19.Mission: Vierter Tag und Heim

BLOG: Zündspannung

Blick über den Plasmarand
Zündspannung

Dies ist eine Serie von Berichten von meinem Kollegen, Dr. Peter Huber, von der 19. Mission des Plasmakristall-Experiments PK-3 Plus auf der Internationalen Raumstation. Ich bin leider wieder nicht dabei, da ich ja mittlerweile in Berkeley in den USA bin. Im Folgenden der Bericht vom vierten Experimenttag.

Heute geht es wieder Heim. Ich sitze gerade im Flieger nach München und denke an die vergangenen Tage zurück. Es war schon irgendwie eine besonders spannende Mission für mich. Aus Deutschland waren wir dieses Mal nur zwei Wissenschaftler und ich war der einzige Experimentalphysiker. Da war ich schon ein wenig nervöser als sonst. Insbesondere gestern. Es lief die vierte Prozedur und die war auch noch mit vielen Interaktionen. Da wir noch nie ein Experiment durchgeführt hatten, bei dem wir zwei Teilchengrößen in dieser Art kombiniert haben, hatten wir auch keine Erfahrung, wie viele Teilchen wir benötigen. Also war geplant, dass wir über die Videoübertragung kontrollieren, wie die Wolke aussieht und dann dem Kosmonauten sagen, ob und wie er nachstreuen soll.

Als wir im Kontrollraum ankamen, schien alles ganz normal zu laufen. Als die Videoübertragung über den russischen Kanal begann, sahen wir, dass das Experiment wie vorgesehen, bereits gestartet war. Zwei Minuten vor dem Ende dieser Übertragung erreichte die Prozedur dann die erste geplante Pause und wir sollten dem Kosmonauten sagen, wie er weiter machen soll. Leider hatten wir aber keine Funkverbindung. Obwohl der Kosmonaut im Prinzip gut eingewiesen war, und das Experiment zur Not auch alleine hätte weitermachen können, hatte er von uns die Anweisung, auf uns zu warten, damit wir die besten Bedingungen einstellen können. Leider hatten wir nicht mit diesem Funkloch gerechnet. Bevor aber die Sprechverbindung hergestellt war, endete die Videoverbindung planmäßig. Also mussten wir auf die NASA-Videoübertragung warten, die sechs Minuten später beginnen sollte. Tat sie aber nicht.

Offenbar gab es ein paar Probleme im Kontrollzentrum, das Signal auf die normale Videoleitung und damit an unseren Platz zu bekommen. Schließlich lief das Video an einem anderen Platz. Als Andrey, der russische Kollege, der die Kommunikation mit dem Kosmonauten macht, schnell an diesen Platz gelaufen war, stellten wir fest, dass es dort keine Kopfhörer gab. Die von den anderen Plätzen reichten aber nicht hier hin. Inzwischen gab es aber auch am alten Platz das Video und Andrey wollte dort hin zurück. Mittlerweile hatte sich eine Dame von einem anderen Experiment den dortigen Kopfhörer geschnappt. Schließlich wichen wir auf einen dritten Platz aus, wo wir nun 20 Minuten verspätet das Experiment weiter machen konnten.

Teilchenwolke
Teilchenwolke auf einem Monitor – Bild (c) Peter Huber

Aber selten ein Schaden ohne Nutzen: An diesem Platz konnten wir drei Wissenschaftler uns ganz gemütlich um den Monitor versammeln, jeder auf einem eigenen Stuhl, und die nächsten Schritte diskutieren. Lediglich unsere Ingenieurin, die im Vorbereitungsraum am Trainingsmodel nichts von unserem Herumgerenne mitbekommen hatte, war schon einigermaßen gelangweilt und verwundert, warum wir so viel Zeit ins Land gehen ließen, bevor wir endlich mit dem Kosmonauten gesprochen haben.

Aber das ganze Tohuwabohu hat sich gelohnt: das Experiment hat super funktioniert. Wir hatten für alle verbleibenden Pausen eine top Videoverbindung und konnten so, quasi in der ersten Reihe, beobachten wie die Teilchenwolke noch weit schöner, als wir gehofft hatten, auf die Experimentbedingungen reagiert hat.

Es war wieder sehr beeindruckend, zu erleben, wie viele Menschen involviert sind, damit derartige Wissenschaft möglich ist. Und diesmal kam hinzu, dass nicht nur die Prozeduren, die ich mitentworfen und geplant habe, abgelaufen wurden, sondern dass ein Kopfnicken oder -schütteln von mir unmittelbar mitauschlaggebend dafür war, was der Kosmonaut in diesem Moment auf der ISS tut. Das Ergebnis konnten wir sofort am Monitor beobachten. Und es hat sogar geklappt!

Ich freue mich schon auf die nächste Mission. Mit der Vorbereitung wird es diesmal wieder knapper, aber das nehme ich gerne in Kauf. Wenn ich willkommen bin, werde ich auch gerne wieder von der kommenden Mission schreiben. Bis dahin,

Ihr Peter Huber

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Erhöht man die Spannung zwischen zwei Elektroden, die ein Gas umgeben, beginnt das Gas irgendwann zu leuchten: Freie Elektronen im Gas haben genug Energie, um die Gasteilchen zu ionisieren und noch mehr Elektronen aus den Atomen zu schlagen. Ein Plasma wurde gezündet, die Zündspannung ist erreicht. Gibt man nun noch zusätzlich Mikrometer große Teilchen in das Plasma, erhält man ein sogenanntes "Komplexes Plasma", mit dem ich mich zunächst als Doktorand und Post-Doc am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und nun an der University of California in Berkeley beschäftige. In diesem Blog möchte ich sowie ein wenig Einblick in den Alltag im Forschungsinstitut bieten, als auch über den (Plasma)-Rand hinaus blicken. Mierk Schwabe

1 Kommentar

  1. “Willkommen!”

    “Da fliegen sie zum Mond und dann kriegen nicht mal eine TV-Schaltung hin” hört man so bisweilen. Hier sieht man wieder, Raumfahrt ist und bleibt ein nichttriviales Unternehmen!
    Sehr spannender Bericht! Also: “Willkommen!”, Peter. Freu mich auf die nächsten Missionsberichte!

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