Es gibt keine kulturellen Ökosystemdienstleistungen

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Unsere Umwelt zwischen Kultur und Natur
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Die Notwendigkeit des Natur- und Umweltschutzes begründet man heute mehr und mehr mit „Ökosystemdienstleistungen“. Unter diesen „Dienstleistungen“ werden im allgemeinen auch „kulturelle“ genannt. Kulturelle Ökosystemdienstleistungen kann es aber nicht geben.

 

In der Umweltpolitik und in den ihr unmittelbar zuarbeitenden Teilen der Wissenschaft ist seit einigen Jahren viel von „Ökosystemdienstleistungen“ die Rede. Unter diesem Begriff versucht man so gut wie alles zu fassen, was eine Begründung für den Umwelt- und Naturschutz abgeben könnte, sofern man nicht einen „Eigenwert der Natur“ geltend macht. Vor allem in mehr oder weniger offiziellen Texten des Umwelt- und Naturschutzes – z. B. internationalen Verträgen, Verlautbarungen von einschlägigen Ministerien oder großen Verbänden – ist dieser Begriff allgegenwärtig. Diese Dienstleistungen sind das, womit Ökosysteme „zum menschlichen Wohlergehen beitragen“, oder sie sind/bewirken, in ökonomischer Fachsprache, „Wertströme, die der Gesellschaft aufgrund von Qualität und Quantität des Naturkapitals zufließen“ (TEEB[1]). An solchen Ökosystemdienstleistungen (in diesem Fall: „biodiversitätsbasierten Ökosystemdienstleistungen“, siehe auch hier) nennt TEEB, unter Berufung auf das „Millennium Ecosystem Assessment“, neben „Versorgungsleistungen“ (z. B. „Nutzpflanzen“) „Regulierungsleistungen“ (z. B. „Klimaregulierung“) und „unterstützenden Leistungen“ (z. B. „Bodenbildung“) auch „kulturelle Leistungen“. „Leistungen“ werden gleichgesetzt mit „Werten“ oder sie schaffen solche. Das sind in unserem Fall „beispielsweise Erholungswert, spirituelle und ästhetische Werte, Bildungswert“. – Um die Frage, ob „Ökosystemdienstleistungen“ ein sinnvoller oder ein sinnloser Begriff ist, kümmere ich mich an dieser Stelle nicht (siehe hier und hier). Nur um die sogenannten kulturellen Leistungen der Ökosysteme soll es jetzt gehen. Ich will die Selbstverständlichkeit in Erinnerung rufen, daß es kulturelle Ökosystemdienstleistungen nicht gibt.

Ökosysteme sind naturwissenschaftliche Gegenstände. Nicht Wald und See sind Ökosysteme, sondern Wald und See unter einer bestimmten Perspektive sind Ökosysteme; oder auch: Etwas, das unter bestimmter Perspektive Wald oder See genannt wird, ist in anderer Perspektive ein Ökosystem. Diese Perspektive ist eine naturwissenschaftliche, und zwar nicht jede naturwissenschaftliche, sondern nur eine sehr spezielle. Eine Ansammlung nebeneinanderstehender Bäume, näher gekennzeichnet durch deren Artzugehörigkeit, aber ohne Berücksichtigung ihrer kausalen Beziehungen zueinander und zu ihrer biotischen und abiotischen Umwelt, wird kaum ein Ökologe ein Ökosystem nennen, das System der Stoff- und Energieströme in einem Wald unter Absehung von der Artzugehörigkeit der Bäume aber schon. „Biologische Systeme“ würde er aber vielleicht beides nennen, sicher aber „biologische Gegenstände“. Der Wald im Märchen ist dagegen kein biologisches System. Er ist überhaupt kein biologischer Gegenstand, und er ist damit auch kein Ökosystem. Er ist ebensowenig ein Ökosystem wie der Wald auf einem Landschaftsgemälde oder der Wald, durch den man feierlich-ergriffen wandert.

„Wald“ ist ein Begriff der Alltagssprache. Das Wort „Wald“ kann hier einen individuellen Gegenstand meinen oder einen Typ von Gegenständen. Es handelt sich nicht um einen Klassenbegriff, so daß man sagen könnte: Bei Vorliegen bestimmter definierter bzw. definierender Merkmale haben wir es eindeutig mit einem Wald zu tun, bei deren Fehlen eindeutig nicht. Man kann „Wald“ zwar in dieser Weise operationalisieren. Zu begrenzten, etwa statistischen Zwecken kann das sinnvoll sein, aber zur allgemeinen Verständigung darüber, was ein Wald ist, taugt so ein Vorgehen nicht. Statt eindeutig definierender Merkmale gibt es, wie es für den Begriff des Typs wesentlich ist, einen breiten Übergang von Dingen, die zweifelsfrei Wälder sind – eben „typische“ Wälder – zu Dingen, bei denen es unsicher ist, ob sie Wälder sind oder eher Gebüsche oder Savannen. Vor allem aber steht es nicht fest, was alles in einem Wald zum Wald gehört. Auch hier gibt es breite Übergänge. Gehört eine durch den Wald führende Straße zum Wald oder nicht? Gehört der Förster dazu? Und in welchem Sinne? Die Bäume gehören sicher dazu; aber gehören nur die Bäume als physische Gegenstände dazu oder auch als ökonomische Gegenstände oder als Sitz von Geistern oder in ihrer Bedeutung als nationale Symbole? Wie man bei all dem sinnvoll zu reden hat, ist kontextabhängig.

Derartige alltagssprachliche Bezeichnungen meinen einen Gegenstand, wie er „wirklich“ ist, wie er „konkret“ ist – mit allem, was, unter einer im allgemeinen vagen Vorstellung davon, worin der Kern des jeweiligen Typs besteht, dazugehört, einerlei, ob man das nun, wenn man in die Wissenschaft wechselt, mit chemische Begriffen beschreiben muß oder mit psychologischen oder mit ästhetischen oder mit ökonomischen oder mit kulturwissenschaftlichen. – Sie meinen einen Gegenstand, wie er „wirklich“ ist, wie er „konkret“ ist, begreifen läßt er sich so natürlich nicht.

Wissenschaften haben es dagegen nicht mit wirklichen Gegenständen zu tun, sondern mit gedanklich konstruierten. Die Konstruktionen können für das Begreifen und in der Folge für den technischen und lebenspraktischen Umgang mit den „wirklichen“ Gegenständen nützlich sein, aber sie dürfen mit diesen nicht verwechselt werden.

Nun gibt es Wissenschaft nur in Form von Wissenschaften. Diese unterscheiden sich unter anderem dadurch, daß sie verschiedene Perspektiven auf den „wirklichen“, d. h. hier: den Gegenstand der Alltagssprache haben, sofern sie sich überhaupt mit Gegenständen befassen, die in der Alltagssprache eine Entsprechung haben. Manchmal sind die Perspektiven in der Art einer enkaptischen Hierarchie ineinander enthalten (so die chemische in der biologischen), oft aber sind die Perspektiven unvereinbar. Die verschiedenen Wissenschaften konstruieren dann Gegenstände jeweils vollkommen anderer Art. Der Wald der Biologie besteht aus Bäumen, der Wald der Psychologie oder auch der Literaturwissenschaften aber aus – so wollen wir es nennen – Vorstellungen von Bäumen. Die Vorstellungen von Bäumen unterscheiden sich von Bäumen unter anderem dadurch, daß man sich an ihnen nicht den Kopf stoßen kann. Sie unterscheiden sich auch dadurch, daß Vorstellungen von Bäumen falsch oder richtig sein können, Bäume aber nicht; die Begriffe dieser Wissenschaften sind, wie man sieht, kategorial verschieden.

 

Ökosystem ist kein Begriff der Alltagssprache, sondern ein naturwissenschaftlicher Begriff. Die Eigenschaften, die ein Ökosystem haben kann, sind durchwegs in naturwissenschaftlichen Begriffen zu beschreiben; ist das nicht der Fall, handelt es sich nicht um ein Ökosystem. (Was innerhalb der Naturwissenschaft eine Beschreibung als Ökosystem ausmacht, d. h. was ein Ökosystem von anderen naturwissenschaftlichen Objekten unterscheidet, muß hier nicht interessieren; oben habe ich eine Andeutung gemacht.) Ein Wald-Ökosystem – oder ein Wald als Ökosystem – kann nie und nimmer die Eigenschaft haben, schön zu sein oder erhaben oder unheimlich zu wirken oder Symbol der Kraft oder der Innerlichkeit eines Volkes zu sein. Das Ökosystem hat eben nur Eigenschaften, die in naturwissenschaftlichen, und zwar in bestimmten, nicht in beliebigen naturwissenschaftlichen Begriffen zu beschreiben sind. Beispielsweise kann es eine in Kilogramm angebbare Menge von Wasser enthalten oder eine bestimmte Umsatzgeschwindigkeit des Stickstoffs aufweisen oder eine bestimmte Anzahl von Pflanzenarten.

Die „Dienstleistung“ – um im Jargon und der Denkweise der neoliberalen Ideologie zu bleiben, deren Konjunktur sich die „Ökosystemdienstleistungen“[2] verdanken –, die darin besteht, den Menschen einen schönen Anblick zu bieten oder ein erhabenes Gefühl zu vermitteln oder auch, als heiliger Hain, einen „spirituellen Wert“ zu besitzen und so Menschen bestimmter Kultur etwas zu bedeuten, erbringt also der Wald, nicht das Ökosystem Wald. Woher nimmt nun der Gedanke der „kulturellen Ökosystemdienstleistungen“ für die, die ihn in die Welt gesetzt haben, seine Plausibilität? Sieht man einmal von dem naiven Begriffsrealismus ab, der vor allem in den Randbezirken der Wissenschaft verbreitet ist – da, wo sie mehr Anwendung als Forschung ist –, und sieht man einmal ab von einer Form der Dummheit, die nahezu alle Berufe heimsucht, nämlich daß man sich die ganze Welt so vorstellt wie den eigenen Arbeitsgegenstand, weshalb ein Ingenieur die Gesellschaft sich gern nach dem Modell einer steuerbaren Maschine, also „technokratisch“ denkt und ein Verwaltungsangestellter überzeugt ist, sie sei ein Art großer Behörde – sieht man also einmal davon ab, so scheint es noch zwei speziellere Gründe zu geben:

Erstens, man sieht in vielen Fällen, daß der kulturelle Wert usw. an ein physisches Objekt gebunden ist. Ändert sich dieses – also z. B. indem es sich als ein Ökosystem ändert, etwa im Wald die Menge eines essentiellen Pflanzennährstoffs drastisch abnimmt –, dann gibt es vielleicht das Objekt, das den kulturellen Wert hat, nicht mehr. Wenn aufgrund von Veränderungen in den Stoffkreisläufen kein Hallenbuchenwald mehr wachsen kann, kann man auch die feierliche Stimmung nicht mehr erfahren, die man sonst in hier erfahren konnte und die in unserer Kultur zu den kulturellen Werten gezählt wird. Und wenn aufgrund von Änderungen bestimmter Umweltfaktoren keine Eichen mehr wachsen können, dann stehen an diesem Ort auch keine Eichen als nationale Symbole mehr. Übersehen wird dabei, daß es unendlich viele Veränderungen auf ökosystemarer Ebene geben kann und gibt, die den kulturellen Wert des Dinges der Alltagssprache, auf das man sich mit dem jeweiligen Ökosystembegriff bezieht, überhaupt nicht berühren, so wie man unendlich viele, wenn auch nicht beliebige Veränderungen an dem physischen Ding Klavier vornehmen kann (z. B. es bemalen), ohne daß das für die damit gespielte Musik von irgendeiner Relevanz ist. Übersehen wird auch, daß der kulturelle Wert oft überhaupt nicht an eine Materialisierung gebunden ist. Ein Gedicht ist nicht zerstört, wenn man das Papier verbrennt, auf das es gedruckt ist.

Die Absurdität der in den sog. Umweltwissenschaften üblichen Behauptung, daß z. B. Ästhetik und „spirituelle Werte“ zu den Ökosystemdienstleistungen gehören, wird deutlich, wenn man die Sache umdreht und sagt, ein soziales System habe ein bestimmtes Gewicht – dies deshalb, weil ja da, wo wir von sozialen Systemen sprechen, immer Menschen beteiligt sind (und man von einer Gruppe von Menschen „als soziales System“ sprechen kann) und die nun einmal etwas wiegen. Nein, ein soziales System hat kein Gewicht, besteht nicht aus Molekülen, leitet nicht Elektrizität – hat schlichtweg gar keine Eigenschaften, die man mit naturwissenschaftlichen Begriffen beschreiben könnte.

Zweitens, in dem Begriff des Kulturellen wird kategorial ganz Verschiedenes zusammengepackt, „Erholungswert, spirituelle und ästhetische Werte, Bildungswert“ waren es oben (TEEB-Definition). Der Erholungswert ist aber kein kultureller Wert in dem Sinne, wie man etwa den Bildungswert (was immer das sein mag) einen nennen kann. Erholung kann als rein physische Wiederherstellung verstanden werden, und die hängt in der Tat zum Teil von Faktoren ab, die rein physischer Natur sind, und auch „geistige“ Erholung hängt davon ab; beim Angeln kann man seinen unruhigen Geist in stillere Bahnen bringen, aber ohne Fische kann man nicht angeln und der Erholungswert einer Gegend sinkt, wenn es ununterbrochen regnet oder einen die Mücken quälen. Man kann bestimmte Arten von Erholungswerten einer Gegend also mittels naturwissenschaftlich zu erhebender Indikatoren in gewissen Grenzen abbilden.

Beim Rest des Genannten aber ist es überhaupt nicht so, beim Erholungswert überwiegend auch nicht, nämlich insofern dieser eben kulturell bedingt ist. Zur Verdeutlichung: Man hat z. B. die „kulturellen Ökosystemdienstleistungen“ über “species richness”, “habitat diversity” und “percentage of green trees retained” berechenbar machen wollen (Daniel et al. 2012 in einem Artikel an prominenter Stelle, nämlich in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America). Thomas Kirchhoff (2013) hat in einem Artikel der gleichen Zeitschrift geantwortet, daß der kulturelle Wert, den man einem Gebiet zuschreibt, keineswegs an solchen naturwissenschaftlich faßbaren Größen hänge, sondern an einer Idee, der das Gebiet als Landschaft entsprechen muß. Man kann ohne weiteres die “species richness” eines Hochmoores – sie ist von Natur aus niedrig – künstlich äußerordentlich steigern. Das hebt aber den kulturellen Wert des Hochmoors nicht. Man wird vielmehr sagen, die Eigenart dieser Landschaft sei zerstört und diese darum in ihrem kulturellen Wert gemindert. Gleiche Reaktionen bekommt man meist, wenn Arten fremder Herkunft in ein Gebiet eindringen und dort die “species richness” erhöhen. – Es kann aber auch sein, daß diese fremden Arten positiv bewertet werden und den kulturellen Wert des Gebiets für bestimmte Gruppen der Gesellschaft erhöhen, etwa weil man der Exotik einen Wert zuspricht oder weil man überzeugter Extrem-Kosmopolit ist und man überhaupt etwas gegen regionale und lokale Eigenart hat.

Das Paradebeispiel dafür, daß das, was sich auf der ökosystemaren Ebene abspielt, für den kulturellen Wert überhaupt keine Bedeutung hat, ist die „Entdeckung“ der Alpen im 18. Jahrhundert. Ohne daß sich auf dieser Ebene das Geringste geändert hätte, was auf diesen Prozeß der Entdeckung von Einfluß gewesen wäre, wurden sie von einem Ort, den man voller Schrecken mied, zu einem Ort größter Attraktivität. Alles dafür Relevante spielte sich nicht in der physischen Welt ab, sondern allein in unserer symbolischen Welt, lag etwa an Veränderungen religiöser Vorstellungen.

Daß physische, darunter ökosystemare Vorgänge dafür relevant sind, daß es überhaupt Kultur und kulturell Wertvolles gibt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Ohne Ökosysteme gäbe es keine Eichen und ohne Eichenpfähle gäbe es das Weltkulturerbe Venedig nicht. Ohne Ökosysteme gäbe es keinen atmosphärischen Sauerstoff, ohne Sauerstoff hätte Leonardo da Vinci nicht leben können und ohne ihn wäre die Mona Lisa nicht entstanden. Es wäre aber hochgradig albern, dieses Gemälde deshalb unter die Ökosystemdienstleistungen einzuordnen.

 

Uta Eser (2001) hat gezeigt, wie Biologen mittels des Begriffs Biodiversität – erfolgreich – versucht haben, die Definitionshoheit auf einem ziemlich wichtigen Gebiet der Politik zu gewinnen. Es ist ja alles andere als selbstverständlich, daß da, wo es um die „Vielfalt des Lebens“ geht, Biologen darüber entscheiden sollen, worum es da zu gehen hat. Ein ähnlicher Coup scheint ihnen mit dem Begriff Ökosystemdienstleistungen zu gelingen. Ein riesiges Feld lebensweltlicher Relevanz von „Natur“ wurde okkupiert, das mit Biologie nichts zu tun hat, außer in dem trivialen Sinne, daß es selbstverständlich gar nichts in der Welt des Menschen gibt, das mit Biologie (und mit Physik, Chemie) nichts zu tun hat.

 

Zitierte Literatur:

Daniel T. C., et al. 2012: Contributions of cultural services to the ecosystem services agenda. Proc Natl Acad Sci USA 109: 8812–8819.

Eser, U. 2001: Die Grenze zwischen Wissenschaft und Gesellschaft neu definieren: boundary work am Beispiel des Biodiversitätsbegriffs, In: Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie, Band 7, VWB, Berlin: 135-152.

Kirchhoff T. 2013: Pivotal cultural values of nature cannot be integrated into the ecosystem services framework. Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA (PNAS), 109(46): S. E3146.

TEEB 2010: Die Ökonomie von Ökosystemen und Biodiversität: Die ökonomische Bedeutung der Natur in Entscheidungsprozesse integrieren. (TEEB (2010) The Economics of Ecosystems and Biodiversity: Mainstreaming the Economics of Nature) Ansatz, Schlussfolgerungen und Empfehlungen von TEEB – eine Synthese.

 

[1] TEEB steht für „The economics of ecosystems and biodiversity“. Es handelt sich um ein unter der Schirmherrschaft der UN stehendes Projekt. Die folgenden wörtlichen Zitate stammen ebenfalls von dieser Quelle.

[2]Hier habe ich angedeutet, warum ich dazu neige, diesen Begriff für unsinnig zu halten.

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Ich habe von 1969-1973 an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der FU Berlin Biologie studiert. Von 1994 bis zu meiner Emeritierung im Jahre 2011 war ich Inhaber des Lehrstuhls für Landschaftsökologie der Technischen Universität München. Nach meinem Studium war ich zehn Jahre lang ausschließlich in der empirischen Forschung (Geobotanik, Vegetationsökologie) tätig, dann habe ich mich vor allem mit Theorie und Geschichte der Ökologie befaßt, aber auch – besonders im Zusammenhang mit der Ausbildung von Landschaftsplanern und Landschaftsarchitekten – mit der Idee der Landschaft. Ludwig Trepl

2 Kommentare

  1. Das gesamte Wirtschaften kann in nur 30 Jahren 4-mal einfacher werden. U. a. durch 1-l-Autos. Zudem können Krampfadern mit der Linsermethode ohne Operation zerstört werden. Im Übrigen muss man sich fragen, ob die ungerechte Vermögensverteilung durch Schwundgelder beseitigt werden kann.

  2. Wer mit dem Begriff Ökosystemdienstleistungen Ökosysteme oder noch allgemeiner Wildnis und Natur erhalten will, macht einen Fehler, denn Ökosysteme sind über ihre Funktion und die Wechselwirkungen zwischen den Organismen definiert und der Begriff Dienstleistung ist ebenfalls über den unabhängig vom Dienstleister (Person, Firma, “Ökosystem”) erbrachten Dienst defniert. Wer also gemäss der Logik, die hinter dieser Begrifflichkeit steckt, die Dienste eines Ökosystem gleichwertig ersetzt, macht das Ökosystem überflüssig. In der Wikipedia liest man zum Dienstleistungscharakter der Ökosysteme:

    Beispiele für Ökosystemdienstleistungen sind das Bestäuben von Obstblüten durch Insekten, die Bereitstellung von nutzbarem Bewässerungs- und Trinkwasser durch natürliche Filtration von Niederschlag, die Reproduktion von Fischpopulationen als Nahrungsmittel sowie die Bereitstellung von frischer Luft und einer ansprechenden Umwelt für Freizeit, Erholung und ästhetische Erbauung.

    Wer Obstblüten durch RoboBees bestäuben lässt, wer Trinkwasser nicht durch natürliche Filtration sondern durch künstliche Filtration aufbereitet, wer Fische in Aufzuchtbecken anstatt im freien Meer heranwachsen lässt, der würde Ökosysteme überflüssig machen, denn wenn allein ““the benefits people obtain from ecosystems” zählen, dann sind Ökosysteme genau so wichtig wie die “Dienstleistungen”, die sie dem Menschen erbringen.
    Der Begriff “Kulturelle Ökosystemdienstleistung” lässt viele Interpretationen zu und garantiert für sich keinen Erhalt von Ökosystemen.. Beispielsweise sind Wald und Tiere wie Wolf, Rotwild, Bär etc. alle begrifflich und von den Assoziationen her wichtige Elemente unserer Kultur. Doch trotzdem wurden Bären und Wölfe in Europa im 19. Jahrhundert eliminiert. Ein kultureller Verlust sollte man meinen, denn der Bär im Stadtwappen gibt nicht mehr genau den gleichen Sinn, wenn es keine Bären mehr im Wald gibt. Den Schutz eines Ökosystems mit den erbrachten kulturellen Dienstleistungen zu begründen, scheint jedenfalls nicht sehr wirksam.

    Wenn man in der Wikipedia liest “Der Begriff [Ökosystemdienstleistung] ist seit Beginn des Jahrtausends zu einem Schlüsselkonzept an der Schnittstelle von natur- und sozialwissenschaftlicher Umweltforschung geworden.” so muss man befürchten, dass in diesem Jahrtausend ein gleichwertiger technischer Ersatz für die Ökosysteme diese überflüssig macht.
    Hier bemerkt die deutsche Wikipedia richtigerweise:

    Der Begriff der Ökosystemdienstleistung ist definitorisch auf eine anthroporelationale (es sind Menschen, die bewerten) und eine anthropozentrische Perspektive (allein menschliche Interessen zählen) festgelegt. … Wenn von Ökosystemdienstleistungen die Rede ist, werden jedoch ausschließlich Nutzenstiftungen für Menschen thematisiert. Diese Nutzenstiftungen können durch verschiedene Verfahren bewertet werden ( Multikriterien-Analyse, Kosten-Wirksamkeits-Analyse, Kosten-Nutzen-Analyse)

    Mir scheint, im 21. Jahrhundert wird der Mensch so oder so gezwungen sein, Technik und Wirtschaft von den Naturkreisläufen zu entkoppeln, denn diese würden zusammenbrechen, wenn sie für 9 oder mehr Milliarden wohlhabende Menschen genutzt werden müssten. Im Rahmen dieser Entkopplung wird der Mensch seine eigenen urbanen Ökosysteme aufbauen und in diesen technischen interdependenten Systemen wird alles rezykliert werden. Damit wird die Natur und Wildnis zum grossen Teil “nutzlos” – und gerade das könnte die Basis für eine neue Beziehung Mensch/Natur sein.