Twitter kann nicht nur Empörung, sondern auch Pluto

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… aber nicht einfacher
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In der Diskussion um Tim Hunt und den Twitter-Mob kam Twitter ja nun weder in den Medien noch in den Kommentaren zu meinem Blogbeitrag besonders gut weg. Wofür Twitter gut ist, kann es aber dieser Tage so richtig zeigen, nämlich beim Pluto-Vorbeiflug der Sonde New Horizons (siehe auch meinen vorigen Beitrag Pluto – A Musical Tribute).

Sicher wird man die meisten Links, Bilder und viele Kommentare auch dann präsentiert bekommen, wenn man hinreichend viele astronomisch begeisterte Facebook-Freunde hat oder in einem Astronomie-Forum mitliest. Aber diejenigen Leser/innen, für die beides nicht zutrifft, haben dann eben immer noch die Möglichkeit, bei Twitter unter dem Hashtag #Plutoflyby mitzulesen.

Auch das Team der Sonde twittert, und zwar unter @NewHorizons2015. Alles, was aktuell ist, viele ausgelassene Kommentare, einige Blicke hinter den Kulissen von den Beteiligten – auch so kann Twitter sein.

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Plutos Mond Charon mit Detailausschnitt. Solche Bilder kommen dieser Tage langsam, ganz langsam zur Erde – langsam aufgrund der sehr niedrigen Datenübertragungsrate, die derart schwache Signale mit sich bringen. Bild: NASA-JHUAPL-SwRI

 

(Aber, obligatorisches-Gegrummel-über-die-herkömmlichen-Medien: Wird evt. mal auf SPON oder so auf diese alternative Möglichkeit hingewiesen? Auf deren Webseite ist Twitter derzeit mit #merkelstreichelt präsent, mit #BoycottGermany und #ThisIsACoup – aber bei der Pluto-Berichterstattung hier, hier oder hier finde ich keine Hinweise auf #Plutoflyby [bei letzterem Artikel allerdings einen Hinweis auf Mike Browns Twitter-Account @plutokiller]. So kann man natürlich auch ein Bild von Twitter als tumber Beschwerde- und Empörungsmaschine zeichnen.)

 

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

9 Kommentare

  1. Virale Hashtags bei Weltraum-Großereignissen bringen m.E. nichts: Das Signal-zu-Rausch-Verhältnis wird schnell infinitesimal. Sinnvoll war es diesmal, den paar Twitter-starken Kolleg(inn)en zu folgen, die vor Ort waren und auch fleißig über all die APL-Events berichteten, die nicht gewebcastet wurden. So konnte man eine geradezu virtuelle Präsenz konstruieren: Ich habe in journalistischen Artikeln danach praktisch nichts gefunden, was die Handvoll Twitter-Stars nicht schon in Echtzeit verbreitet hatten. Ohne Twitter wäre das tatsächlich nicht möglich gewesen.

    • Sicher ist es sinnvoll, denjenigen gezielt zu folgen, die nahe an der Quelle sitzen – das ist ja auch eine Stärke von Twitter. Aber wenn ich jetzt direkt auf #plutoflyby gehe, dann sieht das alles andere als infinitesimal aus. Twitter präsentiert mir da offenbar die beliebtesten (und in diesem Falle durchaus relevanten) Tweets ganz oben, gibt sinnvolle Empfehlungen, wem man für mehr Infos folgen kann, danach wird es in der Tat etwas gemischt, aber immer noch mit ganz ordentlichem Signal zu Rauschen – insbesondere für diejenigen, die einfach mal ‘reinschnuppern.

  2. Nur ganz am Rande notiert:
    Twitter ist genau dann gut, wenn gesellschaftlich benachrichtigt wird, Twitter kann insofern gut als “Push” dienen, nicht als “Pull”.
    IBM und so werben schon mit Tools, die dbzgl. erlauben Märkte zu bearbeiten, der Schreiber dieser Zeilen nimmt an, dass auch bei Nudging-Vorhaben politisch und bundesdeutsch Fachleute herangezogen werden, die dbzgl. Feedbackmessungen beizubringen vermögen.
    Frau Merkel ist ja ohnehin, besondere pol. Prinzipien sind dem Schreiber dieser Zeilen unbekannt, eine Art Empathieschwamm.

    MFG
    Dr. W

    • Verstehe ich nicht. Wenn eine Firma per Twitter ein Produkt bekannt macht, nach dem die Leute dann verlangen und ihre Händler darauf ansprechen, ist das doch eine klassische Pull-Strategie, oder?

      • Ein Benachrichtigungssystem ist dann ein Pusher, wenn Nutzer(systeme) adressiert werden, die die Nachricht sofortig entgegennehmen, der adressierte Nutzer ist dann ein Puller, wenn sein System nicht so eingestellt ist, dass Nachrichten sofortig entgegengenommen werden sondern erst auf folgenden Nutzerwunsch abgeholt werden.

        ‘Twitter kann als Dienst insofern gut als “Push” dienen, nicht [gut – Ergänzung: Dr. Webbaer] als “Pull”, stand weiter oben.’

        Hmm, war’s so klar?!, oder soll’s noch anders handgreiflich gemacht werden?

        • Handgreiflichkeiten sollten wir besser vermeiden; mich hat das Wikipedia-Link verwirrt, wo es um Angebot und Nachfrage von Produkten geht.

          Aber auch mit der klargestellten Beschreibung funktioniert Twitter als Pull gar nicht so schlecht. Wer gezielt nach #plutoflyby sucht, wird schließlich auch fündig.

        • Kleine Korrektur, die (verschachtelten) Anführungszeichen betreffend:
          ‘Twitter kann als Dienst insofern gut als “Push” dienen, nicht [gut – Ergänzung: Dr. Webbaer] als “Pull”‘, stand weiter oben.

          Rein praktisch kann sich dies so vorgestellt werden, dass “im Park” der mögliche Nutzer proaktiv (das Fachwort) vom Pusher angesprochen wird, während er ansonsten zu bewerben wäre, um dann “im Park” seinen Stoff abzuholen, reaktiv (das Fachwort).

          Wichtich war insofern weiter oben das “kann als Dienst insofern gut als Push dienen”, wobei die Systeme auf Seiten der Abnehmer so eingestellt worden sein müssen; wenn Sie bspw. per Skype ferngerufen werden und es gibt Geräusche und so, die signalisieren, dass einer anruft, ist es ein “Pull”.

          Twitter ist seinem Wesen nach ein Push-Medium, klar, wie die Systeme clientseitig eingestellt sind, entscheidet letztlich, ob es “Push” oder “Pull” ischt.

          MFG + GN
          Dr. W (der abär bereit stehen bleibt, es ist nett, dass Sie sich für Twitter und so interessieren)