Abgesang und Neubeginn – ILA und Space Film Festival

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Die erste ILA dauerte noch 100 Tage

Die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Berlin wirft ihre Schatten voraus, wenngleich die Schatten kürzer sind als in den Vorjahren. Wer wie ich die ILA seit Jahrzehnten besucht, schon seit den Tagen, als sie noch in Hannover-Langenhagen stattfand, kann nur bedauern, dass sie jedes Mal ein wenig mehr gestutzt wird. In Hannover, in der “guten alten Zeit” lief die ILA noch über acht Tage und wurde von bis zu 300.000 Menschen besucht. Die allererste ILA übrigens, seinerzeit in Frankfurt, dauerte nicht weniger als 100 Tage.

Nach der Wende unternahm sie in Berlin im Jahre 1992 einen Neustart (sie war dort schon ab 1928 bis zum Krieg gewesen) und lief bis 2004 als siebentägige Veranstaltung. Ab 2006 waren es dann nur noch sechs Tage. Vor zwei Jahren stellte man auf fünf Tage um. In diesem Jahr sind es noch vier.

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Ab 1928 bis zum Krieg kam die ILA erstmals nach Berlin

Das Berlin der Nach-Wende-Zeit und das Land Brandenburg mochten die ILA nie. Die Stadt legt deutlich mehr Wert auf Partys, hippe Kneipen und die Pflege ihrer progressiv-urbanen Kultur. Ich nehme gerne Wetten an, wann sich Stadt und Land endgültig dieser lästigen Pflichtübung entledigen werden. Man munkelt jedenfalls schon, dass bald nach der ILA Flüchtlingsunterkünfte in die Messehallen kommen. Da wird man dann in zwei Jahren, leider, leider, so gerne man es auch täte, aber man muss da ja nun mal Prioritäten setzen, keine Messe mit Flugzeugen, Raumfahrtexponaten und Airshow mehr abhalten können. Und sich wahrscheinlich – nächster Verkleinerungsschritt – auf eine Art zwei- bis dreitägige Konferenzveranstaltung an den Funkturm zurückziehen. Ohne die Papas, die ihre Jungs huckepack herumtragen und mit glänzenden Augen silberne Maschinen bewundern. Dann sind die aufgeregt-geschäftigen Business-Klone in ihren dunklen Anzügen und roten (unteres Business-Development Level) oder dezent gemusterten (mittleres und oberes Management) Krawatten unter sich und können hinter verschlossenen Türen unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Séparée vor sich hin tagen.

Nur die Berliner Taxi-Fahrer wird es vielleicht nicht ganz so freuen. Sie können ihre Gäste dann nur noch bis zum Funkturm fahren. Immerhin, diesen Weg haben sie gut drauf. Als vor Jahren im Zuge des „Jahrhundertbauwerks“ BER  die neuen ILA-Messehallen in Selchow in den märkischen Sand gebaut wurden, hatte sich kaum einer der Kutscher über den neuen  Weg informiert und setzte seine Kundschaft einfach irgendwo in der staubigen Pampa ab („Ick glob, hier irgendwo war die ILA imma, Meesta!“).

Richtiges Interesse an der ILA hatte Berlin nur in der Vorkriegsära. Nach der Wende hätte man die Veranstaltung wohl besser nach Leipzig vergeben. Dort gibt es auch einen schönen,  relativ verkehrsarmen aber dennoch verkehrsgünstig gelegenen Flugplatz. Dort gibt es Messeerfahrung, eine deutlich engagiertere und interessiertere politische Führung und es würde heute gut in den langsam aufblühenden Wirtschaftsraum dieser Region passen. Aber das ist ja nun vorbei und bald wird man sich endgültig den beiden europäischen Platzhirschen bei den Luftfahrtschauen, Le Bourget und Farnborough, geschlagen geben müssen und die Segel streichen.

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2004 dauerte die ILA noch eine volle Woche. Bild: Messe Berlin

Umso mehr aber gilt es, den verblassenden Flair vergangener großer Tage noch einmal richtig in sich aufzusaugen. Noch einmal kerosingeschwängerte Luft zu atmen, noch einmal die zukunftsverheißenden Ausstellungsstücke der Raumfahrtunternehmen, der ESA und des DLR allesamt an einem Platz versammelt zu bewundern, sich über die neuesten Projekte zu informieren, mit anderen Luft- und Raumfahrtbegeisterten zu diskutieren, bei Currywurst und Pommes den Jets am Himmel nachblicken und sich mit Fluglärm volldröhnen zu lassen bis die Ohren klingeln. Die ILA war über Jahrzehnte hinweg nicht nur eine Geschäftsveranstaltung der Luft- und Raumfahrtkonzerne. Sie war auch ein Treffpunkt der Freaks und der Fans. Schade drum.

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Seit einigen Jahren spart man sich auch eigene Veranstaltungsplakate und beschränkt sich auf ein nüchternes Logo. Bild: Messe Berlin

Es gibt im Umfeld der ILA aber durchaus auch Lichtblicke, und ich hoffe, dass sich das allmählich ausbreitende Vakuum von anderen Veranstaltungen gefüllt wird. Eine hab ich schon mal ausfindig gemacht, denn in diesem Jahr findet parallel zur ILA – also zwischen dem 1. und 5. Juni – das “International Space Film Festival” statt. Die Homepage des Events findet sich hier und wie man sieht, es ist ganz schön was geboten. Der Veranstalter hat sich das Ziel gesetzt, “realitätsnahe” SF-Filme und Dokus mit Raumfahrtschwerpunkt zu zeigen. Er möchte uns genau da abholen, wo uns die ILA mehr und mehr im Stich lässt.

Das Film Festival beginnt am 1. Juni mit einer Premieren-Gala um 18:45 Uhr. Im superschicken Cinestar im Sony-Center übrigens. Es wird zunächst eine Panel-Diskussion geben mit dem Titel: “Das Space Race der Jungen Wilden – Was steckt dahinter?” Einer der Panel-Teilnehmer ist im Übrigen der Autor dieser Zeilen. Das Gequassel wird nicht lange dauern, versprochen. Ab dann gibt’s Raumfahrtfilme satt. Vielleicht sehen wir uns ja. Bei den Filmtagen oder – möglicherweise schon zum letzten Mal – auf der ILA.

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Ich bin Raumfahrt-Fan seit frühester Kindheit. Mein Schlüsselerlebnis ereignete sich 1963. Ich lag mit Masern im Bett. Und im Fernsehen kam eine Sendung über Scott Carpenters Mercury-Raumflug. Dazu der Kommentar von Wolf Mittler, dem Stammvater der TV-Raumfahrt-Berichterstattung. Heute bin ich im "Brotberuf" bei Airbus Safran Launchers in München im Bereich Träger- und Satellitenantriebe an einer Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik tätig. Daneben schreibe ich für Print- und Onlinemedien und vor allem für mein eigenes Portal, "Der Orion", das ich zusammen mit meinen Freundinnen Maria Pflug-Hofmayr und Monika Fischer betreibe. Ich trete in Rundfunk und Fernsehen auf, bin Verfasser und Mitherausgeber des seit 2003 erscheinenden Raumfahrt-Jahrbuches des Vereins zur Förderung der Raumfahrt (VFR). Aktuell erschien in diesen Tagen beim Motorbuch-Verlag "Interkontinentalraketen". Bei diesem Verlag sind in der Zwischenzeit insgesamt 16 Bücher von mir erschienen, drei davon werden inzwischen auch in den USA verlegt. Daneben halte ich etwa 15-20 mal im Jahr Vorträge bei den verschiedensten Institutionen im In- und Ausland. Mein Leitmotiv stammt von Antoine de Saint Exupery: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge zu verteilen und Arbeit zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten unendlichen Meer. In diesem Sinne: Ad Astra

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