Open Notebook

BLOG: Zündspannung

Blick über den Plasmarand
Zündspannung

Eine Hoffnung, die im Kontext des Web 2.0 und der Wissenschaft immer mal wieder auftaucht, ist es, Wissenschaft zugänglicher und offener zu machen. Einerseits für die Allgemeinheit – dazu tragen ja zum Beispiel auch Blogs wie dieser hier bei. Andererseits aber auch für Wissenschaftler selbst.

Ich bin heute über die Idee der "Open Notebook Wissenschaft" gestolpert (siehe z.B. hier und hier). Dabei machen die Wissenschaftler ihre Rohdaten zusammen mit ihrer Interpretation im Internet den Kollegen zugänglich und geben diese auch die Möglichkeit, direkt an der Wissenschaft mitzumachen, z.B. mit einem Wiki, das ja leicht von einer großen Anzahl von Leuten zu pflegen ist.

Prinzipiel eine schöne Idee. Täuschungsversuche oder auch einfach mehr oder weniger dumme Fehler sollten so schnell auffallen, neue Ideen besser umgesetzt werden. 

Allerdings halte ich diese Idee eigentlich für kaum durchsetzbar. Jeder möchte seine eigenen Daten publizieren. Es ist Kollegen von mir bereits passiert, dass sie vor Kollegen über bisher noch nicht publiziertes Material gesprochen haben und dann "überholt" wurden von eben diesen Leuten, die denselben Versuch selbst durchgeführt und schnell publiziert haben. Nur der zweite, der einen bestimmten Effekt beobachtet, zu sein, ist natürlich nicht so spannend und reicht dann nur für eine Publikation in einer weniger bekannten Zeitschrift.

Bereits publizierte Daten zugänglich zu machen, wäre sicherlich eine Methode. Aber welcher Wissenschaftler will denn die Daten von anderen auswerten? Mir jedenfalls macht es viel mehr Spaß, selbst im Labor zu forschen und dann meine Daten auszuwerten, als schon publizierte Sachen von anderen wiederzukäuen. Höchstens in Sonderfällen, bei denen der Versuchsaufbau wirklich außergewöhnlich ist, wäre dies denkbar.

Was eventuell sinnvoll wäre, ist, "fehlgeschlagene" Versuche zugänglich zu machen, die man nicht plant zu publizieren. Jemand vorher unbeteiligtes könnte die Daten vielleicht für einen ganz anderen Zweck als den eigentlich geplanten gebrauchen.

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Erhöht man die Spannung zwischen zwei Elektroden, die ein Gas umgeben, beginnt das Gas irgendwann zu leuchten: Freie Elektronen im Gas haben genug Energie, um die Gasteilchen zu ionisieren und noch mehr Elektronen aus den Atomen zu schlagen. Ein Plasma wurde gezündet, die Zündspannung ist erreicht. Gibt man nun noch zusätzlich Mikrometer große Teilchen in das Plasma, erhält man ein sogenanntes "Komplexes Plasma", mit dem ich mich zunächst als Doktorand und Post-Doc am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und nun an der University of California in Berkeley beschäftige. In diesem Blog möchte ich sowie ein wenig Einblick in den Alltag im Forschungsinstitut bieten, als auch über den (Plasma)-Rand hinaus blicken. Mierk Schwabe

2 Kommentare

  1. Ich würde das Pferd hier sogar ganz anders herum aufzäumen: Der wesentliche Punkt ist, dass man mit Blogs, Wikis und anderen Instrumenten die Ergebnisse zugänglich machen kann, die normalerweise in den Schubladen verschwinden.

    Es gibt ja einen sehr starken publication bias gegen Negativresultate, obwohl gerade diese Ergebnisse besonders wertvolle Informationen enthalten.

    Die insgesamt besssere Vernetzung der Wissenschaftler untereinander würde daraus natürlich automatisch folgen.

  2. Noch bevor Kollegen die Daten klauen sehe ich ein anderes Problem. Wie würden das die Journals angehen? Schließlich darf man nichts publizieren, was anderswo schon veröffentlicht wurde. Könnte man das sofortige onlinestellen von Daten nicht so interpretieren?
    Davon abgesehen gibt es momentan sehr spannende Projekte in Richtung Open Notebook. Attila Csordás stellt auf seinem Blog Pimm zur Zeit seine Doktorarbeit schrittweise online, sobald er einen weiteren Teil geschrieben hat.
    Und OpenWetWare stellt weltweit interessierten Laboren einen Platz für Online Notebooks zur Verfügung, die auch offen einsehbar sind.

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