Wissenschaftskommunikation unter sozialmedialen Bedingungen (Teil 1)

Jan-Hinrik Schmidt

Dann wollen wir also mal! Nach dem Eröffnungsbeitrag der drei Projektleiter zur Verortung dieses Blogs, und insbesondere nach dem lebhaften Feedback darauf freue ich mich, in den kommenden Tagen einige Thesen und Gedanken aus meiner Expertise näher vorzustellen und zu diskutieren.

Ich muss dazu vorausschicken, dass ich mir die Freiheit genommen hatte, das weite Thema “Gateekeeping: Qualitäts- und Vertrauenssicherung für Berichterstattung über Wissenschaft im Zeitalter der digitalen Medien” für meine Expertise etwas einzuschränken bzw. zuzuspitzen, und zwar zu “Soziale Medien als Intermediäre in der Wissenschaftskommunikation”. Das soll nicht ausschließen, dass wir hier in der Diskussion den Blick weiten; in meinen Beiträgen werde ich aber immer wieder von dieser Fokussierung ausgehen.

Die Ausgangslage

Die Diagnose mag in einem „Science Blog“ möglicherweise nicht sonderlich überraschen: Das Internet im Allgemeinen und die sozialen Medien im Speziellen verändern die interne und externe Wissenschaftskommunikation. Etwas genauer: Die Hürden für das Bereitstellen, Bearbeiten und Auffinden von Inhalten aller Art sinken, wovon Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler profitieren können, wenn sie zum Beispiel Ergebnisse der eigenen Arbeit anderen zugänglich machen oder sich einen Überblick über Aktivitäten und Entwicklungen im eigenen Feld verschaffen wollen. Aber auch für interessierte Laien kann es im Internet leichter fallen, sich über unterschiedliche Kanäle über den wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einem Thema zu informieren oder vielleicht sogar, Stichwort „Citizen Science“, selbst aktiv zum Wissensfortschritt beizutragen.

Es gibt verschiedene, unterschiedlich weit reichende Analysen und Prognosen, was dieser Wandel für die Wissenschaft(skommunikation) bedeutet, darunter z.B. die These von der „Mediatisierung der Wissenschaftskommunikation“ (C. Lüthje) oder der „Cyberscience 2.0“ (M. Nentwich und R. König). Mir ging es nicht darum, die Gültigkeit solcher Großdiagnosen zu prüfen oder en détail herauszuarbeiten, welche individuellen oder strukturellen Barrieren existieren, die sozialen Medien umstandslos in die Repertoires der Wissenschaftskommunikation aufzunehmen. Ich habe mich stattdessen der deutlich kleineren (aber immer noch umfassenden :-)) Frage gewidmet, einen Teilbereich dieses Wandels zu erschließen: Welche Auswirkungen haben die sozialen Medien auf die Selektion, Aufbereitung und Verbreitung von wissenschaftlichem Wissen?

Die Expertise gibt eine Antwort mit Hilfe von drei verschiedenen, aber aufeinander aufbauenden Perspektiven; die dritte davon (die soziale Medien als Intermediäre begreift), werde ich in den nächsten Blogbeiträgen noch ausführlicher ansprechen. Heute will ich etwas zu den ersten beiden, nämlich der gattungs- und der arenabezogenen Perspektive schreiben.

Gattungen sozialer Medien und Arenen der Online-Öffentlichkeit

Zunächst hilft es sich noch einmal vor Augen zu führen, dass „soziale Medien“ ein Sammelbegriff für verschiedene Gattungen der Online-Kommunikation ist. Darunter fallen Netzwerkplattformen wie Facebook, aber auch ResearchGate, Academia oder Mendeley; UGC-Plattformen wie YouTube oder Slideshare; Werkzeuge des Personal Publishing, zu denen ich Blogs zähle, aber auch den Microblogging-Dienst Twitter; und schließlich Wikis mit der Wikipedia als prominentestem (aber bei weitem nicht einzigem) Vertreter.

Ein meiner Ansicht nach entscheidender Punkt – und wenn man so will: meine erste These in dieser Reihe von Blogeinträgen – ist der folgende: Welche Auswirkungen soziale Medien in der Wissenschaftskommunikation haben, hängt nicht von der Gattung ab, sondern von deren Einbettung in die unterschiedlichen Arenen der Online-Öffentlichkeit. Anders gesagt: Die Frage, ob Blogs, Twitter oder YouTube die Wissenschaftskommunikation revolutionieren, ist falsch gestellt. Besser wäre zu fragen: Welche Rolle spielen sie in unterschiedlichen Arenen der Wissenschaftskommunikation? 

Was meine ich mit „Arena“ in diesem Zusammenhang? Eine relativ stabile Konstellation von Kommunikator- und Publikumsrollen, sowie von arenaspezifischen Regeln für die Auswahl und Präsentation von Informationen. Diese Definition wird vermutlich anschaulicher, wenn wir uns diejenigen vier Arenen näher ansehen, die ich für besonders relevant halte.

Zwei alte Arenen erweitern sich…

Die ersten beiden Arenen gab es auch vor dem Internet: Die Expertenarena und die massenmediale Arena. Erstere umfasst die verschiedenen Öffentlichkeiten der wissenschaftsinternen Kommunikation (d.h. vor allem Journale und Konferenzen), in denen die Zutrittshürden vergleichsweise hoch sind und in der Regel eine langjährige akademische und fachspezifische Sozialisation erfordern, weil sich „Sender“ und „Publikum“ aus der jeweiligen Fachgemeinschaft rekrutieren. Innerhalb ihrer wird neues Wissen (dem Ideal nach…) durch Prozesse des peer review geprüft und dann veröffentlicht, wobei es so dargestellt werden sollte, dass es intersubjektiv nachvollziehbar und falsifizierbar ist.

Die massenmediale Arena hingegen wählt Informationen nach journalistischen Nachrichtenwerten bzw. Nachrichtenfaktoren aus, und bereitet sie in den verschiedenen journalistischen Gattungen – der Nachricht, dem Kommentar, dem Interview, der Reportage etc. – für ein verteiltes und untereinander unverbundenes (Massen-)Publikum auf. Die Hürden, um als Kommunikator in diese Arena einzutreten, sind nicht ganz so hoch wie in der Expertenöffentlichkeit, bestehen aber zweifelsohne, nämlich in der Kenntnis und dem Befolgen der genannten journalistischen Selektions- und Präsentationsregeln.

Ein wesentlicher Teil der „klassischen“ Wissenschaftskommunikation besteht darin, Informationen aus der Expertenarena in die massenmediale Arena zu überführen. Soziale Medien können durchaus Teil dieser Arenen sein, z.B. wenn ein publizistisches Angebot wie „Spektrum der Wissenschaft“ nun auch auf Facebook aktiv ist, „WDR Quarks & Co.“ als Podcast verfügbar ist oder die Pressestelle einer Forschungseinrichtung die neu erschienenen Journalpaper ihrer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vertwittert.

… und zwei neue Arenen entstehen

Soziale Medien können aber auch neue Arenen schaffen. Eine davon ist die Arena der kollaborativen Öffentlichkeit, wie sie die Wikipedia herstellt: Die Zutrittshürden sind sehr niedrig (auch wenn es faktisch Barrieren gibt, die Menschen von einer Mitarbeit abhalten), weil die Wikipedia keinerlei formale Voraussetzungen verlangt, um einen Beitrag zu korrigieren oder zu erweitern. Wohl aber gibt es niedergeschriebene, in der Praxis jedoch manches Mal umstrittene Regeln, welche Informationen Teil der Wikipedia werden können (Enzyklopädische Relevanz) und wie sie darzustellen sind (z.B. Neutral Point of View; gesichertes Wissen).  Dies führt dazu, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Kommunikator nicht privilegiert sind, wissenschaftliches Wissen aber sehr wohl – denn wissenschaftlicher Fachliteratur wird als Beleg für Artikel besondere Bedeutung beigemessen.

Die vierte Arena schließlich ist die der persönlichen Öffentlichkeit, wie wir sie prototypisch auf privaten Facebookprofilen oder in persönlich geführten Blogs finden. Auch hier sind die Zugangshürden sehr niedrig, weil keine langjährige berufliche Sozialisation oder das Befolgen kollaborativ formulierter und sanktionierter Regeln nötig sind. In meiner eigenen persönlichen Öffentlichkeit kann ich ansprechen, was ich persönlich für relevant halte, weil ich vorrangig mein eigenes erweitertes soziales Netzwerk der Freunde, Familie, Bekannten und möglicherweise auch Kolleginnen und Kollegen adressiere. Das Leitbild der (Selbst-)Präsentation in persönlichen Öffentlichkeiten ist daher die Authentizität, während der „Fake“ oder auch die übertriebene Inszenierung als Bruch kommunikativer Erwartungen gilt.

Das bedeutet?

Wissenschaftskommunikation unter sozial-medialen Bedingungen bedeutet also, dass Informationen nicht mehr allein zwischen Experten- und massenmedialer Arena vermittelt werden, sondern dass auch andere arenenübergreifende Wege möglich sind: Eine Forscherin weist via Twitter auf ihr neuestes Journal-Paper hin und erhält ehrlich-neidische Gratulationen von ihren Peers (persönliche Öffentlichkeit). Unter ihren Followern ist aber auch ein Wissenschaftsjournalist, der die Befunde für so interessant hält, dass er die Forscherin für einen Beitrag in seiner redaktionell betreuten Wissenschaftssendung im Radio interviewt, und diesen auch auf der Facebook-Seite der Sendereihe bewirbt (massenmediale Arena). Diese Resonanz fließt wiederum in den „Altmetric“-Score des Papers ein und erhöht die Sichtbarkeit des Beitrags auf der Startseite des Journals, was die Reputation der Forscherin erhöht (Expertenarena).

Ein konstruiertes Beispiel? Möglicherweise. Ein unrealistisches Beispiel? Ich denke nicht. Aber was denken Sie?

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Dr. Jan-Hinrik Schmidt (*1972) ist wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg. Nach seinem Studium der Soziologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und der West Virginia University (USA) promovierte er 2004 mit einer Arbeit über den lokalbezogene Internetangebote. Von 2005 bis 2007 war er stellvertretender Leiter der Forschungsstelle „Neue Kommunikationsmedien“ an der Universität Bamberg. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der Onlinemedien, und hier insbesondere in den Veränderungen, die soziale Medien wie Facebook, Twitter oder YouTube für Beziehungen, Informationsverhalten, politische Teilhabe und gesellschaftliche Öffentlichkeit bringen. Ergebnisse seiner Forschungsarbeit sind in zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht; sein jüngstes Buch „Social Media“ richtet sich aber ausdrücklich an nicht-wissenschaftliche Zielgruppen, die die Entwicklungen des Internets in den letzten Jahren verstehen und eingeordnet sehen wollen. Er bloggt unter http://www.schmidtmitdete.de und twittert als @janschmidt.

13 Kommentare

  1. Kommunikation ist mit Hilfe der neuen Medien zweifellos viel leichter möglich. Man kann viele Follower erreichen – aber wozu?
    Wenn die Medienwirksamkeit wichtiger ist als die Qualität des Inhalts – dann wird Wissenschaft zur Lachnummer (Stichwort: Lügenpresse). Und für mich als Leser/Kunde bedeutet dies, dass ich nicht bereit bin Geld dafür auszugeben.

    Ich kann Ihnen ein abschreckendes Beispiel dazu liefern: Seit ca. 8 Jahren weise ich hier bei SciLogs darauf hin, dass das Phänomen der sogenannten ´Nahtod-Erfahrung´(NTE) vollständig als systematisch strukturiert ablaufender und bewusst erlebbarer Erinnerungsvorgang erklärbar ist: Demnach ist es bei NTEs bewusst erlebbar, wie das Gehirn einen einzelnen Reiz verarbeitet.
    Dass man bewusst erleben kann, wie das Gehirn einen einzelnen Reiz verarbeitet – sollte eigentlich jeden Wissenschaftler hellhörig werden lassen (dafür kann man den Nobel-Preis erhalten) – aber die Reaktion bei SciLogs Autoren und Lesern war bisher gleich NULL (konkrete systematische Strukturen wären einer wissenschaftlichen Analyse zugänglich).
    Und das was die bisherige Forschung seit 40 Jahren zum Thema NTE geleistet hat – kann man nur als wissenschaftliches Fehlversagen (´PFUSCH, BETRUG, NAHTOD-Erfahrung´ ist mein aktuelles Buch zum Thema ) bezeichnen.
    Und damit kommen wir wieder zum Thema ´Wissenschaftsjournalismus´: Qualität ist hier nicht erkennbar – denn wer als Wissenschaftler auf solch konkrete Hinweise nicht reagiert, verspielt öffentlich seinen Ruf (Wobei ich das Löschen von Beiträgen nicht als passende Reaktion betrachte).

  2. Macht es denn in der neuen Landschaft überhaupt noch Sinn, strikt zwischen Expertenarena und massenmedialer Arena zu unterscheiden?

    Was ich als Informationssuchender seit Jahren sehr zu schätzen weiß, ist, wie die Grenzen verschwimmen. Aus der strikten Trennung “steht in der Zeitung/kommt im Fernsehen” und “ist Teil der (weitgehend nach außen abgeschotteten) wiss. Diskussion” ist ein Kontinuum geworden.

    Über Repositorien wie das arXiv kann ich auch in Fachgebieten außerhalb meines eigenen wissenschaftliche Originalarbeiten lesen, wenn ich möchte. Blogs von Wissenschaftlern bieten Zwischenstufen, die ich vorher in dieser Form nicht kannte: Beiträge, die soweit in die Tiefe gehen, dass ich sie nicht in den Massenmedien finde (Zielgruppe offenbar zu klein), die aber versuchen, für den nicht-Spezialisten zu erklären, was da vor sich geht.

    Bei anderen Medienformen ist es ähnlich. Zu Sachbuch und Fachbuch sind Zwischenformen wie allgemein zugängliche Vorlesungsnotizen oder Erklärvideos getreten. Auch da ist aus einer Trennung ein Kontinuum geworden.

    Ich empfinde diese neue Landschaft als einen großen Fortschritt. Aber darin die Trennung der alten Arenen beibehalten zu wollen wird der Sache, denke ich, nicht gerecht.

    • Danke für den berechtigten Hinweis auf die “Verschwommenheit” der Arenen – für mich bestärken die genannten Beispielen und Entwicklungen aber nur die Notwendigkeit, sich über die Kernmerkmale der verschiedenen Kommunikationskonstellationen (um mal ein anderes Wort als Arena zu nutzen) Gedanken zu machen, d.h. zunächst einmal – gerne auch idealtypisch, also ohne Anspruch auf völlig exakte empirische Passung – Unterschiede in den Regeln und Mechanismen herauszuarbeiten, die die Verarbeitung und das öffentliche Zugänglich-Machen von (wissenschaftlichem) Wissen betreffen.

      Analytisch unterscheidbar von den Akteurskonstellationen und Regeln sind dann die Präsentationsformen. Die sind nicht mehr, vereinfacht gesprochen, auf das Wissenschaftsmagazin im Fernsehen einerseits und den Fachaufsatz andererseits beschränkt, sondern hier gibt es in der Tat viele neue Varianten und Kanäle (in einem davon halten wir uns ja gerade auf), völlig d’accord.

      Mein Argument zielt nun aber genau darauf ab, dass wir diese Kommunikationsformen nicht immer und umstandslos einer der Arenen zuordnen können, sondern dass es auf die sie nutzenden Akteure und die von ihnen in Anschlag gebrachten Regeln ankommt, zu welcher Arena sie gehören.

      • Es würde mich nicht wundern, wenn die alt-gegen-neu-Konstellation auch bei Betrachtung der Regeln gar nicht erhalten bleibt. Zugespitzt: Wenn die Regionalzeitung ihre Wissenschaftsnachricht bei einer Pressemitteilung abschreibt, ein Wissenschaftsblogger das entsprechende Thema fundiert und ein anderer Wissenschaftsblogger es oberflächlich behandelt und ein Fachredakteur gut recherchiert dazu schreibt – dann verläuft die Grenze auf der Zuverlässigkeitsachse eben nicht alt vs. neu.

        Für mich als Wissenschaftsblogger (mit definitionsgemäss geringer Reichweite) ist in diesem Zusammenhang besonders interessant, ob die Reichweiten-Medien verstärkt eine Kuratorenrolle für sich entdecken. Bei Spassvideos und Kuriosem machen sie das ja schon. Bei ernsthafteren Inhalten (ich denke natürlich an Wissenschaftsblogs, aber ähnliches gilt ja auch für tagespolitische Kommentare, Rezensionen und einiges mehr) ist es (noch?) nicht so. Dabei wäre auch das eine interessante Form der Qualitätskontrolle.

        • “Es würde mich nicht wundern, wenn die alt-gegen-neu-Konstellation auch bei Betrachtung der Regeln gar nicht erhalten bleibt. Zugespitzt: Wenn die Regionalzeitung ihre Wissenschaftsnachricht bei einer Pressemitteilung abschreibt, ein Wissenschaftsblogger das entsprechende Thema fundiert und ein anderer Wissenschaftsblogger es oberflächlich behandelt und ein Fachredakteur gut recherchiert dazu schreibt – dann verläuft die Grenze auf der Zuverlässigkeitsachse eben nicht alt vs. neu.”

          Stimmt, aber ich habe hoffentlich auch nirgendwo geschrieben, dass ich “alt” mit zuverlässig und “neu” mit unzuverlässig gleichsetze. Ich schreib unten in der Antwort zu Jule Specht dazu noch etwas.
          Was in dem Zusammenhang möglicherweise missverständlich war: Dass ich in den Zwischenüberschriften von “alten” und “neuen” Arenen spreche. Das soll erstmal nur ausdrücken, dass massenmediale und Expertenarena eben schon vor dem & ausserhalb des Internet existierten, während kollaborative und persönliche Öffentlichkeit m.E. erst durch die Medientechnologien der sozialen Medien entstehen konnten.
          Aber das heisst nicht, dass soziale Medien nur die beiden letzgenannten Arenen betreffen, im Gegenteil: Science Blogs wie dieses hier sind aus meiner Sicht massenmediale Arena – ein neues Genre (wissenschafts-)journalistischer Kommunikation, aber eben wissenschaftsjournalistisch. Auch der Twitter-Account der scilogs (https://twitter.com/scilogs) operiert nach Regeln der massenmedialen Arena.
          Genau die gleichen Gattungen (Blogs & Twitter) können aber auch persönliche Öffentlichkeiten von Wissenschaftlern schaffen, siehe z.B. http://www.schmidtmitdete.de und @janschmidt 🙂

  3. Ich habe Ihren Blogartikel mit großem Interesse gelesen, vielen Dank dafür!

    Um das ursprüngliche Thema der Expertise und Ihr Angebot ‘in der Diskussion den Blick zu weiten’ aufzugreifen: Mich persönlich interessiert Ihre Einschätzung zu potentiellen Unterschieden in der Qualitäts- und Vertrauenssicherung zwischen den von Ihnen beschriebenen Arenen. Wird diesen Arenen im Allgemeinen ein unterschiedlich hohes Qualitätsniveau unterstellt und unterschiedlich starkes Vertrauen entgegengebracht? Und wenn ja, von wem? Und deckt sich dies mit tatsächlichen Unterschieden in der Qualität und Vertrauenswürdigkeit? — Pauschale Antworten sind, auch wegen der fließenden Grenzen zwischen den Arenen, sicherlich nicht möglich, aber vielleicht lassen sich allgemeine Tendenzen feststellen?

    • Schwierige, aber natürlich absolut berechtigte Frage!
      Auf der allgemeinen Ebene der vier Arenen sind Qualitäts- und Vertrauenssicherung an die Selektions- und Präsentationsregeln geknüpft. Zugespitzt: Menschen vertrauen Informationen aus der massenmedialen Arena, weil es dort etablierte, institutionalisierte (und bei Fehlverhalten sanktionierbare) Routinen und Kriterien gibt, Relevanz, Richtigkeit, etc. herzustellen; Menschen vertrauen Informationen in persönlichen Öffentlichkeiten, wenn sie von der Authentizität der Twitterin oder des Bloggers überzeugt sind, usw..
      [wichtig: Das sind natürlich nur ganz selten bewusst ablaufende Abwägungen und Vertrauenzuschreibungen. In der Regel geschieht dies eher habitualisiert und ohne groß nachzudenken, wenngleich wir in Sondersituationen durchaus auch drüber nachdenken, ob wir nun einer Meldung oder einem Tweet oder einem Wikipedia-Artikel Vertrauen schenken.]

      Das ist meiner Ansicht der generelle Mechanismus – wie der nun nun im Fall von spezifischen Angeboten in einer Arena und/oder bei spezifischen Personen abläuft, ist unterschiedlich; zudem macht auch innerhalb von Arenen die Art der Aufbereitung einen Unterschied, z.B. weil Journalist/innen die Fragilität und Unsicherheit von wissenschaftlichen Befunden unterschiedlich darstellen (bzw. auch ausklammern) können.
      In diesem Zusammenhang lohnt sich der Blick auf die Projekte in des DFG-Schwerpunktprogramms “Wissenschaft und Öffentlichkeit” (SPP 1409, siehe http://wissenschaftundoeffentlichkeit.de), die viele vertiefende Einzelfragen bearbeitet haben.

  4. Jan-Hinrik Schmidt schrieb (10. Februar 2016):
    > die Arena der kollaborativen Öffentlichkeit, wie sie die Wikipedia herstellt: [mit] Regeln, welche Informationen Teil der Wikipedia werden können (Enzyklopädische Relevanz) und wie sie darzustellen sind (z.B. Neutral Point of View; gesichertes Wissen) […] wissenschaftlicher Fachliteratur wird als Beleg für Artikel besondere Bedeutung beigemessen.

    Komplementierend dazu ist die Arena der kollaborativen Öffentlichkeit zu nennen, wie sie die einzelnen sogenannten Communities nach dem StackExchange-Prinzip herstellen:
    worin thematisch relevanter wissenschaftlicher Fachliteratur Bedeutung insbesondere dahingehend beigemessen wird, als sich das darin öffentlich Zugängliche in Frage stellen bzw. der kollaborativen öffentlich-kritischen Peer-Review unterziehen lässt;
    so dass gesichertes, nachweisliches, nachvollziehbares Wissen vom bloßen unverdaut-formalen “Belegen” bzw. Wiederkäuen (der jeweilig vorliegenden Fachliteratur) unterscheidbar wird und bleibt.

    (Dass dabei die optionale Personalisierung von individuell sicherlich äußerst unterschiedlichen Forderungen/Wünschen/Vorlieben hinsichtlich inhaltlicher Relevanz gegenüber Vollständigkeit, oder neutraler gegenüber engagierter Darstellung, mittlerweile schon fast vergleichbar unbefriedigend zu werden droht, wie sie bei Wikipedia schon viel zu lange ist … macht die Beschäftigung mit beiden Arenen nur um so dringlicher.)

    • Danke für den Hinweis auf Stack Exchange, das ich noch nicht kannte. Ich muss mir das mal näher anschauen; generell wäre ich erleichtert, noch andere Beispiele für Arenen der kollaborativen Öffentlichkeit zu finden. Im Moment ist dieser Typ, selbstkritisch angemerkt, noch sehr von der Funktionsweise der Wikipedia geprägt.

  5. @Wappler, @J-H Schmidt: zum Thema ´massenmediale Arena´ eine aktuelle Fehl-Meldung
    http://www.sciencedaily.com/releases/2016/02/160208213848.htm ´Innate teaching skills ´part of human nature´: in diesem Beitrag wird suggeriert, dass Unterricht angeboren sei (´teaching is part of the human genome´).
    Im Rahmen von Nahtoderfahrungen ist bewusst erlebbar, wie das Gehirn einen einzelnen Reiz systematisch verarbeitet – demnach wäre die Aussage ´angeboren´ eindeutig falsch.
    Ich habe Prof. Barry Hewlett – einen der Autoren der besprochenen Arbeit – deshalb per e-mail angeschrieben und mit Argumenten darauf hingewiesen, dass seine Schlussfolgerung falsch sein muss.

    Seine Antwort kam sofort – er schrieb, dass die Information (´angeboren´) auf Grund einer Kommunikationspanne falsch über die Medien weitergegeben wurde. (Die wissenschaftliche Arbeit belegte nur, dass bereits bei ursprünglich lebenden Jäger/Sammler-Kulturen (Aka-Pygmäen) das Unterrichten von Kleinkindern nachweisbar ist. Die Behauptung ´angeboren´ ist darin nicht enthalten )

    Und damit sind wir bei einem Problem der Wissenschaftskommunikation: Wie geht man mit unabsichtlichen Fehlern/Falschmeldungen um? In der Regel hat der Leser keine Möglichkeit, auf Fehler hinzuweisen.

    • “Wie geht man mit unabsichtlichen Fehlern/Falschmeldungen um? In der Regel hat der Leser keine Möglichkeit, auf Fehler hinzuweisen.”
      Nun ja, man hat eigentlich inzwischen deutlich mehr Möglichkeiten, auf Fehler hinzuweisen – in Kommentarbereichen; indem man die Journalisten oder (wie Sie es taten) die zitierten Experten kontaktiert, oder notfalls auch, indem man z.B. in seinem eigenen Blog solche Fehler thematisiert.
      Generell ist der Umstand der vervielfachten und beschleunigten Rückkanäle ja auch ein ganz wesentlicher Bestandteil des sich wandelnden Verhältnisses von Journalismus und Publikum; in Bezug auf den Nachrichtenjournalismus habe ich das in den letzten Jahren mit Kolleg/innen ausführlich untersucht – siehe jpub.hans-bredow-institut.de

      • Ist Ihre Antwort ein Scherz?
        In meinem ersten Beitrag habe ich darauf hingewiesen, dass beim Thema ´Nahtod-Erfahrung´ überhaupt keine angemessene Reaktion erfolgt – selbst wenn man auf ernsthaftes wissenschaftliches Fehlverhalten hinweist.
        8 Jahre Hinweise bei SciLogs bzw. 40 Jahre nachweisbares Fehlverhalten – bis jetzt!

        Ich habe für mich die Konsequenzen gezogen: Früher habe ich manche Zeitschriften regelmäßig gelesen – heute kaufe ich mir Hefte nur noch ausnahmsweise. Damit spare ich mir 200 bis 300 Euro im Jahr.

        • Nein, meine Antwort war selbstverständlich kein Scherz. Ich habe mir dort verkniffen, was ich nun aber schreibe: Möglicherweise liegt es daran, dass die Personen, denen sie Jahren von Ihrem Thema “Nahtod” schreiben, von Ihren Argumenten nicht überzeugt sind?

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