Glückliche Kühe und die Landwirtschaft 2050

BLOG: Vom Hai gebissen

Notizen aus dem Haifischbecken
Vom Hai gebissen

Glückliche Kühe geben mehr Milch – zuerst dachte ich an einen Witz des Bauern. Bei näherer Betrachtung des Stalls merkte ich dann aber, dass es dem Bauern damit sehr ernst war. Außerdem habe ich mal wieder ein wenig Wissen verteilt. Landwirtschaft 2050 – vermutlich werden dann 9 Milliarden Menschen auf diesem Planeten leben, die alle essen möchten – manche auch Fleisch. Wo gibt es noch Flächenpotential? Alles in diesem Artikel.

Kürzlich habe ich einen Milchvieh-Betrieb besucht und einige Überraschungen erlebt – also nicht direkt, aber gerade in der Tierhaltung bekommt man im Fernsehen ja so einiges zu sehen, was nicht besonders erfreulich ist. Das Gegenteil, also wie es eigentlich sein sollte, findet dabei eher weniger Beachtung. Klar, interessiert schließlich auch niemanden. Fast niemanden. Mich schon. Und sicher auch einige meiner Leser. Die erste Überraschung war der Geruch nach Kühen und Heu. Das war sehr angenehm, verglichen mit der Nasal-Folter in öffentlichen Verkehrsmitteln bei sommerlichen Temperaturen. Die Kühe konnten sich im Stall frei bewegen und sich zu jeder Zeit frei entscheiden, ob sie nun lieber draußen auf der Weide grasen oder doch lieber im Schatten des Stalls verweilen. Und wo waren alle Kühe während meines Besuchs an einem warmen Sommertag? Natürlich, keine Kuh ist so bekloppt und geht bei solchen Temperaturen freiwillig in die Sonne. Was natürlich auch praktisch war, so konnte ich sie mir alle mal von Gesicht zu Gesicht anschauen. Das war schon ziemlich beeindruckend – sooo viele Kühe, die gar nicht lila waren…

Ebenfalls sehr interessant waren spezielle große Liegeplätze, ausgelegt mit Gummi-Matten. Dort konnten sich ruhe-bedürftige Kühe ausruhen. Und für den Fall, dass es mal juckt, gab es sensor-geteuerte Bürsten, die auch gerne genutzt wurden. Bei Milchkühen ist eine gute Wasserversorgung besonders wichtig, da sie ungefähr 80 Liter Wasser pro Tag benötigen. Und genau das irritierte mich. Ich sah kein Wasser. Nirgendwo. Bis eine Kuh einen Knopf in einer kleinen gelben Schale drückte und das Wasser heraussprudelte. Gut zu wissen, ich wäre da wohl verdurstet…Und auch ein Bauer kommt heutzutage ohne Computer keinen Meter weit. Zumindest bekommt er so keine Kuh gemolken. Die hatten nämlich alle ein Halsband um den Hals, das alle relevanten Informationen über die jeweilige Kuh enthielt: z.B. darüber, wieviel Kraftfutter die jeweilige Kuh benötigt. Eine exakte Abstimmung ist äußerst wichtig. Nimmt eine Kuh zuviel auf, kann es zu einer Azidose kommen. Ebenso wichtig ist die Computer-Technik beim Melken, lässt sich mithilfe der Daten doch recht schnell ausmachen, ob eine Kuh an einer Euterentzündung leidet und welche das ist. Insgesamt kann man also durchaus sagen, dass die ca. 100 Kühe durchaus glücklich waren. Und geht es den Kühen gut, freut das den Bauern – eigentlich recht einfach.

Und jetzt fällt mir gerade auf, dass ich nur von den Kühen gesprochen habe – genauer handelte es sich um Holstein-Frisian-Kühe, die wohl etablierteste Rasse bei den Hochleistungsmilchkühen mit einer recht konstanten Milchleistung von bis zu 10.000 Litern pro Laktation – grob gesagt pro Jahr, eine jährliche Trächtigkeit natürlich vorrausgesetzt. Für den Erfolg ist der Tierarzt zuständig, der mithilfe künstlicher Befruchtung den Bullen mimt. Das ist zwar keineswegs romantisch, aber durchaus effektiv. 

Und das Wort effektiv bringt mich zu dem Gast-Artikel, den ich für den Bauernblog geschrieben habe. Sollten sich 2050 tatsächlich die prognostizierten 9 Milliarden Menschen auf unserem Planeten tummeln, geht das nur über die Erschließung neuer Flächen und eine bessere Nutzung der Ressourcen. Das klingt erstmal ziemlich abstrakt, bedeutet letztlich aber nichts anderes als das Suchen nach neuen Agrarflächen und die Weiterentwicklung vorhandener Nutztierrassen. Nur woher nehmen diese Flächen? Nach Meinung  der Food and Agriculture Organization of the United Nations ist das alles kein Problem. Es gebe noch genügend Flächen in Afrika und Süd-Amerika, die bewirtschaftet werden können ohne Städte oder Naturschutzgebiete bzw. Reservate beeinflussen zu müssen. Man brauche eben dürre-tolerante Pflanzen, sei es nun auf dem konventionellen Weg oder mithilfe der Gentechnik. Bei Nutztieren müsste die Nutzungsdauer verlängert werden und die Verluste durch Haltung oder schlechtes Futter noch weiter minimiert werden. Sicherlich richtig. Ein Problem gibt es allerdings: längst nicht alle Tiere leben in Reservaten, auch außerhalb gibt es noch Tiere. Und für die teilweise ohnehin schon bedrohten Tiere wie Nashörner wird es dann besonders eng.

Und wer mir jetzt einen Nashorn-Knall unterstellt, hat damit wohl gar nicht mal so unrecht… 

Veröffentlicht von

Wissenschafts- und Agrarblogger seit 2009 – eher zufällig, denn als „Stadtkind“ habe ich zur Landwirtschaft keine direkten Berührungspunkte. Erste Artikel über Temple Grandin und ihre Forschungen zum Thema Tierwohl wurden im Blog dann allerdings meiner überwiegend ebenfalls nicht landwirtschaftlichen Leserschaft derart positiv aufgenommen, dass der Entschluss zu einer stärkeren Beschäftigung mit der Landwirtschaft gefallen war. Auch spätere Besuche bei Wiesenhof und darauf folgende Artikel konnten die Stimmung nicht trüben. Seit 2015 schreibe ich auch gelegentlich für das DLG-Blog agrarblogger.de, teile meine Erfahrung in der Kommunikation als Referent und trage nebenbei fleißig weitere Literatur zum Thema Tierwohl zusammen. Auf Twitter bin ich unter twitter.com/roterhai unterwegs.

9 Kommentare

  1. Kommentar von Moritz per Facebook

    Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ist es nicht so, dass große Flächen in Afrika schon zur Fleischproduktion genutzt werden, das meiste Fle…isch davon aber hier bei uns in Europa landet?

    Vor kurzem habe ich auf 3Sat wieder eine Reportage über die Massentierhaltung in Deutschland gesehen. Kaum neue Informationen für mich – im Gegensatz zu vielen weiß ich bereits seit langem, das 99% der Deutschen Schweine nie Geburtstag feiern und dass Hühner auf Plätzen leben, die kleiner sind als sie selbst -, aber trotzdem ist das immer wieder schockierend.

    Und zu den 9 Milliarden Menschen: Nein, es geht auch anders. Heute haben wir eine Überproduktion beim Fleisch, trotzdem kriegen Menschen in ärmeren Regionen kaum davon ab. 2050 wird die Produktion vllt. nicht mehr reichen, dann kriegen gewisse Menschen eben gar nichts mehr und essen Reis o.ä.. Nicht gerade wünschenswert, in meinen Augen aber sehr wahrscheinlich.

  2. Geht auch anders

    @ Moritz: Zu Deiner ersten Frage:

    So weit ich weiß ist das eher umgekehrt. Geflügel zum Beispiel wird hier gemästet und geschlachtet, genutzt werden allerdings nur die Brüste, weil diese am wenigsten Fett haben. Der Rest wird tiefgefroren nach Afrika geschickt, wo diese Ware die lokalen Fleischer ruinieren.

    Zweiter Punkt:
    Natürlich ist Massentierhaltung rein effektiv organisiert. Dass es aber eben auch anders geht ohne gleich Öko oder sonstwie alternativ zu sein, das wollte ich hier beschreiben (Abgesehen, dass 100 Tiere nicht gerade eine unüberschaubare Masse sind^^)

    Dritter Punkt:
    Wie sich das entwickelt – auch im Hinblick auf Tierhaltung – das werde ich hier beobachten…

  3. Landwirtschaft 2050 und Wasser

    Ein interessanter Artikel. Ich hoffe die Food and Agriculture Organization of the United Nations, weiß wie sie die landwirtschaftlichen Nutzflächen bewässern will.

    Eine Kuh trinkt nicht nur viel Wasser, sondern frisst auch viel Gras, das zum Wachsen viel Wasser braucht. So erklärt sich, dass für die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch etwa 15 000 bis 22 000 Liter Wasser erforderlich sind.

    Mehr dazu in meinem Blogbeitrag “Hilfe! Deutschland ertrinkt im virtuellen Wasser”

    http://www.wissenslogs.de/…-im-virtuellen-wasser

  4. Glücksmilch

    Bringen die glücklichen Küche denn mehr Milch oder bessere Milch?

    Ansonsten erfreut es mich, daß da jemand die Landwirtschaft auch anders betreibt und die Tiere nicht so leiden müssen wie sonst.

  5. Gene sind nicht alles…

    @ Martin:

    In erster Linie bringen sie mehr Milch. Das sind zwar spezielle Milchrinder, denen die hohe Milchprodunktion sozusagen in den Genen liegt, aber alles können die eben auch nicht regeln.
    Die Milchzusammensetzung hängt natürlich auch sehr von der Fütterung ab.

    Zitat: “Ansonsten erfreut es mich, daß da jemand die Landwirtschaft auch anders betreibt und die Tiere nicht so leiden müssen wie sonst.”

    Ich habe zwar keine Datenbeweise, denke aber schon, dass sich das “wie sonst” eher auf die schwarzen Schafe bezieht und der von mir besuchte Betrieb eher der Normalfall ist.

  6. für alle die sich für die fleisch-für-die-ganze menschheit-problematik interessieren.
    http://www.ted.com/…cke_why_not_eat_insects.html
    insekten sehen da schon ziemlich attraktiv aus, gegenüber kühen…

  7. @Anton Maier: Exotisch für alle

    Da wird wohl tatsächlich so einiges auf uns zu kommen – also rein ernährungstechnisch. Da wird das Dschungelcamp dann zum kulinarischen Tempel…

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