Die Wikinger sind los!

scilogs_em2016Island – da denkt man typischerweise an Ponys, die exzentrische Sängerin Björk und atemberaubende Landschaften, aber nicht unbedingt an Wissenschaft und zumindest bis vor kurzem auch nicht an Fußball. Während es die Isländer ganz offensichtlich selber hinbekommen, die allgemeine Aufmerksamkeit auf letzteres zu lenken, soll dieser Blogpost zumindest einen kleinen Beitrag dazu leisten, Einblicke in ersteres zu gewähren.

Wer sich als unbedarfter Außenstehender über die Schwerpunkte der isländischen Forschungslandschaft informieren möchte, der hat es nicht leicht, einen Einstieg zu finden. Außer einem einzigen Satz über die Studentenzahl an isländischen Universitäten im Abschnitt über Bildung hat zum Beispiel der deutschsprachige Wikipedia-Artikel über Island keine weiteren Anhaltspunkte zu bieten. Und was wird geforscht an diesen Unis? Werfen wir mal einen Blick drauf.

Die bei weitem größte der sieben isländischen Universitäten ist die Háskóli Íslands, die ihrerseits von sozialwissenschaftlichen Fakultäten (also Jura, Politikwissenschaft, BWL und VWL) dominiert wird. Die weiteren Schwerpunkte sind Medizin, Erziehungswissenschaften, Natur- und Geisteswissenschaften. Zu letzterem zählt natürlich auch das Studium der isländischen Sprache und der Landesgeschichte. Führend ist hier das renommierte Stofnun Árna Magnússonar í íslenskum fræðum, das Árni-Magnússon-Institut für isländische Studien, das auch eine Reihe mittelalterlicher Handschriften zur Geschichte des Landes und historische Niederschriften isländischer Sagen verwahrt.

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Polarlicht über dem Jökulsárlón, einem Gletschersee in der Nähe der Südküste des Landes. Foto: Jens Hackmann

Auf den ersten Blick nur eine Kuriosität, wenn man genauer hinschaut aber ein Zeichen des Wandels: Die Háskóli Íslands ist im ganzen Land der größte singuläre Arbeitgeber. Erklärtes Ziel der Politik ist es, das ursprünglich von Landwirtschaft (in erster Linie Schaf- und Pferdezucht) und Fischerei geprägte Island in eine Wissensgesellschaft zu überführen. Islands Bildungssystem mit seinen 10 verpflichtenden Schuljahren und anschließender freiwilliger gymnasialer Oberstufe gilt als hervorragend, und isländische Schüler schneiden bei internationalen Vergleichen regelmäßig sehr gut ab.

Natürlich schafft trotzdem längst nicht jeder junge Isländer einen mit dem Abitur vergleichbaren Abschluß und nimmt dann ein Studium auf, aber das Bewußtsein um den Wert von Wissenschaft und Bildung ist da. Dazu paßt auch, daß die Isländer sich selbst als technikaffin bezeichnen. Praktisch jeder erwachsene Isländer hat ein Handy und der Anteil von Haushalten mit Internetanschluß ist der höchste weltweit. Entsprechend aktiv sind die Isländer übrigens auch im Netz und insbesondere in den sozialen Medien.

Besonders im Technologiebereich wird konsequent das Prinzip der Nachhaltigkeit verfolgt. Im Energiesektor beispielsweise ist man verglichen mit anderen Ländern bereits einen Schritt weiter: Begünstigt durch die natürlichen Gegebenheiten wird abgesehen von importierten Kraftstoffen für Fahrzeuge und Schiffahrt fast sämtliche Energie über Wasserkraft und Geothermie erzeugt. Schon zu Zeiten der Ölkrise in den 70er Jahren gab es erste Pläne, überschüssige Energie für die Produktion von Wasserstoff als Kraftstoff einzusetzen. Die vollständige Umstellung von fossilen Brennstoffen auf mit erneuerbaren Energien erzeugten Wasserstoff bis zum Jahr 2050 wurde 1998 sogar gesetzlich beschlossen, hier dürften allerdings stattdessen elektrisch angetriebene Fahrzeuge das Rennen machen. Isländische Ingenieure konzentrieren sich im Sinne von Umwelt und Naturschutz zudem mittlerweile darauf, wie man Stauseen, Tiefenbohrungen und Windräder mit möglichst wenig Eingriff in und Folgen für die Natur realisiert.

Zwischen zwei Kontinentalplatten: links des Grabens die nordamerikanische, rechts die eurasische Kontinentalplatte. Sie driften jedes Jahr um 2 cm auseinander
Zwischen zwei Kontinentalplatten: links des Grabens die nordamerikanische, rechts die eurasische Kontinentalplatte. Sie driften jedes Jahr um 2 cm auseinander. Foto: Jens Hackmann

Aber auch Grundlagenforschung im naturwissenschaftlichen Bereich wird betrieben, stark vertreten sind hier zum Beispiel Molekular- und Zellbiologie, Biochemie und natürlich die Geowissenschaften. Jeder erinnert sich an die Aschewolken des Eyjafjallajökull, des Vulkans mit dem unaussprechlichen Namen, der zusammen mit seinen 30 Artgenossen entlang des mittelatlantischen Grabens am NordVulc, dem nordischen vulkanologischen Forschungszentrum, erforscht wird, einem internationalen Forschungsinstitut mit Beteiligung der Universitäten Helsinki und Stockholm. Das Land ist umgekehrt auch wissenschaftliche Kooperationen eingegangen, die isländischen Wissenschaftlern Zugang zu Forschungseinrichtungen im Ausland ermöglichen, zum Beispiel am CERN oder als Mitgliedsland des European Molecular Biology Laboratory (EMBL).

Wissenschaft in bzw. aus Island braucht sich also ganz bestimmt nicht zu verstecken. Wer mehr darüber erfahren will, was es gerade in diesem Bereich aus Island Aktuelles gibt, der schaut am besten in die Rubrik Wissenschaft und Technik der Online-Version des Magazins Iceland Review rein, wobei dort zum Teil unterschiedliche Artikel auf Deutsch oder Englisch erscheinen. Es lohnt sich also, beide Sprachversionen zu konsultieren.


Ich selber hatte leider noch nie die Gelegenheit, Island zu besuchen und mich von der Landschaft verzaubern zu lassen. Jens Hackmann und Timm Kasper, zwei gute Bekannte von mir und zudem noch sehr gute Fotografen, haben diesen Traum dagegen im November letzten Jahres verwirklicht und phantastische Bilder mit nach Hause gebracht. Jens hat mir einige davon für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt – ganz vielen Dank dafür! Wer mehr davon sehen will, schaue einfach mal auf den Homepages der beiden vorbei.

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Astronomin in vielerlei Hinsicht, so könnte man mich mit wenigen Worten beschreiben. Da ist zunächst einmal die Astrophysikerin, die an der Hamburger Sternwarte über die Aktivität von Sternen promoviert und dabei hauptsächlich mit den Röntgensatelliten Chandra und XMM-Newton gearbeitet hat, aber auch schon am Very Large Telescope in Chile beobachten durfte. Auslöser ihres beruflichen Werdegangs war ein engagierter Lehrer, dessen Astronomie-AG sie ab der 7. Klasse besuchte. Ungefähr zur selben Zeit erwachte auch die Hobbyastronomin, die anläßlich des Einschlags des Kometen Shoemaker-Levi 9 auf den Jupiter begann, mit einem russischen Feldstecher vom Flohmarkt den Tanz der Jupitermonde zu verfolgen. Heutzutage freut sie sich über jede Gelegenheit, mit ihrem 16-zölligen Dobson tief im Odenwald fernab der Lichter der Rheinebene auf die Jagd nach Deep-Sky-Objekten zu gehen. Und da Amateurastronomen gesellige Wesen sind, treffe ich mich gerne mit Gleichgesinnten, zum Beispiel zum gemeinsamen Beobachten. Auch nach meinem Umzug von der Großstadt Hamburg in das schöne Universitätsstädtchen Heidelberg halte ich engen Kontakt zu meinen Vereinskameraden von der Hamburger Gesellschaft für volkstümliche Astronomie und dem Astronomieverein meiner Jugend, dem Arbeitskreis Sternfreunde Lübeck. Seit einigen Jahren bin ich außerdem in dem Internetforum Astrotreff aktiv, wo ich Teil des Moderatorenteams bin. Um meine Faszination an der Astronomie an andere weitergeben zu können, besonders an Kinder und Jugendliche, habe ich mich seit Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit engagiert, habe populärwissenschaftliche Vorträge gehalten und Schülergruppen betreut, die in Hamburg das Institut besucht haben. Diese Leidenschaft habe ich nun zu meinem Beruf gemacht. Hier in Heidelberg arbeite ich in einem kleinen aber feinen Team am Haus der Astronomie. Hiermit lade ich Sie ein, lieber Leser, an all diesen Facetten meines Astronomendaseins teilzuhaben. Mal witzig, mal spannend oder nachdenklich, manchmal auch persönlich oder mit Aha-Effekt. Carolin Liefke

3 Kommentare

  1. Opi Webbaer war mal da, vor ca. 20 Jahren, ob die Wikinger nun zuvörderst in Island anzutreffen sind, ist nicht ganz klar, er war auch mit jemandem befreundet, der mit der Schwester von Björk befreundet (“GF” und so) war, dies nur ga-anz am Rande angemerkt; auffiel zudem diese Eigenart, dass es keine Nachnamen dort gibt, sondern, ganz ähnlich wie in Russland, Nachnamen dem Vater geschuldet waren.
    Zudem gab es dort wenige Bäume und die Enten waren Turbo-Enten, doppelt so groß wie üblich, sozusagen, womöglich gab es hier bestimmtes Einlagerungsbedürfnis, Fett und so.
    Zudem war es dort immer ziemlich dunkel, wie die Eskimos (“Inuit” heißt es womöglich besser) nett waren, womöglich auch wirtschaftlichem Interesse geschuldet.
    Insgesamt natürlich eine steife, ca. 300.000 Einwohner zählende Truppe und sehr demokratisch und nett und so.
    Alles war teuer, auch McDonald’s.
    Und Island ist der EU sozusagen noch rechtzeitig entkommen,
    MFG + vielen Dank für die Nachricht,
    Dr. Webbaer (der hier natürlich nur von der Erinnerung zehrt und sich gerne ergänzen bis berichtigen lässt)

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