Die hässlichen Folgen des Brexit

BLOG: Gedankenwerkstatt

die Psychologie irrationalen Denkens
Gedankenwerkstatt

Die Briten haben sich mit knapper Mehrheit entschieden, die EU zu verlassen. Das finde ich außerordentlich bedauerlich. Die Scheidung wird aller Voraussicht nach langwierig und hässlich werden.

In diesem Blogpost soll es nicht um die Ursache des Brexit gehen. Dieses Thema haben Zeitungen, Blogs und Talkrunden bereits ausgiebig plattgewalzt. Die kürzeste und treffendste Analyse ist wohl der Kolumnistin und Schriftstellerin Laurie Penny im britischen New Statesman gelungen. Das Brexit-Votum, schreibt sie, sei ein Referendum gegen die moderne Welt gewesen. (This was never a referendum on the EU. It was a referendum on the modern world). Dem ist nichts hinzuzufügen.

Deshalb möchte ich hier eine kurze Analyse der optimalen Strategie für beide Seiten versuchen. Sie ist klar vorgezeichnet und lässt schlimmes befürchten.

Die britische Regierung muss handeln

Die britische Regierung muss erst einmal die Brandherde austreten, die sie im eigenen Land entfacht hat. Die Wut bei den EU-Befürwortern ist groß, und viele EU-Gegner sind enttäuscht, dass die Brexit-Befürworter binnen Stunden nach ihrem Sieg fast alle Versprechen wieder einkassiert haben. Jede Woche gehen 350 Millionen Pfund nach Brüssel? Hätte man so nicht sagen sollen. Das Geld geht an den National Health Service? Mal sehen. Die EU-Ausländer müssen das Land verlassen? Vorläufig nicht.

Boris Johnson gibt den großzügigen Sieger und erklärt, dass sich am freien Zugang der Briten zum europäischen Markt nichts ändern werde. Die jungen Briten könnten selbstverständlich überall in Europa reisen, studieren und arbeiten. England werde immer ein Teil Europas bleiben. Alle diese Appelle sind nach innen gerichtet, nicht nach außen. Johnson hat den brennenden Ehrgeiz, Premierminister zu werden, also erzählt er allen das, was sie nach seiner Meinung gerne hören möchten. Tatsächlich kann er natürlich nichts garantieren, aber er möchte ein umfassendes Verhandlungsmandat haben und definiert die Ziele deshalb so, dass jeder sich darin wiederfinden kann.

Die britische Regierung wird den Schotten ihre Unabhängigkeitsbestrebungen ausreden wollen. Ihre beste Option dafür ist ein Spiel auf Zeit. Sie wird also argumentieren, dass die Schotten gerne ein neues Referendum abhalten dürfen, aber nicht bevor die Bedingungen für den Brexit mit der EU ausgehandelt und in einer neues britischen Volksbefragung angenommen sind. Erst dann hätten die Schotten überhaupt eine Entscheidungsgrundlage. Alle diese Prozesse werden mehrere Jahre in Anspruch nehmen, und vor 2020 oder vielleicht 2022 wird es nicht zu einer Volksabstimmung über die schottische Unabhängigkeit kommen – jedenfalls, wenn es nach der britischen Regierung geht. Und bis dahin fließt noch viel Wasser die Themse hinunter.

Die Lage in Nordirland muss der britischen Regierung mehr Sorgen machen. Die Katholiken haben fast geschlossen für den Verbleib in der EU gestimmt, die Protestanten waren mehrheitlich dagegen. Die katholisch dominierten Distrikte an der Grenze zu Irland könnten auf die Idee kommen, sich dem Süden anzuschließen. Das wiederum heizt die Gefahr eines neuen Bürgerkriegs an.

Ferner muss die britische Regierung die Banken beruhigen und ihnen klarmachen, dass London der zentrale Finanzplatz für Europa bleibt. Notfalls könnte der Chancellor1 die staatlichen Regeln lockern, um damit die Banken im Land zu halten. Viele Firmen aus den USA und China haben ihr europäisches Hauptniederlassung in England. Sie eruieren jetzt die Möglichkeit, nach Irland, Frankreich oder Deutschland umzuziehen. Auch hier wird die britische Regierung in den nächsten Monaten sicherlich versuchen, mit Geld und guten Worten einen Exitus zu verhindern.

Der Verfall der Währung wird dagegen kaum aufzuhalten sein. Die internationalen Ratingagenturen haben das Vereinigte Königreich (United Kingdom – UK) bereits heruntergestuft, so dass der Schatzkanzler mehr Zinsen auf Staatsanleihen bieten muss. Das UK hat ein deutliches Außenhandelsdefizit, es führt mehr Waren und Dienstleistungen ein als es exportiert. Wenn das Pfund an Wert verliert, steigt die damit Inflation im Land an. Das ist unpopulär, und die Regierung wird versuchen müssen, ein Konjunkturprogramm auf den Weg zu bringen.

Diese Feuerwehrmaßnahmen verlangen Entschlossenheit und kosten Zeit. David Cameron wird es deshalb er seinem Nachfolger überlassen, den formellen Antrag auf Beendigung der EU-Mitgliedschaft zu stellen. Leider entscheidet der Parteitag der Konservativen erst im Oktober, wer das sein wird. Ob der schwer angeschlagene Cameron die Kraft für die skizzierten Sofortmaßnahmen hat, bleibt zweifelhaft. Ein politisch toter Premierminister ist in dieser kritischen Lage sicherlich keine gute Wahl.

Die Verhandlungsstrategie der britischen Seite

Warum stellen die Briten nicht gleich den Antrag auf Beendigung der Mitgliedschaft (Artikel 50 des EU-Vertrags)? Schließlich hat die Brexitkampagne immer betont, welche verheerende Auswirkungen die EU-Mitgliedschaft auf das UK hat. Und jetzt haben es weder Nigel Farage noch Boris Johnson besonders eilig. Es gäbe keinen Grund, sich auf Artikel 50 zu berufen, sagte Johnson sogar ausdrücklich. Bei Lichte betrachtet, ist diese Strategie absolut vernünftig. Sobald ein Land formell das Ende seiner EU-Mitgliedschaft erklärt, ist es gehalten, einen Austrittsvertrag mit der EU auszuhandeln. Darin werden die weiteren Beziehungen zur EU geregelt. In jedem aber Fall verliert das Land nach zwei Jahren alle Mitgliedsrechte. Wenn der Austrittsvertrag bis dahin nicht steht, wird das Land als EU-Ausland behandelt. Es muss Zölle entrichten und seine Bürger brauchen ein Visum, um in die EU einzureisen. Das wäre für die Briten eine Horrorvorstellung. Sie sind also darauf angewiesen, dass der Vertrag binnen zwei Jahren nach der Austrittserklärung abgeschlossen ist. Damit sitzt die EU am längeren Hebel und kann die Bedingungen weitgehend diktieren.

Genau deshalb möchte Boris Johnson eine Beendigung der EU-Mitgliedschaft nach Artikel 50 verhindern und den Austrittsvertrag frei aushandeln. Er möchte folgendes erreichen:

  1. Die EU und das UK schließen einen Freihandelsvertrag, der den freien Transfer von Waren, Dienstleistungen und Bankdiensten erlaubt. Das UK wird sich vorbehalten, im nationalen Interessen bestimmte Industrien schützen zu dürfen.
  2. Britische Bürger dürfen in der EU weiterhin leben, studieren und arbeiten. Umgekehrt darf das UK aber die Einwanderung von EU-Bürgern begrenzen, wenn das nötig sein sollte.
  3. Das UK wird weiterhin EU-Richtlinien und Normen übernehmen. Allerdings müssen im nationalen Interesse Ausnahmen möglich sein und das UK möchte ein Mitspracherecht bei der Entwicklung von EU-Normen haben.

Letztlich möchte das UK so gestellt sein wie vorher, nur ohne Zahlungen nach Brüssel und mit der Möglichkeit, im gewissen Rahmen protektionistische Maßnahmen ergreifen zu dürfen.

Die Verhandlungsstrategie der EU

Die EU möchte, dass die Briten möglichst schnell das Ende ihrer EU-Mitgliedschaft erklären. Sobald dieses Dokument vorliegt, enden alle Handelsprivilegien der Briten automatisch nach zwei Jahren und die EU diktiert praktisch das weitere Geschehen. Aus diesem Grund drängen viele europäische Politiker auf die Austrittserklärung. Frau Merkel war klug genug, das nicht zu tun, und statt dessen zu betonen, dass die Briten erst einmal EU-Mitglied mit allen Rechten und Pflichten bleiben. Wenn also jetzt mehrere Hunderttausend Osteuropäer überlegen, ihren Wohnsitz ins UK verlegen, solange das noch geht, dann kann die britische Regierung nichts dagegen unternehmen. Und natürlich bleibt sie erst einmal Nettozahler. Ferner wird sich die EU weigern, über einen Austrittsvertrag zu verhandeln, solange die formelle Erklärung der Briten nach Artikel 50 nicht vorliegt. Schließlich ist das britische Referendum genau genommen nicht mehr als eine Volksbefragung. Es gibt lediglich eine momentane Stimmung wieder und ist für die Regierung in keiner Weise verbindlich. Für Verhandlungen fehlt also – aus EU-Sicht – jede belastbare Grundlage. Die EU wird den Briten im Austrittsvertrag auch keine Vorzugsbedingungen geben wollen. Sie darf nicht den Eindruck erwecken, dass assoziierte Staaten besser gestellt sind als Mitglieder.

Die spieltheoretische Sicht

Wir haben derzeit eine Situation mit zwei Spielern, von denen keiner den ersten Zug machen kann, ohne seine Position zu verschlechtern.

  • Wenn die Briten formell ihren Austritt erklären, verlieren sie nach zwei Jahren den Zugang zum Europäischen Markt. Sie müssen also unter Zeitdruck verhandeln und einen schlechten Vertrag akzeptieren.
  • Die EU hingegen wäre schlecht beraten, vor Eingang der Austrittserklärung zu verhandeln. Damit würde sie ihr wichtigstes Druckmittel verlieren.

Also warten beide Seiten erst einmal ab. Und hier beginnt das Spiel richtig hässlich zu werden. Solange die Zukunft der EU und der Briten in der Luft hängt, halten sich internationale Konzerne mit Investitionen zurück. Europa ist nicht der Nabel der Welt, und wenn die Europäischen Länder sich zerfleischen, verlagert sich der ökonomische und politische Schwerpunkt der Welt in andere Regionen. Beide Seiten werden dem Gegner diese Entwicklung vorwerfen und ihn zum Handeln drängen.2

Wenn das nichts fruchtet, wird eine Zeit der Nadelstiche beginnen. Die EU wird Richtlinien verabschieden, die den Briten nicht gefallen können. Solange sie aber Mitglied der EU sind, müssen sie die Bestimmungen in nationales Recht umsetzen. Ferner wird die EU peinlich genau darauf achten, dass die Briten keine Hindernisse für EU-Bürger aufbauen. Die Briten wiederum werden versuchen, einzelne Länder aus dem EU-Block herauszubrechen, um die Verhandlungsposition der EU-Kommission zu schwächen. Beispielsweise könnten sie die Rechtspopulisten in Frankreich oder Holland ermutigen, den EU-Austritt ihrer Länder aktiver zu betreiben. Oder sie versprechen einzelnen Ländern Privilegien für zweiseitige Handelsabkommen (die nach EU-Recht verboten sind). Oder sie behalten Zahlungen ein, weil sie erst nach Abschluss des Austrittsvertrages eine Schlussabrechnung vornehmen möchten.

Im schlimmsten Fall steht am Ende des Scheidungsprozesses eine zerfallene EU und ein ruiniertes UK. Die europäische Wirtschaft läge am Boden und die Europäer hätten auf der internationalen Bühne keine Stimme mehr. Aber selbst im günstigsten Fall steht keiner der Beteiligten besser da als vorher.

Wer hat David Cameron bloß die Schnapsidee eines EU-Referendums souffliert?

Anmerkungen

[1] Der britische Finanzminister (Chancellor of the Exchequer), auch Schatzkanzler genannt.

[2] Die Spieltheorie setzt ein rationales Handeln voraus. Darauf ist im wirklichen Leben kein Verlass. Z.B. könnte David Cameron auf die Idee kommen, seinem wahrscheinlichen Nachfolger Boris Johnson das Leben schwer zu machen. Dann erklärt kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt offiziell das Ende der EU-Mitgliedschaft des VK.

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

www.thomasgrueter.de

Thomas Grüter ist Arzt, Wissenschaftler und Wissenschaftsautor. Er lebt und arbeitet in Münster.

78 Kommentare

  1. “Die britische Regierung den Schotten ihre Unabhängigkeitsbestrebungen ausreden wollen.”

    Hier fehlt ein Verb im Satz.

  2. Die spieltheoretische Sicht verkompliziert sich durch die Instabilität des Systems, das einzelne — durchaus rationale — Akteure in eine unvorhergesehene Richtung kicken können; so etwa wie nach dieser Interpretation der Ereignisse:
    “With one fell swoop yesterday at 9:15 am, Cameron effectively annulled the referendum result, and simultaneously destroyed the political careers of Boris Johnson, Michael Gove and leading Brexiters who cost him so much anguish, not to mention his premiership.”
    (http://www.theguardian.com/politics/live/2016/jun/25/brexit-live-emergency-meetings-eu-uk-leave-vote#comment-77205935)

    Johnsons Position dagegen läßt jetzt nur noch Verleugnung der eigenen Aktionen zu wenn er politisch überleben will (oder ein verstocktes: “mir nach und stolz in den Untergang!”, das halte ich aber für wenig wahrscheinlich). Dies könnte zu einem Irrlichtern ohne echte Orientierung werden, wenn er hier versucht zu navigieren — situativ/lokal/taktisch rational, aber nicht längerfristig/im größeren Rahmen — ; er wird dann ein Anführer bei dem es nur noch um seine Person geht und keine Sache für die er steht.
    “If he runs for leadership of the party, and then fails to follow through on triggering Article 50, then he is finished. If he does not run and effectively abandons the field, then he is finished. If he runs, wins and pulls the UK out of the EU, then it will all be over – Scotland will break away, there will be upheaval in Ireland, a recession … broken trade agreements. Then he is also finished. ”
    (a.a.O.)

    Jetzt bräuchte es einen Churchill um zu retten was zu retten ist.
    “All that remains is for someone to have the guts to stand up and say that Brexit is unachievable in reality without an enormous amount of pain and destruction, that cannot be borne. And David Cameron has put the onus of making that statement on the heads of the people who led the Brexit campaign.” (a.a.O.)

    Jemand in Sicht?

    Weiter unten kommentiert man:
    “So its set up Remainer Gideon Osbourne, or Theresa May, who seems to have been on holiday for the past 2 months, to become PM, as they’re the only ones who could not trigger Article 50 with any credibility. However it would still be political suicide. Surely the only answer is a general election on the single issue.”

    Und erhofft sogar eine Gesetzeslücke von Mutti; die Verzweiflung ist hoch:
    “Of course, Angela Merkle must know this. She’s been asking the EU to back off putting pressure on the UK to invoke A50. She may find a solution on a technicality that may allow the UK to drop the result, but allow some degree of face-saving (how, I don’t know).”

    Das wird jetzt wie Blitzschach mit erwürfelten Ereigniskarten. Insbesondere wenn man noch Akteure die die EU gezielt instabil halten/machen wollen von außerhalb mit berücksichtigen muß.

    • Das ist eine sicherlich spannende Interpretation der Ereignisse. Ich muss aber zugeben, dass ich sie nicht teile. Die Erklärung nach Artikel 50 versetzt England in eine dermaßen schlechte Verhandlungsposition, dass Cameron wohl nie erwogen hat, sie unmittelbar nach dem Referendum abzugeben.

    • Bravo. Schon der Satz “In diesem Blogpost soll es nicht um die Ursache des Brexit gehen” illustriert zutreffend – danach kann man eigentlich aufhören zu lesen. Was genau sind denn nun die “hässlichen Folgen”, die es ohne ein Referendum nicht auch geben würde ? Das unheilsvolle Orakeln und Gedärmelesen der Ratingagenturen ? Das Aussenhandelsdefizit etwa ? Ähem – was waren nochmal die Gründe für die britische Kolonialgeschichte ? Oder der Nordirlandkonflikt ? Ach nee, der hat ja dann doch ganz andere historische Ursachen…Okay. Dann aber der der Zugang zum europäischen Markt und diese verdammten Zölle…Nee, doch nicht. Schon lange vor der EU war die UK ein präferenzberechtigtes Drittland, mit nur wenigen Ausnahmen (z.B. bei Verbrauchsteuerpflichtigen Waren). Okay is ja gut. Dann wenigstens die Investoren, die INVESTOOOREN ! Die orientieren sich schon längst gen Kasachstan, Azerbaidschan etc., weil es denen viel zu lange dauert, bis die europäischen Reallöhne auf das Niveau von Rumänien gesunken sind. Und überhaupt: WO produzieren denn eigentlich britische Grossunternehmen ? Ja aber die Banken, die BANKEN !! Die muss die britische Regierung jetzt erstmal “beruhigen* , denn das ist ja auch die hoheitliche Massnahme No.1 einer jeden Regierung….kann man machen, dann aber bitte so wie in Island…….Ein Blogpost mit analytischem Anspruch auf Höhe der Schaumkrone, Symptome monierend,die in Zukunft noch weitaus flächendeckender eintreten werden, insbesondere weil eben ein autokratisches Perpetuum Mobile wie die EU lieber die Kranken verwaltet als nach einem Weg zur Genesung zu suchen…und davon auch ziemlich gut lebt.

  3. Die Zurückhaltung bei Investitionen wird wohl eher das UK treffen, als die kontinental-EU, insofern wird UK eher unter Druck geraten, als die EU.

    • Das UK wird sicherlich mehr unter ausbleibenden Investitionen zu leiden haben. Aber auch hier werden die Auswirkungen spürbar sein. Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft.

  4. Gute Analyse – speziell von der strategischen, spieltheoretischen Seite her. Ein reines 2-Personen-Spiel liegt hier aber nicht vor, denn andere EU-Länder sind nicht reine Zuschauer beim Brexit. Immigration – ein wichtiger Grund für den Brexit – wird auch in anderen EU-Ländern als Problem wahrgenommen. Hier könnte man sich fragen: Warum ist Migration innerhalb der USA kein Problem obwohl in den USA viel häufiger die Arbeitsstelle und der Wohnort zwischen US-Bundesstaaten gewechselt wird? Eine Teilantwort liegt in den viel grösseren Unterschieden zwischen den EU-Ländern. Ein Immigrant aus dem Osten oder Süden kann in den reicheren Ländern als Lohndrücker und Billigarbeiter wahrgenommen werden – in den USA dagegen nicht.
    Nun aber zurück zu den unterschiedlichen Zielen der EU und den Brexiteers. Klar wollen die Brexiteers all die Vorteile die ihnen die EU brachte – wie Reisefreiheit, Teilnahme an EU-Forschrungprogrammen, freien Zugang zu Kunden aus dem EU-Raum – ohne aber die Nachteile wie an keine Bedingungen geknüpfte Personenfreizügigkeit oder EU-Regularien, die ohne zu Fragen übernommen werden müssen. Und am ehesten erreichen sie dies wenn sich von Seiten der EU wenig ändert, sie aber sich nicht mehr an die Regeln der EU gebunden sind. Und was ist das Ziel der EU? Die unmittelbare Reaktion von EU-Repräsentanten deutet darauf hin, dass sie die Briten bestrafen wollen. Die Briten und alle die zuschauen sollen sehen, was man verliert, wenn man nicht mehr Mitglied der EU ist.
    Und damit sind wir bei der Verzögerungstaktik. Wem schadet sie längerfristig mehr? Den Briten oder der EU? Schwierig zu sagen. Wenn es länger dauert, können die Briten sich mehr umschauen, mehr Gelegenheiten wahrnehmen (vielleicht den Status eines zweiten Singapurs anstreben?). Andererseits sind sie in dieser Zeit kein Hort der Stabilität mehr. Die EU andererseits möchte das Kapitel möglichst schnell beeenden. Wenn es länger dauert bietet sich ihr aber auch die Möglichkeit, sich zu überlegen wie man weitere Exits am ehesten verhindert. Doch eine solche Umorientierung der EU ist mit der gegenwärtigen Mannschaft nicht zu erwarten. Von einigen Beobachtern wurde deshalb gefordert, dass Jean-Claude Juncker seinen Posten räumt.

      • Einer der Fehler des EURO ist, das nicht alle EU-Länder beigetreten sind. Den zu beheben ist keine so schlechte Idee.
        Abgesehen davon das zwar viele meckern, aber keiner eine bessere Alternative bieten kann.

        • Krugman hält den EURO für mitverantwortlich für Europe’s Many Economic Disasters

          Why are there so many economic disasters in Europe? …..

          What all of these economies have in common, however, is that by joining the eurozone they put themselves into an economic straitjacket. Finland had a very severe economic crisis at the end of the 1980s — much worse, at the beginning, than what it’s going through now. But it was able to engineer a fairly quick recovery in large part by sharply devaluing its currency, making its exports more competitive. This time, unfortunately, it had no currency to devalue. And the same goes for Europe’s other trouble spots.

          Does this mean that creating the euro was a mistake? Well, yes.

          • Natürlich gibt es Konstruktionsfehler. Der größte ist, das es keine gemeinsame Wirtschaftspolitik gibt.

            Nur was ist eine sinnvolle Alternative, die nicht mehr kaputt macht als sie einbringt?

            Darauf hat auch Krugmann keine Antwort.

  5. Spannend wird zu beobachten sein, wie die Englishe Bevölkerung reagiert, wenn die Regierung den Brexit nicht umsetzt. Auf Brüssel können sie es schlecht schieben, denn die wollen ja auch den Brexit. Die Befürworter des Brexit verlieren jede Glaubwürdigkeit wenn sie den Prozess verschleppen.

    Mit Camerons Rücktritt hat er die politischen Karriern von Johnson und Co praktisch beendet,

    • @tobmat
      Warum glauben Sie nicht, dass einer der Brexiter die Zähne zusammenbeißt, die Regierung übernimmt und den Brexit vollzieht? Derjenige könnte einfach hoffen dass es doch irgendwie gut geht, und die Verlockung nach – wenn auch vielleicht kurzfristig – Schalthebeln der Macht täte das Ihrige. Ich sehe das allerdings als unwahrscheinlich, wenn größere Teile der britischen Bevölkerung hartnäckig und laut gegen den Brexit verbleiben – dies erhöhte das politische Risiko.

      • “Warum glauben Sie nicht, dass einer der Brexiter die Zähne zusammenbeißt, die Regierung übernimmt und den Brexit vollzieht?”

        Weil er damit rechnen müsste, das seine Karriere nur sehr kurz wäre. Er wüsste das die Hälfte der Bevölkerung gegen ihn ist und der Großteil des Rests nur wenn es keine negativen Folgen hat, was praktisch utopisch ist. Dazu droht eine Sezession Schottlands und eine neue Eskalation in Nordirland.
        Ganz abgesehen davon, das niemand Verhandlungen mit einer EU führen will, die am längeren Hebel sitzt und das weiß.

        Daher ist es viel sinnvoller zu warten bis 2-3 Leute ihre politische Karriere geopfert haben undder Verbleib in der EU wieder schmackhafter ist.

        Klar ein echter Hardliner könnte es trotzdem durchziehen, aber der bekommt nicht so einfach eine Mehrheit zu stande. Es entscheidet ja nicht der PM sondern das Parlament.

  6. Sehr solide Analyse, chapeau!

    Nur ergänzend:
    Die Briten werden die Verhandlungsmasse “EU-Austritt” auf ihre Art und Weise nutzen, die EU sitzt nicht am längeren Hebel, das UK könnte derart schlechte Stimmung generieren, dass weitere Referenden drohen, allerdings steht das UK wegen den Schotten, die das EU-Gelder füttern gewohnt sind, auch nicht so-o gut da.
    Es hängt viel vom Verhandlungsgeschick der Briten (von der EU erwartet der Schreiber dieser Zeilen “wg. Personal” hier nicht viel) ab. BJ könnte der richtige Mann dafür sein den EU-Austritt “galant” zu gestalten.

    MFG
    Dr. Webbaer

  7. Kopfschütteln!
    Die Sichtweise von Laurie Penny – der Brexit sei ein Referendum gegen die moderne Welt gewesen – ist äußerst fragwürdig. Z.B. die Mittelbayerische Zeitung schreibt heute (Zitat von Seite 2):
    “Der heute 49 Jahre alte Cameron hat gemeinsam mit seinem Finanzminister George Osborne mit seiner strengen Sparpolitik bewusst vor allem die kleinen Leute getroffen. Über viele Jahre machte er die Armen in Großbritannien noch ärmer, nahm Leistungen aus dem Gesundheitssystem, schloß dazu noch Bibliotheken und Sozialdienste, um die von der Bankenkrise ausgelösten immensen Staatsschulden zu tilgen. Damit schuf Cameron den Boden, auf dem die Unzufriedenheit der Protestwähler wachsen konnte.”

    Dieser Kommentar beschreibt sehr gut, dass unzumutbare soziale Verhältnisse ein wichtiger Auslöser für Unzufriedenheit sind – die im UK geschickt von Populisten für ihre Zwecke missbraucht wurden. Wenn es die Politiker nicht für nötig finden, die sozialen Verhältnisse armer Menschen im Land zu verbessern, haben es politische Populisten sehr leicht, Anhänger zu mobilisieren (wir haben über 10 % AfD-Anhänger).

    Und dies ist auch eine Folge des Brexit, die man noch in vielen anderen Ländern spüren wird: Unzufriedenheit sucht sich ein Ventil – und die Unzufriedenen sind in der Mehrheit!
    Unzufriedenheit gibt es genug: Jugendarbeitslosigkeit in vielen Ländern, Abschaffung des sozialen Wohnungsmarktes, schlecht bezahlte Jobs die kein vernünftiges Leben ermöglichen, zunehmende Altersarmut, …

    Die EU hat in den letzten Jahren den Fehler gemacht, dass man das Leben einfacher Menschen mit kleinlichen Vorschriften reguliert – bis zu existenzgefährdenden Gesetzen. Wenn aber Reiche z.B ein ganzen Land finanziell ausbluten lassen, weil sie ihre Steuer nicht bezahlen und Vermögen ins Ausland verschieben (Z.B: Griechenland) – dann hatte die EU keinerlei Interesse, aktiv zu werden.
    Mit diesem asozialem Verhalten wird die EU-Politik für immer mehr Menschen nicht mehr akzeptabel.

    • Diese Dame ist nicht ernst zu nehmen, ‘a referendum on the modern world’, grausam, aber die Dame hat halt keine Ahnung und kolportiert auf gewohnte Weise linke progressive Sicht.
      BTW. die britische Staatsverschuldung hat sich mal eben so in den letzten 10 Jahren verdoppelt, den Briten geht es nicht besser als früher und bestimmten Besuch, der auch in Massen auftritt, möchte man dort wohl nicht mehr haben, jedenfalls nicht mehr in dieser Quantität.
      Lustig auch, dass die britische Jugend deutlich für den “Remain” war, anscheinend sind die alle an den Bildungsstätten indoktriniert.

      • Ja, die einen werden von Bildungsstätten indoktriniert, die anderen von Sun. Keiner kann selbständig denken (außer dem Webbaer, selbstverständlich), schon schlimm.

        • Moment, Herr Stefan, die Einschätzung hat schon einen ernsten Hintergrund.
          In den Bildungsstätten wird auf Globalismus [1] und politisch korrekte Sicht getrimmt, insofern kommen da welche oft indoktriniert heraus – und erst wenn sie älter werden, selbst Geld verdienen müssen, das nicht vom Staat kommt, dann werden sie vernünftig.

          [1]
          Hier gehen progressive Linke, vs. Traditionslinke, lustigerweise mit profanen Interessen des Kapitals Hand in Hand.

          • @Dr. Webbaer

            “Lustig auch, dass die britische Jugend deutlich für den “Remain” war, anscheinend sind die alle an den Bildungsstätten indoktriniert.”

            “Moment, Herr Stefan, die Einschätzung hat schon einen ernsten Hintergrund.
            In den Bildungsstätten wird auf Globalismus [1] und politisch korrekte Sicht getrimmt, insofern kommen da welche oft indoktriniert heraus […]”

            Das ist interessant. Was genau ist denn in diese Fall das “indoktrinierende” Moment des britischen Bildungssystems? Ihre Aussagen decken sich nicht mit meiner Einschätzung. Haben Sie da vielleicht den einen oder anderen Verweis? Das Thema (Bildungssysteme im internationalen Vergleich) interessiert mich und ich kann einfach nichts verwertbares dazu finden.

            Insbesondere würde mich im aktuellen Zusammenhang Ihre Trennung von Education im Sinne von Erziehung und Education im Sinne von Bildung interessieren. Berücksichtigt man das Abstimmungsverhalten der “higher educated” und der Wohlhabenden, liegt für mich der Schluss nahe, dass es Bildung ist, die die Vorteile eines eher weltoffenen “Remain” gegenüber denen eines protektionistischen “Leave” höher gewichtet.

            Mit freundlichen Grüßen
            Jens B.

          • Howdy!

            Vorab zuvörderst zur verwendeten Sprachlichkeit:
            A) die Edukation meint besondere Herausführung aus der Unwissenheit, die Nachwachsende zu umgeben hat
            B) die Indoktrinierung meint die Einlehrung bestimmter Sicht, auch politischer, die im Rahmen von (A) nicht auszuschließen bis anzustreben ist
            C) der o.g. Globalismus ist ein politi(tolog)isches Konzept, das an “westlich” [1] geprägten Bildungsstätten zunehmend gelehrt (“erzogen”) wird, es steht im Gegensatz zur Nationalstaatlichkeit
            D) Dies hier – ‘Berücksichtigt man das Abstimmungsverhalten der “higher educated” und der Wohlhabenden … “Remain” ‘ – ist womöglich falsch; Vermögende, die oft, aus welchen Gründen auch immer, für den sogenannten Brexit gestimmt haben, sind womöglich wohlerzogen.
            Nur mal so zum Vergleich:
            -> http://www.theatlantic.com/business/archive/2012/11/does-your-wage-predict-your-vote/264541/ (sofern derartigen Studien getraut werden kann, es scheint aber schon Sinn zu machen anzunehmen, dass “weiße, ältere, heterosexuelle Männer” vglw. gut verdienen, in den Staaten, womöglich auch im UK, die fanden dann den sogenannten Brexit womöglich eher gut)

            Ansonsten regt Ihr Kommentatorenkollege an darüber nachzudenken, dass gerade das Ausscheren aus einem eher statischen Verbund wie der EU ‘Weltoffenheit’ bedeuten kann; wer sich einschließt und im Verbund handelt, ist womöglich gar nicht so ‘weltoffen’, wie angenommen bis ‘indoktiriniert’, die Kompetitivität meinend.

            Über die “Jungspunde” ist weiter oben schon vermutet worden.

            MFG
            Dr. Webbaer (der von hoch komplexen Studien, wer schlauer und wer dümmer ist, sozusagen, nicht viel hält, außer: Abstand – hier können Sie womöglich besser beibringen, Jens [2])

            [1]
            Sicherlich eine unzureichende Metapher, ‘westlich’ meint diejenigen Gesellschaftssysteme, die den Ideen und Werten der Aufklärung folgend implementieren konnten, die Richtungsangabe ist irreführend.

            [2]
            Bspw. auch Tiefpunkte dieser Art wird der nette, liberale und dicke (aber nicht mehr so wie früher!) Webbaer nicht kommentieren, außer ganz am Rande zu ergänzen, dass Hochbegabtenforscher selbst auch hochbegabt sein dürfen, dass in diesem Fachgebiet keine dbzgl. Exklusionsformel vorliegen muss.

          • Das ist ja alles sehr abstrakt und eher ein Gedankengebäude, das anhand des Ergebnisses zurückkonstruiert. Das lässt verschiedene Interpretationen zu, die je nach Kontext unterschiedlich bewertet werden können. Vorerst halte ich den Zusammenhang von Bildung und Remain für viabel. Ich kann mir aber auch einen Zusammenhang zwischen Erziehung und Remain durchaus vorstellen. Womöglich ist dabei das erzieherische Moment auch eine intervenierende oder interagierende Drittvariable. Darum interessiert mich, ob Sie tatsächlich Inhalte des britischen Bildungssystems festmachen konnten, von denen man auch in die andere Richtung – also vom Inhalt zum “Remain” konstruieren kann.

            Der Link in Fußnote [2] führt leider ins Leere.

          • @ Jens B. :

            Gerne ohne Scham auch den Nachnamen offen legen, auch damit weitere Nachricht möglichst angepasst gerät.


            Sollten Sie i,p. Konstruktivismus benachrichtigen wollen, gar relativieren wollen, sind Sie bei Dr. Webbaer genau richtig, der als Konstruktivist “poststrukturalistische” bis neumarxistische Konstruktion wohl zu bearbeiten weiß, seit langer Zeit, weil selbst ebenfalls Konstruktivist, auch in puncto Qualität von Konstrukt, hier sind Sie, Jens B. , also womöglich genau richtig.

            Oder rustikal formuliert:
            Es ist so, wie es ist, wenn das Geld sozusagen aus der Steckdose in staatliche Verhältnisse einfließt, hat man andere Leute am Start, als wenn die sich ansonsten qualifizieren müssten, also gerne mal offen legen.
            Das Sein bestimmt das Bewusstsein.

            MFG
            Dr. Webbaer (der sich ansonsten ausklinken wird)

    • Die sozialen Fehler, die in UK gemacht wurden, wurden allerdings von den britischen Regierungen gemacht, nicht von der EU. Und Griechenland darf seine Reichen auch stärker besteuern. Offenbar geht es nicht oder es fehlt der Wille, ich weiß es nicht. Es ist nur typisch für Politiker und EU-Bürger, für alles Schlechte “Brüssel” verantwortlich zu machen. Das rächt sich jetzt.

  8. Der Artikel ist gut , aber die Aussage von Laurie Penny ist – Entschuldigung – das mit Abstand bescheuertste , was man zu diesem Thema sagen kann.
    EU gut , Kritiker blöd , das ist die beleidigte Reaktion derer , denen man die Frage stellen muß , ob sie die EU vielleicht deshalb an den Mann bringen wollen , weil vor allem sie selber von deren aktuellem Zustand profitieren , oder weil sie sich das zumindest einbilden.
    Wie so häufig , diejenigen , sie sich selber höchst unmodern , ja geradezu archaisch verhalten , zeigen auf Andere , die angeblich unmodern seien.
    Natürlich gibt es unter den EU-Gegnern auch jede Menge Leute , die grundsätzliche Einwände gegen fortschrittliches Denken haben und es nicht selten sogar regelrecht hassen. Aber warum kriegen die soviel Zulauf , auch von Leuten , die durchaus zu haben sind für eine moderne Welt , die diesen Namen auch verdient?
    Das ist derselbe Reflex , mit dem Linke immer “Rassismus” rufen , wenn irgendwo ein Migrant kritisiert wird , selbstgerecht , hohl und kontraproduktiv.

    Was bitte ist modern daran , die EU umzufunktionieren in einen Selbstbedienungsladen für Privilegierte ? Was ist modern daran , die Griechen schamlos an die Wand zu drücken und deren hausgemachte Schwäche auszunutzen?
    Wenn ich demnächst einen kleinen Mob auf der Straße treffe , der gerade einen Obdachlosen zusammenschlägt , werde ich hingehen und den Leuten zu ihrer Modernität gratulieren , sie haben erkannt , wie man sich heutzutage zu verhalten hat , wenn man auf Schwäche trifft.

    Auf die Gefahr hin , daß es übertrieben klingen mag , auch die Nazis hielten sich selber für ganz fürchterlich modern , und sie taten es umso lauter , je näher ihr Untergang rückte.

    • @ DH :

      (…) auch die Nazis hielten sich selber für ganz fürchterlich modern , und sie taten es umso lauter , je näher ihr Untergang rückte.

      Ein gelungener Vergleich mit dem Nationalsozialismus, gebt dem Mann eine Zigarre, lol.
      Was Sie womöglich meinen ist, dass sich Kollektivismen, zurzeit sind drei davon relevant, ähneln.

      Ja, schwierig, Laurie Penny, die Dame ist so weit kognitiv-intellektuell vom Webbaeren entfernt…
      Da ist kaum ein Satz zustimmungsfähig, hier,
      MFG
      Dr. Webbaer

      • PS und Würg! :

        It means something very different for a British Jew to support a peaceful boycott of Israeli goods than it does for a German of Christian descent to support the same boycott. I understand that, so I’d like you to try to understand that when Israel carries out military assaults on the open prison of Gaza in the name of Jewish people worldwide, and of our families who fled oppression, that gives me an extra reason to oppose those attacks. (Hervorhebung: Dr. Webbaer, Quelle)

        Solche Kollegen bezeichnet der Webbaer übrigens nicht als Antisemiten, weil sie erkennbar zu unverständig sind und es wohl irgendwie auch gut meinen (obwohl sie effektiv Antisemiten sind).

        MFG
        Dr. Webbaer

    • Für welche der beklagten Fehlentwicklungen in UK ist denn die EU direkt verantwortlich? Für die meisten Missstände in den Nationalstaaten sind noch immer die Nationalregierungen verantwortlich, aber man hat sich daran gewöhnt, die Schuld auf die EU zu schieben. Die Politiker haben es vorgemacht: gerade zurück aus Brüssel, wo sie irgendetwas zugestimmt haben, rufen sie daheim: Brüssel hat entschieden, wir können nichts dafür!

      • @Paul Stefan

        Richtig , die EU muß hier herhalten als Prellbock , auch ohne sie würde dieselbe Politik gemacht und irgendeine andere Dachorganisation gegründet werden , die Frage “EU oder nicht” ist ohnehin eher abstrakt.
        Das gilt dann aber in beide Richtungen , es gibt keinen nachvollziehbaren Grund , warum die EU – nicht die europäische Idee – automatisch mit Fortschrittlichkeit oder Modernität in Verbindung gebracht wird.

        @Mona

        Die Demokratisierung der EU wäre denn auch ein gutes Instrument , den Populisten etwas entgegenzusetzen , was übers Lamentieren hinausgeht.
        Ich fürchte nur , daß die derzeitiugen Postenträger ganz zufrieden sind mit dem status quo , logisch , er hat sie in ihre Positionen gebracht.

      • @ Herr Stefan :

        Für welche der beklagten Fehlentwicklungen i[m] UK ist denn die EU direkt verantwortlich?

        Womöglich für diese:
        1.) am Euro-System, das unzureichend skaliert und in Südeuropa für hohe Arbeitslosigkeit sorgt, auch für Jugendarbeitslosigkeit und für sozusagen technische Staatsbankrotte, das UK haftet hier mit, die Staatsverschuldung hat sich auch auf Grund Euro-induzierter Krise in den letzten zehn Jahren “mal eben so” verdoppelt
        2.) an der unzureichenden demokratischen Legitimität des EU-Führungssystems, es leuchtet bspw. nicht direkt ein, warum Luxemburger Kapital, auch personifiziert durch einen ehemaligen “Bürgermeister”, soviel politische Macht hat, das UK mit ihrem Finanzplatz Numero Uno London kann sich hier nicht freuen
        3.) für die Ukraine-Krise, es war womöglich keine Idee sich in ein Land “einkaufen” zu wollen, dass mehrheitlich aus sogenannten Kleinrussen besteht und zudem 20% sozusagen echte Russen beherbergt, wobei die in der Ukraine verwendete Sprachlichkeit auf höhere Werte hindeutet, Russen integrieren sich ja auch – derartige außernpolitische Ausbauten der EU werden im UK nicht gerne gesehen, gerade dann nicht, wenn sie nicht funktionieren
        4.) für eine Immigrationspolitik, die streng genommen diesen Namen nicht verdient, wenn antiselektiv und mengenmäßig ungesteuert eingewandert wird, auch weil der Grenzschutz nicht stabil steht (sofern dies überhaupt angestrebt ist an den Außengrenzen der EU-Mitgliedsstaaten außerhalb des UK)
        5.) für einen gewissen Verfall der politischen Kultur, an der gesellschaftlichen Polarisierung, die auch im UK stattfindet und für die auch Brüssel verantwortlich gemacht wird – alleine schon dieses “Alternativlos-Gerede” von Mme Merkel ist hier ein deutlicher Beleg, alternativlos ist in modernen aufklärerischen Gesellschaftssystemen nur die politische und möglichst breite gesellschaftliche Debatte

        MFG
        Dr. Webbaer

        • 1) UK haftet nicht mit. Es gab maximal beim Schuldenschnitt Ausfälle für englische Banken. Der Hauptgrund für die hohen Staatsschulden ist die Immobilienblase gewesen und der daraus resultierende Zusammenbruch englischer Banken und Versicherungen. Ist halt blöd wenn die halbe Wirtschaft aus Banken und Versicherungen besteht. Die EURO-Kriese kam erst später.
          Dazu hat UK riesige Pensionsverpflichtungen im öffentlichen Dienst. Bereits 2009 und früher wurde genau vor diesen Faktoren gewarnt.

          2) und welche konkreten negativen Einflüsse hat das auf die Zustände in UK?

          3) UK war an dem Ukraine Desaster aktiv beteiligt und hat das Vorgehen befürwortet. Man versteht sich mit Russland nämlich nicht sehr gut.

          4) Die EU Immigrationspolitik hat praktisch keinen Einfluss auf UK, da UK kein Mitglied des Schengenraums ist. Die haben ihre Grenze nie geöffnet. Der Großteil der Immigration in UK ist hausgemacht und stammt aus den ehemaligen Kolonien.

          5) Dafür die EU verantwortlich zu machen ist ziemlich weit hergeholt. Die USA steht vor einem ganz ähnlichen Fall und ist kein Teil der EU.

          • @ tobmat :

            Schon richtig, der Unterschied zwischen ‘direkt’ und ‘indirekt’ ist letztlich wahlfrei zu bestimmen.
            Nachricht im Web muss nicht immer umfänglich kohärent und wahrhaftig vorgetragen werden, Sie sind ja ein Schlauer und vermögen adäquat gegenzureden.
            Von einem allgemeinen Nutzen der EU für das UK kann aber nicht die Rede sein, auch diese lausigen Einzel-Regelungen betreffend.
            Auch der Schreiber dieser Zeilen steift regelmäßig auf wie verdammt, bspw. wenn es um frickin Glühbirnen geht.
            Insgesamt haben Sie aber nicht recht, die Punkte (4) und (5), eigentlich alle genannten Punkte haben Grundlage.
            Dass sich das UK mit der Commonwealth-Strategie nachhaltig selbst ins Bein schießt, könnte klar sein, viele negative Folgen bleiben aber der EU anzurechnen, bspw. was die nicht mögliche Ausweisung von Schweinepriestern betrifft.

            MFG
            Dr. Webbaer

          • “Von einem allgemeinen Nutzen der EU für das UK kann aber nicht die Rede sein”

            Warum will UK dann unbedingt den freien Zugang zum Binnenmarkt und die Freizügigkeit für Briten behalten?
            Wenn es in Summe keinen Vorteil bringt, können die doch sicherlich drauf verzichten.

            “Auch der Schreiber dieser Zeilen steift regelmäßig auf wie verdammt, bspw. wenn es um frickin Glühbirnen geht.”
            Das hätte genauso gut von einem englishen oder deutschen Politker stammen können. Offensichtlich sinnfreie Regelungen sind keine Erfindung der EU.

            “Insgesamt haben Sie aber nicht recht”
            Und warum habe ich nicht recht?

            PS: Ich wusste gar nicht das Schweine Priester haben. 😉

    • “EU gut , Kritiker blöd , das ist die beleidigte Reaktion derer , denen man die Frage stellen muß , ob sie die EU vielleicht deshalb an den Mann bringen wollen , weil vor allem sie selber von deren aktuellem Zustand profitieren , oder weil sie sich das zumindest einbilden.”

      Dabei wird sogar außer Acht gelassen, dass die EU ein gewaltiges Liquiditätsproblem hat, weil einige Mitgliedsländer derart verschuldet sind, dass ihnen niemand mehr Geld zu tragbaren Konditionen leihen kann. Also wird die EU weiter Geld in diese Länder pumpen müssen. Jean-Claude Juncker sieht darin jedoch keine Risiken und will die Währungsunion nach dem Brexit sogar noch enger zusammenwachsen lassen. Was im Endeffekt alle Länder der EU in den Abgrund reißen könnte.

      Ein anders Problem ist das Demokratiedefizit in der EU, das neben anderen Gründen von den Befürwortern des Bexit immer wieder ins Feld geführt wurde. Schließlich können sich die Briten auf eine der ältesten repräsentativen Demokratien der Welt berufen, die Magna Carta stammt aus dem Jahr 1215. Die Wunsch nach Souveränität und Selbstbestimmung ist den Briten wichtig und diese wollen sie auf keinen Fall aufs Spiel setzen.

      Martin Schulz, EU-Parlamentspräsident, sagte zum Demokratiedefizit der EU:
      “Wäre die EU ein Staat, der die Aufnahme in die EU beantragen würde, müsste der Antrag zurückgewiesen werden – aus Mangel an demokratischer Substanz.”

      • @ Mona :

        Schon ganz gut angemerkt, hier hat Ihr Kommentatorenkollege aber zu ergänzen – ‘Dabei wird sogar außer Acht gelassen, dass die EU ein gewaltiges Liquiditätsproblem hat, weil einige Mitgliedsländer derart verschuldet sind, dass ihnen niemand mehr Geld zu tragbaren Konditionen leihen kann. Also wird die EU weiter Geld in diese Länder pumpen müssen.’ – die EU hat, das €-System meinend, mittlerweile eine persistent vorhandene Gelddruckmaschine, die EZB genannt wird, i.p. Liquidität besteht nicht der geringste Mangel, zudem auch besondere Inflation (noch) nicht gegeben ist.

        Es beißt sich ja auch “ein wenig”, wenn ein ‘Liquiditätsproblem’ behauptet wird und im Nachsatz von ‘Pumpen’ von ‘Geld’ die Rede ist.
        Zudem kann sich fleißig an den Märkten Geld geliehen werden, staatlicherseits und von den “üblichen Verdächtigen”, insbesondere der BRD als Zahlmeister vertrauend.

        Dass Juncker & Schulz die monetären bis gesellschaftlichen Verknüpfungen innerhalb der EU als Reaktion auf den sich abzeichnenden “Brexit” noch verstärken wollen, ist nicht unlustig.

        MFG
        Dr. Webbaer

      • “Dabei wird sogar außer Acht gelassen, dass die EU ein gewaltiges Liquiditätsproblem hat, weil einige Mitgliedsländer derart verschuldet sind, dass ihnen niemand mehr Geld zu tragbaren Konditionen leihen kann.”

        Die Schulden sind nicht das Problem. Japan hat höhere Schulden als die gesamte EU zusammen und hat kein Liquiditätsproblem.

        • Wie kommen Sie nur darauf? Japan hat ein riesiges Problem mit seinen Schulden und aus diesem Grund wurde dort immer mehr Geld in Umlauf gebracht. Die eigentlichen Probleme wurden nicht angegangen und erste Investoren ziehen sich bereits zurück. “Für den internationalen Währungsfonds (IWF) ist das „langfristig untragbar“, rügte IWF-Vize Naoyuki Shinohara Anfang Februar. Reformen sind nötig, Vorschläge gibt es viele: Vom totalen Umbau des Sozialsystems inklusive Rentenreform über eine höhere Mehrwertsteuer (fünf Prozent bislang) bis hin zu günstigeren Körperschaftssteuern zur Unternehmensansiedelung (nach irischem Modell). Was davon wirklich umsetzbar ist, war schon vor dem Beben unklar – und ist es jetzt erst recht. Der Staatshaushalt wird nach der Katastrophe aus dem Ruder laufen.”

          Quelle des Zitats:
          http://www.focus.de/panorama/welt/tsunami-in-japan/wirtschaftliche-folgen/tid-21678/volkswirtschaft-japan-platz-eins-der-schuldensuender_aid_608821.html

          • Der Artikel ist von 2011. Ich kenne vergleichbare Artikel die sind noch viel älter. Japan hat das nicht interessiert. Die Politik geht weiter, der Yen gilt als einer der stabilsten Währungen der Welt, der Wirtschaft geht es nicht schlecht.

            Ich kenne auch diverse VWLer die mahnen an es ähnlich wie Japan zu machen. Paul Krugmann zum Beispiel den Herr Holzherr hier beständig zitiert.

            “Wie kommen Sie nur darauf? Japan hat ein riesiges Problem mit seinen Schulden”
            Hat Japan denn Probleme Kredite aufzunehmen? Wenn ja zeigen sie das bitte. Sie sprachen ja von Liquiditätsproblemen.

          • Um wieder schwarze Zahlen schreiben zu können müsste Japan von seinen Schulden runterkommen. Das Problem verschärft sich durch die Aufnahme weiterer Kredite doch nur.

          • “Um wieder schwarze Zahlen schreiben zu können müsste Japan von seinen Schulden runterkommen. Das Problem verschärft sich durch die Aufnahme weiterer Kredite doch nur.”

            Japan will gar keine schwarzen Zahlen schreiben. Und das sich das Problem durch weitere Kredite verschärft ist nur eine Theorie einer bestimmten VWL-Richtung. Eine andere VWL-Richtung sagt etwas anderes.

            Bedeneken sie, das unser gesamtes Geldsystem nicht auf realen Werten basiert. Es basiert nur auf Vertrauen. Solange man das erhalten kann, ist die Höhe der Schulden von untergeordneter Bedeutung.

        • Nach Paul Krugman befinden sich weite Teile Europas in einer wirtschaftlichen Depression – und das nicht wegen fehlender Liquidität, sondern wegen fehlenden Investitionen, schwacher Wirtschaftsaktivität weil alle mit dem Abzahlen von Schulden beschäftigt sind und weil die betroffenen Länder (Griechenland, Spanien, Finland) nicht abwerten können da sie den EURO haben.
          In Europe’s Impossible Dream schreibt er in Bezug auf Griechenland:

          The fact that Greece no longer has a currency, that it would have to create one from scratch, vastly raises the stakes. My guess is that euro exit will still prove necessary. And in any case it will be essential to write down much of Greece’s debt.

          Schulden abschreiben/annulieren wäre also Krugmans empfohlene Massnahme.

          • “befinden sich weite Teile Europas in einer wirtschaftlichen Depression – und das nicht wegen fehlender Liquidität, sondern wegen fehlenden Investitionen”

            Das eine bedingt das andere. Griechenland räumte letztes Jahr ein, Liquiditätsprobleme zu haben und bat die europäischen Partner um finanzielle Unterstützung. Diese Gelder konnten natürlich nicht für Investitionen verwendet werden, sondern dienten lediglich als Soforthilfe, um beispielsweise Beamtengehälter oder Renten auszahlen zu können.

            “Schulden abschreiben/annulieren wäre also Krugmans empfohlene Massnahme.”

            Der Brexit wird sich vermutlich auch negativ auf Europas Banken auswirken, insofern wir man dort das Geld noch brauchen.

            http://www.welt.de/wirtschaft/article154159535/Brexit-koennte-Europas-Steuerzahler-Milliarden-kosten.html

          • @Mona
            “Das eine bedingt das andere.”

            Die fehlenden Investitionen in Griechenland basieren nicht auf fehlender Liquidität. Sie basieren auf einem Spardiktat. Liquidität hat Europa mehr als genug.

          • Griechenland hat in der Tat immer wieder Liquidiätsprobleme, d.h., Probleme, den Schuldendienst zu bedienen. Ursache ist aber m.E. nicht das Spardiktat, sondern das Griechenland ohne EU-Hilfe zahlungsunfähig wäre und deswegen keinen oder kaum Zugang zum Finanzmarkt hat, weil es nicht mehr kreditwürdig ist. Die anderen EU-Staaten haben das Problem (noch) nicht. Allerdings werden die Kredite EZB an die Banken nicht (ausreichend) als Kredite an die Wirtschaft weitergeleitet, weil die Banken eben nicht völlig konsolidiert sind und Vertrauen in die Kreditnehmer fehlt.

          • @Mona
            “Und warum hat man den Griechen wohl ein “Spardiktat” aufs Auge gedrückt?”

            Weil der deutsche Wähler es so wollte.

          • @Paul Stefan:

            Wie sie gut ansprechen, ist das Hauptproblem das fehlende Vertrauen. Das verursacht die Liquiditätsprobleme Griechenlands. Es sind nicht die Höhe der Schulden (siehe Japan).

  9. Die Brexit-Abstimmung war das Ergebnis von parteipolitischen Spielchen von Cameron – welche von Populisten aller möglichen Gruppierungen aufgenommen und für eigene Zwecke benutzt wurde.
    Weder Cameron noch die Brexit-Befürworter haben ernstlich mit dem JA zum EU-Austritt gerechnet – und deshalb gibt es im UK keinerlei vernünftige Idee für das weitere Vorgehen.

    Europaweit scheint Frau Merkel aktuell die einzige Politikerin mit einer vernünftigen Einstellung zu sein: Verhandlungen gibt es erst, nachdem die Briten einen Austritt offiziell erklärt haben.
    Andere Politiker machen eher den Eindruck eines aufgescheuchten Hühnerhaufens.

    Für uns in Deutschland sollten die Ereignisse im UK eine Lehre sein – wer sich von Populisten manipulieren lässt, muss möglicherweise unangenehme Konsequenzen erleiden.

    • Europaweit scheint Frau Merkel aktuell die einzige Politikerin mit einer vernünftigen Einstellung zu sein:

      Dieses ‘Einzige’ scheint in der BRD einen besonderen Kick zu bedeuten, zu vergleichen wäre womöglich auch mit der der genannten Dame eigenen Redewendungen der Güteklasse ‘alternativlos’, ‘unbedingt’ & ‘unzweifelhaft’.

      • @Webbaer: Das Lob für Frau Merkel war im Sinne von intelligent gemeint.
        Intelligent ist ihr Verhalten deshalb – im Sinne der Spieltheorie – weil die Briten dadurch gezwungen sind, zuerst zu reagieren.
        Andere Politiker verhalten sich im Vergleich zu Merkel etwas lächerlich: Von den Briten zu fordern, sie sollten ihren Austritt aus der EU sofort erklären – ist Unsinn, da nur die Briten diese Entscheidung allein zu treffen haben.
        Und wer vor dem offiziellen Austritt schon zu Verhandlungen bereit ist, handelt im Sinne der Spieltheorie unvernünftig. Denn dadurch könnten die Briten schon im Vorfeld seriöser Verhandlungen wichtige Ergebnisse erzielen. Und danach entscheiden, ob es sich lohnt, von der EU auszutreten oder vielleicht doch nicht.

        • @ Herr Kinseher :

          Verhandlungsmasse entsteht auf Grund dessen, was verhandelbar ist.
          Bereits der EU-Austritt ist verhandelbar, als Möglichkeit.
          Grenzen setzen hier vertragliche und allgemein-kulturelle Bedingungen, sofern anerkannt.
          Rational wäre in diesem Sinne, wie auch im dankenswerterweise zur Verfügung gestellten hiesigen WebLog-Artikel so dargestellt, wenn das UK so verhandelt, als ob der EU-Austritts-Antrag bereits vorliegen würde, aber de facto nicht vorliegt.
          I.p. Verhandlungsgeschick werden sich einige, insbesondere in der BRD, noch beizeiten wundern, was denkbar und somit möglich ist.

          Sollte das UK vorschnell den genannten Antrag stellen -spieltheoretisch betrachtet-, wäre dies wohl nur bestimmter Befindlichkeit im “Brexit”-Lager zuzuordnen.


          Was Ihr Kommentatorenfreund von der bekannten bundesdeutschen Dame, die zwar sprechen, aber nicht reden kann, hält, dürfte mittlerweile hinreichend durchgeschienen sein.
          Selbst an der eigentlich nötigen Allein-Autorenschaft, bestimmte Arbeit betreffend, hegt der Schreiber dieser Zeilen starke Zweifel.
          Dies natürlich, wie eigentlich immer, nur ga-anz kommentarisch am Rande ergänzt; wobei auch von anderen recherchiert werden darf.

          MFG
          Dr. Webbaer

    • “Whoever wants to leave this family cannot expect to have no more obligations but to keep the privileges,” she [Merkel] said.
      In her address to the Bundestag, the lower house of Parliament, Ms. Merkel firmly quashed any idea of exploring alternative arrangements with Britain until it formally takes steps to leave the European Union, reminding London that it cannot “pick and choose.”
      She made clear that Britain could not expect full access to the European Union’s common market without accepting its conditions, including the free movement of people.

      @KRichard: Ja, Merkels Sprache ist frei von Revanchismus, macht aber auch klar, dass die Briten nur dann freien Zutritt zum EU-Markt erhalten, wenn sie die Personenfreizügigkeit akzeptieren. Genau das aber wird zum Knackpunkt werden, denn wenn die Briten volle Personenfreizügigkeit gewähren hat sich für sie gar nicht so viel geändert.

      • @Holzherr: Ich stimme Ihnen zu.
        Die Briten werden Personenfreizügigkeit, usw., usw. – also alle Rechte wie sie in Europa üblich sind – akzeptieren müssen. Das wird nicht verhandelbar sein.
        Es wird sich also in Bezug auf die anderen Länder Europas nicht viel ändern – außer dass das UK weniger/kaum Mitspracherechte hat.
        Die Ministerpräsidentin Schottlands hat vor einer Stunde in einer Rede klar gestellt, dass an der Freizügigkeit nicht gerüttelt werden darf.

        D.h. Brexit bringt für das UK keine Vorteile – weil auch Gibraltar, Nord-Irland, neben Schottland, ihre Rolle im UK überdenken.
        Das UK hat riesige soziale Probleme, die natürlich durch den Brexit nicht beseitigt werden. Die Brexit-Befürworter haben sich nach der Wahl bereits eindeutig von ihren wichtigsten sozialen Wahlversprechen distanziert und der Finanzminister hat bereits eine Steuererhöhung angekündigt.

        PS: Spannend wird auch die Rolle der USA sein. Denn das UK ist ein wichtiger Partner in der NATO – und wenn das UK zerfällt, ist diese militärische Machtposition nicht mehr möglich.

  10. Ein sehr interessanter Beitrag – danke!
    Schade nur der Einstieg. Sie versprechen:
    “In diesem Blogpost soll es nicht um die Ursache des Brexit gehen.”
    um es dann zwei, drei Sätze später doch zu tun:
    “Die kürzeste und treffendste Analyse ist wohl der Kolumnistin und Schriftstellerin Laurie Penny im britischen New Statesman gelungen. Das Brexit-Votum, schreibt sie, sei ein Referendum gegen die moderne Welt gewesen.”
    Das kommt so rüber wie “Ich teil’ euch mal eben noch die korrekte Sichtweise darauf mit.” (auch wenn es hier nicht so gemeint sein mag) Genau das führt zu den aggressiven Abwehrreflexen, die im Moment so massenhaft zu beobachten sind. Und es ist unnötig – der Beitrag hätte ohne diese paar Sätze keinen Deut verloren. Man kann sehr gute Gründe haben, mit Pennys Analyse überhaupt nicht übereinzustimmen.

    • Das Intro war halt versaut, ansonsten setzte sich die Analyse außerordentlich positiv von dem ab, was d-sprachig zurzeit zV gestellt wird, wobei es natürlich auch in Einzelpunkten danach noch etwas zu nagen gibt, so soll es sein, so darf Primärinhalt i.p. WebLog-Artikel, auch wissenschaftsnahen Journalismus meinend, aussehen. [1]

      MFG
      Dr. Webbaer

      [1[
      Vgl. :
      ‘Solange sie aber Mitglied der EU sind, müssen sie die Bestimmungen in nationales Recht umsetzen.’ – Gaah oder vielleicht besser Gaaa.

      Recht wird heutzutage in der EU auch “trocken” ausgesetzt.

  11. Ich verstehe die Aufregung nicht, etwas besseres konnte den Europäern nicht passieren. Jetzt kann man die Banken regulieren ohne das die Briten eine Veto einlegen. Sollen doch die Casino Bankgeschäfte alle in London sein, frage mich nur ob GB dann genug Geld hat alle zu retten bei der nächsten Krise.

  12. Eine hochmoderne Wohlstandsgesellschaft ist mit den idealen Vorstellungen von Demokratie nicht mehr möglich. Das ist die wichtigste Lehre aus dem Brexit. Unüberlegte Volksreferenden können ökonomische und soziale Katastrophen nach sich ziehen. Gegen ein Referendum ist nur dann nichts einzuwenden, wenn jeder Bürger unmittelbar betroffen ist, wenn keine Fachkenntnisse nötig sind und wenn langfristig keine undurchschaubaren Folgwirkungen zu erwarten sind.

    Was wir heute brauchen, das ist eine vernünftige Kombination aus Technokratie und Demokratie. In Deutschland ist es längst Realität geworden, ohne in der Verfassung explizit verankert zu sein. Es gibt Fachministerien mit tausenden ausgebildeten Experten und es gibt Fachbehörden bis herunter zu den Kommunen. Der ehrenamtliche Dorfbürgermeister ist längst ausgestorben. In Deutschland haben Reformen der Gesellschaft bereits in den 1970er Jahren mit der Gebietsreform begonnen und werden kontinuierlich weitergeführt, auch wenn die Politiker manchmal sehr behäbig oder störrisch sind.

    Die Probleme mangelnder Reformen zeigen sich an den Schnittstellen zwischen Demokratie und Technokratie, wie z.B. beim Flughafen Berlin und vielen anderen Projekten. Andere Nationen der EU hinken noch um Jahrzehnte hinterher. Die Probleme müssen daher erst noch größer werden, wie derzeit in Frankreich oder in Griechenland, damit die Politik und besonders auch das Volk selber allmählich zur Einsicht gelangt. Das Volk wählt nicht die vernünftigen Politiker, die nicht nur schöne Wahlversprechen machen!

    • Vielleicht weiß ein ehrenamtlicher dorfbürgermeister aber besser was gut für die bevölkerung ist, als ein politiker in belgien, der für eine fette diät arbeitet?

      Ganz ehrlich, ich finde die entwicklung und das verständnis von politik erschreckend.

      Bitte konkret werden welche ökonomischen und sozialen katastrophen sich wie und warum entwickeln sollen und nicht einfach radio und tv nachplappern. Sorry.

      • @Jade;
        Schön, dann erklären Sie erst mal genauer, was “gut für die Bevölkerung” ist und welche Mittel der Dorfbürgermeister hat. Die Bausünden der letzten Jahre in Überschwemmungsgebieten können es nicht sein. Ob Glyphosat gefährlich ist, kann der Dorfbürgermeister auch nicht entscheiden. Mit “Bevölkerung” meinen Sie sich nur selber, wie alle Populisten, die angeblich wissen, was “gut für die Bevölkerung” ist..

        Der Brexit hat gigantische ökonomische Verschiebungen zur Folge, die milliarden Euro kosten, für nichts. Es wird selbstverständlich Profiteure geben, aber überwiegend Verlierer, vor allem diejenigen, die sich am meisten erhofften und deshalb den leeren und verlogenen Versprechungen folgten.

        Es ist witzig und unlogisch, dass die Zuwanderer angeblich die Sozialkassen belasten, andererseits Arbeitsplätze wegnehmen! Was denn nun eigentlich? Die Wanderungsbewegungen sind in den nächsten Jahrzehnten ohnehin nicht mehr zu stoppen. Alles Gerede von Schließung der Grenzen ist dummes Zeug und dient nur der Selbstberuhigung.

    • “Eine hochmoderne Wohlstandsgesellschaft ist mit den idealen Vorstellungen von Demokratie nicht mehr möglich.”

      Eine Diktatur “von oben” gab es in totalitaristischen Staatsformen wie Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus bereits. Sie haben alle nicht funktioniert.
      Im Gegensatz dazu ist die Schweiz dem Ideal der Demokratie am nächsten – mit gutem Erfolg.

    • @Reutlinger: Volk dumm, EU-Eliten gescheit? Nein: Volk dumm, EU dumm ist eher richtig.
      Sie schreiben:“Eine hochmoderne Wohlstandsgesellschaft ist mit den idealen Vorstellungen von Demokratie nicht mehr möglich. Das ist die wichtigste Lehre aus dem Brexit. Unüberlegte Volksreferenden können ökonomische und soziale Katastrophen nach sich ziehen. “

      Tatsache ist, dass die Immigration von Arbeitskräften nach Grossbritannien eine wichtige Rolle für den Brexit gespielt hat. Ein wichtiger Grund für die ablehnende Haltung gegenüber den Fremdarbeitern war der, dass ein Lohndruck nach unten entstanden war.
      Im Telegraph-Artikel Mass migration driving down wages offered to British jobseekers vom Dezember 2015 liest man dazu:

      A major report by the Bank of England has found increases in immigration have reduced the pay on offer to care workers, waiting staff, and cleaners

      Economists at the Bank found that increases in immigration have reduced the pay on offer to care workers, waiting staff, and cleaners, as the competition for these jobs has risen.

      The Bank calculated that a 10 percentage point rise in the proportion of immigrants would reduce the average pay received in these semi and unskilled service sector roles by 1.9 percent.

      Die britische Regierung hat nichts dagegen unternommen und hat nun die Quittung kassiert. In der Schweiz wurde dieses Problem schon vor Beginn der Personenfreizügigkeit mit der EU erkannt und es wurden sogenannt flankierende Massnahmen ergriffen. Diese flankierenden Massnahmen haben eine Beschäftigung von zugereisten Arbeitern zu niedrigeren Löhnen explizit verboten und die Durchsetzung dieser flankierenden Massnahmen wurden auch regelmässig kontrolliert. Die Personenfreizügigkeit hat in der Schweiz zu einer 1%-igen Zunahme der Wohnbevölkerung pro Jahr geführt. In den Zentren nahmen die Mieten zu, auf den Strassen und im öffentlichen Verkehr nahmen die Staus zu, was zusammengenommen von vielen als Belastung empfunden wurde. Doch die Löhne kamen nicht unter Druck. Wären auch die Löhne unter Druck gekommen wie in Grossbritannien, dann wäre die Abwehreaktion gegen die Zuwanderung in die Schweiz noch viel stärker augefallen als breits passiert.

    • Nach dem Brexit steht Grossbritannien nicht schlechter da als jedes andere Nicht-Europäische Land, das auf Beziehungen zu Europa angewiesen ist. Der Brexit bedeutet vor allem: Europa findet ohne Grossbritannien statt. Ob das eine Katastrophe ist, hängt auch davon ab wie sich die EU weiterentwickelt.
      Rein ökonomisch gesehen ist der Brexit keine Katastrophe – das sehen auch Ökonomen wie Paul Krugman so. Zwar ist mit einem leichten Minderwachstum (im Vergleich zum Remain) zu rechnen, aber die politische Seite des Brexit ist weit bedeutender als die ökonomische.

      Das allerschlimmste Szenario für Grossbritannien wäre ein Zerfall von Grossbritannien selber – wenn also die Schotten austreten. Das kann allerdings durchaus passieren.

    • “”…Eine hochmoderne Wohlstandsgesellschaft ist mit den idealen Vorstellungen von Demokratie nicht mehr möglich. Das ist die wichtigste Lehre aus dem Brexit. Unüberlegte Volksreferenden können ökonomische und soziale Katastrophen nach sich ziehen…””

      Ob der Brexit eine Katastrophe ist (für wen?) wird sich noch zeigen.

      Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Diskutierende einen Wählerentscheid, der ihnen nicht passt, als Beweis für die Untauglichkeit direktdemokratischer Instrumente wie Initiative und Referendum auffassen.

      Der Sinn direktdemokratischer Instrumente liegt nicht darin sicherzustellen, dass das Ergebnis richtig ist. Politik ist keine exakte Wissenschaft, wo sich Fragen eindeutig richtig mit Ja oder eben Nein beantworten lassen. Der Sinn direktdemokratischer Instrumente ist die Partizipation des Bürgers zu ermöglichen, was die Akzeptanz der Entscheide in der Regel erhöht.

    • Eine hochmoderne Wohlstandsgesellschaft ist mit einer inkompetenten EU-Führungsmannschaft nicht möglich. Das ist weitaus zutreffender als die oben gemachte Aussage:

      Eine hochmoderne Wohlstandsgesellschaft ist mit den idealen Vorstellungen von Demokratie nicht mehr möglich.

      Warum behaupte ich die EU-Führungsriege sei inkompetent. Weil sie beispielsweise gegen den Rat einer Mehrzahl von Ökonomen die Eurozone geschaffen hat ohne gleichzeitig die dazu nötigen politischen Voraussetzungen zu schaffen (Es braucht (mindestens) eine gemeinsame Fiskalpolitik und eine engere politische Union als Voraussetzung).Der Ökonom Paul Krugman hat das auf seinem Blog schon mehrmals thematisiert. Er habe die EU-Politiker vor einer Währungsunion von weitgehend unabhängigen, aber ökonomisch weit auseianderliegenden Ländern gewarnt – und das zusammen mit vielen anderen Ökonomen. Und er sei abgeblitzt, man habe ihn als Amerikaner sogar verdächtigt quasi ein Agent der US-Regierung zu sein und den EU-Fortschritt hintertreiben zu wollen, . Das Resultat ist in den Augen Krugmans verheerend. Ein repräsentativer Aritkel dazu ist: Europe’s Impossible Dream wo er schreibt:

      How did things go so wrong? The answer is that this is what happens when self-indulgent politicians ignore arithmetic and the lessons of history. And no, I’m not talking about leftists in Greece or elsewhere; I’m talking about ultra-respectable men in Berlin, Paris, and Brussels, who have spent a quarter-century trying to run Europe on the basis of fantasy economics.

      Natürlich ist die Schaffung der Eurozone nicht der einzige Fehler,den die EU-Politiker zu verantworten haben. Ich möchte an dieser Stelle nicht alle Fehler auflisten – glaube aber, dass diese Fehler so schwerwiegend sind, dass die EU nicht nur einen schwierige Vergangenheit, sondern auch eine schwierige Zukunft vor sich haben wird.

  13. Hässlich ist derzeit VOR ALLEM das Verhalten der EU-Mitglieder, denn noch haben die Briten ihren Austritt nicht durchgeführt und SIND auch Mitglied – Hinter der herkömmlich-gewohnten Fassade politischer Intriganz laufen vielleicht hässliche Erpressungen und …, aber das ist eine andere Sache die das dumme Wahlvolk durch Kreuzchen auf dem Blankoscheck mitverantwortet!

    • “Hässlich ist derzeit VOR ALLEM das Verhalten der EU-Mitglieder”

      Besonders tut sich hier EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hervor. Der auch keine Lehre aus dem Brexit ziehen will, weil er nicht begreift, dass er Teil des Problems ist. Gestern konnte man in sämtlichen Zeitungen unseres Nachbarlandes lesen, dass er den österreichischen Ministerpräsidenten Kern mit den Worten abkanzelte: “Hören Sie auf mit diesem österreichischen Klamauk.”, als dieser das geplante Durchwinken des Freihandels- und Investitionsabkommen mit Kanada (Ceta), das ohne die nationalen Parlamente stattfinden soll, als undemokratisch kritisierte.

      Siehe dazu auch:
      http://www.heute.de/pressestimmen-zu-brexit-und-ceta-juncker-ist-ein-mann-von-gestern-44188826.html

  14. “Johnson hat den brennenden Ehrgeiz, Premierminister zu werden, also…”

    Ja, ieht auch heute noch ganz danach aus, ROLF. Das ist die Entropie, die uns klüger reden macht macht als wir sind.

    • Boris Johnson hatte keine Chance mehr, nachdem ihm Michael Gove in den Rücken gefallen war. Seine Erklärung macht auf mich den Eindruck, als habe er erst begründen wollen, warum er antreten muss, und dann in letzter Sekunde nur den Schlussteil geändert. Aus “und deshalb glaube ich, ich bin der richtige, um das Land aus der Krise zu führen” in “ich bin zu dem Schluss gekommen, nicht als nächster Premierminister anzutreten”.
      Vom Begriff “Entropie” haben wir möglicherweise eine unterschiedliche Definition im Kopf.

      • Ich meinte das Phänomen der Wärme und wollte damit, ohne Häme, zur behutsamen Reflexion anregen.

  15. Etwas war mit dem Inputfield nicht richtig. Ich jedenfalls habe diese vielen Fehler nicht verursacht…

  16. Pingback:Brexit – Folgen für die Fusionsforschung ? › Formbar › SciLogs - Wissenschaftsblogs

  17. Pingback:die ennomane » Links der Woche