären (vgl. magnetisiertes und nichtmagnetisiertes Eisen). Und zweitens: Wer oder was verursacht die Ordnung? Es ist die Gesamtheit der geordneten Teile in ihrem komplexen Zusammenspiel, dessen Möglichkeiten durch die Eigenschaften der geordneten Teile (in den diversen Zoom-Stufen) definiert sind. (Die Mannschaftsleistung der Bayern oder des BVB wird nicht durch den Trainer “verursacht”, aber auch durch keinen einzelnen Spieler.)

Ich erlaube mir hier gleich die nächste ungeschützte These: Ich denke, dass ein Teil noch “überschauen” kann, woraus es zusammengesetzt ist, und dass es mit seinesgleichen interagieren kann. Aber von der übergeordneten “Zoom-Ebene” bekommt es nicht viel mit. Vermutlich sieht und “versteht” die einzelne Ameise den Termitenbau in seiner Gesamtheit und die absolut faszinierende Gesamtorganisation aller Abläufe im Termitenstaat nicht auf die Weise, wie wir sie erkennen können – tiefenpsychologisch müsste man wohl sagen: es ist verstrickt. Wir dagegen wissen viel über Physik, Chemie und Medizin. Und wir können auch mit unseresgleichen in einigermaßen gelingende Kommunikationen eintreten. Aber bei der Familie und größeren Gruppen hört das Verständnis des Einzelnen meist schon bald auf – vor allem wenn man selbst Beteiligter ist … Wir haben alle unterschiedliche Fähigkeiten, zum Zusammenspiel aller Teile beizutragen (bzw. es zu stören) und diesem eine Richtung zu geben; kein Einzelner bestimmt, wie es läuft (jedenfalls nicht ohne die Zustimmung der Anderen). Hier wäre noch viel zu sagen, z.B. dass die einzelnen Teile im Bereich des Lebendigen je für sich Ziele verfolgen und auf diese Weise andersartige Gesamtziele der Gruppe erreicht werden können.

Und jetzt die Frage nach dem Bewusstsein: Ist auch der Geist ein emergentes Phänomen?

Reden wir zunächst von Fähigkeiten, hier vor allem von kognitiven Fähigkeiten. Unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. einem hinreichend intakten Hirnorgan) sind Lebewesen zu erstaunlich komplexer Informationsverarbeitung fähig. Ihre Nervensysteme stellen ein Riesenreservoir an teils angeborenen, teils im Laufe des Lebens erlernten Wenn-Dann-Verschaltungen bereit, die letztlich darüber entscheiden, wie in jedem Augenblick auf einen Input reagiert wird; die entscheidenden Kräfte sind also (physiologisch) nach innen verlegt, sodass die für den außenstehenden Beobachter (oder Fressfeind) sichtbaren Kräfte (Wind, Gefälle usw.) kaum noch Vorhersagen über das zu erwartende Verhalten erlauben. Die Informationsverarbeitung findet immer neuronal und damit generell nicht bewusstseinsfähig statt; lediglich manche, wiederum automatisch ausgewählte Ergebnisse dieser Prozesse werden uns ab und an bewusst, falls weitere besondere Voraussetzungen erfüllt sind (z.B. hinreichende Wachheit usw.). Vielleicht sollte man hier zwei Stufen der Bewusstheit unterscheiden: Auf Stufe 1 sehen wir durchaus Objekte usw. und dies wirkt sich auf unsere Reaktionen aus (vgl. implizites Lernen, Priming, aber auch Navigation durch einen Raum usw.); aber erst auf Stufe 2 erkennen wir diese Objekte explizit, denken über sie nach, erst jetzt werden sie uns im engeren Sinne bewusst, d.h. wir sind uns ihrer gewahr. Meistens können wir diese Objekte auch erst dann benennen und mit anderen kommunikativ teilen; und wir merken sie uns mit größerer Wahrscheinlichkeit explizit und können uns später an sie erinnern. Die beiden Stufen der Bewusstheit sind im Grunde zwei Stufen der Aufmerksamkeitsfokussierung auf Objekte, welche entweder oberflächlich (aber ausreichend für die stattfindende Handlung) oder intensiver sein kann. Die Vor- und Nachteile unterbewusster, schwach bewusster und bewusster Informationsverarbeitung (Denken) wurden ausführlich an anderer Stelle charakterisiert (z.B. S. Dehaene, Consciousness and the Brain, 2014). Wichtig ist hier nur: es macht einen Unterschied und auch das explizite (voll bewusste) Denken hat im Handeln Effekte, die ohne dieses Bewusstsein nicht möglich wären (z.B. komplexe serielle Verarbeitung etwa beim Planen, Problemlösen oder bei schweren Kopfrechenaufgaben).

Hier verhelfen uns nun die vorangegangenen Überlegungen zu etwas mehr Klarheit: Nein, das Bewusstsein ist kein Akteur, es ist keine Ursache von irgendetwas; wirksam wird immer nur die Gesamtanordnung aller materiellen Teile. Aber – diese wird in ihrer Ordnung wirksam und wir dürfen sagen, dass diese Ordnung spezifisch anders ist, je nachdem ob Bewusstsein da ist oder nicht. Wir kennen noch nicht die neuronalen Substrate und Anzeichen dieser Ordnungszustände, aber einige wesentliche Aspekte wurden bereits identifiziert, vor allem das außergewöhnlich langstreckige bidirektionale Zusammenspiel weit entfernter Hirnregionen bei bewusster Verarbeitung (funktionelle frontoparietale Konnektivität). Interessanterweise kommt man hier mit der Betrachtung einzelner EEG-Kanäle (Hirnrindenorte) nicht sehr weit; es wurden sogar Fälle berichtet, in denen eine Person ihr Bewusstsein offensichtlich verliert, das Oberflächen-EEG aber mehr oder weniger unverändert weiterläuft (Koubeissi et al. 2014 Epilepsy Behavior)! Man braucht hier schon Verfahren zur Analyse des komplexen Zusammenspiels von Hirnregionen. Wenn man diese Überlegung akzeptiert, dann ist es nicht mehr möglich, von einem physischen Vorgang, der mit bewusstem Erleben und Danken einherging, die psychische Ebene einfach als kausal irrelevant folgenlos für die physischen Vorgänge “abzuziehen”, sprich: so zu tun, als ob diese psychischen Phänomene gar nicht existiert hätten. Denn hätten diese psychischen bzw. bewussten Phänomene tatsächlich nicht existiert, dann wäre die ablaufende Physiologie notwendigerweise eine andere gewesen. Da aber die Physiologie so ablief, wie sie ablief (und aufgrund von Naturgesetzen auch genauso ablaufen musste), mussten auch die entsprechenden bewussten Phänomene notwendig auftreten; diese kennzeichnen oder kodieren quasi subjektiv das Auftreten besonderer Ordnungsstrukturen im Gehirn während dieser Vorgänge, in denen die Hirnphysiologie letztlich wirksam werden konnte. (Anders gesagt: Die oft bemühte epiphänomenalistische Metapher von der Dampflok und dem Dampf, dessen Richtung nichts über den Weg der Lok sagt, trifft auf das Verhältnis von Personen und ihren Gedanken im Hinblick auf deren Handeln nicht zu.) Gedanken werden nicht abgesondert oder sezerniert aus einem materiellen Substrat; ein materielles System weist vielmehr unter sehr besonderen Umständen die Fähigkeit auf, denken zu können.

Es wird nun deutlich, dass der falsche (epiphänomenalistische oder eliminative oder reduktionistische) Reduktionismus in der Geist-Gehirn-Frage wie geblendet durch die Materialität des Gehirns den Aspekt der Ordnung übersieht, welche kausal insofern wirksam wird, als dass Systeme in ihrer jeweiligen Ordnung kausal wirksam sind. Der falsche Reduktionismus sieht Naturgesetze im Hinblick auf elementare Einzelteile, ignoriert aber, dass im Rahmen der Naturgesetze immer komplexere Ordnungen entstehen; dies ist sogar der Normalfall. Der falsche Reduktionismus in der Geist-Gehirn-Frage ist latent dualistisch; denn er meint, auf eine tiefere, zugrunde liegende Ebene abzutauchen, was aber nicht der Fall ist – man vergleiche den einschlägigen, ganz offensichtlich dualistischen Slogan “Nicht das Ich entscheidet, sondern das Gehirn” (klassischer Fall von Verdrängung, würde ich sagen). Tatsächlich aber verengt dieser Reduktionismus ganz unnötigerweise den Blickwinkel, wenn er auf das Physische fokussiert, und verliert das zu erklärende Phänomen schlicht aus dem Blick. Die Vorstellung, Eigenschaften des Gesamtsystems entweder aus den Eigenschaften der Einzelteile erklären zu können oder aber diese Eigenschaften für illusionär zu halten, ist bizarr.

Ich hatte bereits in einem früheren Blogpost behauptet, dass mein Bewusstsein kein substanzielles Bewusstsein an und für sich (d.h. u.a. hirnunabhängig) sein kann, weil ein solches Bewusstsein seiner Natur nach dann stets bei Bewusstsein sein müsste, sodass es keine Phasen der Bewusstlosigkeit mehr geben könnte; diese gibt es aber ohne Zweifel (Beweis der Unmöglichkeit eines substanziellen individuell-menschlichen Bewusstseins durch reductio ad absurdum); dementsprechend besitze ich auch keine Seele, wenn man diese als ein absolutes Bewusstsein versteht. Denkbar bleibt dann allerdings, dass ich eine Seele hätte, die der eigentliche Träger meines Bewusstseins ist und die ab und an aber bewusstlos ist (z.B. schlafen oder in Narkose versetzt werden kann).

Aristoteles und im Anschluss an ihn Thomas von Aquin waren der Meinung, dass die Seele die Form des Körpers ist (anima forma corporis), anders gesagt: dessen Ordnung, Anordnung oder Organisation, die ihn erst lebendig und denkfähig sein lässt. Wieso sollte man die Seele dann aber überhaupt noch vom Körper unterscheiden, wieso sollte dann nicht der materielle Körper selbst der Träger des Bewusstseins sein? Der Sinn der Rede von der Seele könnte sein, den Aspekt der Ordnung bzw. des Zusammenspiels zu betonen, ihn an die erste Stelle zu rücken: würde man alle Atome meines Körpers unter Wahrung der Ordnung austauschen, wäre ich immer noch exakt ich selbst. So gesehen kommt es auf keines der Atome an, die derzeit meinen Körper bilden; es kommt nur darauf an, dass die Ordnung erhalten bleibt und diese Ordnung ist (zumindest auf Erden) notwendig die Ordnung von etwas. Umgekehrt könnten noch alle Atome vorhanden sein und ich wäre doch schon tot, weil die Ordnung bereits verloren gegangen ist. Der Verweis auf die Materialität meiner Existenz – auch meiner geistigen Existenz – ist daher gar nicht besonders informativ oder sogar trivial (weil er für alles gilt), er verfehlt das Spezifische dieser Existenz.

Hylemorphismus ist letztlich eher ein Monismus, vielleicht sogar ein materialistischer Monismus, den man an den Aspekt der Ordnung erinnert hat; ein Substanzendualismus ist er sicher nicht. Mir erscheint das Konzept weitgehend kompatibel mit dem Konzept der Supervenienz (J. Kim). Der Aspektdualismus wird hier präzisiert: je nachdem wie tief ich in ein materielles System hinein zoome, entdecke ich unterschiedliche Arten von Eigenschaften und Fähigkeiten.

Für das christliche Menschenbild ist der Hylemorphismus bzw. die anima-forma-corporis-Lehre im modernen Begriff der Person als einer leibseelischen Einheit bis heute wirksam und dogmatisch verbindlich, auch wenn man dem Christentum immer wieder einen Leib-Seele-Dualismus unterstellt. Der Mensch ist christlich gesehen gerade kein transientes, arbiträres Kompositum aus einem uneigentlichen Leib und einer eigentlichen Seele.

 

PS. Am Dienstagabend (Beginn: 18 Uhr) trage ich in der Katholischen Hochschulgemeinde der Universität Münster über Nahtoderfahrungen aus Sicht der Hirnforschung vor. Herzliche Einladung!

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Geboren 1967 in Emsdetten/Westfalen. Diplom kath. Theologie 1993, Psychologie 1997, beides an der Universität in Bonn. Nach einem Jahr am Leipziger Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung (1997-98) bin ich seit Oktober 1998 klinischer Neuropsychologe an der Universitätsklinik für Epileptologie in Bonn. Ich wurde an der Universität Bielefeld promoviert (2004) und habe mich 2015 an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn habilitiert (Venia legendi für das Fach Neuropsychologie). Klinisch bin ich seit vielen Jahren für den kinderneuropsychologischen Bereich unserer Klinik zuständig; mit erwachsenen Patientinnen und Patienten, die von einer schwerbehandelbaren Epilepsie oder von psychogenen nichtepileptischen Anfällen betroffen sind, führe ich häufig Gespräche zur Krankheitsbewältigung. Meine Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen in den Bereichen klinische Neuropsychologie (z.B. postoperativer kognitiver Outcome nach Epilepsiechirurgie im Kindesalter) und Verhaltensmedizin (z.B. Depression bei Epilepsie, Anfallsdokumentation). Ich habe mich immer wieder intensiv mit den philosophischen und theologischen Implikationen der modernen Hirnforschung beschäftigt (vgl. mein früheres Blog WIRKLICHKEIT Theologie & Hirnforschung), eine Thematik, die auch heute noch stark in meine Lehrveranstaltungen sowie meine öffentliche Vortragstätigkeit einfließt.

25 Kommentare

  1. Ordnung oder Organisation?

    I once asked von Neumann, given the opportunity of cocktail conversation, what he saw as the difference between order and organization, both non-random. His answer was short and to Darwinian ears sweet, “Organization has purpose; order does not.” The one is information-dependent, the other is not.

    (Colin S. Pittendrigh. Annu. Rev. Physiol. 1993.55:17-54.)

  2. Begriffe nicht richtig und genau zu definieren – führt zu fragwürdigen Schlussfolgerungen und Erkenntnissen: z.B. Bewusstsein
    ist damit ein bestimmter Aktivitätszustand des Gehirns gemeint? (z.B. EEG-Aktivität > 40 Hz)
    ist damit ein bestimmtes Wahrnehmungsvermögen gemeint? (man kann sich und die Umwelt wahr nehmen)
    ist damit der Eindruck einer eigenen Identität gemeint? (Selbst-/Ich-Bewusstsein)

    Trennt man die verschiedenen Bedeutungen eines identischen Begriffes nicht klar von einander – dann werden Aussagen beliebig bzw. nichts-sagend

    (off topic: für Ihren Vortrag: unter www,sciencedaily.com/releases/2015/04/150430124107.htm ´Brain scan reveals out-of-body illusion´- werden Versuche beschrieben, bei denen innerhalb von Sekunden ´außerkörperliche Erfahrungen´ (AKEs) bei völlig gesunden Menschen im Gehirnscanner erzeugt wurden. Man konnte sogar vermessen, wohin sich diese Personen dachten.
    AKEs werden alleinstehend, bzw. am Anfang, zwischendurch oder am Ende einer Nahtod-Erfahrung (NTE) berichtet. Die naheliegendste Annahme, dass man bei einer NTE geistig klar bei Bewusstsein ist – war noch nie zentrale Annahme in ´wissenschaftlichen´ Arbeiten zu diesem Thema. >> Wenn ausgerechnet die naheliegendste Annahme seit vier Jahrzehnten in der Forschung systematisch ignoriert wird, dann ist dies ein wissenschaftliches Fehlverhalten. (Die NTE-Forschung hat als wichtige Quelle das seit 1975 im Handel erhältliche Buch von Dr. Moody ´Leben nach dem Tod´. Darin schreibt er deutlich – dass alle Menschen beim Erleben einer NTE lebendig waren und dass man parallel zur NTE die Umwelt deutlich wahr nehmen kann > d.h. alle Menschen müssen geistig klar bei Bewusstsein gewesen sein))

  3. Interessant ist Ihre Argumentation im Hinblick auf die christliche Lehre. Im Hinblick auf die Philosophie des Geistes bringt sie aber nichts Neues. Im Grunde ersetzen Sie das Wort “Bewusstsein” durch das Wort “Ordnung”. Welcher Art diese Ordnung sein soll, darüber wird nichts ausgesagt. Letztlich muss es wieder eine Ordnung der Materie sein, was sonst? Also kommt auch die Ordnung nicht ohne materialistischen Reduktionismus aus, denn die Ordnung muss zurückgeführt werden auf die Entitäten und die Relationen zwischen den Entitäten. Ordnung allein reicht nicht aus, dazu kommen Funktionalitäten zur Manipulation der Ordnung, bzw. die Veränderung der Ordnung ist selber die Funktionalität. Ordnung ist notwendig deterministisch, ist das Bewusstsein also ein Automat? Was ist dann mit der Willensfreiheit?

  4. @Balanus
    Eher würde ich meinen, ein Arrangement von Elementen gilt gemeinhin dann als organisiert und nicht nur als geordnet, wenn dabei der Aspekt von Ordnung auf einer hierarchisch höheren Stufe als der seiner Konstituenten erscheint.
    Und ich verstehe auch nicht, was Pittendrigh sagen will mit “The one is information-dependent, the other is not.

    @Christian Hoppe
    Ist mit der einsamen Ameise im Termitenstaat möglicherweise nicht doch eine Termite gemeint?

  5. Ihre ganze etymologische Argumentation dreht sich ewig nur im Kreis und ist ohne Sinn. Die Sprache und die Bedeutungen von Wörtern leben mit den Veränderungen der Menschen und ihrer Umwelt. Wörter haben an sich keine bestimmte Bedeutung, erst im Satz- und im Textumfeld bekommen sie Bedeutung zugewiesen. Wörter haben keinen unmittelbaren Bezug zur Wirklichkeit, zu ihren Referenten. Deshalb spielt die ursprüngliche Form und die ursprüngliche Bedeutung, besser der ursprüngliche Gebrauch, für die Sprache heute keine Rolle mehr. Bedeutungen von Wörtern werden ständig neu erfunden oder umgedeutet und in neuen Zusammenhängen und Zusammensetzungen verwendet. Daran kann auch die Vielzahl Ihrer pharisäerhaften Monologe oder Pamphlete nichts ändern.

  6. Anima forma corporis scheint mir der Gegensatz zum modernen Form follows function zu sein. Vielleicht ist es auch hier so, dass beides zutrifft, in abwechselnden Maße. Die Organisation ist Information aus zweierlei Ursprung. Der Leib ist nur Datenträger. Verbindungsstück zwischen zwei Welten.

    Angenommen es gäbe eine unsterbliche Seele, bzw. eine Verbindung zur Seele, die hergestellt und wieder gelöst werden kann. Woher weiß die Seele im Augenblick des Todes, dass der Körper nicht mehr funktioniert? Weil sie keine Informationen aus der Wahrnehmung des Körpers mehr bekommt? Dann müsste es tatsächlich so sein, als ob man schläft wenn man stirbt? Was ist mit Komapatienten, wenn ihre Seele sich “vertut” und denkt der Körper funktioniere nicht mehr und deshalb schon verschwindet? Dann lebt der Körper noch aber er hat keine Seele mehr?

    Sehr interessantes Thema, bei dem ich immer an meine tote Katze denken muss, die ich diese Woche beerdigen musste. Der Körper in der Totenstarre sah aus, als würde sich die Seele mit aller Kraft an jeder Zelle festhalten wollen. Es war zu früh -.-

  7. @ Herr Kinseher :

    Begriffe nicht richtig und genau zu definieren – führt zu fragwürdigen Schlussfolgerungen und Erkenntnissen […]

    Janz jenau, blöd bleibt halt, dass besonders außerhalb der Naturwissenschaften zwei Probleme letztlich unüberwindbar sind:
    1.) Die Etymologie ist heranzuziehen und hier wird es erfahrungsgemäß, insbesondere bei Bedeutungssprüngen, die Metaphorik meinend, die auch mehrfach stattfinden kann, schwierig.
    2.) Begriffsdefinitionen benötigen Begriffe, die wiederum zu definieren wären, wobei idF wiederum definiert werden müsste und … wiederum.

    Insofern findet hier eine Rekursion statt, es waren witzigerweise (auch) neomarxistische Wissenschaftler oder “Wissenschaftler”, die erkannt haben, dass hier ein nie enden währender Diskurs stattzufinden hat.
    Insofern geht es um eine Methode, also bei den Definitionsbemühungen, besonders außerhalb der Naturwissenschaften, die Naturwissenschaften sind hier manchmal “fein raus”, wenn sie mathematisieren und formularisieren, aber (gerade) auch die Naturwissenschaften folgen der Scientific Method. [1]

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1]
    Witzigerweise liegt hier kein deutschsprachiger Text vor, was womöglich auch an der deutschen Spezifität liegt, dass Wissenschaft womöglich Wissen meint, nicht Erkenntnis.

  8. @ Herr Reutlinger :

    Bedeutungen von Wörtern werden ständig neu erfunden oder umgedeutet und in neuen Zusammenhängen und Zusammensetzungen verwendet.

    Genau so ist es nicht.
    Die Leistung der Altvorderen bestand darin eine sozusagen ursprüngliche Begrifflichkeit bereit zu stellen, auf der weiter aufgebaut werden konnte.
    Wörter haben einen konkreten Bezug zur Realität (“Sachlichkeit”, Realitas), es kann bspw. fein unterschieden werden zwischen der Welt, der Wirklichkeit (Meister Eckhart und so – und huch, dass hiesige WebLog heißt sogar ‘Wirklichkeit’), dem Universum oder Multiversum und der Welt.

  9. Der Bezug der Wörter zur Realität unterliegt gerade der Arbitrarität und Konvention, das was A.Leibitz vehement leugnet. Es gibt keinen intrinsischen oder irgendwie gesetzlichen, natürlichen Bezug zwischen Signifikat und Signifikant. Deshalb hat C.S.Peirce noch den Interpretant als Verbindungsglied dazwischen geschaltet. Kinder lernen Bedeutungen ostentativ durch Zeigen und Erklären der Eltern, später in Bilderbüchern durch Koinzidenz von Bild und Wort. Wörter können in der ursprünglichen oder “wörtlichen” Bedeutung gebraucht werden, aber auch in vielen anderen Bedeutungen, in Redeweisen und Metaphern. Bezeichnungen für Körperteile finden sich in vielen Zusammenhängen. Die meisten Begriffe haben mehrere Bedeutungen. Ich empfehle Lakoff/Johnson “Metaphors we live by”.

  10. @ Herr Reutlinger :

    Wörter haben keinen unmittelbaren Bezug zur Wirklichkeit, zu ihren Referenten. Deshalb spielt die ursprüngliche Form und die ursprüngliche Bedeutung, besser der ursprüngliche Gebrauch, für die Sprache heute keine Rolle mehr. Bedeutungen von Wörtern werden ständig neu erfunden oder umgedeutet und in neuen Zusammenhängen und Zusammensetzungen verwendet.

    Wörter haben einen Bezug zur Wirklichkeit, der ursprüngliche Gebrauch hat heute eine Rolle zu spielen & Bedeutungen von Wörtern werden heute nicht ständig neu erfunden, sondern (leicht) verändert oder metaphorischen Sprüngen unterworfen.

    Dies mal so als Kompromiss-Angebot.

    Dann bleibt Ihr Kommentatorenfreund i.p. Konstruktivismus womöglich generell an Ihrer Seite.

    MFG
    Dr. Webbaer

  11. Wörter kann man immer nur mit anderen Wörtern beschreiben und erklären. Man bewegt sich also innerhalb einer geschlossenen Welt der Sprachen, der Wörter, der Morpheme und der Sprachlaute. Wie weit muss man zurückgehen, um auf deren Ursprünge zu kommen? Ist der Anfang nicht willkürlich, angesichts der Lückenhaftigkeit der Historie? Wie verlief die ursprüngliche Zuordnung von Sprachlauten und Schriftzeichen? Hat die indogermanische Sprache (Sprachfamilie) universelle Bedeutung hinsichtlich des “Logos”, oder der Vernunft? Warum gibt es das babylonische Sprachenwirrwarr, wenn man Wahrheit aus der Sprache deduzieren kann?

  12. @Webbaer
    Eine sinnvolle Argumentationskette erfordert nun einmal als Grundlage, dass jeder versteht, was mit den einzelnen verwendeten Begriffen gemeint ist. Und wenn bei deren Verwendung neue Begriffe auftauchen, dann muss deren Bedeutung ebenfalls so definiert werden, dass sie danach ebenfalls allgemein verständlich werden.
    Diese Vorgehensweise mag umständlich erscheinen – aber nur so kann man sinnvolle Diskussionen führen.

    Wie sinnlos manche Themen sind hat Herr Hoppe selbst mit seiner Einladung zum Vortrag demonstriert: Denn der Begriff ´Nahtod-Erfahrung´ oder ´Todesnähe-Erfahrung´ ist seit 2300 Jahren ein Unsinn. Epikur meinte damals ´solange ICH bin – ist der Tod nicht da, wenn der Tod aber da ist – bin ICH nicht mehr´. Eine Todesnähe kann es nicht geben.
    D.h. wenn wenn dieser Begriff nicht hinterfragt wird, muss man sich nicht darüber wundern, was zu diesem Thema gesagt und geschrieben wird.
    Nahtod-Erfahrungen weden manchmal als ´Sterbeerfahrung´ betrachtet – dieser Begriff ist noch viel fragwürdiger: denn wer eine ´Sterbeerfahrung´ hatte, muss danach im Wortsinne eine Leiche sein; sonst mach dieser Begriff keinen Sinn. Und Leichen – so ist unser Stand biologischen Wissens – können nichts mehr erzählen.

  13. @Chrys

    » …was Pittendrigh sagen will mit “The one is information-dependent, the other is not.”«

    Ich habe das so verstanden, dass Pittendrigh darauf anspielt, dass zum Aufbau eines biologischen Organismus (genetische) Information notwendig ist, während z. B. das Wachsen eines Kristalls keine vergleichbare Information erfordert.

    Vielleicht wird neue Information geschaffen, wenn Galaxien und Kristalle entstehen, aber das ist eben was ganz anderes, als wenn ohne Information etwas gar nicht erst entstehen kann.

    »Eher würde ich meinen, ein Arrangement von Elementen gilt gemeinhin dann als organisiert und nicht nur als geordnet, wenn dabei der Aspekt von Ordnung auf einer hierarchisch höheren Stufe als der seiner Konstituenten erscheint.«

    Diese höherstufige „Ordnung“ wäre demnach auch dann Organisation zu nennen, wenn sie keinem Zweck dient? Verstehe ich das richtig?

    »…Ameise im Termitenstaat…«

    Gut aufgepasst, Respekt! Aber Christian Hoppes Argument funktioniert auch mit dieser verirrten Ameise…

  14. Die Off-topic-Kommentare von Troll A. Leibitz wurden gelöscht. Hierdurch sind einige Antwortkommentare nicht mehr ganz verständlich; ich wollte diese aber nicht löschen.

  15. Im Blogpost findet sich eine Definition von Bewusstsein. Genauer gesagt, sogar zwei; denn weder ist Bewusstsein ein einheitliches psychologisches Phänomen noch ist es für den überwiegenden Teil unseres alltäglichen Verhaltens besonders relevant. (Es wird philosophisch tendentiell überschätzt.) Wir bemerken etwas in unserer Umgebung oder an uns selbst in unterschiedlicher Intensität; die stärkste Ausprägung dieses Bemerkens ist vermutlich, wenn etwas Gegenstand von Denken und Kommunikation wird.

  16. Ameisen im Termitenstaat – peinlich peinlich … Aber ich lass das mal so. Das ist der berühmte “Paotzen” als Ausdruck überbordender Bescheidenheit … ;o))

  17. Nahtoderfahrung – ja genau, ich erläutere in dem Vortrag auch, dass es sich NICHT um Erfahrungen am Rande des Lebens, sondern am Rande des Bewusstseins (im Leben) handelt. Mein Interesse an den “NTE” (oder near loss-of-consciousness experience) bezieht sich allein auf die funktionelle Frage, ob diese Erfahrungen die Leitidee der Hirnforschung widerlegen, dass geistig-seelische Phänomene ausnahmslos nur in Zusammenhang mit Hirnfunktionen auftreten (was sie meines Erachtens nicht tun).

  18. Ich habe hier die Begriffe synonym verwendet und hätte auch noch Muster, Struktur usw. verwenden können. Schwierig zu deuten ist die kaum zu leugnende Tatsache, dass Ordnungen auf bzw. ab einem bestimmten Komplexitätsgrad so etwas wie Intentionalität aufweisen, welche man den Elementen, aus denen diese Ordnung aufgebaut wird, nicht zuschreiben würde – also stark-emergente bzw. wirklich neue Eigenschaften. Zu vermeiden wären hier die häufig gehörten Metaphern der “Stufe”, “Ebene” usw., welche tendenziell verdecken würden, dass wir auch hier über nichts anderes sprechen als über geordnete Elementarteilchen.

  19. Es ist doch im Text klar definiert und operationalisiert, wie Bewusstsein dort verstanden wird: als Fähigkeit, als Bemerken von etwas in unterschiedlicher Intensität. Die “alten” Begrifflichkeiten helfen hier nicht so richtig weiter. Eine inhaltliche Definition – z.B. Selbstbewusstsein, sprich: das Selbst als möglicher Inhalt bewusster Analyse definiert das Bewusstsein selbst – ist von vornherein obsolet.

  20. Einen Rand des Lebens gibt es genau so wenig wie einen Rand des Bewusstseins – solche Begriffe ergeben keinen Sinn.
    Was wir bewusst erleben sind lediglich diejenigen Erfahrungen, die aktuell im Fokus der Aufmerksamkeit sind (Weiter oben schreiben Sie ganz richtig, dass die unterschiedliche Intensität des Bemerkens dafür die Ursache ist).
    D.h. der Unterschied zwischen bewusstem und unbewussten Erleben liegt lediglich darin, worauf unser Gehirn gerade die Aufmerksamkeit richtet. Die Wahrnehmung geistig-seelischer Phäomene ist deswegen immer daran gekoppelt, womit wir uns gerade beschäftigen. (Den Wortteil ´seelischer´ kann man streichen – wenn nicht genau definiert werden kann, was damit gemeint ist.) Deswegen sind sinnliche bzw. emotionale Wahrnehmung und ´geistiges´ Denken immer mit Hirnfunktionen verbunden.
    ´Geist´ als emergentes Phänomen von Gehirnaktivitäten abzukoppeln ist eine fragwürdige Sichtweise – denn unser Gehirn arbeitet sehr fehlerhaft; und diese Fehler beruhen auch auf Grundlage unseres Gehirns. Z.B. wenn wir im Kinofilm bewegte Bilder sehen, ist dies keine höhere geistige Leistung, sondern die gesehene Bewegung ist ein offensichtlicher Fehler unserer Wahrnehmung.
    Denkfehler und Geist haben also eine gleichartige Grundlage und dürften somit identisch sein.

  21. Natürlich ergeben die Sinn. Wenn Sie sterben, befinden Sie sich am Rande des Lebens. Wenn Sie Ihr Bewusstsein verlieren, befinden Sie sich am Rande des Bewusstseins. Die Übergangsbereiche sind voll interessanter Phänomene, vor allem wenn sie prolongiert auftreten.

    Ich habe nirgendwo auf meinem gesamten Blog und schon gar nicht im aktuellen Blogpost Geist “als emergentes Phänomen von Hirnfunktion abgekoppelt”. Gerade NICHT! Bitte lesen, was ich schreibe, und nicht vermuten, was ich in Zusammenhang mit bestimmten Stichworten wohl geschrieben haben werde.

  22. In meinem Blogpost erkennt man das Vorliegen bestimmter Ordnungen nur an dem Vorhandensein bestimmter Funktionen (Fähigkeiten); insofern fallen Form und Funktion nicht auseinander.

    Ihre Fragen beziehen sich auf einen Substanzendualismus, den ich ausdrücklich nicht vertrete. Aber Ihre Fragen wären in Bezug auf dieses Konzept relevant; völlig unklar bleibt bei jeder Art von Dualismus wie die Interaktion dieser völlig verschiedenen Entitäten vonstatten gehen soll: Chemie wirkt auf Chemie, Physik auf Physik – das erscheint relativ klar. Was aber soll es bedeuten, dass immaterielle Gedanken oder Intentionen oder Erkenntnisse auf Materie einwirken??

  23. Leider habe ich keine Zeit, die Kommentare von Herrn Leibitz manuell zu löschen; der Spam-Filter wäre das richtige Instrument, versagt aber leider. Eine individuelle Sperrung ist nicht möglich. Daher schließe ich die Kommentarfunktion und bitte ggf. um Email an mich (da funktioniert der Spam-Filter einwandfrei). Danke, Herr Leibitz, Sie sind der Beste.