Jesco von Puttkamer beim ESOC in Darmstadt

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Raumfahrt aus der Froschperspektive
Go for Launch

Der deutsch-amerikanische Raumfahrtingenieur Jesco von Puttkamer hat heute auf einer Vortragsreise durch Deutschland Station beim europäischen Raumfahrtkontrollzentrum ESOC in Darmstadt gemacht, wo er vor vollbesetztem Saal einen Vortrag zu seiner Sicht auf den Menschheitstraum Raumfahrt hielt.

Jesco von Puttkamer studierte in Aachen das beste Studienfach von allen und arbeitete ab 1962 beim NASA-Zentrum in Huntsville, Alabama unter Wernher von Braun an der Entwicklung der Saturn-Raketen des Apollo-Programms.

Jesco von Puttkamer am 8.10.2012 beim ESOC in Darmstadt. Bild: Michael Khan

Jesco von Puttkamer zu Beginn seines Vortrags. Ich bitte, die schlechte Bildqualität zu entschuldigen. Ich hatte halt nur meine kleine Lumix dabei und wollte da in dem Saal nicht herumblitzen – was ich, der ich auch oft Vorträge halte, als sehr störend und eine grobe Unhöflichkeit gegenüber dem Vortragenden ansehe, deswegen musste ich mich mit dem verfügbaren Licht zufrieden geben.

Mir ist nicht ganz klar, welche Funktion bei der NASA der heute 79jährige (aber deutlich jünger wirkende) heute bekleidet. Auch aus den Beschreibungen im Internet werde ich nicht ganz schlau. Offenbar besteht seine Tätigkeit jedoch zu einem nicht geringen Teil im Repräsentieren und in der Öffentlichkeitsarbeit.

Am Ende ist es auch nicht so wichtig, welchen Jobtitel jemand innehat, sondern was er erlebt hat und wie lebhaft er seine Erfahrungen und auch seinen Enthusiasmus teilen kann. Dass Jesco von Puttkamer dies kann und deswegen auch genau der Richtige ist, den man eine inspirationelle Rede halten lassen sollte, stellte er heute wieder unter Beweis.

Wirklich neu (zumindest für jemanden aus der Raumfahrtbranche) war nichts von dem, was ich heute hörte. Amüsant und interessant war es aber allemal, und auch beeindruckend, beispielsweise die Anekdoten dazu, wie mithilfe der noch in den Kinderschuhen steckenden Rechnertechnik dennoch komplexe Berechnungen wie die numerische Berechnung einer Aufstiegsbahn durchgeführt werden konnten.

Vor allem beeindruckte aber der Appell, die bemannte Exploration des Weltraums als kulturelle Aufgabe wahrzunehmen, die quasi nebenbei auch internationale Kooperation, die Bildung und die Wissenschaft fördert – und zwar ein breites Spektrum an Wissenschaft, denn Weltraumforschung ist so interdisziplinär wie sonst kaum ein anderes Gebiet.

Obwohl ich Jesco von Puttkamer hier zwar noch grundsätzlich zustimme, entfernen sich meine Ansichten von seinen doch bei der Bewertung der Ziele der Exploration. Sein Augenmerk ist fest auf den Mars gerichtet, mehr als auf den Mond und ganz sicher mehr als auf die Asteroiden, bei denen er meint, dass eine robotische Erforschung ausreicht. Angesichts des Risikos, das Asteroiden für die menschliche Zivilisation darstellen und der Wichtigkeit, so schnell wie möglich so viel wie möglich über sie zu erfahren, und angesichts der sich abzeichnenden Rolle von Asteroiden als Rohstoffquelle sehe ich diese Einschätzung kritisch. Was auf dem Mars und dem Mond in Bezug auf die Wichtigkeit der menschlichen Präsenz gilt, kann für Asteroiden nicht fundamental anders sein.

Auch wurde in Herrn von Puttkamers Vortrag kaum auf die aktuellen Anstrengungen eingegangen, die Unternehmen planen, um die Einflusssphäre des Menschen in den Weltraum auszudehnen – Die Firma SpaceX mit ihrer Falcon-Rakete und ihrem Dragon-Versorgungsschiff wurde noch erwähnt, die Firma Bigelow aber schon nicht mehr. Bigelow könnte bereits Mitte dieses Jahrzehnts mit dem Start von Hardware für eine eigene kommerzielle Raumstation beginnen, deren Auslegung allein an kommerziellen und technischen Anforderungen orientiert ist, anstatt an vorwiegend politischen.

Nicht überzeugend fand ich die generelle Tendenz im Vortrag Jesco von Puttkamers, Unternehmungen wie die orbitale Stromgewinnung grundsätzlich in Zweifel zu ziehen, beispielsweise indem dem Einsatz des Energietransfers zur Erde, z.B. per Mikrowellen, ganz dramatische Gefahren unterstellt werden. Die Exploration fremder Welten ist sicher etwas, wovon viele von uns immer geträumt haben, so wie der Wunsch, Grenzen zu überwinden und zu verstehen, warum etwas so ist, wie es ist, eine untrennbar mit dem Menschsein verbundene Eigenschaft ist. Aber ganz nebenbei haben wir hier auch noch ein paar Probleme zu lösen, wie das der sicheren, umweltschonenden Energieversorgung.

Das sollten wir nicht anstatt der Exploration tun. Menschen können durchaus das Eine tun, ohne das Andere zu lassen. Auch langjährige Mitarbeiter staatlicher Raumfahrtagenturen müssen sich der Tatsache stellen, dass wir vor einem Paradigmenwechsel stehen. Die Zeit, in der die Agenturen allein die bemannte Raumfahrt verwalteten, neigt sich dem Ende zu.  

Mich beeindruckte allerdings die von Jesco von Puttkamer aufgezeigte Zielstrebigkeit, mit der die USA eine umfangreiche Infrastruktur für die Erforschung des Weltraums aufbauen – eine Zielstrebigkeit, die nach meinem Eindruck weitgehend parallel zu der Zielstrebigkeit verläuft, mit der Europa sich dem Aufbau einer eigenen solchen Infrastruktur verweigert und sich damit selbst zu einer Nebenrolle in einer Schlüsseltechnologie verurteilt. Mag sein, dass man damit kurzfristig eine Spareffekt erzielt. Es gibt aber nun einmal Sachen, bei denen man besser nicht sparen sollte, weil das sehr teuer wird.

Wer nicht der Meinung ist, dass diese politische Fixierung auf das Sparen, koste es was es wolle, unserer eigenen Zukunft und der unserer Kinder dienlich ist, der sollte auch keine Scheu haben, dies laut und deutlich zu sagen.

Heute Abend, 8.10.2012, um 20:00 spricht Jesco von Puttkamer auf Einladung der Starkenburg-Sternwarte im Kurfürstensaal im Amtshof in Heppenheim.

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Ich bin Luft- und Raumfahrtingenieur und arbeite bei einer Raumfahrtagentur als Missionsanalytiker. Alle in meinen Artikeln geäußerten Meinungen sind aber meine eigenen und geben nicht notwendigerweise die Sichtweise meines Arbeitgebers wieder.

10 Kommentare

  1. Private Initiative=Zukunft der Raumfahrt

    Weltraumtourismus, Aufblasbare Orbital- und Mondstationen, Energie aus dem Weltraum, Rohstoffgewinnung aus Asteroiden und durch Mondbergbau – all diese Ideen und noch viel mehr sind schon jahrzehntealt und all diese Ideen kennt wohl auch Jesco von Puttkamer von Kindsbeinen an. Realisiert aber wurde nur wenig davon. Die Nasa als einer von wenigen Raumfahrt-Monopolisten konnte gar nicht all diesen Möglichkeiten nachgehen.

    Doch jetzt ändert sich das radikal. Die wenigsten haben wohl übgerhaupt eine Ahnung davon wieviele private Raumfahrtinitiativen es gibt. Allein in den USA sind es mehr als 20, darunter :
    – Spacex: Fracht in den LEO, reusable rockets (VTOL: Grasshopper)
    – Bigelow: Aufblasbare Orbital-Hotels
    – Blue Origin: Suborbitalflüge
    – Orbital Sciences: Raumgleiter
    – Planetary Resources: Asteroid Mining

    Aber selbst die vielen privaten Raumfahrtunternehmen, die es jetzt gibt haben noch nicht alle Ziele im Blickwinkel, die in der Raumfahrt Sinn machen könnten, wozu beispielsweise Energiegewinnung im Weltraum und Beaming zur Erde oder Brennstoffdepots im Orbit gehören.

    Es gibt noch viele Möglichkeiten im Weltraum. Einige dieser schon lange erdachten Projekte werden jetzt von privaten Raumfahrtgesellschaften erstmals in Visier genommen – wie das Asteroid-Mining – andere warten noch auf private Initiative – wie das auf die Erde herunterbeamen von Energie.

    Von den meisten dieser Möglichkeiten haben wir alle schon gehört und wohl auch schon Jesco von Puttkamer in seiner Jugend. Aber nur weniges davon wurde überhaupt je praktisch angegangen.

  2. Jesco von Puttkamers Mars

    “Sein Augenmerk ist fest auf den Mars gerichtet …”

    Der Mars scheint eine Art Steckenpferd von ihm zu sein und natürlich wird er auch sein kürzlich erschienenes Buch bewerben wollen, das den Titel trägt: “Projekt MARS – Menschheitstraum und Zukunftsvision”. Der Buchtitel wird den einen oder anderen etwas irritieren, den 1996 veröffentlichte er schon mal ein Buch mit einem ähnlichen Titel, das hieß: “Jahrtausendprojekt Mars – Chance und Schicksal der Menschheit”.

  3. @M. Holzherr, @Mona

    @M. Holzherr: Ich denke wirklich, dass wir jetzt den Vorgang sehen, den viele Anwendungen der erdgebundenen, unbemannten Raumfahrt bereits vor 30 Jahren vollzogen haben: Kommerzielle Unternehmen übernehmen die Technologien und entwickeln sie für die eigenen Zwecke weiter. Es gibt keinen Grund, warum ein kommerzielles Unternehmen nicht eine Raumstation betreiben sollte. Ich bin sogar sicher, dass ein Unternehmen die Fehler vermeiden würde, die schon im Konzept der ISS stecken, eben weil ein kommerzielles unternehmen auf den Einsatzzweck schaut und nicht an erster, zweiter und dritter Stelle auf politischen Proporz, Arbeitsbeschaffung für einen teuren industriellen Komplex usw.. Von dort aus sollte es weiter gehen, und orbitale Solarkraftwerke könnten sehr wohl eine Schlüsseltechnologie werden, wenn und auf der Erde die anderen optionen knapp werden.

    @Mona: Die Fixierung auf das Ziel der bemannten Marsmission ist bei jemandem aus der Riege um Wernher von Braun nachvollziehbar. Allerdings sind wir ja nun mehr als 50 Jahre weiter und wissen Dinge über den Mond und erdnahe Asteroiden, die damals unbekannt waren. Jeder sollte seine Prioritäten sollten ab und zu auf den Prüfstand stellen.

  4. Nebenbei…

    …auch wenn es jetzt etwas off topic ist, ich freue mich sehr, das in meinem Lieblingsblog der “neue Held” und Möchtegernastronaut Felix Baumgartner mit seiner Sinnlosaktion so geflissentlich ignoriert wird.

    Danke

    [Antwort: Oje … tut mir Leid, dass ich Sie enttäuschen muss. Wahrscheinlich entstand mein aktueller Blog-Artikel in etwa zeitgleich mit Ihrem Kommentar … MK]

  5. Ist schon ok…

    Herr Khan, zumindest pflücken Sie bei dem Thema ein paar wissentschaftliche Fragen auseinander.
    Warum jedoch bei dieser Geschichte NIEMAND nach dem Warum fragt, das ist mir dennoch ein Rätsel. Da sitzt dieser Mensch in Talkrunden mit Größen wie Walter, Amstrong(!) u.a. und haut sich aufs Knie, was für eine Wahnsinnstat das doch wird. Nur das WARUM, WOFÜR bleibt fast vollständig auf der Strecke.

  6. @Mark Korn
    Warum? – Zunächst einmal sicherlich um sich selbst und der Welt zu beweisen, das es (sehr wahrscheinlich) möglich ist. Auch wenn es letztlich nur dem eigenen Ego dient.
    Und wenn es klappt: Nun das kann man ja auf der begleitenden Webseite nachlesen: Auswirkungen auf den Körper, Anforderungen an Material und Ausrüstung.

    @Michael Khan
    Ich verstehe zwar, das Sie ein Maschienenbaustudium “für das Beste Studium von allen halten”, schliesslich ist Luft und Raumfahrtechnik ja eine spezielle Vertiefungsrichtung davon. Aber ich sehe das trotzdem etwas anders, da mein Wunschfach die Informatik war. Letztlich wurde es dann Elektrotechnik, weil ich damit schon “vorbelastet” war.

    Ansonsten bin ich auch der Meinung, das Europa, leider angeführt und kommandiert von Deutschland sich derzeit in die zweite Reihe der internationalen Forschung und Entwicklung hinein spart. Wenn das hier in D so wie bisher weiter geht, werden wir irgendwann in den nächsten 10, maximal 20 Jahren auch in unseren bisherigen Paradefächern den Anschluss verlieren und dürfen uns dann von den BRICs-Staaten vorhalten lassen, das wir auf unsere “Human Resources” lieber herum trampeln, anstatt sie zu fördern, um international weiter in der ersten Liga mitspielen zu können.

  7. Einige Antworten

    @Mark Korn, @Hans: Was Sie zu Baumgartner sagen, finde ich wichtig und auch relevant, auch wenn ich nicht unbedingt vollkommen zustimme. Vorschlag: Diskutieren wir das doch in den Kommentaren zum Geronimo-Artikel. da gehört es inhaltlich hin, und da findet man es auch spáter leichter wieder.

    @Hans: Eigentlich muss man sagen, dass Raumfahrttechnik ein so weites Feld ist, dass Maschinenbau ebenso dazu gehört wie Elektrotechnik, Informatik, Geologie, Atmosphärenphysik, Astronomie, Bauingenieurwesen, Architektur, Psychologie, Biologie, Chemie, Physik allgemein, Mechanik, Mechatronik, Medizin, Bildverarbeitung, Hochfrequenztechnik und noch Dutzende weiterer Disziplinen.

    Raumfahrt gehört keinem ganz und allen ein bisschen. deswegen ist es ja so ein fruchtbares Feld und deswegen kommt so viel dabei herum, wenn man in der Raumfahrt ordentlich Gas gibt. Eben weil man damit Leute dazu ausbildet, über den Tellerrand hinauszuschauen und mal mit dem Gegenüber zu sprechen, der einen ganz anderen Hintergrund hat.

    In Bezug auf JvP stellt sich mir schon seit Langem eine ganz bestimmte Frage. Es wundert mich, dass die hier niemand gestellt hat.

  8. Einordnung der Raumfahrt

    @MK: Im Prinzip gebe ich Ihnen recht, wenn Sie die Rauumfahrt nach ihren möglichen Aktivitäten überall einordnen. Aber man muss ja irgendwo anfangen. So ganz spontan würde ich die Raumfahrt ja eher unter der Astronomie einordnen. Aber wenn es an die praktische Umsetzung von Raumfahrzeugen geht, dann landet man doch recht schnell wieder beim Maschienenbau und zugehörigen Disziplinen wie Materialkunde oder sonstiger “angewandter Physik”.
    Für Kommunikation, Steuerung und was man sonst noch so braucht kommen die Elektrotechnik und die Informatik dann ganz automatisch dazu, und alles weitere ergibt sich aus der Zielsetzung einer Mission. (Bildverarbeitung und Hochfrequenztechnik würde ich allerdings unter Elektrotechnik verbuchen, weil zumindest letzere auch ein Thema ist, womit man Studenten in höheren Semestern gerne “quält”. Aber das nur nebenbei.)

    Gibt es eigentlich deutschsprachige Literatur, die sich mit den technischen Problemen der bemannten Raumfahrt beschäftigt? – Also so Fragen nach der Beschaffenheit der Hülle, Dichtungen von Luken und/oder Fenstern, Aufbau der Lebenserhaltungssysteme, Dimensionierung von Luft- bzw. Druckschleusen, Energieversorgung und natürlich Bahn und Lageregelung des Raumfahrtzeugs? – Ich hab hier gerade das Buch über Raumfahrtsysteme von Messerschmid, (welches an der lokalen Universität unter Maschienenbau einsortiert ist,) aber da steht über Lebenserhaltungssysteme oder das grundsätzliche Design von weltraumtauglichen Personenkabienen nichts drin.

  9. Nachtrag

    Die bestimmte Frage hätten Sie dem Herrn JvP vielleicht stellen sollen, als Sie die Gelegenheit dazu hatten… *fg* 😀

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