Wissenschaftskommunikation, Marketing und Journalismus

BLOG: RELATIV EINFACH

… aber nicht einfacher
RELATIV EINFACH

Die Meta-Diskussion über Wissenschaftskommunikation, Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaftsmarketing ist alles andere als neu; ich hatte hier zuletzt unter dem Titel Wissenschaftskommunikation jenseits von PR und Journalismus darüber gebloggt.

Jetzt bin ich über einen Tweet von Volker Stollorz auf den Beitrag A Looming Rift in Science Journalism gestoßen (in Undark, einem elektronischen Magazin des  Knight Science Journalism Program), bei dem insbesondere die Diskussion in den Kommentaren lesenswert ist. In dem Text selbst geht es um die Frage, ob in Zukunft alle Mitglieder der National Association of Science Writers Ämter innerhalb dieser Organisation bekleiden dürfen – also nicht nur, wie jetzt, professionelle Journalisten, sondern in Zukunft dann zum Beispiel auch die Pressesprecher wissenschaftlicher Organisationen.

Und da ist sie wieder, die Frage nach den Rollen des Journalismus und des Marketings in der Wissenschaftskommunikation. Wie eine der dortigen Kommentatorinnen (wenn auch aus anderer Perspektive) sinngemäß schreibt: Interessant zu sehen, dass bestimmte Grundfragen, Definitionsschwierigkeiten und Abgrenzungsfragen in verschiedenen Ländern so ähnlich diskutiert werden.

Leider sind einige der problematischen Behauptungen, über die ich in den entsprechenden deutschsprachigen Debatten wiederholt den Kopf geschüttelt habe, auch dort präsent.

Journalismus: Mehr als nur Wahrheitssuche

Ich denke nach wie vor, dass Journalisten, die Journalismus zu idealistisch definieren, wichtige Aspekte einfach ausblenden. Wenn Volker Stollorz in seinem Kommentar Journalismus als “truth telling story telling, serving the public interest, without a legal foundation” definiert, oder Dan Fagin als “prioritizing the closest possible depiction of reality within the space and time available”, dann scheint mir das zum einen zu viel, zum anderen zu wenig zu sagen. Erstens fehlt der Einfluss des Umfelds auf den/die Journalist/in.

Wer für ein Massenmedium schreibt, muss massenkompatibel schreiben. Damit werden viele Stories aus der Wissenschaft schlicht ausgeblendet, während andere deutlich überrepräsentiert sind. In der Astronomie-Berichterstattung beispielsweise gibt es eine deutliche Schlagseite zugunsten von Exoplaneten, während andere, für die Wissenschaft und für Astronomieinteressierte wichtige Themen mangels passendem Aufhänger ausgeblendet werden. Das ist ja auch nicht ehrenrührig. Journalismus hat ja auch eine Unterhaltungskomponente, und wenn Wissenschaft dort in einem Format à la “Buntes aus aller Welt” landet oder sich häppchenweise in listicles wiederfindet, ist das ja auch nicht unjournalistisch.

Aber wir reden hier durchaus über generelle Eigenschaften, durch die sich journalistische Berichterstattung beispielsweise von Forschungsblogs unterscheiden, und solche differenzierenden Eigenschaften sollten sich in einer passgenauen Definition von Journalismus irgendwie wiederfinden. Eine Definition des Journalismus, die diese Einflüsse vernachlässigt ist ähnlich problematisch wie eine Definition von Wissenschaft, die gesellschaftliche und politische Einflüsse auf den Wissenschaftsbetrieb wegidealisiert.

Die falsche Zweiteilung

Zumindest in einigen der Kommentaren ist sie auch bei jenem Artikel präsent: die falsche Zweiteilung, es ginge im wesentlichen nur um Journalismus einerseits und Wissenschaftsmarketing andererseits. Diese Zuspitzung lässt außer acht, dass zahlreiche Wissenschaftler nicht als Marketing-Repräsentanten ihrer Heimatinstitution direkt mit der Öffentlichkeit kommunizieren, und dass selbst institutionelle Wissenschaftskommunikation – freilich je nach Haus-Stil der Institution – von Marketing bis zu deutlich allgemeinerem Outreach reichen kann.

Dabei werden nicht nur neuere Kommunikationsformen wie Blogs sondern auch durchaus traditionellere Formate wie die von Wissenschaftlern geschriebenen Artikeln in Scientific American oder Spektrum der Wissenschaft oder Sachbücher von Wissenschaftlern ausgeblendet (siehe, wie gesagt, Wissenschaftskommunikation jenseits von PR und Journalismus).

Fazit

Die Debatte über Wissenschaftskommunikation dürfte uns noch eine ganze Weile begleiten. Umso wichtiger, dass wir sie ohne Scheuklappen führen – ohne Beteiligte zu idealisieren und ohne Beteiligte auszublenden.

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Markus Pössel hatte bereits während des Physikstudiums an der Universität Hamburg gemerkt: Die Herausforderung, physikalische Themen so aufzuarbeiten und darzustellen, dass sie auch für Nichtphysiker verständlich werden, war für ihn mindestens ebenso interessant wie die eigentliche Forschungsarbeit. Nach seiner Promotion am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Potsdam blieb er dem Institut als "Outreach scientist" erhalten, war während des Einsteinjahres 2005 an verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt und schuf das Webportal Einstein Online. Ende 2007 wechselte er für ein Jahr zum World Science Festival in New York. Seit Anfang 2009 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, wo er das Haus der Astronomie leitet, ein Zentrum für astronomische Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, seit 2010 zudem Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie und seit 2019 Direktor des am Haus der Astronomie ansässigen Office of Astronomy for Education der Internationalen Astronomischen Union. Jenseits seines "Day jobs" ist Pössel als Wissenschaftsautor sowie wissenschaftsjournalistisch unterwegs: hier auf den SciLogs, als Autor/Koautor mehrerer Bücher und vereinzelter Zeitungsartikel (zuletzt FAZ, Tagesspiegel) sowie mit Beiträgen für die Zeitschrift Sterne und Weltraum.

3 Kommentare

  1. Der Tendenz Ihrer Ausführungen kann ich nur zustimmen. Ich habe mehr als 25 Jahre Wissenschafts-PR für die Ruhr-Uni Bochum betrieben und den Informationsdienst Wissenschaft mit begründet. Meine Leitlinie war immer “der Wahrhaftigkeit” so nah wie möglich zu kommen, und das schon aus Eigennutz, denn natürlich verliere ich als Pressesprecher oder wie man heute sagt, als “Wissenschaftskommunikator”, meine Glaubwürdigkeit, wenn ich mich nicht an die mir zur Verfügung stehende Wahrhaftigkeit halte. Und wenn man diese verliert, ist man im Job nicht mehr zu halten!
    Das Problem der Diskussion hat viele Schichten, hier möchte ich nur wenige ansprechen:
    – Was ist die “Wahrheit” – das ist eine alte philosophische Diskussion, die weder die Wissenschaftler noch die Wissenschaftsjournalisten noch die Wissenschaftskommunikatoren befriedigend beantworten können – und auch die Philosophen finden viele Aspekte von Wahrheit und Wahrhaftigkeit. Dabei will ich gar nicht auf die “Schulen” zu sprechen kommen, ob Popper und seine Kontrahenten Lakatos oder Kuhn, Positivismusstreit, ob Phänomenologie, Hermeneutik, Skepsis etc. Aber wenn man darauf das Thema zurückführt, sind wir im Unwissen “vereint”. Es gibt den schönen Spruch Schopenhauers,”Welche Fackel wir auch anzünden und welchen Raum sie auch beleuchten kann, stets wird unser Horizont von tiefer Nacht umgrenzt bleiben”. Also, wir wissen es nicht, wir bauen Modelle der “Wahrheit”.
    – Von Wissenschaftlern fordert man, dass sie ihre “Interessenkonflikte” in ihren Papers offenlegen, etwa, wer sie finanziert hat etc. Wie kommt es, dass man das nicht von Journalisten erwartet, dass sie das Gleiche tun? Es ist heute aufgrund der wirtschaftlichen Situation – bedauerlicherweise – so, dass viele Wissenschaftsjournalisten Aufträge von Unis/Instituten bekommen, und für deren Blätter Beiträge schreiben. Das ist ein weitgehend offenes Geheimnis. Spricht man Journalisten darauf an, dann sagen die meisten sinngemäß, “ja, das tue ich, aber ich weiss zu trennen, wenn ich als Wissenschafts-PRler unterwegs bin und wenn ich als Journalist unter meinem Namen veröffentliche”. Da mag stimmen, aber glauben muss man es auch … Hier wäre eine Offenlegung eventuell von Vorteil.
    – Schließlich das bekannte Problem der politisch hochbrisanten Themen, die Meinungen erfordern und herausfordern, wo also das Thema bereits Meinung ist. Ich denke da an Umweltverschmutzung, Energie, aber auch Pharma, Medizin, etc. Wie häufig hat man beim Lesen eines Beitrags die Frage auf der Zunge, ob hier der Journalist “von selbst wahrhaftig” ist, oder ob der im Namen einer “fremdgesteuerten Wahrheit” unterwegs ist, sei es die einer politischen Gruppierung (Greenpeace, Grüne, Energieindustrie, etc) oder einer Wirtschaftsindustrie. Hängt das auch nicht zuletzt von der Ausrichtung des Blatts/Mediums ab? Oder ist das eventuell dem Strukturwandel im Journalismus geschuldet, wo man kaum noch die Trennung von Darstellung und Meinung findet, weil alles “gefeatured” werden muss oder weil “story telling” der Trend ist?
    – Zu guter Letzt: Genau wie ich als Wissenschaft-PRler/Pressesprecher nicht gegen meine Institution “stänkern” werde, wird auch der Journalist nicht sein eigenes Medium schlecht machen, nur dass die PR-ler im Auftrag und über ihre Institution schreiben/sprechen, der Journalist nicht (struktureller Unterschied). Da gilt verständlicherweise der alte Spruch “Wes Brot ich ess, des Lied ich sing”. Ich weiß, dass viele Journalisten “Überzeugungstäter” sind, aber auch dieses Wort besteht zum Teil aus “Überzeugung” – ob diese immer der “Wahrhaftigkeit” verpflichtet ist, bliebt zu diskutieren.

    Conclusio: Für mich waren und sind Journalisten “Partner” und nicht “Gegner”. So habe ich meinen Job verstanden und versteh ihn noch so. Ich habe mich selbst aber nie als Wissenschaftsjournalisten begriffen, sondern nur als einen, der diesen hilft, ihre Informationen zu bekommen. Und darauf kommt es meiner Ansicht an: Dass jeder sich seiner eigenen Rolle bewusst ist und das beste daraus macht.
    Viele Grüße
    Josef König

  2. Wer für ein Massenmedium schreibt, muss massenkompatibel schreiben.

    Zur Bedeutung dieser Aussage, der sich gerne angeschlossen wird: ‘Kompatibel’ meint ‘mitleidend’, d.h. ein Journalist muss Nachricht transportieren, medial, die den Leser mitnimmt, in concreto: sein Interesse berührt oder weckt.
    Der Journalismus meint das Tagesschreibertum, der Ursprung findet sich in der Antike und zwar in der Acta diurna, der Journalist schreibt insofern keine Bücher, sondern ist als Beitragender in Periodika unterwegs, die publiziert werden.
    Diese Sache mit ‘truth telling story telling’ ist problematisch, denn es gibt keine Wahrheit in der Naturlehre, sondern es gibt nur Sichten, die gerne evidenzbasiert und empirisch adäquat sein dürfen.
    Natürlich erfolgt dieses Tagesschreibertum nicht ohne Motivationsimperativ, Tagesschreiber sind in der Wirtschaft angestellte, wenn es nicht sogenannte WebLogger sind, die auf eigene Rechnung publizieren, und in der Wirtschaft Angestellten darf unterstellt werden, dass sie Bericht und Kommentar besonderem Interesse folgend öffentlich bereit stellen.
    Was der Schreiber dieser Zeilen auch ausdrücklich begrüßt, was abär nicht geht ist:
    Dass (oft: angestellte) Tagesschreiber Bericht und Nachricht mischen.

    Besonderen Interessen folgende Tagesschreiber sollen gerne Sachen und Verhalte bearbeiten, die ihrem Interesse oder dem Interesse ihres Auftraggebers geschuldet sind.
    Dies macht die Richtung eines Mediums aus, also, dass auf bestimmte Ereignisse Wert gelegt wird, diese besonders betont werden, abär eben nicht die oben beschriebene Mischung.

    MFG
    Dr. Webbaer (der hier sehr zufrieden ist, bei “Relativ Einfach”, und bemerkt, dass Sacharbeit geleistet wird, teilweise auch: sehr zäh – wobei, nunja, bei diesem feministischen Quatsch, Schwamm drüber! – nicht jeder ist jederzeit in Bestform)