Gesundheitsrisiken der Gesundheitssorge: Gefahren ionisierender Strahlung

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Gemäß einer neuen Studie aus den USA erhöhen Röntgenaufnahmen beim Zahnarzt das Risiko, an einem Meningiom, dem am häufigsten vorkommenden Hirntumor, zu erkranken. Der Amerikanische Zahnarztverband rät zu einem vorsichtigeren Umgang mit den Diagnoseverfahren.

Vor Kurzem war ich in den Niederlanden das erste Mal beim Zahnarzt. Zugegeben, seit meinem Umzug waren gut zweieinhalb Jahre vergangen, aber durch meinen Arbeitsstress und andere Herausforderungen als Ausländer habe ich diesen Termin immer weiter verschoben. Außerdem hatte ich auch gar keine Zahnbeschwerden. Zum Glück bekam ich vom Zahnarzt am Ende meines Besuchs trotzdem ein Kompliment für die Gesundheit meiner Zähne.

Eine persönliche Erfahrung

Dennoch war dieser Besuch eine besondere Erfahrung: Diese Gemeinschaftspraxis bekam ich von einer Bekannten empfohlen, die hier in Groningen Zahnmedizin (niederländisch, weil es so schön ist: mondgeneeskunde) studiert. Sie meinte, es handle sich dabei um eine der modernsten Praxen in der Region. Schon im Voraus fiel mir neben der in perfektem Englisch sprechenden Telefonistin, die für mich gar nicht mehr nötig gewesen wäre, die Terminvereinbarung per Webformular auf. In der Praxis musste ich mich dann an einem Touchscreen selbst anmelden und wurde ich daraufhin von einem Rezeptionisten namentlich begrüßt.

Ich weiß eigentlich bis heute nicht genau, wer dieser Mensch war. Er ging mit mir sofort in einen Röntgenraum und machte eine Panoramaaufnahme meines Gebisses sowie eine Röntgenaufnahme der Backenzähne. Auf der Informationsseite über den ersten Besuch hatte ich bereits gelesen, dass dies Routine sei. Für den sogenannten „Conebeam CT-Scan“ wurde eine Strahlenbelastung von 37 microSievert angegeben; das entspreche einem Flug von Amsterdam nach New York oder dem Rauchen von vier Zigaretten. Ich hatte eigentlich schon etwas dagegen, dass man bei mir gleich Röntgenaufnahmen machen wollte, bevor mir überhaupt ein Zahnarzt in den Mund geschaut hatte. Schließlich hatte ich noch nicht einmal Zahnbeschwerden. Da ich mir in diesem ganzen Kontext aber ziemlich altmodisch vorkam und mir dieses Vorgehen als normal vorgespiegelt wurde, ließ ich es über mich ergehen.

Tatsächlich wollte der Zahnarzt, den ich ca. eine Viertelstunde später dann endlich kennengelernt habe, auf den Aufnahmen zwar keine Karies erkennen, dafür aber Anzeichen einer absterbenden Wurzel. Interessanterweise fühle ich seitdem an dieser Stelle häufiger eine Art Ziehen und Zwicken, die mir vorher noch nicht aufgefallen war. Der Arzt erzählte auf meine Anfrage, so eine Panoramaaufnahme mache man bei jedem neuen Patienten, um verborgene Probleme zu finden; die Aufnahmen der Backenzähne würden alle zwei Jahre gemacht, da man Karies dort schlecht erkennen könne. Wie zur Beruhigung versicherte er mir aber noch, man treffe dort keine Entscheidungen, ohne den Patienten in den Mund zu schauen.

Als Wissenschaftstheoretiker und jemand, der zudem selbst mit bildgebenden Verfahren der Hirnforschung gearbeitet hat, fand ich dies natürlich hochinteressant: Das Zahnproblem des Patienten konstituiert sich neuerdings also nicht mehr primär in der Erfahrung des Menschen (Zahnschmerzen), nur sekundär in der optischen Inspektion des Munds, sondern vor allem auf der Röntgenabbildung. Dank des Gesprächs mit dem Arzt, mit dem ich am Ende noch darüber Witzchen machte, wer von uns beide nun den wahlweise schlimmeren oder lustigeren Nachnamen habe, hatte ich den Besuch dann übrigens doch noch als positive Erfahrung betrachtet.

Studie weist auf Zusammenhang zwischen Röntgenaufnahmen und Hirntumoren

Eine Studie, die vorgestern im Journal Cancer erschien, gibt dieser Erfahrung nun doch einen negativen Beigeschmack: Forscher von unter anderem der Yale University School of Medicine haben nämlich den Zusammenhang von Röntgenaufnahmen beim Zahnarzt und Meningiomen untersucht. Dieser Tumor entsteht in einer Hirnhautschicht, ist meistens gutartig, kann jedoch auch zu Problemen führen, weil er auf das Gehirn drückt. Laut der Studie stellen Meningiome ca. 33% aller Tumore des Gehirns und zentralen Nervensystems; die Hauptursache dafür sei ionisierende Strahlung und die Hauptquelle dieser Strahlung seien heutzutage vor allem Röntgenaufnahmen bei Zahnärzten.


Beispiel für ein bei einer Röntgenaufnahme mithilfe von Kontrastmittel sichtbar gemachtes Meningiom. Quelle: Hovev, Wikimedia Commons, Public Domain.

Über Krankheitsregister wurden für die Untersuchung letztlich 1433 Patienten, bei denen ein Meningiom festgestellt worden war, in ausführlichen Gesprächen interviewt und mit 1350 darauf abgestimmten Kontrollpersonen verglichen. Das Hauptaugenmerk lag dabei natürlich auf der Häufigkeit verschiedener Röntgenaufnahmen bei Zahnarztbesuchen. Den Ergebnissen zufolge waren insbesondere die Panoramaaufnahmen bei Kindern mit einem höheren Risiko verbunden, an diesem Tumor zu erkranken: Ganze fünfmal so häufig entstand ein Meningiom, wenn jemand im ersten Lebensjahrzehnt eine derartige Untersuchung erhalten hatte. Bei den anderen Altersgruppen war das Risiko dreimal so hoch, wenn man jährlich oder häufiger eine solche Aufnahme erhielt. Andere Untersuchungen wie etwa Bissflügelaufnahmen, bei denen der Patient für kurze Zeit auf einen Röntgenfilm beißt, erhöhten bei jährlicher oder häufigerer Durchführung das Risiko um das 1,5- bis zweifache.

Man sollte jetzt nicht in Panik ausbrechen, wenn man, so wie ich, bereits entsprechende Röntgenaufnahmen hinter sich hat. Ein Problem ist, dass wir die Bedeutung sogenannter relativer Risiken – Aussagen der Form: mit Merkmal M (hier z.B. jährlichen Panoramaaufnahmen) ist Ereignis E (hier: Erkrankung an einem Meningiom) x-mal so häufig als ohne – intuitiv nur schwer begreifen; damit ließe sich hervorragend Missbrauch treiben und wahrscheinlich wird dies in Werbung und Forschungsanträgen wohl auch häufig ausgenutzt. Für die Abschätzung ist ein Vergleich mit den absoluten Risiken in der Bevölkerung hilfreich. Leider werden diese in der vorliegenden Studie nicht berichtet und für das verwendete Design waren sie auch nicht erforderlich. Schließlich beträgt das absolute Risiko in der Zielgruppe per Definition 100%, das in der Kontrollgruppe 0%. Anhand der Interviews wurde dann verglichen, ob sich die Gruppen signifikant anhand bestimmter Merkmale wie eben den Röntgenaufnahmen beim Zahnarzt unterschieden.

Auf der englischen Wikipediaseite über Meningiome wird unter Verweis auf ein epidemiologisches Lehrbuch berichtet, dass bei etwa 23 von 100.000 (ca. 1:4330) Menschen ein derartiger Hirntumor diagnostiziert wird. Diese Zahlen beruhigen also, da selbst ein zwei- bis fünffaches Risiko noch lange nicht heißt, dass man mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit an einem Meningiom erkrankt, wenn bei einem die entsprechenden Aufnahmen gemacht wurden. Dennoch sollten die Studienergebnisse so manchem Zahnarzt zu denken geben und womöglich auch so machen Patienten zur Vorsicht mahnen: Schließlich wurde in dieser Studie nur nach einer einzigen Möglichkeit gesucht, wie die ionisierende Strahlung bei medizinischer Diagnostik negativ wirken kann. Natürlich können sehr viele ärztliche Maßnahmen nicht nur die gewünschten, sondern auch ungewünschte Folgen haben. Schwer wiegt meines Erachtens aber in der Beurteilung, dass diese Form der Diagnostik vermehrt bei asymptomatischen Patienten, das heißt auf reinen Verdacht, angewandt wird.

So berichten die Autoren der Studie, dass die Pro-Kopf-Dosis ionisierender Strahlung in den USA heute verglichen mit den 1980er Jahren um das Sechsfache gestiegen sei. Das dürfte nicht nur mit dem verbesserten Zugang zu Diagnosemethoden, sondern auch mit dem zunehmenden Einsatz bildgebender Verfahren als vorbeugende Maßnahme bei asymptomatischen Patienten einher gehen. In den USA ist es entsprechenden kommerziellen Unternehmen sogar erlaubt, etwa Werbung für Ganzkörper-CT-Scans zu machen, bei denen nach verborgenen Krankheiten gesucht wird. Mit der suggestiven Darstellung von Studienergebnissen lässt sich in der mutmaßlichen Klientel natürlich hervorragend Angst erzeugen – wann hatten Sie eigentlich das letzte Mal Rückenschmerzen, ohne dass sich dafür eine andere Ursache finden ließ?

Gut gemeint ist also nicht immer gut gemacht; auch nicht in der Medizin, vor allem dann, wenn es um die Verwendung ionisierender Strahlung geht, die ohne konkreten Anfangsverdacht geschieht. Gut gemeint ist sicher auch das automatisierte System der Groninger Arztpraxis, das mich jetzt jedes halbe Jahr per E-Mail zum Kontrolltermin einladen wird. Der nächsten Einladung bin ich aber mit einer E-Mail mit einem Verweis auf die Studie zuvor gekommen.

Quelle: Claus, E.B. et al. Dental x-rays and risk of meningioma. Cancer. (Vorabveröffentlichung im Internet) Mein Dank auch für den Hinweis von Florian Rötzer auf Telepolis.

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17 Kommentare

  1. “Das Zahnproblem des Patienten konstituiert sich neuerdings also nicht mehr primär in der Erfahrung des Menschen (Zahnschmerzen), nur sekundär in der optischen Inspektion des Munds, sondern vor allem auf der Röntgenabbildung.”

    Endsieg des Objektivismus.

    P.S. Wenn Ihr Beitrag ganz oben bei Google erscheint, finde ich ihn auch interessant 😉

  2. relatives vs. absolutes Risiko

    Zu diesem (und anderen) Themen hielt vor kurzem Gerd Gigerenzer im UMCG (der Uniklinik in Groningen) einen sehr interessanten Vortrag auf einem Symposium zum Thema “Healthy Ageing”.
    Er brachte als Beispiel den letzten “Pill-Scare” aus Großbritannien: die Regenbogenpresse dort hatte wohl behauptet, dass das Thromboserisiko bei oralen Kontrazeptiva der dritten Generation um 100% ansteige – dies führte anscheinend zu einer Art Panik unter Konsumentinnen dieser Pille, folglich dem Absetzen und einem im Folgejahr messbaren Anstieg in den Abtreibungszahlen. Wie kam diese Zahl zu Stande? Eine Studie hatte ermittelt, dass das absolute Risiko einer Thrombose im Vergleich von der 2. Generation der Pille zur 3. Generation von 1:7000 auf 2:7000 stieg – absolut also 100%. Relativ allerdings keiner Rede wert…womit wir beim Thema der verantwortungsvollen Kommunikation von wissenschaftlichen Themen wären.

    Die Quintessenz seines Vortrages fasste er übrigens in einem sehr schönen Zitat zusammen:

    “Statistisches Denken wird eines Tages für mündige Staatsbürger ebenso wichtig sein, wie die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben.” – H.G. Wells

  3. @X: Objektivismus und Früherkennung

    Sie können sich nicht vorstellen, wie gerne ich jetzt einfach mal ein Buch über dieses Thema schreiben würde. 😉 Ich glaube allerdings, dass man auf Google schon recht spezifisch suchen muss, damit dieser Beitrag auf Platz 1 erscheint.

    Man sollte fairerweise aber dazu sagen, dass es durchaus medizinische Probleme gibt, bei denen es wichtig sein kann, dass man sie schon erkennt, wenn sie noch keine Symptome hervorrufen. Dass meine Zahnwurzel so ein Beispiel ist, bezweifle ich allerdings.

    Gigerenzer und Kollegen (z.B. “How to Confuse with Statistics or: The Use and Misuse of Conditional Probabilities”), auf die hier eben in der Diskussion verwiesen wurde, haben allerdings leider an anderer Stelle gezeigt, dass es auch hier oft zu einem Missverständnis kommen kann:

    Beispielsweise wurde berichtet, dass die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei einem bestimmten Prostatakrebs in den USA 82%, in Großbritannien aber nur 44% betrug – damit wurde im Wahlkampf in den USA für das amerikanische Gesundheitssystem Werbung gemacht. Tatsächlich kann man mit diesen Zahlen aber täuschen, denn nur weil man die Krankheit früher erkennt, heißt das noch lange nicht, dass die Patienten daraus einen Nutzen haben (z.B. länger gesund leben). Das entscheidende Kriterium, so die Autoren, ist dann nicht das Überleben nach fünf Jahren, sondern die Sterblichkeit bei einem bestimmten Alter.

    Wenn in diesem Beispiel also dieser Krebs bei den meisten Männern in den USA im Alter von 60 Jahren, in Großbritannien aber erst symptombedingt im Alter von 67 Jahren diagnostiziert wird, in beiden Ländern die meisten Patienten aber im Alter von 70 Jahren sterben, dann heißt das keinesfalls, dass das amerikanische System überlegen ist. Im Gegenteil könnte man dafür argumentieren, dass man dort ohne Zusatznutzen Geld verschwendet (bsp. aus Helping Doctors and Patients
    Make Sense of Health Statistics
    , S. 56 f.). Ein Maß wie die Fünf-Jahres-Überlebensrate kann also leicht missbraucht werden.

  4. @Martin Wloszczynski: Gigerenzer

    Schade, dass ich das verpasst habe – das Beispiel mit der Pille muss von der Kondomindustrie gesponsert worden sein. 😉

    Im Ernst, Gigerenzer und Kollegen leisten da sehr wichtige Arbeit. Wenn Sie mal an einem Wochenende drohen, vor Langeweile zu sterben, dann lesen Sie eine der im vorherigen Kommentar verlinkten Arbeiten. Für Wissenschaftskommunikatoren sollte das zum Pflichtprogramm gehören. Aber naja, so manche interessante Meldung wird sich dann als eher langweilig entpuppen.

    Deswegen war mir an diesem Exkurs zu relativen und absoluten Risiken gelegen. Diese Information sollte man fairerweise dazu kommunizieren. Wenn dann also wie hier in diesem Beispiel die tatsächliche Häufigkeit von 1:4330 auf 4:4330 steigt, dann ist das erst einmal epidemiologisch relevant. Wenn man sich aber überlegt, wie viele Menschen tatsächlich von diesen Verfahren betroffen sind, kann auch so ein eher kleines absolutes Risiko praktisch relevant sein: Würde man bei jedem Kind in den USA so einen Panorama-Scan durchführen, dann hieße das gemäß den Daten dieser Studie im Laufe der Zeit mehr als Hunderttausend neue Meningiome.

    Das sollte man gegen den möglichen Zusatznutzen balancieren – dafür bräuchten wir dann aber einen Gastkommentar eines vertrauenswürdigen Zahnarztes.

    Ähnliche Gedanken kamen mir aber, als kürzlich meine Bloggerkollegin über die Risiken regelmäßigen Alkoholkonsums in geringen Mengen berichtete (Weltkrebstag: Mit Alkohol Glas für Glas zum Tumor). Da sollte man neben den relativen Risiken (odds ratios) schon auch die absoluten Werte kennen – schließlich berichten Psychologen an anderer Stelle, dass geringe Mengen Alkohols das kreative Denken verbessern können.

    Ich bin mir sicher, dass entsprechende Experimente im Selbstversuch auch von Groninger Studierenden durchgeführt werden. 😉

  5. @ Schleim

    Guten Morgen, Stephan!

    Aus der verlinkten Studie Claus et al.:

    “Controls were more likely to have >16 years of education and to have an annual salary >$75,000.” (p ist in beiden Fällen < 0,01, aus Tabelle 1).

    Wenn ich das recht verstehe – bin kein Statistiker – ist die Assoziation von Meningeom mit Einkommens- und Bildungsstatus mindestens so ausgeprägt wie die mit dem Rundumröntgenbildern. Weniger gebildet und geringeres Einkommen clustert mit erhöhtem Meningiomrisiko.

    Es ist den Autoren der Studie hoch anzurechnen, dass sie das überhaupt explizit machen. Aber es öffnet natürlich Tür und Tor für die übliche Korrelations-/Kausalitätsdebatte, die ich en detail gar nicht lostreten will. En gros ist’s nämlich ein alter Bekannter: “je ungebildeter, desto ärmer und desto kranker”.

  6. Verwunderung

    Mich hat die Studie ja verwundert, weil sie so banal ist. Wir alle wissen, dass Röntgenstrahlung Krebs verursachen kann. Eine Korrelation ist deshalb zu erwarten.

    Wir wissen aber auch, dass das Risiko bei einer Zahnuntersuchung gering ist. Zumindest meine Zahnärztin hier in Schenefeld (SH) hat mich nur bei der ersten Kontrolluntersuchung geröntgt. Bei den weiteren hat sie es bei einer äußeren Überprüfung belassen.

  7. @Helmut: Danke für den Hinweis

    Sie berichten das auch in den Results: “Cases and controls did not differ according to age, race, sex, or geographic location. Controls were more likely to have e16 years of education and to have an annual salary >$75,000.”

    So wie ich das Paper lese, korrigieren sie im Modell für den Unterschied im Bildungsniveau, allerdings nicht für den Unterschied im Einkommen. Meines Erachtens ist es aber kein korrekter Schluss, aus dem signifikanten Unterschied im t-Test darauf zu schließen, wie groß das relative Risiko der Erkrankung wäre (du schriebst: “ist die Assoziation von Meningeom mit Einkommens- und Bildungsstatus mindestens so ausgeprägt wie die mit dem Rundumröntgenbildern”).

    Gute Frage jedenfalls – ich habe der Erstautorin eben eine E-Mail geschickt mit der Frage, warum sie zwar für Bildung, nicht aber für Einkommen korrigieren. Dass das aber den stärksten Effekt, das fünffach erhöhte Meningiomrisiko bei Kindern unter zehn Jahren, die eine Panoramaaufnahme erhielten, wegerklärt, daran hege ich so meine Zweifel.

  8. @Joachim: persönliche Relevanzkriterien

    Dass ionisierende Strahlung Krebs verursachen kann, ist meines Erachtens kein interessanter Befund, sondern eine notwendige Voraussetzung dieser epidemiologischen Studie.

    Die Epidemiologie ist ein Zweig der Medizin, der sich mit allgemeinen Ursachen von Erkrankungen gesamter Populationen beschäftigt, nicht nur in Schenefeld.

    Wenn die durchschnittliche Pro-Kopf-Belastung durch ionisierende Strahlung in den USA seit den 1980er Jahren auf das Sechsfache gestiegen ist, halte ich das durchaus für relevant; wenn dort Untersuchungen beim Zahnarzt inzwischen die größte Quelle für ionisierende Strahlung darstellen, ebenfalls; der Amerikanische Zahnarztverband warnt seit einigen Jahren vor der Strahlenbelastung in Zahnarztpraxen; dass dies inbesondere bei Kindern zu einem zwar nicht dramatischen (siehe Text) aber doch moderaten Anstieg des Risikos, an einem bestimmten Hirntumor zu erkranken, führt, scheint mir bedenklich.

    Odds Ratios von fünf sind übrigens laut der Klassifikation von Kendler (2005) ein “moderater” Risikofaktor, vergleichbar mit dem Zusammenhang zwischen apolipoprotein E-4 und Alzheimer. Damit sind diese Risikofaktoren mehr als dreimal so hoch wie beispielsweise die zwischen bestimmten Genen und psychiatrischen Erkrankungen, die regelmäßig in Science, Nature usw. publiziert werden und so manchen dazu führen, von einer “personalisierten Medizin” zu träumen.

    Natürlich ist aber jeder Mensch in der Festlegung seiner Relevanzkriterien frei.

  9. @Schleim Wissenschaftskommunikation

    Die Artikel sehen sehr interessant aus – danke für den Verweis. Was die Kommunikation von Forschung(sergebnissen) anbelangt, scheint Ben Goldacre zumindest in Albion…lesenswert (leider in letzter Zeit selten aktualisiert) http://www.badscience.net und sehenswert: http://www.ted.com/talks/lang/en/ben_goldacre_battling_bad_science.html

    Und Selbstversuche mit Alkohol gehören ja quasi zur wissenschaftlichen Ausbildung dazu…

  10. Falsch Ausgedrückt

    Sorry, mein Fehler. Was mich erstaunt ist nicht die Studie selber. Die ist wissenschaftlich sicher interessant. Was mich überrascht ist die Reaktion der Tagespresse, die das als Sensation verkauft.

  11. @Joachim: Sensation

    Okay – findest du dann, dass mein Beitrag sich in die sensationsheischende Presse einordnet?

    Die Studie sowie meine eigene Erfahrung für sich allein hätte ich jeweils wohl nicht für blogwürdig gehalten; aber gerade aus der Kombination von beidem schien mir eine interessante Verknüpfung zu entstehen.

    Denn schließlich ist es nicht ohne, einfach mal auf Verdacht diese Aufnahmen zu machen. In der Praxis hier immerhin alle zwei Jahre. Dazu kommt der Aspekt, die Erkrankung vornehmlich über das bildgebende Verfahren zu identifizieren.

  12. Bildung und Einkommen

    Höhere Bildung korreliert vermutlich mit höherem Einkommen, deshalb genügt es möglicherweise, im Modell für Bildung zu korrigieren.

    Ist aber schon interessant, dass die Zufallsauswahl der Kontrollgruppe hier zu einem kleinen Unterschied geführt hat. Die statistische Signifikanz dieses Unterschieds wurde aber sicherlich nicht mittels eines t-Test berechnet.

  13. @Stephan

    Nein, sensationsheischend ist dein Artikel ist. Insofern war es nicht anständig von mir, dir die Kritik zu geben, die Spiegel-Online verdient hätte. Entschuldige.

    Du kannst es wahlweise auch als Kompliment nehmen: Bei Spiegel-Online lese ich selten und kommentiere nie.

    Allerdings hängen Zahnarztbesuch und diese Studie nur schwach zusammen. Als Aufhänger ist es OK, aber zur Abschätzung von Risiko und Nutzen der Röntgenuntersuchung reicht es nicht. Da müsste man die Gesamtwahrscheinlichkeit für alle Krebsarten einschätzen. Das ist sehr schwer.

    Man kann die zahnärztliche Röntenexposition des Kiefers mit natürlicher Radioaktivität vergleichen. Aber dann ignoriert man andere Krebsursachen. Chemische Noxen zum Beispiel, oder Viren.

    Selbst wenn man das Gesamtrisiko hätte. Also x% größere Wahrscheinlichkeit, an irgend einen Krebs zu erkranken, muss man das mit einem gänzlich anderen Nutzen vergleichen: Nämlich y% Wahrscheinlichkeit, einen verborgenen Karies so rechtzeitig zu entdecken, dass einem erheblich Schmerzen erspart bleiben.

    Wie wägt man sowas ab? Das wäre doch mal eine interessante Debatte…

  14. @Balanus: Response Rate

    Ja, vielleicht liegt es aber daran, dass Leute mit höherer Bildung und höherem Einkommen mit größerer Wahrscheinlichkeit an der Studie teilgenommen haben (Zufallsauswahl per Telefonnummern, dann einen Informationsbogen zugeschickt, dann ein ca. fünfzigminütiges Telefoninterview geführt). Idealerweise hätte man in dem Paper kurz darauf eingehen können.

    Wenn der Grund, dass sie nicht für das Einkommen kontrollieren, die Korrelation mit der Bildung ist, hätten Sie dies ebenfalls idealerweise schreiben können. Überhaupt ist die Methodensektion hier sehr kurz gehalten.

    Und auch wenn sie Unterschiede der tatsächlich kategorialen Variablen Bildung und Einkommen mit einem Chi-Quadrat-Test berechnet haben, ändert das nichts an meinem Argument. 😉

    Vielleicht bekomme ich ja bald eine Antwort…

  15. @Helmut, Balanus: Bildung, Einkommen

    Ich habe schon eine Antwort aus Yale bekommen und die Dame schrieb prezies (wenn auch in etwas stenographischem Stil), was der olle Balanus 😉 hier schon vermutet hat:

    Höhere Bildung korreliert vermutlich mit höherem Einkommen, deshalb genügt es möglicherweise, im Modell für Bildung zu korrigieren.

  16. @Joachim: individuelle Abwägung

    Dann mal Danke für das Kompliment! 😉 Den Spiegel Online-Artikel hatte ich vorher gar nicht gesehen. Am ehesten würde ich daran monieren, dass man ohne die Diskussion der absoluten Wahrscheinlichkeit als Leser gar nicht weiß, was die Zahlen nun bedeuten – siehe auch das Beispiel Martin Wloszczynskis mit der doppelten Thrombosegefahr durch die hormonelle Verhütung.

    …aber zur Abschätzung von Risiko und Nutzen der Röntgenuntersuchung reicht es nicht. Da müsste man die Gesamtwahrscheinlichkeit für alle Krebsarten einschätzen. Das ist sehr schwer.

    Den Einwand verstehe ich nicht. Die Studie entspricht einem Fall-Kontroll-Design. Das heißt, man vergleich zwei Gruppen miteinander (hier: Meningiom- und Nicht-Meningiom-Gruppe) und sucht unter Annahme bestimmter Hypothesen (hier: Röntgenbelastung beim Zahnarzt) nach Faktoren, die das Vorhandensein des Merkmals beeinflussen.

    Theoretisch heißt das, dass man für alternative Faktoren, von denen du einige Beispiele aufzählst (andere mögliche Ursachen für die Meningiome), kontrolliert – denn wieso sollten diese in der Kontrollgruppe anders verteilt sein als in der Zielgruppe? Die AutorInnen haben daher in der Studie auch dafür kontrolliert, dass manche Menschen therapeutische Bestrahlung erhalten haben, andere nicht.

    Natürlich kann man nie gänzlich ausschließen, dass es nicht doch noch verborgene Faktoren gibt, die ursächlich für die Meningiome sind und zufällig oder systematisch mit der radioaktiven Belastung beim Zahnarzt einhergehen. Auf die Unterschiede im Bildungsniveau und Gehalt wurde ja schon verwiesen; die sind im Modell aber berücksichtigt (siehe Diskussion).

    … muss man das mit einem gänzlich anderen Nutzen vergleichen: Nämlich y% Wahrscheinlichkeit, einen verborgenen Karies so rechtzeitig zu entdecken, dass einem erheblich Schmerzen erspart bleiben.

    Das stimmt und darüber streiten sich dann ja z.B. Medizinethiker, wenn sie über die Zulässigkeit einer Studie oder Therapie entscheiden. Für eine derartige Kosten-Nutzen-Abwägung gibt es wohl verschiedene Protokolle, die sich bewährt haben; es gibt aber auch große persönliche Unterschiede.

    Beispielsweise dürften manchen Menschen das Risiko von Kariesschmerz stärker gewichten, während ich mir sage, dass das frühere Generationen auch schon durchgehalten haben, und ich deshalb den Nutzen gegenüber dem Risiko der Röntgenstrahlung geringer bewerte. Überhaupt bin ich jemand, der versucht, weitgehend ohne Medikamente auszukommen, wenn es sich vermeiden lässt, während manch andere schon präventiv zu Aspirin & Co. greifen.

    Damit Menschen eine derartige Abwägung für sich selbst oder Dritte treffen können, muss das Wissen über die Risiken aber zunächst einmal vorhanden sein. Daher finde ich es wichtig, über Studienergebnisse wie dieses zu berichten.

  17. Dass Röntgenstrahlen krebserregend sind, wissen wir alle. Normal ist es, oder sollte es natürlich nicht sein, pro forma Röntgenaufnahmen zu machen. In meiner Praxis – und so lernt man es im Studium- werden Röntgenaufnahmen so wenig wie möglich gemacht und nur, wenn es eine eindeutige Indikation oder ein Verdacht auf eine Erkrankung gibt.
    Wie überall gibt es auch bei den Zahnärzten schwarze Schafe, die nur auf Profit aus sind. Die sind aber hoffentlich die Ausnahme.
    Viele Grüße
    Dr. Simone Schieffer, Trier

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