Homo Ludens: Du bist am Zug!

BLOG: Die Sankore Schriften

Die Welt ist voller Rätsel
Die Sankore Schriften

Ein Triell hat anders als das Duell drei statt zwei Beteiligte. In John von Neumanns Gedankenexperiment beschließen Herr Mirzam, Herr Wezen und Herr Adhara, ihren Streit durch ein Pistolentriell zu beenden, bei dem am Ende nur einer Überleben wird. Kompliziert wird die Sache dadurch, dass die Herren nicht gleich gute Schützen sind. Herr Mirzam ist der schlechteste Schütze, denn er trifft sein Zeil durchschnittlich nur einmal in drei Versuchen (33%). Herr Wezen schießt schon besser, bei drei Versuchen trifft er zweimal (66%). Herr Adhara ist der beste Schütze, er trifft immer (100%).

Die Dreiersequenz und das Zugrecht in von Neumanns Triell

Um das Triell fairer zu gestalten, darf Herr Mirzam als Erster schießen, danach Herr Wezen (wenn er noch lebt), dann Herr Adhara (wenn er noch lebt). Schließlich beginnt das Ganze von vorne, bis nur noch einer von ihnen am Leben ist. Die Frage lautet nun: Auf wen sollte Herr Mirzam beim ersten Mal schießen?

Es klingt paradox aber die beste Option für Herrn Mirzam ist, auf niemanden der anderen Herren zu schießen, sondern einfach in die Luft zu ballern.

Warum?

Angenommen Herr Mirzam schießt erfolgreich auf Herrn Wezen. Dann ist als nächster Herr Adhara dran mit einzigem Ziel Herrn Mirzam sowie einem sicheren Treffer. Bad Idea!

Angenommen Herr Mirzam schießt erfolgreich auf Herrn Adhara. Dann ist als nächster Herr Wezen dran mit einzigem Ziel Herrn Mirzam sowie einer Trefferwahrscheinlichkeit von 2/3. Auch nicht so gut.

Angenommen Herr Mirzam schießt in die Luft.

Dann ist als nächster Herr Wezen dran mit dem Ziel Herr Adhara, da von ihm die größte Gefahr ausgeht. Falls Herr Wezen trifft, dann ist Herr Mirzam wieder dran.

Verfehlt Herr Wezen sein Ziel so ist Herr Adhara dran, macht Herrn Wezen als größere Bedrohung aus und erschießt ihn. Danach ist Herr Mirzam wieder dran.
Durch den Schuss in die Luft hat Herr Mirzam aus dem Triell ein Duell gemacht mit einer besseren Ausgangssituation, da er jetzt den ersten Schuss hat.

Das Dreiecksmanöver und die Zugpflicht im Schach

Als Schachfreund fällt einem sofort eine Ähnlichkeit und eine Gegensätzlichkeit zwischen von Neumanns Triell und dem sogenannten Dreiecksmanöver im Schach auf, welches wir dort vorwiegend in Bauernendspielen finden.

Dort gibt es Stellungen, in denen es günstig ist, ein Tempo zu verlieren. Das bedeutet, der am Zug befindliche Spieler führt wieder die gleiche Stellung herbei, jedoch so, dass der Gegner am Zug ist. Das ist dann sinnvoll, wenn der Gegner dadurch in Zugzwang gerät und deshalb beispielsweise die in einem Bauerendspiel oft wichtige Opposition der Könige aufgeben muss.

Beim Dreiecksmanöver führt typischerweise der König der stärkeren Partei drei Züge aus, um wieder auf sein Ausgangsfeld zurückzukehren – sein Weg beschreibt also ein Dreieck. Währenddessen erreicht der gegnerische König aufgrund bestimmter Umstände der Stellung das Ausgangsfeld bereits nach zwei Zügen, womit seine Partei dann am Zug ist.

Hier ein Beispiel:

alt

Bauernendspiel: Schwarz hat die Opposition, Weiß ist am Zug

1. Kd4 Kc6 (nach 1… Ke6, Ke7 oder Ke8 gewinnt 2. c6)

2. Kc4 Kd7

3. Kd5 Nun ist die Ausgangsstellung wieder erreicht, aber diesmal mit Schwarz am Zug.  3. … Kc8

4. Kd6 Kd8 (4.c6? Kb8! ist remis)

5. Ke6 Kc8

6. Ke7 Kb8

7. Kd7 Ka8

8. c6 bxc6

9. Kc7 c5

10. b7+ und Matt in zwei Zügen

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Veröffentlicht von

Joe Dramiga ist Neurogenetiker und hat Biologie an der Universität Köln und am King’s College London studiert. In seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Genexpression in einem Mausmodell für die Frontotemporale Demenz. Die Frontotemporale Demenz ist eine Erkrankung des Gehirns, die sowohl Ähnlichkeit mit Alzheimer als auch mit Parkinson hat. Kontakt: jdramiga [at] googlemail [dot] com

8 Kommentare

  1. Lebenserwartung

    So ist die Lebenserwartung des schwächsten Schützen “bei bestem Spiel”:

    wenn der mittlere Schütze den besten killt:
    (2 / 3) * (1 / 3) + (1 / 3) * (1 / 3) + (1 / 9) * (1 / 3) …

    = 2/9 + 1/9 + 1/27 + 1/81 + 1/243 … = ca. 38%

    wenn der mittlere Schütze nicht trifft:

    ca. 33,3%

    Insgesamt ist er also ca. 36,4% Favorit.

    Bei bestem oder rationalen Spiel der anderen Teilnehmer, ansonsten ist er vielleicht mausetot (0%).

    Womit wir beim Übertrag auf zurzeit vielleicht anstehende Konfliktlösungen wären. Es ist in realitas immer auch das Präferenzmodell der Teilnehmer zu begutachten, auch deren Ratio oder Wahnsinn.

    Der schwächste Schütze kann durch Beschuss des stärksten Schützen in diesem Spiel eine Minimalüberlebenschance sicherstellen (die vielleicht bei 12% liegt, das wurde nicht nachgerechnet).

    MFG
    Dr. Webbaer

  2. Ergänzend

    … die Rechnung war lausig und trifft skizzenhaft den Punkt.

    Es ging dem Schreiber dieser Zeilen aber mehr um die Präferenzbetrachtung. Diese Präferenzen waren im Artikel unzureichend beschrieben. Klar wird das sofort, wenn wir uns erkenntnisfreie oder gar wahnsinnige Gegner vorstellen. Darum sollte es primär gehen.

    Dem Gleichnis zur Schachaufgabe kann auch nicht so recht gefolgt werden. Sicherlich ist das Abwarten (es ist streng genommen kein Abwarten, sondern Handeln, bei der Schachaufgabe wird das deutlich) oft eine gute Strategie, sofern die anderen rational handeln und den antizipierten Präferenzlagen folgen.

    MFG
    Wb

  3. @DrWebbaer

    Die Präferenzen der Teilnehmer sind nicht relevant, da bei diesen Spielen das Ziel vorgegeben ist: beim Triell zu Überleben beim Schach den König des Gegners matt zu setzen. Es geht hier nicht um einfaches Abwarten, sondern um eine Strategie in eine bessere Situation zu gelangen.

    *Gemeinsamkeiten*

    Beide Spiele kann man durch eine Folge von Zügen charakterisieren.

    Bei beiden Spielen bringt der am Zug befindliche Spieler den Gegner in Zugzwang.

    Der Zugzwang ist in beiden Spielen systembedingt, beim Triell dadurch dass Herr Adhara immer trifft und es zwei Gegner gibt beim Schach dadurch dass der schwarze König nur zwei Felder zur Verfügung hat um um die Opposition zu kämpfen.

    Bei beiden Spielen spielt die Drei eine Rolle.

    Bei beiden Spielen verliert der der tot ist bzw. dessen König matt ist.

    *Unterschiede*

    Beim Triell wird die Situation dadurch besser, dass man nur noch einen Gegner hat und am Zug ist. Beim Schach wird die Situation dadurch besser, dass man nicht am Zug ist.

    Beim Triell betrachten wir das Spiel aus der Sicht des schwächsten Teilnehmers, Herr Mirzam.

    Beim Schach betrachten wir das Spiel aus der Sicht der stärkeren Seite, hier Weiß.

  4. kleine Ergänzung noch zum Schachproblem

    Auf 1…Kd8 oder 1…Kc8 folgt mit 2. Ke5 Kd7 3. Kd5 ein zweites vergleichbares sogenanntes Dreiecksmanöver mit dem Ziel die Zugpflicht abzugeben.

    Andere erste Züge des Schwarzen kommen nicht in Betracht wegen des sofortigen Durchbruchs 2.c6

    Ansonsten, Schach, Sie selbst sind ja ein ausgezeichneter Spieler während sich andere die Regelmengen erst noch einmal vergegenwärtigen müssen, ist ein nettes Spiel. War sicherlich auch der Zivilisationsbildung förderlich.

    Ein hübsches minimalistisches Problem ist auch die Gewinnführung in dieser Position (W: Kc2, Bb2 – S: Ba4, Kf6), einzige Lösung 1.Kc2-b1 a4-a3 2. b2-b3

    MFG
    Dr. Webbaer

  5. Nullsummenspiel

    @DrWebbaer Noch eine weitere Gemeinsamkeit: Das entstehende Duell und Schach sind beides Nullsummenspiele. Ich bin von einem guten Schachspieler noch weit entfernt – das beschriebene Dreiecksmanöver gehört sozusagen zur Grundausbildung der “Endspielschule”. Das von Ihnen beschriebene Bauernendspiel ist jedenfalls deutlich schwieriger zu lösen als das in meinem Artikel und sieht wegen der wenigen Steine einfacher aus als es ist. Vor allem bei verkürzter Bedenkzeit wie sie z.B. beim Blitzschach (5 Min)üblich ist, würde ich bestimmt fehlgreifen.

  6. Nullsummenspiel und Ergänzung

    Klar, politisch lässt sich aus Nullsummenspielen nur bedingt etwas ableiten.

    BTW, diese bekloppte (und gerade geprüfte) “einfache” Aufgabe ist heute zK genommen worden:
    http://www.chesscafe.com/…Cafe_Endgame_Study.asp (bekloppte Idee: den weißen König nach a8 (!!) zu bringen)

    LG
    Dr. Webbaer

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