Der Meteor von Russland

BLOG: Einsteins Kosmos

Vom expandierenden Universum bis zum Schwarzen Loch
Einsteins Kosmos

Der Meteor von Russland, der am Freitag, dem 15. Februar 2013 in der Atmosphäre explodierte, war ein Warnschuss der Natur. Denn es wird Zeit, dass wir uns endlich Gedanken machen, wie wir als Menschen uns vor derartigen kosmisch bedingten Erdkatastrophen schützen können.

Video-Impressionen vom Meteorfall
Auf der Website “Astronomy Picture of the Day” (APOD) wurde mit einer Zusammenstellung von Amateurvideos der Meteorfall eindrucksvoll dokumentiert. Ich persönlich betrachte das mit sehr gemischten Gefühlen: Einerseits bin ich auf Tiefste fasziniert und geradezu verzückt von der Schönheit und gleißenden Helligkeit der Feuerkugel; auf der anderen Seite bekomme ich eine Gänsehaut, wie allgegenwärtig die kosmische Gefahr für das Leben auf der Erde ist. Der 15. Februar demonstrierte uns, dass wir das sehr unterschätzen.

Vom Medienecho zur Medienflaute
Eigentlich sollte man meinen, dass sich Presse und Medien förmlich auf den Russland-Meteor stürzen. Nach Kinofilmen wie “Armageddon” und “Deep Impact” sind wir ja einigermaßen informiert über das Thema “Killerasteroiden”.
Umso erstaunter bin ich nun, wie schnell die Beinahkatastrophe aus den Medien verschwunden ist. Wenn man sich mal überlegt, wie groß der Medienkrawall um den vermeintlichen Möchtegern-Weltuntergangstag am 21. Dezember war – und nun hatten wir den Weltuntergang fast live und sogar fast an einem Freitag dem 13., aber die Medienaufmerksamkeit stirbt den leisen Tod der Unbeeindruckten. Manchmal kann man die Welt echt nicht verstehen.

Blogger-Kollege Florian Freistetter beklagt vollkommen zu Recht die Ignoranz der Medien zum Meteor von Russland. Es scheint ohnehin, als dass sich Internet und Blogosphäre viel mehr Gedanken um diese Beinahkatastrophe machen. KosmoLogger-Kollege Michael Khan gibt u. a. in seinem Blog “Go for Launch” fachlich qualifizierte Auskunft über das Meteor-Ereignis.

Wenigstens verebbt das Thema “Killer-Meteor” nicht überall. Während bei tagesschau.de nach einer Meldung schon wieder Ruhe einkehrt (und auch Begrifflichkeiten “Einschlag” usw. unglücklich verwendet wurden; richtig steht’s bei Michael Khan), berichten die SZ online und die FAZ online mit Artikelserien zum Thema in den letzten Tagen. Auch APOD bringt das Thema heute wieder in den Fokus und beschäftigt sich konstruktiv mit der Gefahrenabwehr mittels “Gravity Tractor”. Diese recht preisgünstige Methode mittels eines künstlichen Begleitobjekts den Killerkörper von der Kollisionsbahn zu bringen, würde uns bei ausreichend früher Vorwarnzeit das Leben retten können.
Ich werde dem Thema jedenfalls treu bleiben und das Ganze intensiv verfolgen, nicht zuletzt weil ich am 25. April in der Volkshochschule in Garching über “Killerasteroiden – Gefahr aus dem All” vortragen möchte. Dieser Termin war schon lange geplant, und es ist schon erstaunlich, wie schnell einen die Wirklichkeit manchmal einholen kann. 

Globale Anstrengungen in der Wissenschaft
Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass die Astronomen nicht untätig den kosmischen Gefahren gegenüberstehen. So gibt es sowohl bei der amerikanischen Weltraumbehörde NASA, als auch bei dem europäischen Pendant ESA Expertengruppen für NEOs (near-earth objects) und Konferenzen wie die Planetary Defence Conferences der ESA.

Beispielhaft sei auch das folgende Projekt erwähnt. Das Institute for Astronomy (IfA) der University of Hawaii betreut das Projekt Pan-STARRS. Dahinter verbirgt sich die mit 1,4 Gigapixel (1400 Megapixel) größte Digitalkamera der Welt, die selbst Iphone-Nutzer neidvoll erblassen lässt. Die Kombination aus großer Weitfeld-Kamera mit verhältnismäßig kleinem Spiegel gestattet es, den ganzen (von Hawaii aus sichtbaren) Himmel mehrfach im Monat Zeit zu scannen. Das ist ideal, um vagabundierende Kleinkörper und NEOs aufzuspüren und die verhängnisvollen Erdbahnkreuzer zu entlarven. Pan-STARRS wird abertausende davon entdecken und ihre Bahnparameter liefern. Zum Konsortium von Pan-STARRS gehören übrigens von deutscher Seite die Max-Planck-Institute für extraterrestrische Physik (MPE in Garching bei München) und für Astronomie (MPIA in Heidelberg). 

Dennoch sollten wir uns nicht zu sicher fühlen. Astronomen werden nicht alles entdecken können und eine gewisse Dunkelziffer – im wahrsten Sinne des Wortes – wird bleiben. Ein bisschen was haben wir den Dinos zwar voraus, aber das Leben an sich ist nun mal gefährlich und wird es bleiben. Mit der allgegenwärtigen Gefahr – von Killerasteroiden, Viren und Supervulkanen – müssen wir lernen zu leben.

Nationale und globale Anstrengungen in der Politik?
Tja, soll man den Politikern einen Vorwurf machen, dass nicht mit der gebotenen Vehemenz und dem finanziellen Ausstattungswillen für Abwehrprogramme reagiert wird, wenn selbst bei der Presse die erwartete Schnappatmung ausbleibt? Man muss.

An die Bedenkenträger, die den finanziellen Aufwand anführen sei gesagt: So teuer ist ein Abwehrprogramm nicht. Ein einzelner Satellit, der die Gravity-Tractor-Methode ausnutzt, käme uns billiger als das Weltraumteleskop Hubble. Multinational zu stemmen wäre demnach ein Leichtes. Sogar eine Armada von schützenden Satelliten wäre bezahlbar.
Schätzen wir mal kurz ab, was global für diese ganzen Telekommunikations- satelliten da draußen ausgegeben wird, so wäre eine doch durchaus lohnend, ein paar Milliönchen zu einem Killerasterioden-Schutzprogramm (KASP, TM von A. Müller) abzuzweigen. Wir würden uns damit erkaufen, noch ein paar Jährchen weiterhin über Promis, Bachelor und Pferdefleisch kommunizieren zu können.

Ich frage mich, was noch alles passieren muss, bis endlich ein multinationales Bemühen für die Abwehr von Erdbahnkreuzern sichtbar wird. Ein nationales Bemühen könnte das auslösen. Klar, das könnte von den “Weltraumeroberern und der Weltpolizei USA” ausgehen, aber würde es uns als hochentwickeltes, technologisch bestens ausgestattetes Deutschland nicht gut zu Gesicht stehen, wenn wir die Initiative vorantreiben?

Offenbar muss mehr passieren, als Scheibenklirren im fernen Russland. Nicht auszudenken, wenn ein nur etwas größerer Körper über dicht besiedeltem Gebiet niedergehen und nicht in der Atmosphäre explodieren würde. Eines steht fest: Die Natur würfelt, und es wird irgendwann passieren. Und wenn es passiert wird uns auch Bruce Willis nicht helfen können.

 

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Die Astronomie ist faszinierend und schön – und wichtig. Diese interdisziplinäre Naturwissenschaft finde ich so spannend, dass ich sie zu meinem Beruf gemacht habe. Ich bin promovierter Astrophysiker und befasse mich in meiner Forschungsarbeit vor allem mit Schwarzen Löchern und Allgemeiner Relativitätstheorie. Aktuell bin ich der Scientific Manager im Exzellenzcluster Universe der Technischen Universität München. In dieser Tätigkeit im Forschungsmanagement koordiniere ich die interdisziplinäre, physikalische Forschung in einem Institut mit dem Ziel, Ursprung und Entwicklung des Universums als Ganzes zu verstehen. Besonders wichtig war mir schon immer eine Vermittlung der astronomischen Erkenntnisse an eine breite Öffentlichkeit. Es macht einfach Spaß, die Faszination am Sternenhimmel und an den vielen erstaunlichen Dinge, die da oben geschehen, zu teilen. Daher schreibe ich Artikel (print, online) und Bücher, halte öffentliche Vorträge, besuche Schulen und veranstalte Lehrerfortbildungen zur Astronomie, Kosmologie und Relativitätstheorie. Ich schätze es sehr, in meinem Blog "Einsteins Kosmos" in den KosmoLogs auf aktuelle Ereignisse reagieren oder auch einfach meine Meinung abgeben zu können. Andreas Müller

6 Kommentare

  1. Ein Warnschuss … der falschen Art

    Also über mangelnde Medienberichterstattung über den Airburst von Chelyabinsk und die Folgen kann ich mich – als Verfasser dieses und danach dieses Live-Blogs wahrlich nicht beklagen … und tiefschürfende Essays zu den wünschenswerten Konsequenzen stehen auch längst Schlange (will sagen: habe sie noch gar nicht alle im Detail lesen können). Aber was hilft’s:

    Das Mini-Tunguska-Ereignis von 2013 war genau ein kosmischer Angriff einer Art, gegen die noch lange kein Kraut gewachsen sein wird. Erst zwei Stunden vor dem Impakt wäre das dunkle 17-Meter-Objekt überhaupt mit den größten Teleskopen mit großem Bildfeld zu erkennen gewesen – und im konkreten Fall selbst das nicht, weil der Körper aus Richtung der Sonne kam. Die Seltenheit solcher Zwischenfälle – sehr grob einmal pro Jahrhundert irgendwo auf dem Planeten, d.h. über bewohntem Gebiet nur alle paar tausend Jahre – rechtfertigt auch keine energischen Maßnahmen im Sinne von Kampfstationen im Weltraum o.ä.

    Noch viel rarer sind die potentiell tödlichen / ganze Landstriche verheerenden Impakte von Asteroiden der 50-Meter-Klasse aufwärts, mit denen höchstens einmal pro Jahrtausend irgendwo zu rechnen ist: Ihre möglichst vollständige Katalogisierung ist hier der beste Weg, um die Sicherheit der Menschheit zu erhöhen, und daran wird v.a. in den vergangenen zwei Jahrzehnten (der Impakt des Kometen SL9 auf dem Jupiter 1994 hatte eine große Weckruf-Wirkung) auch emsig gearbeitet.

    Bei den die Menschheit als Ganze bedrohenden Asteroiden von 1 km Durchmesser und mehr ist der damals seitens der (US-)Politik geforderte Katalog weitgehend komplett, und in Suchprogramme bis 100 m hinab – deren beste Strategien schon vor Jahren eruiert wurden – könnte in der Tat mehr investiert werden als die paar Millionen Dollar im Jahr weltweit (die überwiegend aus der Portokasse der USA stammen). Mehr Geld heißt hier schlicht bessere Teleskope – ggf. auch spezielle Satelliten-Observatorien – und damit eine schnellere Komplettierung des Katalogs; PANSTARRS kann sich leider nur ‘in Teilzeit’ und viel weniger effizient um die NEO-Suche kümmern als ein Spezialteleskop dafür.

    Über konkrete Lektionen und ggf. Konsequenzen aus dem Chelyabinsker Airburst wird derweil in Russland heftig debattiert (mit dem Rest der Welt als höchst interessiertem Zuschauer): Putin war jedenfalls not amused, dass das passieren konnte … Immerhin haben wir alle schon etwas Wichtiges gelernt: Wenn es eine richtig heftige terminale Explosion einer Feuerkugel am Himmel gab, dann sollte man danach nicht hinter einer Fensterscheibe stehen und staunend in den Himmel schauen. Hat sogar die UNO gestern auf einer Pressekonferenz in Wien nochmal betont …

  2. Hmtja…

    Man kann das alles – ich meine die Diskussionen um die globale Klimaänderung und die um die Abwehr der kosmischen Bedrohung durch Asteroide – man kann das alles ja auch als die Erörterung der Frage lesen, was die Menschheit sich in ihrem So und Jetzt selber wert sei.

    Zur Freude des Nihilsten: Offenbar nichts. Oder zumindest: Wenig.

  3. Keine Angst vor “ET” …

    Für den neuen Asteroiden-FERN-Besuch würde sich ohne die Steilvorlage durch Chelyabinsk, 2012 DA14 und Siding Spring vs. Mars kein Mensch interessieren – außer den Radarastronomen des JPL, die ihn bereits erfolgreich abgebildet haben; Bilder gibt’s in ein paar Tagen.

    Mit 100 m liegt er am unteren Rand jener Asteroidenklasse, die die nächste Generation von Suchprogrammen systematisch katalogisieren soll. Soo dringend ist das alles aber nicht – was man auch daran erkennt, dass eine anberaumte Sitzung des US-Kongresses zum Thema gerade abgesagt wurde. Wegen eines Scheesturms in Washington, DC …

  4. Volltreffer

    Ja, kein spektakuläres Ereignis, aber häufig genug in der Tagespresse kann sowas “andere” Leser verunsichern.
    Dafür habe ich skyweek (wieder)gefunden und unter Favoriten abgelegt – Danke.

  5. Es mag sein wohl das die Erde irgendwann und hoffentlich, nicht so schnell, Etwas abartiges damit erfasst oder sogar explodiert. In Prinzip, es ist jetzt das klima zeigt uns immer wieder negative Dieagnose, und sogar Zeichnen von Weltniedergang, oder Erdeentwecklung. Was später kann sein, ist noch nicht ganz klar. Ich bin einverstanden mit der neue Technologie, Ideen zum Verbesserung Menschenleben auf Erde, aber es muss nicht dei Erde selbst das Opfer sein.

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